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RefE des VRUG
A. Einleitung
Der vorliegende Entwurf[1] dient der Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828). Durch die Richtlinie soll zum Schutz von Verbrauchern[2] und zur Stärkung des Binnenmarktes die Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts verbessert und der Anwendungsbereich im Vergleich zur abgelösten Richtlinie 2009/22/EG erweitert werden. Durch die Richtlinie werden die bereits bestehenden europäischen Regelungen über Unterlassungsklagen zur Durchsetzung europäischen Verbraucherrechts nicht nur deutlich erweitert und harmonisiert, sondern die Mitgliedsstaaten zudem verpflichtet, mit der Abhilfeklage eine weitere Verbandsklageart vorzusehen.[3] Der Entwurf sieht dazu vor, die Regelungen zur Einführung der Abhilfeklage zusammen mit den bisher in der ZPO enthaltenen Regelungen über die Musterfeststellungsklage im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) als neuem Stammgesetz zu bündeln.[4]
Mit der Abhilfeklage können klageberechtigte Stellen künftig Leistungsansprüche[5] von Verbrauchern gegen Unternehmer geltend machen, wobei der Abhilfeantrag auch auf Leistung zugunsten nicht namentlich benannter Verbraucher gerichtet sein kann.
Dazu ist vorgesehen, dass bei erfolgreicher Klage ein Grundurteil ergeht, das die Haftung des verklagten Unternehmers „dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, Berechtigungsnachweise und für den Fall von Zahlungsansprüchen zugleich Parameter für die konkrete Berechnung der Verbraucheransprüche festlegen kann.“[6] Gelingt es dem verurteilten Unternehmer dann in der anschließenden Vergleichsphase nicht, die Erfüllung der Ansprüche selbst zu organisieren, bzw. eine gütliche Einigung über die Abwicklung des Rechtsstreits zu erreichen, ergeht ein Abhilfeendurteil, in dem Unternehmer bei Zahlungsansprüchen zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages verurteilt werden. Der kollektive Gesamtbetrag ist vom Unternehmer zu Händen eines vom Gericht noch zu bestellenden Sachwalters zu zahlen. Dieser verteilt den Betrag anschließend im sog. Umsetzungsverfahren an die berechtigten Verbraucher.[7]
B. Im Einzelnen
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die insolvenzrechtlichen Bezüge des geplanten Umsetzungsverfahrens im Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (VDuG-E).
1. § 23 VDuG-E – Bestellung des Sachwalters
a) § 23 Abs. 1 -3 VDuG-E
§ 23 Abs. 1 VDuG-E regelt, dass das Gericht einen Sachwalter bestellt, vor dessen Bestellung die Parteien des Abhilfeverfahrens zu seiner Person gehört werden sollen. Zum Sachwalter ist eine geeignete und von den Parteien unabhängige Person zu bestellen, wobei die Unabhängigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, dass die Person von einer Partei vorgeschlagen worden ist (Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist (Abs. 2 Satz 3 VDuG-E). Über seine Bestellung erhält der Sachwalter vom Gericht eine Urkunde, die er bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat (Abs. 3 VDuG-E).
Obwohl die Entwurfsbegründung darauf verweist, dass die Regelung des § 23 Abs. 2 VDuG Anlehnung an § 9 Abs. 1 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) nimmt[8], zeigen die Formulierungen im Hinblick auf die Geeignetheit und Unabhängigkeit des Sachwalters, zum Vorschlagsrecht, zur Bestellurkunde und das Amt des Sachwalters deutliche Bezüge zu § 56 InsO (Bestellung des Insolvenzverwalters).
Dies ist nicht verwunderlich, weil die SVertO häufig auf insolvenzrechtliche Regelungen Bezug nimmt.[9] Bereits das seerechtliche Verteilungsverfahren nach der SeeVertO war ein dem Konkurs- und dem Vergleichsverfahren nachgebildetes Verfahren.[10] Das deutsche Insolvenzrecht hat sich seit dem Inkrafttreten der SeeVertO deutlich fortentwickelt. Diese Fortentwicklung sollte der Entwurf des VDuG zwingend berücksichtigen.
Die Ausgestaltung der Bestimmungen zum Sachwalter zeigen, dass in bestimmten Formen kollektiver Verfahren regelmäßig und zu Recht auf das Berufsbild des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO zurückgegriffen wird.
aa) natürliche Person
Die Richtlinie[11] führt in den Erwägungsgründen aus, dass von Verbrauchern gefordert werden kann, „zur Erlangung individueller Abhilfe bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise sich bei der für die Durchsetzung der Abhilfeentscheidung zuständigen Einrichtung zu melden“[12].
Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass die „für die Durchsetzung der Abhilfegrundentscheidungen im Umsetzungsverfahren zuständige Stelle (…) die vom Gericht zu bestellende Sachwalterin oder der vom Gericht zu bestellende Sachwalter“[13] ist.
Zu Recht sollen ausweislich der Entwurfsbegründung[14] nur natürliche Personen als Sachwalter in Betracht kommen.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2016 die Entscheidung des Gesetzgebers bestätigt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nur natürliche Personen zum Insolvenzverwalter bestellt werden können:
„(…) Diese Beschränkung des Zugangs zum Beruf des Insolvenzverwalters dient dem Ziel der Sicherstellung einer effektiven gerichtlichen Aufsicht über den Insolvenzverwalter und damit einem hinreichenden legitimen Zweck. Es wird ein Beitrag zu einer funktionierenden Rechtspflege als einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut geleistet. (…)“[15]
„Die Bedeutung der Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter hat Vorwirkungen auch schon für das Bestellungsverfahren und macht bei der Auswahl eine besonders sorgfältige Prüfung der persönlichen und fachlichen Geeignetheit der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt erforderlich. Dies rechtfertigt ebenfalls durchgreifende Bedenken gegen die Zulassung juristischer Personen, weil die unverzichtbaren Eignungskriterien überwiegend an natürliche Personen gebunden sind. Die Geeignetheit der konkreten Person des Verwalters ist deshalb so wichtig, weil seine Entscheidungen und deren Folgen nur begrenzt korrigiert und gegebenenfalls kompensiert werden können. Zudem drohen bei nicht ordnungsgemäßer Amtsführung durch den Insolvenzverwalter nicht selten Vermögensschäden in beträchtlicher Höhe, die bisweilen sogar zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners oder einzelner Gläubiger führen können. Nur durch große Sorgfalt bei der Auswahl des Verwalters mit Blick auf dessen persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung kann das Insolvenzgericht der Verantwortung genügen, die es zur Vermeidung etwaiger Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters trifft.“[16]
bb) Eignung, Unabhängigkeit, Zulassung
(1) Eignung
Zu den Anforderungen an den zu bestellenden Sachwalter führt die Entwurfsbegründung aus:
„(…) Die Eignung ist vom Gericht unter Berücksichtigung des Umfangs, der Komplexität und der zu erwartenden Schwierigkeit des Umsetzungsverfahrens zu beurteilen. Als Sachwalter kommen beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer in Betracht. Wenn Umfang oder Komplexität des Umsetzungsverfahrens es erfordern, kommen Berufsträger in Betracht, die nicht nur über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen, sondern auch über entsprechend ausgestattete Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft. Insbesondere große Umsetzungsverfahren, bei denen eine Vielzahl von Einzelansprüchen zu prüfen ist, werden sich nur mit einem größeren Mitarbeiterstab und der nötigen technischen Ausstattung sachgerecht und in angemessener Zeit bewältigen lassen. In einfach gelagerten Umsetzungsverfahren kann hingegen eine Sachwalterin oder ein Sachwalter gewählt werden, die oder der eine überschaubare Zahl von Verbraucheransprüchen nicht nur schnell, sondern mit geringem finanziellen Aufwand abwickeln kann. (…).“[17]
Zu Recht verweist die Entwurfsbegründung darauf, dass als Sachwalter bei umfangreichen und komplexen Umsetzungsverfahren nur Berufsträger in Betracht kommen, die über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen.
Unklar bleibt jedoch, ob sich das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung auf den jeweiligen Beruf der in der Begründung angegeben Berufsgruppen bezieht oder nicht vielmehr auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten.
Einschlägige Erfahrungen mit der Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten dürften von den in der Entwurfsbegründung genannten Berufsgruppen regelmäßig nur Insolvenzverwalter aufweisen können.
Der Entwurf spricht im Zusammenhang mit der (persönlichen) Eignung auch das Erfordernis entsprechend ausgestatteter Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft an.
Eine angemessene Personal- und Technikausstattung für die Abwicklung von Massenverfahren dürfte ebenso (nur) bei Insolvenzverwaltern nach § 56 InsO und Sachwaltern nach § 274 InsO vorliegen. So sieht die Insolvenzordnung bereits heute die Vorhaltung elektronischer Gläubigerinformationssysteme vor (§ 5 Abs. 5 InsO), mittels derer den Gläubigern (und dem Gericht) maßgebliche Informationen zum Verfahren auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Diese Gläubigerinformationssysteme haben sich in den vergangenen Jahren vielfach auch in Verfahren mit weit mehr als 100.000 Beteiligten, in Einzelfällen sogar bei mehr als 1.000.000 Beteiligten, bewährt. Die Mitglieder des VID sind ferner den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung“ (GOI) verpflichtet, die unter Ziff. III.9 die Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (GIS) unabhängig von den in § 5 Abs. 5 InsO genannten Größenklassen von Verfahren vorsehen.[18] Eine entsprechende Verpflichtung sollte auch im VDuG-E gesetzlich verankert werden, um die Transparenz des Umsetzungsverfahrens zu erhöhen und für größtmögliche Barrierefreiheit auf Seiten der Beteiligten zu sorgen.
(2) Unabhängigkeit
Bestellvoraussetzung für den Sachwalter ist dessen Unabhängigkeit von den Parteien des Abhilfeverfahrens (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Parteien des Abhilfeverfahrens sind die klageberechtigte Stelle und der beklagte Unternehmer.[19] Die betroffenen Verbraucher selbst sind nicht Klagepartei.[20] Das Umsetzungsverfahren dient sodann der Erfüllung der berechtigten Ansprüche (namentlich noch nicht benannter) betroffener Verbraucher, die sich dem Abhilfeverfahren angeschlossen haben.[21]
Der vorgesehene Zuschnitt der Unabhängigkeit des Sachwalters von den Parteien des Abhilfeverfahrens ohne die Einbeziehung der betroffenen Verbraucher ist unzureichend. Beispielhaft sei darauf verwiesen, dass nach dem Entwurf keine Inhabilität anzunehmen wäre, wenn der Sachwalter in einem (früheren) Mandatsverhältnis zu (einer Vielzahl) betroffener Verbraucher steht, obwohl dies seine Entscheidungen im Verfahren unmittelbar beeinflussen könnte.
Im Insolvenzrecht wird der Begriff der Unabhängigkeit daher zu Recht weiter gefasst. Danach ist der Insolvenzverwalter eine von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige (natürliche) Person (§ 56 Abs. 1 InsO). Mögliche Interessenkollisionen[22] werden dabei bereits im Vorfeld vom Gericht beim Insolvenzverwalter erfragt. Dazu wird regelmäßig der vom Bundesarbeitskreis Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte (BAKinso) und dem VID entwickelte Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters genutzt.[23] Hier wird insbesondere auch auf § 138 InsO verwiesen, der den Kreis der nahestehenden Personen definiert und auch in diesem Zusammenhang zur weiteren Schärfung der Unabhängigkeit des Sachwalters herangezogen werden sollte. Sobald dem Sachwalter nahestehende Personen als Parteien des Abhilfeverfahrens oder als Verbraucher betroffen sind, sollte die Inhabilität gesetzlich vermutet werden. Die uneingeschränkte Unabhängigkeit des Sachwalters stärkt letztendlich vor allem auch das Vertrauen aller am Umsetzungsverfahren Beteiligten.
(3) Zulassung
Die gerichtlichen Aufgaben und Entscheidungen des Umsetzungsverfahrens sollen grundsätzlich von dem Oberlandesgericht wahrgenommen und getroffen werden, das über die Abhilfeklage entschieden hat (§ 22 VDuG).[24]
Der Entwurf enthält jedoch keine Ausführungen dazu, aus welchem „Pool“ die zuständigen Oberlandesgerichte den künftigen Sachwalter auszuwählen haben, insbesondere, ob hierzu eine bundesweite Übersicht/Liste der zur Sachwalterbestellung grundsätzlich geeigneten und zur Tätigkeit bereiten Personen vorgesehen ist. In die Bestellung von Amtsträgern in Insolvenzverfahren sind Oberlandesgerichte nicht eingebunden, so dass in aller Regel keine Erkenntnisse über den Kreis geeigneter Personen und persönliche Eignungsmerkmale vorliegen dürften.
Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) hat sich in Bezug auf die Vorausauswahl von Insolvenzverwaltern bereits im Beschluss vom 11.11.2021 dafür ausgesprochen, „dass eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine behördliche Stelle geführt werden sollte.“ Das BMJ(V) wurde zudem gebeten „einen Gesetzentwurf zur Schaffung einer zentralen, durch eine behördliche Stelle geführten Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter vorzulegen, und dabei auch die von der Arbeitsgruppe weiter erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen.“[25] Der Entwurf wird zeitnah erwartet.
Zum Hintergrund wurde im Beschluss der JuMiKo ausgeführt:
„(…) teilen die Einschätzung, dass die derzeitige Rechtslage, nach der es grundsätzlich der einzelnen Insolvenzrichterin oder dem einzelnen Insolvenzrichter obliegt, eine eigene Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter zu erstellen und zu pflegen, zu einem unbefriedigenden, durch Uneinheitlichkeit geprägten Zustand geführt hat. Die Justizministerinnen und Justizminister sehen insofern gesetzgeberischen Handlungsbedarf.“[26]
Es würde sich anbieten, das hier geplante bundesweite Verzeichnis um eine Kategorie für solche Berufsträger zu erweitern, die bereit sind auch oder ausschließlich als Sachwalter in Umsetzungsverfahren nach dem VDuG tätig zu werden. Zweitrangig ist dabei die Frage, ob das Verzeichnis durch eine behördliche oder eine andere Stelle geführt wird; entscheidend ist, dass es sich um eine einzige Stelle handelt, damit eine einheitliche Führung gewährleistet ist und die Gerichte sich für die Auswahl nur an eine Informationsquelle halten können.
cc) Berufshaftpflichtversicherung
„Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist.“ (§ 23 Abs. 2 Satz 3 VDuG-E).
Fraglich ist, ob eine reguläre Berufshaftpflichtversicherung der in der Entwurfsbegründung aufgezählten Berufsträger („Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer“) etwaige entstehende Haftungsschäden im Rahmen eines Umsetzungsverfahrens nach VDuG überhaupt absichert. So reicht etwa bei einem Insolvenzverwalter, der zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist, der Versicherungsschutz aus der anwaltlichen Pflichtversicherung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter i.d.R. nicht aus, da diverse Risiken der Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht abgedeckt sind.[27]
Der oben unter Ziff. B. 1. a) bb) (3) angesprochene Beschluss der JuMiKo vom 11.11.2021 verwies auf die Berücksichtigung der von einer zuvor eingesetzten Arbeitsgruppe dazu erzielten Ergebnisse.[28]
Die Arbeitsgruppe hatte zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Insolvenzverwaltern ausgeführt, dass “Die Bewerberin oder der Bewerber (…) über eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung verfügen [muß], welche die spezifischen Haftungsrisiken aus Insolvenzverwaltungen deckt. Die einheitliche Grunddeckungssumme der Versicherung muss sich am Durchschnitt der zu erwartenden Schäden in den Verfahren orientieren, für welche die Vorauswahlliste aufgestellt wird.“[29]
In den bereits erwähnten GOI des VID wird bereits heute der stets vorzuhaltende Mindestversicherungsschutz auf 2 Mio. € pro Versicherungsfall und 4 Mio. € Jahreshöchstleistung (zweifache Versicherungssumme für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres) festgeschrieben. Darüber hinaus wird der Verwalter angehalten, den Versicherungsschutz ständig zu überprüfen und bei besonderen Haftungsrisiken unverzüglich eine angemessene zusätzliche Versicherung für das einzelne Verfahren abzuschließen.[30]
Der Nachweis der Haftpflichtversicherung ist im Entwurf im Übrigen lediglich als „Kann“-Bestimmung formuliert. Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: „(…) Um die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers, aber auch die Interessen berechtigter Verbraucherinnen und Verbraucher zu wahren, kann es erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung verfügt, die einspringt, sollten im Laufe des Umsetzungsverfahrens Regressansprüche gegen die Sachwalterin oder den Sachwalter entstehen. Das Gericht kann von der Sachwalterin oder dem Sachwalter einen entsprechenden Nachweis verlangen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein großer Betrag zu verwalten und ein komplexes Umsetzungsverfahren durchzuführen ist.“[31]
An dieser Stelle bleibt zum einen unklar, ab welcher Summe („großer Betrag“) der Versicherungsnachweis zu führen ist, zum anderen sollte – schon um den Zweck der gesetzlichen Regelung im Regressfall[32] nicht zu gefährden – die Vorlage eines Versicherungsnachweises stets verpflichtend sein.[33]
dd) Amtsträger
Der Entwurf sieht vor, dass der Sachwalter seine Bestellungsurkunde „bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat“ (Abs. 3 Satz 2 VRUG-E), ordnet den Sachwalter mithin als Amtsträger ein. Die Entwurfsbegründung enthält dazu keine weiteren Ausführungen. Die Bestallungsurkunde dient lediglich dazu „sich im Umsetzungsverfahren gegenüber Dritten ausweisen zu können“.[34]
Von den in der Entwurfsbegründung beispielhaft genannten Berufen[35], die als Sachwalter in Betracht kommen, dürften neben anwaltlichen Berufsbetreuern und -pflegern lediglich Insolvenzverwalter regelmäßig als gerichtlich bestellte und vom Gericht überwachte Amtsträger tätig sein, wobei die Neutralitätspflicht und die regelmäßige Verwaltung großer Vermögen nirgends so ausgeprägt sein dürfte wie bei Amtsträgern in Insolvenzverfahren.
b) § 23 Abs. 4 VDuG-E
Der Entwurf sieht in § 23 Abs. 4 VDuG-E vor, dass ein Sachwalter von den Parteien aus denselben Gründen, die nach § 42 ZPO zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit berechtigen, abgelehnt werden kann. Auch ist eine Ablehnung wegen Ungeeignetheit möglich.
Unabhängig von den Gründen die zur Ablehnung eines Richters gemäß § 42 ZPO berechtigen, dürfte für eine Ablehnung des Sachwalters wegen fehlender Unabhängigkeit i.S.d. § 23 Abs. 2 VDuG-E zwingend die Kenntnis der Parteien hiervon notwendig sein. Es empfiehlt sich daher, den im Insolvenzrecht üblichen Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, der bspw. auch die Frage nach etwaig nahestehenden Personen[36] umfasst, auch im geplanten Umsetzungsverfahren zu etablieren. Etwaige unvollständige oder falsche Angaben des Sachwalters wären damit auch schriftlich festgehalten.
2. § 25 VDuG-E – Umsetzungsfonds
Der Umsetzungsfonds, den der Sachwalter verwaltet und über den er verfügt, ist vom Vermögen des Sachwalters getrennt zu führen (§ 25 Abs. 2 VDuG). Die Gelder, so die Entwurfsbegründung, können etwa auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto eingezahlt werden und der Sachwalter hat unmittelbare Verfügungsbefugnis, kann also das Konto selbst führen und auf die Gelder unmittelbar selbst zugreifen.[37]
Die Regelung ist unzureichend, da unklar ist, welche Art von Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist. So befasste sich der Bundesgerichtshof 2019 (IX ZR 47/18) mit den Pflichten des Kreditinstituts bei der Kontoführung in der Insolvenz. Ein wesentlicher Aspekt der Entscheidung betraf dabei die Art des vom Insolvenzverwalter bei der Bank geführten Kontos. Der BGH erklärte die Führung von Anderkonten (Vollrechts-Treuhandkonten) als Insolvenzkonten für unzulässig und stellte auf die Führung von Insolvenz-Sonderkonten ab.[38] Hierbei ist zum einen die Insolvenzsicherheit der auf den Sonderkonten geführten Vermögen von tragender Bedeutung; zum anderen ist bei einem amtsbezogenen Sonderkonto – anders als beim personenbezogenen Anderkonto – der unproblematische Zugriff durch einen etwaigen Amtsnachfolger gewährleistet.
3. § 27 VDuG-E – Aufgaben des Sachwalters
Im Hinblick auf die nachfolgend unter § 27 VDuG-E genannten Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters finden sich deutliche Parallelen zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO:
„ (…)
- er weist dem Gericht den Erhalt folgender Beträge nach:
- a) den Erhalt des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags und
- b) gegebenenfalls den Erhalt des kollektiven Gesamtbetrags sowie gegebenenfalls dessen Erhöhung,
- er kann vom Bundesamt für Justiz einen Auszug aus dem Verbandsklageregister verlangen, der die am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher sowie sämtliche Angaben ausweist, die im Verbandsklageregister zu den geltend gemachten Ansprüchen vermerkt sind,
- er prüft die Anspruchsberechtigung der am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher nach Maßgabe des Abhilfegrundurteils,
- er setzt den am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbrauchern, sofern er dies für erforderlich hält, eine Frist zur Vorlage der Berechtigungsnachweise,
- er kann im Einzelfall ergänzende Erklärungen der Verbraucher oder des Unternehmers verlangen und zu diesem Zwecke Fristen setzen,
- er kann nicht fristgerecht eingegangene Berechtigungsnachweise und Erklärungen zurückweisen, wenn er den betroffenen Verbraucher zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat,
- er stellt die Gesamthöhe der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher auf Zahlung in einem Auszahlungsplan zusammen,
- er informiert die Parteien, sofern der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Zahlungsansprüche aller angemeldeten Verbraucher ausreicht,
- er erfüllt berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung oder setzt dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Erfüllung berechtigter Ansprüche von Verbrauchern, die nicht auf Zahlung gerichtet sind, und sorgt für den Fall, dass nach dem Auszahlungsplan der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher ausreicht, für eine gleichmäßige Verteilung und
- er kann die Erfüllung geltend gemachter Ansprüche von Verbrauchern ganz oder teilweise ablehnen.“
Unklar ist jedoch, welche der genannten Aufgaben vom Sachwalter, insbesondere in Massenverfahren, höchstpersönlich auszuführen sind und welche er seinen Mitarbeitern, bzw. kostenpflichtig beauftragten Dritten übertragen kann. So kann der Sachwalter ausweislich der Entwurfsbegründung Dritte zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranziehen, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten.[39]
Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung (GOI) des VID sehen bereits heute vor, welche Aufgaben der Insolvenzverwalter zwingend persönlich wahrzunehmen hat, so u.a. grundlegende verfahrensleitende Entscheidungen zu treffen. [40]
4. § 30 VDuG-E – Gerichtliche Aufsicht; Zwangsmittel gegen den Sachwalter
§ 30 Abs. 3 VDuG-E sieht u.a. vor, dass das Gericht den Sachwalter aus wichtigem Grund entlassen kann. So etwa, „wenn sich erweist, dass die bestellte Person eine ordnungsgemäße Abwicklung des Umsetzungsverfahrens nicht gewährleistet oder für die Aufgabe ungeeignet ist.“[41]
An dieser Stelle sollte deutlicher werden, dass auch eine Entlassung wegen fehlender Unabhängigkeit des Sachwalters möglich ist. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO macht deutlich, dass der fehlenden Unabhängigkeit im Rahmen der Entlassungsgründe eine besondere Bedeutung zukommt.
5. § 31 VDuG-E – Haftung des Sachwalters
Ausweislich des Entwurfs hat der Sachwalter für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters einzustehen (§ 31 Satz 2 VDuG-E).
Verletzt er schuldhaft ihm nach dem VDuG obliegende Pflichten, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar dem Unternehmer, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Unternehmers bezweckt, und dem Verbraucher, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Verbrauchers bezweckt (§ 31 Satz 1 Nr. 1 und 2 VDuG-E).
Der Entwurfsbegründung ist zu entnehmen, dass sich die Regelung an § 60 Abs. 1 InsO anlehnt und den Unternehmer insbesondere davor schützen soll, dass der Sachwalter Auszahlungen an Verbraucher ohne ordnungsgemäße Prüfung der Berechtigung vornimmt; aber auch Verbraucher werden vor Pflichtverletzungen des Sachwalters geschützt.[42]
Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für die geschützten Personenkreise jedoch nur dann sichergestellt, wenn der Abschluss einer spezifischen Haftpflichtversicherung des Sachwalters in ausreichender Höhe zwingend vorgeschrieben ist (siehe oben unter Ziff. B. 1. a) cc)).
6. § 32 VDuG-E – Ansprüche des Sachwalters (Vergütung)
§ 32 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter Anspruch hat auf die Erstattung der Auslagen, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben begründet (Nr. 1), auf eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung (Nr. 2) und auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist (Nr.3).
a) Auslagen
„Zu den Auslagen“, so die Entwurfsbegründung, „gehören insbesondere auch Verbindlichkeiten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter im Rahmen ihrer oder seiner Befugnisse begründet. Verbindlichkeiten können beispielsweise in der Form entstehen, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter eine Dritte oder einen Dritten zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranzieht, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten. Dies können Aufgaben sein, die die Sachwalterin oder der Sachwalter nicht selbst erledigen kann, etwa die Einrichtung und das Betreiben eines Online-Portals, auf dem Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmte Berechtigungsnachweise hochladen können. Bei umfangreichen Umsetzungsverfahren mag es auch erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter in größerem Umfang Dritte zur Aufgabenerfüllung heranzieht, um eine zügige Abwicklung gewährleisten zu können.“[43]
„Erstattungsfähig sind dabei nur Auslagen, die der Sachwalterin oder dem Sachwalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben entstehen. Auslagen, die nicht diesem Zweck dienen, sind nicht erstattungsfähig. Dies gilt insbesondere für Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter begründet. Die Sachwalterin oder der Sachwalter ist gehalten, stets die Erforderlichkeit der Ausgaben zu bedenken und damit zugleich auch die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers an einer kostenangemessenen Abwicklung ausreichend zu berücksichtigen. Die Einschränkung schützt die Unternehmerin oder den Unternehmer davor, mit Kosten belastet zu werden, die zur Durchführung des Umsetzungsverfahren nicht erforderlich sind. Ist die Sachwalterin oder dem Sachwalter unsicher, ob eine konkret geplante Auslage erstattungsfähig wäre, steht es ihr oder ihm frei, das Gericht um Prüfung zu ersuchen. Dies bietet sich insbesondere an, bevor sie oder er eine hohe Verbindlichkeit eingeht.“[44]
Positiv ist zu bewerten, dass die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb von Online-Portalen als Auslagen erstattungsfähig sind. Unklar bleibt indes, wann eine „hohe“ Verbindlichkeit vorliegt und welcher Begründungsaufwand die „Erforderlichkeit“ der jeweiligen Auslage notwendig ist.
b) Vergütung
Der Entwurf spricht von einer „angemessenen Vergütung“ für die Geschäftsführung des Sachwalters.
Die Begründung führt dazu aus: „Die Regelung entspricht § 9 Absatz 6 SVertO. Die Höhe der Vergütung ist nicht genau beziffert. Die Angemessenheit ist vom Gericht anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Die Höhe kann beispielsweise nach der Qualifikation der Sachwalterin oder des Sachwalters, der Komplexität des Umsetzungsverfahrens und dem Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters variieren. Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung wird die Rechtsprechung herausbilden. Sind die geleisteten Stunden für die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens relevant, kann das Gericht einen angemessenen Stundensatz festlegen. In Umsetzungsverfahren, deren Aufwand in erster Linie aus der Bereitstellung von Online-Portalen und automatisierten Prüfverfahren besteht, kann aber eine Abrechnung nach Stundensätzen möglicherweise unangemessen erscheinen. Die für die Prüfung der einzureichenden Nachweise persönlich aufgewendete Zeit mag hier deutlich geringer sein. Dennoch bedarf es in solchen Fällen möglicherweise einer besonderen Qualifikation, um ein entsprechendes automatisiertes Prüfsystem überhaupt erst zu ermöglichen, oder die Verantwortlichkeit und das Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters sind schon aufgrund der Höhe des zu verteilenden kollektiven Gesamtbetrags besonders hoch.“[45]
Der Hinweis der Entwurfsbegründung, wonach die Rechtsprechung Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung herausbilden wird, begegnet erheblichen Bedenken. So ist nicht ansatzweise erkennbar, welche Vergütung der VDuG-Sachwalter für seine Tätigkeit erhält und ohne Vorgaben ist eine – anzustrebende – einheitliche Vergütungspraxis unterschiedlicher Gerichte schwer vorstellbar.
In Anbetracht der vorzuhaltenden technischen und personellen Ressourcen für das Umsetzungsverfahren ist dies für an der Sachwaltung interessierte Personen aus unternehmerischen Gründen kaum tragbar.
Die Entwurfsbegründung ist insoweit auch widersprüchlich, als dass sie zum einen auf die Regelung des § 9 Absatz 6 SVertO verweist, zum anderen auch die Möglichkeit von Stundensätzen vorsieht.
Die Abrechnung auf Basis eines (festgelegten) Stundensatzes birgt das Risiko, dass eine Vielzahl von Stunden zur Abrechnung gestellt wird, deren Erforderlichkeit von den Gerichten sowie vom Unternehmer im Rahmen der Schlussrechnung nur schwer zu überprüfen ist (§ 33 Satz 3 VDuG-E).
Im Insolvenzverfahren richtet sich die Vergütung des vom Gericht bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalters / Sachwalters nach der InsVV und wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet (vgl. §§ 1, 12 InsVV).
Auch der VDuG-Sachwalter ist im Umsetzungsverfahren nicht einzelnen Personen, sondern dem gemeinschaftlichen Interesse der Empfänger des zu verteilenden Gesamtbetrages verpflichtet. Die Vergütung des VDuG-Sachwalters sollte sich daher an der Vergütung der InsVV orientieren. Dies würde auch an frühere Vorbilder anknüpfen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 6 Satz 1 der Seerechtlichen Verteilungsordnung („Der Sachwalter kann aus der Haftungssumme eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung und die Erstattung angemessener barer Auslagen verlangen.“) entsprach dieser § 43 der damaligen Vergleichsordnung.[46]
Die Vergütung des Vergleichsverwalters (§ 43 der Vergleichsordnung) wurde grundsätzlich nach dem Aktivvermögen des Schuldners und lediglich in den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 3 der Vergütungsverordnung des Konkurs-/bzw. Vergleichsverwalters nach dem Gesamtbetrag der Vergleichsforderungen berechnet. Maßgeblich für die Berechnung der Vergütung waren dabei sog. Regelsätze.[47] Die Vergütung nach Regelsätzen bezugnehmend auf den Wert der Insolvenzmasse stellt, nachdem die Vergleichsordnung und die Konkursordnung 1999 von der Insolvenzordnung abgelöst wurden, noch heute den Grundsatz der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach der InsVV dar.
Auch finden sich in der neueren Rechtsprechung Hinweise, wonach eine Festsetzung der Vergütungshöhe des Sachwalters im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren in analoger Anwendung von § 2 InsVV erfolgte.[48]
c) Vorschuss
Der Sachwalter soll Anspruch auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung haben, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass ein Vorschuss „Vor allem in umfangreichen Umsetzungsverfahren, die über einen längeren Zeitraum laufen (…)“[49] verlangt werden kann.
Die Bezeichnung „längerer Zeitraum“ ist auslegungsbedürftig. Hier könnte sich eine Orientierung an § 9 Satz 2 InsVV empfehlen, wonach die Zustimmung zum Vorschuss erteilt werden soll, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden.“
d) Vergütungsantrag
§ 32 Abs. 2 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht auf Antrag des Sachwalters die Höhe der Auslagen, der Vergütung und des Vorschusses festsetzt. „Gegen den Beschluss steht dem Sachwalter und dem Unternehmer die Rechtsbeschwerde zu. § 567 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.“
Es erschließt sich nicht, weshalb auch der Vorschuss des Sachwalters vom Gericht festzusetzen ist. Dies dürfte nur in den Fällen sinnvoll sein, in denen der Vorschuss der endgültigen Vergütung angenähert ist oder diese übersteigt. An dieser Stelle sei nochmals darauf verwiesen, dass eine Abrechnung auf Basis von Stundenhonoraren die Planbarkeit der endgültigen Vergütung, mangels Kenntnis der zu erwartenden Stundenanzahl, für alle Beteiligten erschwert.
7. § 33 VDuG-E – Schlussrechnung
§ 33 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter dem Gericht bei Beendigung seines Amtes Schlussrechnung zu legen hat. Die Rechnung einschließlich der Belege muss spätestens einen Monat nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens elektronisch oder auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht werden (Nr. 1) und zur Einsicht des Unternehmers zur Verfügung stehen (Nr. 2). Das Gericht benachrichtigt den Unternehmer unverzüglich vom Eingang der Schlussrechnung. Der Unternehmer ist sodann berechtigt, Einwendungen gegen die Schlussrechnung zu erheben. Soweit binnen zwei Wochen nach der Benachrichtigung keine Einwendungen erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt.
Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:
„Die Regelung ist an § 9 Absatz 7 SVertO angelehnt. Die Schlussrechnung enthält eine Aufstellung aller der Sachwalterin oder dem Sachwalter durch die Aufgabenwahrnehmung im Umsetzungsverfahren entstandenen Kosten sowie die beanspruchte Vergütung. Die Schlussrechnung gibt Aufschluss über die Verwendung des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags, beispielsweise, weil Vorschüsse ausgezahlt worden sind, sowie noch ausstehende Forderungen der Sachwalterin oder des Sachwalters. (…) Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer Einwendungen gegen die Schlussrechnung, so hat das Gericht Gelegenheit, sich mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen, bevor es die Schlussrechnung und damit die geltend gemachten Kosten und die beanspruchte Vergütung billigt. Die vorgesehene Frist von zwei Wochen stellt einen zeitnahen Abschluss der Prüfung sicher. Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer keine Einwendungen, gilt die Schlussrechnung als anerkannt. Die Unternehmerin oder der Unternehmer erklärt dadurch konkludent, dass die Kostenaufstellung der Schlussrechnung korrekt ist und die darin aufgeführten Kosten zu tragen sind. Diese Fiktion entlastet das Gericht von einer weiteren Prüfungspflicht.“[50]
Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen. Insbesondere in Massenverfahren mit einer Vielzahl betroffener Verbraucher und entsprechenden Aktivitäten des Sachwalters sollte die Frist für den Unternehmer den Umständen angemessen sein und mindestens vier Wochen betragen.
8. § 36 VDuG-E – Feststellung der Beendigung des Umsetzungsverfahrens
§ 36 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht die Beendigung des Umsetzungsverfahrens feststellt. Der gerichtliche Beschluss enthält neben der endgültigen Festsetzung der Kosten des Umsetzungsverfahrens die Festsetzung eines vom Unternehmer noch an den Sachwalter zu zahlenden Kostenbetrags, wenn die Kosten des Umsetzungsverfahrens den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag übersteigen, sowie die Angabe, ob und in welcher Höhe ein Restbetrag verbleibt. Der Beschluss soll hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit einem Kostenfestsetzungsbeschluss gleichstehen. Der Sachwalter kann den vorgenannten Kostenzahlungsanspruch unmittelbar gegen den Unternehmer durchsetzen und aus dem Beschluss vollstrecken.
Die Regelung begegnet Bedenken in den Fällen, in denen der Unternehmer nach Bestellung und Aufnahme der Tätigkeit des Sachwalters insolvent wird. Auch die Entwurfsbegründung des § 38 VDuG-E zur Insolvenz des Unternehmers (siehe nachfolgend) führt aus: „Zahlungen der Unternehmerin oder des Unternehmers auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag werden hingegen nicht Teil der Sondermasse. Sie dienen als Teil der Insolvenzmasse zur Deckung des Mehraufwands, der mit der Verteilung der Sondermasse verbunden ist. [51]
Sollte der Sachwalter die Vergütung nicht insolvenzfest erwerben, steht zu befürchten, dass eine Übernahme des Amts deutlich an Attraktivität verliert. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages durchaus zu einem Insolvenzgrund führen kann. Daher würde sich eine Regelung wie in § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO anbieten, wonach u.a. die Kosten der Nachlasssicherung und einer Nachlasspflegschaft in einem Folge-Insolvenzverfahren über den Nachlass Masseverbindlichkeiten darstellen.
9. § 38 VDuG-E – Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers; Restrukturierung
§ 38 VDuG-E sieht Regelungen für den Fall des Insolvenzverfahrens, bzw. des Restrukturierungsverfahrens über das Vermögen des Unternehmers vor:
„(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers hindert die Durchführung des Umsetzungsverfahrens nicht. Auf Antrag des Sachwalters wird das Umsetzungsverfahren zwecks Klärung möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche auf Rückzahlung der nach § 24 gezahlten Beträge ausgesetzt oder, sofern nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und dieser nicht offensichtlich unbegründet ist, eingestellt.
(2) Wird das Verfahren nach Absatz 1 Satz 2 eingestellt, so sind alle nach § 24 erfolgten Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfallende Teil dieser Zahlungen bildet eine Sondermasse zur Befriedigung derjenigen Verbraucher, die im Rahmen des Umsetzungsverfahrens einen berechtigten Zahlungsanspruch gehabt hätten. Die Zahlungen des Unternehmers an den Sachwalter gelten als auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag (§ 18 Absatz 1 Nummer 4) und den kollektiven Gesamtbetrag (§ 18 Absatz 1 Nummer 1) in dem Verhältnis geleistet, in dem beide Beträge zueinander stehen.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn der Unternehmer zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die ihm nach § 24 obliegenden Zahlungen noch nicht vollständig geleistet hat.
(4) § 11 Absatz 3 gilt auch im Verhältnis zu allen Insolvenzgläubigern.
(5) Werden die in einem Abhilfegrundurteil ausgeurteilten Ansprüche in einen Restrukturierungsplan nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz einbezogen, so ist für die betroffenen Anspruchsinhaber im Restrukturierungsplan eine eigenständige Gruppe zu bilden. Die Abwicklung der durch den Plan gestalteten Verbraucherforderungen ist dem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen.“
Die Entwurfsbegründung führt zur geplanten Einführung des § 38 VDuG-E aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geeignet ist, die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens zu stören. Evident, so die Begründung weiter, sei dies in den Fällen, in denen die zur Eröffnung des Umsetzungsverfahrens nach § 24 VDuG-E erforderlichen Zahlungen an den Sachwalter noch nicht erfolgt sind.[52]
Der Entwurf unterscheidet zwei Fallgruppen:
Zum einen die Fälle, in denen die zur Eröffnung des Umsetzungsverfahrens nach § 24 VDuG-E erforderlichen Beträge bereits beim Sachwalter eingegangen sind. In diesen Fällen soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Durchführung des Umsetzungsverfahrens nicht hindern (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VDuG-E). Verbraucher sollen in diesen Fällen weiterhin in den Genuss der Erleichterungen kommen können, die das Umsetzungsverfahren bei der Durchsetzung ihrer Forderungen bietet.[53]
Zum anderen die Fälle, in denen es an einer vollständigen Einzahlung der nach § 24 erforderlichen Beträge fehlt. In diesen Fällen soll das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden. „Würden die Kosten des Verfahrens aus dem zur Verteilung an die Verbraucherinnen und
Verbraucher vorgesehenen kollektiven Gesamtbetrag entnommen, würde dies den zur Verteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung stehenden kollektiven Gesamtbetrag verringern. Daher soll bei unvollständiger Einzahlung der nach § 24 erforderlichen Beträge oder bei einer insolvenzanfechtungsbedingten Rückgewähr dieser Beträge das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden (Absätze 2 und 3).
Bereits auf den kollektiven Gesamtbetrag eingezahlte Beträge sollen an die Masse fließen, dort jedoch, soweit sie anfechtungsfest erfolgt sind, eine Sondermasse zur Befriedigung der Verbraucherinnen und Verbraucher bilden, die Ansprüche auf Zahlungen im Umsetzungsverfahren gehabt hätten (Absatz 2 Satz 2). Um bei Teilzahlungen den Anteil in rechtssicherer Weise bestimmen zu können, der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfällt, fingiert Absatz 2 Satz 3 eine anteilsmäßige Tilgung der Forderungen auf die Deckung der vorläufig festgesetzten Kosten und des kollektiven Gesamtbetrags.“[54],so dazu die Begründung.
Die Regelungen des § 38 VDuG-E finden in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild und gehen über diese hinaus. Aufgrund der geplanten weitreichenden Eingriffe und der Anwendung der neuen Regelungen bereits ab 25.06.2023 sollte eine übereilte Regelung dringend vermieden werden.
Nachfolgend soll anhand einiger – nicht abschließender – Beispiele auf Friktionen der geplanten Regelung hingewiesen werden:
- Die Bildung sog. Sondermassen bedeutet die Schaffung insolvenzrechtlicher Vorrechte. Der InsO-Gesetzgeber hat mit der Abschaffung der Konkursvorrechte jedoch eine Grundsatzentscheidung getroffen: „Die Konkursvorrechte beruhen auf keinem einleuchtenden Grundgedanken. Sie sind wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, und sie führen zu ungerechten Verfahrensergebnissen. (…) Auch ordnungspolitisch sind insolvenzspezifische Vorzugsstellungen nicht unbedenklich. (…) Mehr Verteilungsgerechtigkeit läßt sich dadurch herstellen, daß die Konkursvorrechte des § 61 Abs. 1 KO und vergleichbare Vorrechte in anderen gesetzlichen Vorschriften ersatzlos wegfallen.“ [55]
- Selbst wenn sich der Gesetzgeber entschließen sollte, ein insolvenzrechtliches Vorrecht für VDuG-Verbraucher einzuführen bleibt u.a. unklar,
- warum kleine Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt, für die Zwecke des VDuG Verbrauchern gleichgestellt werden sollen (§ 1 Abs. 2 VDuG-E). (Auch die umzusetzende Richtlinie[56] definiert als Verbraucher (lediglich) „(…) jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen“ (Art. 3 Nr. 1)).
- worin bei einer solchen Gestaltung der hier jedenfalls auch verfassungsrechtlich gebotene sachliche Differenzierungsgrund zu den sonstigen Gläubigern titulierter Forderungen im Insolvenzverfahren liegt. Auch die besondere soziale Motivation des Verbraucherschutzes rückt hier in den Hintergrund.
- Das Insolvenzanfechtungsrecht stellt eine Spezialmaterie dar, die zwingend entsprechende Expertise erfordert. Liegt diese nicht in der Person des Sachwalters selbst vor, ist damit zu rechnen, dass regelmäßig kostenintensive Gutachten beauftragt werden (müssen).
- Sofern § 38 Abs. 1 Satz 2 VDuG-E vorsieht, dass für den Fall, dass nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und nicht offensichtlich unbegründet ist, das Umsetzungsverfahren eingestellt wird, dürfte zum einen die sprachliche Regelung „nicht offensichtlich unbegründet“ einen redaktionellen Fehler darstellen.
Zum anderen würde die Regelung dazu führen, dass der Sachwalter dem Umsetzungsverfahren mit seiner Einschätzung „den Stecker ziehen“ kann, ohne dass über etwaige Anfechtungsansprüche gerichtlich entschieden wurde. Der Sachwalter müsste sich demnach entscheiden, entweder in die persönliche Haftung genommen zu werden, weil das Umsetzungsverfahren zu Unrecht eingestellt wird und die Gelder in die Insolvenzmasse fließen, oder einen Anfechtungsprozess des Insolvenzverwalters zu riskieren, der bei erfolgreichem Ausgang zur Rückgewähr der Gelder führt.
10. § 39 VDuG-E – Offene Verbraucheransprüche
„Hat der Sachwalter die Erfüllung eines vom Verbraucher geltend gemachten Anspruchs im Umsetzungsverfahren vollständig oder teilweise abgelehnt oder hat der Sachwalter einen Anspruch eines Verbrauchers bis zur Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht oder nur teilweise erfüllt, so kann der Verbraucher diesen Anspruch im Wege der Individualklage geltend machen.“
Ausweislich der Entwurfsbegründung dient die Regelung „(…) der Entlastung der Gerichte, an die Individualklagen adressiert werden. Eine Individualklage können Verbraucherinnen und Verbraucher auch erheben, wenn das Umsetzungsverfahren eingestellt worden ist. Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Die Individualklage ist nicht Teil des Abhilfe- oder Umsetzungsverfahrens.“
Die Regelung weicht von der insolvenzrechtlichen Regelung der §§ 180 ff. InsO deutlich ab und verweist betroffene Verbraucher auf einen vergleichsweise steinigen Weg. Ob dies aus Effizienzgründen sinnvoll ist, ist zumindest zweifelhaft.
11. § 44 VDuG E – Bekanntmachung von Angaben zu Verbandsklagen
Zu einer rechtshängigen Verbandsklage ist u.a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers öffentlich bekannt zu machen (§ 44 Nr. 14 VDuG-E).
Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen Verbraucher „auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers informiert werden (…). Denn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben sie die Möglichkeit, ihre noch nicht erfüllten Ansprüche im Insolvenzverfahren anzumelden. Dies gilt insbesondere für solche Ansprüche, die im Umsetzungsverfahren voraussichtlich nicht mehr erfüllt werden.“[57]
Um Friktionen zu vermeiden, sollte ein Gleichlauf analog mit den Informationen nach der InsBekV erfolgen.
C. Fazit
- Der Entwurf sieht zu Recht nur natürliche Personen für das Amt des Sachwalters vor und macht deutlich, dass insbesondere Insolvenzverwalter und Sachwalter (§ 274 InsO) aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen und ihrer technischen Ausstattung für die Tätigkeit des Sachwalters nach VDuG-E geeignet sind.
- Die Unabhängigkeit des Sachwalters ist maßgebliche Bestellvoraussetzung und sollte analog zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters inhaltlich klarer gefasst werden. Ferner sollte der Sachwalter verpflichtet sein, entsprechende Fragen zur Unabhängigkeit zu beantworten.
- Das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung des Sachwalters sollte sich zwingend (auch) auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten beziehen.
- Für Sachwalter sollte eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine einzige Stelle geführt werden.
- Der Sachwalter sollte stets verpflichtet sein, eine spezifische Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer noch festzulegenden Mindestversicherungssumme abzuschließen und dies dem Gericht nachzuweisen.
- Die Regelungen zur Kontoführung sollten Angaben dazu enthalten, welche Art von insolvenzfestem Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist.
- Es sollte klargestellt werden, welche Aufgaben der Sachwalter höchstpersönlich zu erfüllen hat und welche Aufgaben er seinen Mitarbeitern, bzw. Dritten (kostenpflichtig) übertragen kann.
- Der Sachwalter sollte verpflichtet werden, stets ein digitales Informationssystem entsprechend § 5 Abs. 5 InsO vorzuhalten und hierüber die Verfahrensbeteiligten zu informieren.
- Die Vergütung des Sachwalters sollte gesetzlich geregelt werden und sich an der Vergütung des Sachwalters und Insolvenzverwalters nach der InsVV orientieren.
- Im Hinblick auf die zeitliche Bestimmung zu der Frage, wann der Sachwalter Kostenvorschüsse fordern kann, sollte auf 9 Satz 2 InsVV Bezug genommen werden.
- Die Anforderungen an die Erforderlichkeit von Auslagen sollte weiter konkretisiert werden.
- Sollte der Sachwalter seine Vergütung(s-Vorschüsse) und erstatteten Auslagen nicht insolvenzfest erwerben können, steht zu befürchten, dass sich nur wenige Interessenten für das Amt des Sachwalters finden werden.
- Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen und sollte mindestens vier Wochen betragen.
- Die Regelungen des § 38 VDuG-E zur Insolvenz des Unternehmers finden in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild und gehen über diese hinaus. Aufgrund der geplanten weitreichenden Eingriffe und der Anwendung der neuen Regelungen bereits ab 25.06.2023 sollte eine übereilte Regelung dringend vermieden werden. Es empfiehlt sich eine eingehende Prüfung, ob die hier formulierten Regelungen nicht besser in der InsO[58] angesiedelt werden sollten.
Berlin, 03.03.2023
Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de
[1] Bearbeitungsstand 16.09.2022, 10:21 Uhr.
[2] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
[3] Begründung RefE, S. 1.
[4] Begründung RefE, S. 1, 64.
[5] Dabei können nicht nur Zahlungsanträge, sondern auch solche Anträge gestellt werden, mit denen die Verurteilung einer anderen Leistung angestrebt wird. (vgl. § 14 VDuG-E).
[6] Begründung RefE, S. 64.
[7] Begründung RefE, S. 82.
[8] Begründung RefE, S. 86.
[9] Siehe §§ 7 Abs. 2 Nr. 7, 9 Abs. 1 Satz 2, 18 Satz 3, 19 Abs. 3 Satz 2, 26 Abs. 2 Satz 4 SVertO.
[10] Vgl. auch Gesetzentwurf der Seerechtlichen Verteilungsordnung vom 27.05.1971, S. 15 (BT-Drs. VI/2226).
[11] Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).
[12] Erwägungsgrund 50 der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).
[13] Begründung RefE, S. 86.
[14] Begründung RefE, S. 86.
[15] 1 BvR 3102/13, Rz. 42, abrufbar unter: Bundesverfassungsgericht – Entscheidungen – Ausschluss juristischer Personen vom Amt des Insolvenzverwalters ist verfassungsgemäß .
[16] 1 BvR 3102/13, Rz. 50.
[17] Begründung RefE, S. 86.
[18] Siehe auch Entwurfsbegründung zu § 27 Nr. 3 VDuG-E, S. 89, wonach bei Umsetzungsverfahren größeren Umfangs die Einrichtung eines Online-Portals, über das Verbraucher die erforderlichen Nachweise elektronisch übermitteln können, angesprochen ist.
[19] Vgl. §§ 1 und 2 VDuG-E.
[20] Vgl. Begründung RefE, S. 69 zu § 2 VRUG-E.
[21] Vgl. Begründung RefE, S. 82; zum Personenkreis der betroffenen Verbraucher des Umsetzungsverfahrens vgl. § 23 VDuG-E.
[22] Nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 26.04.2012 (IX ZB 31/11) und Urteil vom 24.01.1991 (IX ZR 250/89), hat der Insolvenzverwalter von sich aus dem Gericht rechtzeitig einen Sachverhalt unmissverständlich anzuzeigen, der die Besorgnis ernsthaft rechtfertigt, dass er als befangen an der Amtsführung verhindert ist.
[23] Abrufbar bspw. unter Justiz Rheinland-Pfalz Fragebogen_zur_Unabhaengigkeit_des_Insolvenzverwalters.pdf (rlp.de), bzw. Fragebogen Unabhängigkeit – VID .
[24] Begründung RefE, S. 85.
[25] Vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021, abrufbar unter TOP-I_-6—Bericht-AG-Vorauswahlliste-Insolvenzverwalter.pdf (nrw.de).
[26] Vgl. Ziff. 2 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.
[27] Sinz in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl., § 60, Rz. 132.
[28] Vgl. Ziff. 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.
[29] Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“, dort S. 9 unter Ziff. 8, abrufbar unter Verwalterauswahl – BAKinso – Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V (bak-inso.de).
[30] GOI abrufbar unter: 1 (vid.de).
[31] Begründung RefE, S. 86 f.
[32] So sind für die Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen (vgl. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 VDuG-E).
[33] Im Bereich der Insolvenzverwaltung ist es schon heute üblich, bei besonderen Risiken eine Zusatzversicherung zur Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen.
[34] Begründung RefE, S. 87.
[35] Begründung RefE, S. 86.
[36] Zur Befangenheit des Richters bei nahen persönlichen oder geschäftlichen Beziehungen zu einzelnen Beteiligten siehe auch Zöller, ZPO-KO, 32. Aufl. 2018, § 42, Rz. 12 ff.
[37] Begründung RefE, S. 86.
[38] Ausführlich zur praktischen Ausgestaltung des Sonderkontos Saager/d’Avoine/Berg, ZIP 2019, 2041 ff.
[39] Begründung RefE, S. 84 f. zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).
[40] Vgl. Ziff. II.2. der GOI, abrufbar unter 1 (vid.de).
[41] Begründung RefE, S. 93.
[42] Begründung RefE, S. 93 f.
[43] Begründung RefE, S. 84 zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).
[44] Begründung RefE, S. 94.
[45] Begründung RefE, S. 94.
[46] Seerechtliche Verteilungsordnung, Gesetzesbegründung, BT-Drs. VI/2226 vom 27.05.1971, S. 19.
[47] Vergleichsordnung, 11. Auflage, Böhle-Stamschräder/Kilger, 1986, § 43, Ziffer 1 und 1b).
[48] Rheinschiffahrtsgericht Mannheim, Beschluss vom 27.047.2018, AZ 30 SRV 1/09 BSch, juris.
[49] Begründung RefE, S. 94.
[50] Begründung RefE, S. 94.
[51] Vgl. dazu auch die Entwurfsbegründung zu § 38 VDuG, S. 99f.
[52] Begründung RefE, S. 99.
[53] Begründung RefE, S. 99.
[54] Begründung RefE, S. 99.
[55] Vgl. Gesetzentwurf zur InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 81.
[56] Richtlinie ((EU) 2020/1828).
[57] Begründung RefE, S. 104.
[58] Zum Verweis auf die Vorschrift des § 20 Abs. 3 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung vgl. § 91 Abs. 2 InsO.
VID-Stellungnahme zum RefE eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik
I. Einleitung
Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die Möglichkeiten des Einsatzes von Videokonferenztechnik in den Verfahrensordnungen über die geltende Rechtslage hinaus erweitert[1] und dabei „einerseits den Gerichten ein möglichst großer Gestaltungsspielraum bei der Planung, Anordnung und Durchführung von Terminen per Bild- und Tonübertragung eingeräumt werden. Andererseits sollen die Antragsrechte der Parteien und ihrer Prozessvertreter auf Durchführung einer Videoverhandlung oder Aufzeichnung einer Beweisaufnahme gestärkt werden.“[2]Die bestehenden Regelungen sollen dabei flexibler und praxistauglicher gestaltet werden und den Rechtssuchenden den Zugang zur Justiz erleichtern.
Der VID begrüßt grundsätzlich die Bemühungen um eine weitere Digitalisierung der Verfahrensführung und hat bereits 2018 mit Blick auf mehr Barrierefreiheit und Teilhabe Vorschläge für die (weitere) Digitalisierung von Insolvenzverfahren unterbreitet.[3]
Mit der Erweiterung der Möglichkeiten des Einsatzes von Videokonferenztechnik erfolgt jedoch der zweite Schritt vor dem ersten. So fehlt es in Insolvenzverfahren bis heute an einer verpflichtenden[4] elektronischen Forderungsanmeldung, durch die sich der – gerade in Verfahren mit einer Vielzahl von Gläubigern – erhebliche Personal- und Kostenaufwand von Gerichten und Insolvenzverwaltern erheblich reduzieren ließe. So betrifft die Forderungsanmeldung jeden Gläubiger.
Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens, das als nicht-öffentliches Verfahren ausgestaltet ist und an dem unter Umständen eine Vielzahl von Gläubigern[5] beteiligt ist, werden im vorliegenden Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt.
II. Bisherige Rechtslage
Mit der Ergänzung des § 4 um Satz 2 InsO durch das SanInsFoG wurde in der vergangenen Legislaturperiode die bis dato umstrittene Frage der Zulässigkeit einer Teilnahme an Gläubigerversammlungen über Fernkommunikationsmittel geklärt und den Insolvenzgerichten die Möglichkeit eröffnet, auch in Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen dem Schuldner, den Gläubigern und sonstigen Teilnahmeberechtigten die Teilnahme ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung zu gestatten.[6]
Zuvor lautete die Regelung des § 4 InsO lediglich, dass für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten, soweit die InsO nichts anderes bestimmt (Satz 1).[7]
Durch die Verweisung auf § 128 a ZPO in § 4 Satz 2 InsO sollten sich weder für Insolvenzgerichte noch für die Teilnahmeberechtigten neue Verpflichtungen, sondern lediglich zusätzliche Optionen ergeben. So steht es bislang im Ermessen des Gerichts, ob es im Einzelfall die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme zulässt.[8]
Bei der Ermessensausübung des Gerichts, so die Gesetzesbegründung, „wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob dem Insolvenzgericht eine technische Ausstattung zur Verfügung steht, welche hinreichend zuverlässig arbeitet, Datenschutz- und Datensicherheitsbelangen Rechnung trägt, die effektive Leitung der Versammlung zulässt, die zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung sowie der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung sicherstellt und allen Teilnehmern eine effektive Ausübung ihrer Rechte einschließlich der Einsichtnahme in Unterlagen und Kommunikation mit dem Gericht und allen anderen Teilnehmern ermöglicht.“[9]
Eröffnet das Insolvenzgericht die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme im Einzelfall dem Grunde nach, steht es (auch) im Ermessen des Gerichts, „ob es diese Möglichkeit allen Teilnahmeberechtigten eröffnet oder auf einen sachgerecht abgegrenzten Teil von ihnen beschränkt (z. B. bei nachgewiesenen Einschränkungen der Reisefähigkeit oder bei besonders großer Entfernung zum Versammlungsort).“[10] Auch wenn das Insolvenzgericht den Teilnahmeberechtigten die virtuelle Teilnahme gestattet, haben diese weiterhin das Recht, persönlich im Versammlungssaal teilzunehmen.
Den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens wurde (lediglich) insoweit Rechnung getragen, als § 4 Satz 2 InsO regelt: „§ 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.“
Dass die Möglichkeiten der Insolvenzgerichte zur diesbezüglichen Überwachung eingeschränkt sind, war für den Gesetzgeber „kein tragfähiger Grund, die virtuelle Teilnahme an nichtöffentlichen Versammlungen und sonstigen Terminen gesetzlich auszuschließen, zumal die Anwendung von § 128a ZPO auch in anderen Fällen nichtöffentlicher Termine auch in anderen durchaus sensiblen Bereichen zulässig ist (…).“[11]
III. Exkurs: Europäische Entwicklungen
Bereits die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019 gab den Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren die Verfahrensparteien, die Verwalter und die Justiz- oder Verwaltungsbehörde auch in grenzüberschreitenden Situationen mindestens die Geltendmachung von Forderungen, die Einreichung von Restrukturierungs- oder Tilgungsplänen, die Mitteilungen an die Gläubiger und die Einlegung von Beanstandungen und Rechtsbehelfen elektronisch vornehmen können.[12]
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass auf europäischer Ebene verstärkt Anstrengungen unternommen werden, die Digitalisierung von Insolvenzverfahren – auch im Bereich des Einsatzes von Videokonferenztechnik – weiter voranzubringen.
Diese Anstrengungen sollen nachfolgend überblicksartig dargestellt werden:
- Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen, und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit vom 1. Dezember 2021 – COM (2021) 759 final
Der Anwendungsbereich des Verordnungsentwurfes[13] umfasst Videokonferenzen in Verfahren, die in den Anwendungsbereich der in den Anhängen I und II aufgeführten Rechtsakte fallen, oder in anderen Zivil- und Handelssachen, wenn sich eine der Parteien in einem anderen Mitgliedstaat aufhält (vgl. Art. 1 Abs. 2 VO-E). Die EuInsVO[14] ist im Anhang I unter Ziff. 9 genannt.[15]
Art. 7 des Verordnungsentwurfes regelt die Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie in Zivil- und Handelssachen:
„(1) Unbeschadet besonderer Bestimmungen über den Einsatz von Videokonferenzen oder anderen Fernkommunikationstechnologien in Verfahren nach den in Anhang I aufgeführten Rechtsakten und auf Antrag einer Partei eines in den Anwendungsbereich dieser Rechtsakte fallenden Verfahrens oder in anderen Zivil- und Handelssachen, wenn sich eine der Parteien in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, oder auf Antrag ihres gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters gestatten die zuständigen Behörden ihre Teilnahme an einer Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie, sofern
- a) diese Technologie verfügbar ist und
- b) die andere(n) Partei(en) die Möglichkeit erhielt(en), zum Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie eine Stellungnahme abzugeben.[16]
(2) Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie kann von der zuständigen Behörde abgelehnt werden, wenn die besonderen Umstände des Falles mit dem Einsatz dieser Technologie nicht vereinbar sind.
(3) Die zuständigen Behörden können die Teilnahme von Parteien an Anhörungen mittels Videokonferenz von Amts wegen gestatten, sofern alle Parteien die Möglichkeit haben, zum Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie eine Stellungnahme abzugeben.
(4) Vorbehaltlich dieser Verordnung unterliegt das Verfahren für die Beantragung und Durchführung einer Videokonferenz dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, der die Videokonferenz durchführt. (…)“ [17]
Der VID hat im Dezember 2022 zum Verordnungsentwurf ausführlich Stellung genommen.[18]
So stellte sich zum Verordnungsentwurf u.a. die Frage, was in der deutschen Sprachfassung aus insolvenzrechtlicher Perspektive unter einer „Teilnahme an einer Anhörung“ zu verstehen ist, da der Begriff unter Art. 2 VO-E (Begriffsbestimmungen) nicht definiert ist. Bedenken hatte der VID auch im Hinblick auf die geplante Regelung des Art. 7 Abs. 1 b) VO-E geäußert, der insbesondere in Massenverfahren kaum handhabbar sein dürfte.
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM (2022) 702 final)
Der am 07.12.2022 veröffentlichte Richtlinienvorschlag der Kommission zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts[19] sieht zur Arbeitsweise von Gläubigerausschüssen in Art. 63 Abs. 4 vor, dass die Mitgliedstaaten den Mitgliedern von Gläubigerausschüssen ermöglichen müssen, entweder persönlich oder auf elektronischem Weg an Sitzungen teilzunehmen und abzustimmen.[20]
Im nationalen Recht bestimmt der Gläubigerausschuss seine innere Organisation selbst[21] und kann – schon jetzt – in seiner Geschäftsordnung die Zulässigkeit von Ausschusssitzungen per Videokonferenz sowie einer dortigen Beschlussfassung vorsehen.[22]
Art. 40 des Richtlinienvorschlags sieht vor, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen[23] jegliche Kommunikation zwischen dem Gericht und dem Insolvenzverwalter (sofern bestellt) einerseits und den weiteren Verfahrensbeteiligten andererseits auf elektronischem Weg möglich sein soll, entsprechend Art. 28 der Richtlinie 2019/1023. Dies soll neben z. B. der Stellung von Anträgen sowie dem Forderungsanmeldungs- und -prüfungsverfahren offenbar auch Abstimmungen durch die Gläubiger erfassen, die zumindest in der Konstellation des Art. 54 Abs. 4 des Vorschlags – Entscheidung über zerschlagende oder betriebsübertragende Veräußerung des Vermögens – vorgesehen sind.
Die nationalen Bemühungen zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollten die europäischen Entwicklungen berücksichtigen, da diese nicht nur als Richtlinienvorschlag, sondern auch als Verordnungsentwurf formuliert sind.
Von den Mitgliedstaaten der EU nutzt zumindest die Insolvenzjustiz in Belgien bereits (landesweit einheitlich) eine sehr weit entwickelte und nutzerfreundliche Internetplattform, die eine Kommunikation unter den Verfahrensbeteiligten sowie weitgehend elektronische Verfahrensabwicklung ermöglicht.
Aus Singapur wird berichtet, dass Anhörungen in Insolvenzverfahren mit hunderten von Beteiligten erfolgreich per Videokonferenz abgehalten werden.
IV. Im Einzelnen
1. § 128 a ZPO-E (Videoverhandlung)
a) Verbindliche Anordnung (§ 128a Abs. 2 Satz 1 ZPO-E)
Kann das Gericht eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung bisher gemäß § 128 a Abs. 2 Satz 1 ZPO nur „gestatten“, soll dem Vorsitzenden mit § 128a Abs. 2 Satz 1 ZPO-E künftig die Möglichkeit gegeben werden, die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videoverhandlung verbindlich anzuordnen. „Die Anordnung wird im Regelfall gegenüber allen Verfahrensbeteiligten erfolgen, kann sich aber bei Vorliegen sachlicher Gründe auch auf einzelne oder mehrere Verfahrensbeteiligte beschränken (hybride Videoverhandlung).“[24]
Den bisherigen praktischen Unsicherheiten insbesondere in Bezug auf (gerichts-)organisatorische Aspekte, die daraus resultierten, dass es den Verfahrensbeteiligten bisher freistand, auch bei Terminierung einer Videoverhandlung im Sitzungszimmer zu erscheinen,[25] wurde teilweise Rechnung getragen. So wurde bislang aus insolvenzrichterlicher Perspektive kritisiert, dass, anders als bspw. bei Aktionärsversammlungen, im Insolvenzverfahren i.d.R. keine abschließenden Erkenntnisse des Insolvenzgerichts u. a. zur Gläubigeranzahl vorliegen und es in der Praxis zu signifikanten Erfahrungen mit zu großen oder zu kleinen Sälen kam. [26] Kritisiert wurde ferner, dass bei zwei getrennten Teilnehmerkreisen der verfahrensleitende Rechtspfleger seine Aufmerksamkeit nicht auf Saal und Bildschirm verteilen könne.[27]
b) Ermessensentscheidung (§ 128a Abs. 2 Satz 1 ZPO-E)
Die geplante Neufassung sieht vor, dass die Entscheidung zur Anordnung der Videoverhandlung im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden steht, wobei eine Zustimmung der Parteien nicht erforderlich ist. Die Entscheidung kann von Amts wegen oder auf Antrag eines oder mehrerer Verfahrensbeteiligter getroffen werden.
Zu Recht stellt der Entwurf darauf ab, dass sich die zu treffenden Ermessenentscheidung am Zweck der Videoverhandlung, d. h. der Ermöglichung einer nachhaltigen und effizienten Verfahrensführung, orientieren soll.[28] Die Entwurfsbegründung führt beispielhaft auf, in welchen Fällen die Videoverhandlung ungeeignet sein kann. An diesen Beispielen wird (erneut) deutlich, dass der Entwurf lediglich den zweiseitigen Austausch im Zivilprozess berücksichtigt. So könne eine Videoverhandlung bereits ungeeignet erscheinen, wenn schwierige Vergleichsverhandlungen zu erwarten seien.[29] Übertragen auf das Kollektivverfahren könnte der Vorsitzende eine Videoverhandlung danach bereits ablehnen, wenn eine kontroverse Gläubigerversammlung zu „befürchten“ wäre. Die Gläubigerversammlung bleibt im eröffneten Verfahren jedoch das zentrale Organ der insolvenzrechtlichen Selbstverwaltung der Gläubiger,[30] so dass es in Gläubigerversammlungen durchaus auch sehr lebendig zugehen kann. Sie entscheidet durch ihre Beschlüsse zum Teil über das Schicksal des Insolvenzverfahrens.[31]
c) Einschränkung des Entscheidungsermessens (§ 128a Abs. 2 Satz 2 ZPO-E)
Wenn die Parteien ihre Teilnahme per Bild- und Tonübertragung übereinstimmend beantragen, soll sie angeordnet werden (§ 128 a Abs. 2 ZPO-E). Das Gericht kann in diesen Fällen nur noch ausnahmsweise in den aus seiner Sicht ungeeigneten Fällen von einer Videoverhandlung absehen.[32] Ausweislich der Entwurfsbegründung bedeutet die „Soll-Vorschrift“, „dass den Ablehnungsgründen im Einzelfall ein so besonderes Gewicht zukommen muss, dass diese gegenüber den Gründen, die für eine Videoverhandlung sprechen, deutlich überwiegen.“[33]
Übereinstimmende Parteianträge dienen danach als starkes Indiz dafür, dass die Verhandlung grundsätzlich für eine Bild- und Tonübertragung geeignet ist. Diese Indizwirkung, die in einem zweiseitigen Prozessverhältnis bereits mit zwei übereinstimmenden Parteianträgen eintritt, kommt in Insolvenzverfahren jedoch unter Umständen – trotz Geeignetheit der Videoverhandlung – nicht ausreichend zum Tragen. In Verfahren mit mehreren bis hin zu einer großen Zahl von Verfahrensbeteiligten dürfte die virtuelle „Verhandlung“ häufig daran scheitern, dass nicht alle Verfahrensbeteiligten, bzw. potentiellen Versammlungsteilnehmer einen solchen Antrag stellen.
2. Teilnahme ausländischer Verfahrensbeteiligter
Der vorliegende Referentenentwurf führt zur Vereinbarkeit mit dem oben unter Ziff. III.1. vorgestellten Verordnungsentwurf aus, dass er lediglich Videoverhandlungen adressiert, bei denen sich alle Verfahrensbeteiligten im Inland aufhalten und die Videokonferenzzuschaltung von Verfahrensbeteiligten aus dem Ausland nicht Gegenstand des Entwurfs ist.[34]
Die Durchführung virtueller Gläubigerversammlungen dürfte aufgrund der dann ersparten Anreise jedoch insbesondere für ausländische Gläubiger von Interesse sein.
Nachdem der vorliegende Entwurf ausschließlich Videoverhandlungen adressiert, bei denen sich alle Verfahrensbeteiligten im Inland aufhalten,[35] bedarf es einer Klärung, ob und wie ausländischen Verfahrensbeteiligten eine virtuelle Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen ermöglicht werden kann.
IV. Besonderheiten des Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzverfahren folgt als Kollektiverfahren zwar vielen Vorgaben des Zivilprozesses, jedoch basieren die traditionellen Verfahrensmuster des Insolvenzverfahrens wesentlich auf Kommunikation und Interaktion der Beteiligten. Dieser Aspekt prägt das regelmäßig nur zweiseitige Austauschverhältnis eines Zivilprozesses nicht in gleicher Weise. Eine rein digitale Abbildung der Reaktionsmuster des Zivilprozesses genügt den Ansprüchen eines Kollektivverfahrens, insbesondere in Verfahren mit einer großen Zahl von Gläubigern, nicht.[36]
Die Erleichterung des Zugangs zur Justiz für die Gläubiger geht zudem nicht nur mit technischen Fragen einher, sondern auch mit der Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die digitale Verfahrensführung seitens der Gerichte personell leistbar ist.
Ergänzend zu den vorgenannten Ausführungen sollen die besonderen Anforderungen in Insolvenzverfahren[37] nachfolgend anhand einiger Beispiele dargestellt werden:
1. Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung
Nachdem der Gesetzgeber bereits mit der Einführung von § 4 Satz 2 InsO die virtuelle Teilnahme (auch) an nichtöffentlichen Versammlungen und Terminen als zulässig erachtete,[38] wurde die Frage der „(…) zuverlässige[n] Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung (…)“[39]der Teilnehmer bei der Ermessensausübung des Gerichts lediglich erwähnt, ohne jedoch eine weitere Ausgestaltung zu erfahren.
a) Identitätsprüfung
Auch im vorliegenden Entwurf finden sich nur bei der Schaffung der virtuellen Rechtsantragstelle (§ 129a ZPO-E) zur Frage der Identifizierung nähere Ausführungen. Dort heißt es, an „die Identifizierung der Antragsteller sollen keine höheren Anforderungen als bei einer physischen Rechtsantragstelle gestellt werden. Soweit sich Antragsstellende bei einer Antragsstellung vor Ort ausweisen müssen, wird ein Video-Ident-Verfahren als ausreichend angesehen, bei dem der Personalausweis zur Identifizierung über die Kamera für die Urkundsbeamtin oder den Urkundsbeamten sichtbar gemacht wird.“[40]
Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens als Kollektivverfahren wäre eine solche Identifizierung (erst) unmittelbar vor Beginn der virtuellen Gläubigerversammlung, bzw. eines Erörterungs- und Abstimmungstermins mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet und bei einer größeren Anzahl von Verfahrensbeteiligten auch praktisch kaum umsetzbar. Es bedarf daher einer Klärung der Frage, wie eine zuverlässige Identitätsprüfung zu erfolgen, d. h. wie sich der Teilnahmeberechtigte digital „auszuweisen“ hat.[41]
b) Prüfung der Teilnahmeberechtigung
Bevor sich jedoch die Frage nach der Identitätsprüfung vor dem eigentlichen Zutritt zur virtuellen Versammlung stellt, muss sichergestellt werden, dass nur diejenigen Teilnehmer die Zugangsdaten für die nicht-öffentliche Gläubigerversammlung erhalten, deren Teilnahmeberechtigung geprüft wurde.[42] Wer zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung berechtigt ist, regelt § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO.[43]
Eine Prüfung der Teilnahmeberechtigung muss – will man sie nicht in die virtuelle Sitzung selbst verlagern,[44] was bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen abzulehnen ist – daher vorgeschaltet erfolgen.
Zur Frage, wie und durch wen (Gericht, bzw. Insolvenzverwalter/Sachwalter) sie zu erfolgen hat, werden in der Literatur durchaus unterschiedliche Ansätze vertreten,[45] ebenso zur Versendung der Zugangsdaten.[46]
Notwendig ist an dieser Stelle eine gesetzliche Regelung, die die Anforderungen an eine zuverlässige Prüfung der Teilnahmeberechtigung konkretisiert.
2. Sicherstellung der Stimmrechte
Neben konkreten Anforderungen an eine zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung fehlt es an konkreten Vorgaben für die in der Gesetzesbegründung zum
SanInsFoG[47] angesprochene Sicherstellung der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung.[48] So bedarf es u. a. technischer Vorkehrungen, damit nur die stimmberechtigten Teilnehmer ihre Stimme zu einzelnen Gegenständen der Beschlussfassung abgeben können.[49]
3. Technische Störungen
Offen ist bislang, wie mit technischen Störungen umzugehen ist, die einerseits aus der Sphäre des Gerichts, andererseits aus der Sphäre der Teilnehmenden an virtuellen Gläubigerversammlungen, bzw. Erörterungs- und Abstimmungsterminen, resultieren.[50]
V. Fazit
1.
Die bloße Verweisung in § 4 Satz 2 InsO auf die zivilprozessrechtliche Norm des § 128a ZPO (Videoverhandlungen) ist unzureichend, um den Besonderheiten von Insolvenzverfahren Rechnung zu tragen.
2.
Für die virtuelle Durchführung von Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen bedarf es eigenständiger Regelungen in der Insolvenzordnung.
3.
Die Regelungen sollten – auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten – insbesondere zum Inhalt haben, wie eine zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung der Verfahrensbeteiligten bei einer Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen sichergestellt werden kann.
4.
Es ist zu gewährleisten, dass den Insolvenzgerichten die notwendige (Konferenz- und Abstimmungs-) Technik zur Verfügung steht, die den jeweils aktuellen Anforderungen an die Datensicherheit entspricht.
Berlin, 13.01.2023
Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de
[1] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 1, Ziff. B.
[2] Verbändeanschreiben vom 23.11.2022, S. 2.
[3]Vgl. VID-Eckpunktepapier „Insolvenzverfahren 4.0“ vom 11.07.2018, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2018/07/eckpunktepapier-insolvenzverfahren-4.0.pdf.
[4] Vgl. § 178 Abs. IV InsO („kann“).
[5] Dass Softwareanwendungen regelmäßig an ihre Grenzen stoßen, wenn diese nicht nur für den „Normalbetrieb“, sondern für eine Vielzahl von Anwendungen benötigt werden, zeigt sich bspw. beim e-Banking im Insolvenzbereich, wenn für jedes Verfahren ein eigenes Konto notwendig ist.
[6] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191.
[7] Jedoch wurde der Anwendungsbereich des § 128a ZPO für das Insolvenzverfahren (§ 4 InsO) bereits im Gesetzentwurf zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (BT-Drs. 17/1224 vom 24.03.2010, S. 1) angesprochen.
[8] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191.
[9] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191.
[10] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 192.
[11] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 192.
[12] Vgl. Art. 28 der RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1023; der ursprüngliche RL-Vorschlag ging noch darüber hinaus und sah vor, dass auch die Abstimmung über Restrukturierungspläne auf elektronischem Weg vorgenommen werden kann (vgl. Art. 28 d) des RL-Vorschlags COM(2016) 723 final)
[13] resource.html (europa.eu).
[14] Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren.
[15] Vgl. Anhang I zum Verordnungsentwurf, abrufbar unter: resource.html (europa.eu).
[16] Hervorhebungen durch die Verfasser.
[17] resource.html (europa.eu)
[18] Die Stellungnahmen des VID ist hier abrufbar: Anmerkungen-des-VID-zur-EU-Initiative-zur-elektr.-Forderungsanmeldung-Art.-53-EuInsVO.pdf.
[19] resource.html (europa.eu)
[20] Der VID wird sich in Kürze zum Richtlinienvorschlag umfangreich äußern. Stellungnahmen des Verbandes können grundsätzlich unter Stellungnahmen – VID eingesehen werden.
[21] Frind in HK-InsO, 9. Aufl., 2022, § 72, Rz. 6.
[22] Frind in HK-InsO, 9. Aufl., 2022, § 72, Rz. 8.
[23] Nach Erwägungsgrund 35 Satz 3 ausweitbar auf kleine und mittelgroße Unternehmen.
[24] Entwurfsbegründung, S. 35 (zu § 128a Abs. 2 Satz 1).
[25] Entwurfsbegründung, S. 35 (zu § 128a Abs. 2 Satz 1).
[26] Vgl. Frind in ZInsO 2020, 1743 ff. (1744).
[27] Vgl. Frind in ZInsO 2020, 1743 ff. (1749).
[28] Entwurfsbegründung, S. 35 (zu § 128a Abs. 2 Satz 1).
[29] Entwurfsbegründung, S. 35 (zu § 128a Abs. 2 Satz 1).
[30] Knof in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz. 1-4.
[31] Vgl. auch Pleister/Palenker in ZRI 2020, 245 ff. (247); zu den Aufgaben der Gläubigerversammlung vgl. Knof in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz. 13.
[32] Entwurfsbegründung, S. 36 (zu § 128a Abs. 2 Satz 2).
[33] Entwurfsbegründung, S. 36 (zu § 128a Abs. 2 Satz 2).
[34] Entwurfsbegründung, S. 26.
[35] „Die Videokonferenzzuschaltung von Verfahrensbeteiligten im Ausland, die grundsätzlich die territoriale Souveränität des ausländischen Staates berührt und daher nur im Rahmen der Rechtshilfe möglich ist, ist nicht Gegenstand dieses Entwurfs.“, so die Entwurfsbegründung weiter (S. 26).
[36] Niering/Bergner in FS für Godehard Kayser, RWS-Verlag, 2019, S. 613 (615f.)
[37] Zu rechtlichen Einzelfragen bei virtuellen Gläubigerversammlungen Preuß in ZIP 2020, 1533 ff.
[38] Siehe S. 1 unter Ziff. II.
[39] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191; Hervorhebungen durch die Verfasser.
[40] Entwurfsbegründung, S. 42 (und 24).
[41] Vgl. auch Preuß in ZIP 2020, 1533 ff. (1537).
[42] Rüther in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 67.
[43] Zu etwaig weiteren Teilnahmeberechtigten (z.B. Beistände, Vertreter, Presse etc.) siehe Knof in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz.6 und 8; zur Problematik „spontan“ teilnehmender Gläubiger u.a. Frind in ZInsO 2020, 173 ff. (1745 f.)
[44] Vgl. auch Preuß in ZIP 2020, 1533 ff. (1537).
[45] Pleister/Palenker, ZRI 2020, 245 ff. (252 ff.), Kollbach in INDat Report, 04_2020, S. 13 ff. (19), Horstkotte in ZInsO 2020, 1820 ff. (1822), Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2020, 1285 ff. (1287), grds. kritisch zum „Akkreditierungsverfahren“ Frind in ZInsO 2020, 1743 ff. (1745 f.).
[46] Denkhaus in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 29, Rz. 4; Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2020, 1285 ff. (1287).
[47] BT-Drs. 19/24181, S. 191.
[48] Vgl. BGH 17.12.2020 – IX ZB 38/18. Zu den Herausforderungen bei Stimmrechtsfestsetzungen in virtuellen Gläubigerversammlungen vgl. Frind in ZInsO 2020, 1749 ff.
[49] Rüther in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 67.
[50] Zu den Einzelheiten möglicher technischer Störungen vgl. Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2020, 1285 ff. (1288).
Anmerkungen des VID zur EU-Initiative zur elektronischen Forderungsanmeldung (Art. 53 EuInsVO)
Der aktuelle Stand der Digitalisierung von Insolvenzverfahren zeigt, dass nach wie vor Defizite im Hinblick auf die bereits bestehenden elektronischen Kommunikationswege zwischen den Verfahrensbeteiligten (technische Störungen bei beA, bzw. noch im Aufbau befindliches eBO), aber auch bezüglich der nur eingeschränkten Forderungsanmeldung in digitaler Form bestehen. Hier gilt es, die Digitalisierung auf nationaler Ebene voranzubringen, bevor, europäisch indiziert, die Anbindung an einen weiteren Kommunikationskanal diskutiert wird.
I. Einleitung
Im Rahmen der Verhandlungen über den Entwurf einer Verordnung[1] des Europäischen Parlaments und des Rates über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen, und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit vom 1. Dezember 2021 – COM (2021) 759 final – „drängt die Europäischen Kommission darauf, Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter als „zuständige Behörden“ in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen, soweit es die grenzüberschreitende Forderungsanmeldung betrifft. Folge wäre, dass Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter grenzüberschreitende Forderungsanmeldungen zwingend auch über das e-CODEX-System entgegennehmen müssten, was ihren Zugang zu diesem System voraussetzen würde. Dabei drängt sich die Frage auf, wie eine solche Zugangsgewährung aussehen würde und mit welchem technischen und administrativen Aufwand die Anbindung der Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter an dieses System verbunden wäre. Die Folgenabschätzung vom 1. Dezember 2021 äußert sich hierzu nicht (…).“[2]
Die nachfolgenden Anmerkungen sprechen die in diesem Zusammenhang zu klärenden Fragestellungen an.
II. Überblick
Der Anwendungsbereich des Verordnungsentwurfes[3] umfasst gemäß Art. 1 Abs. 2 VO-E
- die elektronische Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden im Zusammenhang mit den in Anhang I und Anhang II aufgeführten Rechtsakten,
- die elektronische Kommunikation zwischen natürlichen oder juristischen Personen und zuständigen Behörden sowie die elektronische Zahlung von Gebühren in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen im Zusammenhang mit den in Anhang I aufgeführten Rechtsakten, und
- Videokonferenzen in Verfahren, die in den Anwendungsbereich der in den Anhängen I und II aufgeführten Rechtsakte fallen, oder in anderen Zivil- und Handelssachen, wenn sich eine der Parteien in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.
Im Anhang I des Verordnungsentwurfes (Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen) findet sich unter Ziff. 9 die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO).[4]
Unter Kapitel VII (Änderungen von Rechtsakten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen) weist der Verordnungsentwurf unter Artikel 22 die geplanten Änderungen der EuInsVO wie folgt aus:
„1. Artikel 42 Absatz 3 erster Satz erhält folgende Fassung: „Die Zusammenarbeit im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels erfolgt gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU)…/… [diese Verordnung]*.“
- Artikel 53 erhält folgende Fassung:
„Artikel 53 Recht auf Forderungsanmeldung
Jeder ausländische Gläubiger kann sich zur Anmeldung seiner Forderungen in dem Insolvenzverfahren aller Kommunikationsmittel, die nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zulässig sind, oder elektronischer Kommunikationsmittel nach Artikel 5 der Verordnung (EU) …/… [diese Verordnung] bedienen.
Allein für die Anmeldung einer Forderung ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand nicht zwingend.“
- Artikel 57 Absatz 3 erster Satz erhält folgende Fassung:
„Die Zusammenarbeit im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels erfolgt gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU)…/… [diese Verordnung]*.“[5]
Ziff. 1 und 3 des Art. 22 VO-E betreffen mit Art. 42 und 57 EuInsVO die Zusammenarbeit und Kommunikation der Gerichte, die ausweislich Art. 3 des Verordnungsentwurfes künftig über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System erfolgen soll.[6]
III. Im Einzelnen
1. Insolvenzverwalter als zuständige Behörden i.S.d. Art. 2 Nr. 1 VO-E
Der Verordnungsentwurf definiert als „zuständige Behörden“ Gerichte, Staatsanwälte, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union sowie andere Behörden, die sich gemäß den Be-stimmungen der in den Anhängen I und II aufgeführten Rechtsakte an Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit beteiligen.[7]
Der Insolvenzverwalter findet sich in der Definition des Art. 2 Nr. 1 VO-E nicht, soll jedoch durch die geplante Änderung des Art. 53 EuInsVO in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen werden. Die Einbindung des Sachwalters bleibt unerwähnt, wäre aber zwingend: Nur wenn alle Stellen[8], bei denen in Insolvenzverfahren[9] Forderungen angemeldet werden können, einbezogen werden, erreicht die beabsichtigte Regelung ihren Zweck.
Unabhängig vom nationalen Verständnis der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, der kein öffentliches Amt ausübt[10] und in nationalem Sinn auch nicht als Behörde definiert wird, soll auf Folgendes hingewiesen werden:
a) Weiter Anwendungsbereich?
Es erschließt sich nicht, weshalb der Insolvenzverwalter nur (dann) als „zuständige Behörde“ in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen werden soll, wenn grenzüberschreitende Forderungsanmeldungen betroffen sind. Der Verordnungsentwurf selbst sieht vor, dass eine elektronische Kommunikation nicht nur zwischen natürlichen oder juristischen Personen und zuständigen Behörden (Art. 1 Abs. 2b) VO-E), sondern auch zwischen zuständigen Behörden untereinander (Art. 1 Abs. 2a) VO-E) stattfinden soll.
- Es stellt sich daher die Frage, ob bei einer Einbeziehung der EuInsVO als Anhang I des vorliegenden Verordnungsentwurfs nicht nur die weitere Kommunikation mit den Gläubigern, sondern auch die Kommunikation des Insolvenzverwalters mit dem (ausländ.) Gericht bzw. der Insolvenzverwalter untereinander, von einer Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation umfasst wird.
Sollte die Subsumtion des Insolvenzverwalters unter den Behördenbegriff des Art. 2 Nr. 1 VO-E zu einem weiten Anwendungsbereich im vorgenannten Umfang führen, wären Aufwand und Umfang der Anbindung der Insolvenzverwalter an das e-CODEX-System weitaus schwieriger zu beurteilen als nur im Rahmen der Forderungsanmeldung.
b) Störung des dezentralen IT-Systems
Ergänzend müsste bei einem weiten Anwendungsbereich geklärt werden, was im Fall der Störung des dezentralen IT-Systems bei der Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden als ausreichend geeignetes alternatives Kommunikationsmittel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 VO-E in Betracht kommen soll.[11]
c) Anhörung mittels Videokonferenz
Art. 7 VO-E regelt die Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie in Zivil- und Handelssachen.
Dazu heißt es in Art. 7 VO-E:
„(1) Unbeschadet besonderer Bestimmungen über den Einsatz von Videokonferenzen oder anderen Fernkommunikationstechnologien in Verfahren nach den in Anhang I aufgeführten Rechtsakten und auf Antrag einer Partei eines in den Anwendungsbereich dieser Rechtsakte fallenden Verfahrens oder in anderen Zivil- und Handelssachen, wenn sich eine der Parteien in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, oder auf Antrag ihres gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters gestatten die zuständigen Behörden ihre Teilnahme an einer Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie, sofern
- a) diese Technologie verfügbar ist und
b) die andere(n) Partei(en) die Möglichkeit erhielt(en), zum Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie eine Stellungnahme abzugeben.
(2) Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie kann von der zuständigen Behörde abgelehnt werden, wenn die besonderen Umstände des Falles mit dem Einsatz dieser Technologie nicht vereinbar sind.
(3) Die zuständigen Behörden können die Teilnahme von Parteien an Anhörungen mittels Videokonferenz von Amts wegen gestatten, sofern alle Parteien die Möglichkeit haben, zum Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie eine Stellungnahme abzugeben.
(4) Vorbehaltlich dieser Verordnung unterliegt das Verfahren für die Beantragung und Durchführung einer Videokonferenz dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, der die Videokonferenz durchführt.
(5)(…)“[12]
Es stellt sich die Frage, was in der deutschen Sprachfassung unter einer „Teilnahme an einer Anhörung“ zu verstehen ist. Der Begriff ist unter Art. 2 VO-E (Begriffsbestimmungen) nicht definiert.[13]
Auch stünde eine Gestattung der Teilnahme an einer „Anhörung“ mittels Videokonferenz nach nationalem Recht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
So gelten im nationalen Recht die Vorschriften der ZPO gem. § 4 Satz 1 InsO entsprechend, soweit die InsO selbst nichts anderes bestimmt. § 128a ZPO (Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung) gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können. (§ 4 Satz 2 InsO). Die Maßnahmen des § 128a ZPO stehen dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („ (…) kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten (…)“.
Auch die geplante Neuregelung des § 128a ZPO (Videoverhandlung) im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom 23.11.2022 sieht vor, dass die Entscheidung zur Anordnung der Videoverhandlung im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden steht. Die zu treffende Ermessensentscheidung soll sich dabei am Zweck der Videoverhandlung, d.h. der Ermöglichung einer nachhaltigen und effizienten Verfahrensführung, orientieren.[14]
Gemäß § 128 a Abs. 2 ZPO-E kann der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild und Tonübertragung für einen, mehrere oder
sämtliche Verfahrensbeteiligte anordnen. Wenn die Parteien ihre Teilnahme per Bild- und Tonübertragung übereinstimmend beantragen, soll diese angeordnet werden.
Sofern im Übrigen die Gestattung der Teilnahme an einer Anhörung mittels Videokonferenz gemäß Art. 7 Abs. 1b) VO-E davon abhängt, dass „die andere(n) Partei(en) die Möglichkeit erhielt(en), zum Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie eine Stellungnahme abzugeben.“, dürfte dies insbesondere in Massenverfahren kaum handhabbar sein.
d) Datenschutz
Die Frage des Anwendungsbereiches ist auch aus datenschutzrechtlicher Sicht bedeutsam.
So regelt Art. 15 Abs. 1 VO-E, dass die zuständige Behörde im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die über das dezentrale IT-System übermittelt oder empfangen werden, als Verantwortlicher im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679, der Verordnung (EU) 2018/1725 oder der Richtlinie (EU) 2016/680 gilt.
Nach Art. 15 Abs. 2 VO-E gilt dagegen die Kommission im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den europäischen elektronischen Zugangspunkt als Verantwortlicher im Sinne der Verordnung (EU) 2018/1725.
Bei einem weiten Anwendungsbereich, der nicht nur die elektronische Forderungsanmeldung ausländischer Gläubiger umfasst, bestünden mithin bei der Kommunikation der Insolvenzverwalters mit dem (ausländ.) Gericht, bzw. (ausländ.) Kollegen und derjenigen mit ausländischen Gläubigern Unterschiede bei der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit und mithin auch der Haftung für diese.
2. Elektronische Kommunikation natürlicher und juristischer Personen mit Behörden, Art. 4, 5 und 6 VO-E
a) Europäischer elektronischer Zugangspunkt (Art. 4 VO-E)
Im Hinblick auf die Kommunikation zwischen natürlichen und juristischen Personen und zuständigen Behörden in Zivil- und Handelssachen sieht Art. 4 des Verordnungsentwurfes die Einrichtung eines europäischen elektronischen Zugangspunkts auf dem Europäischen Justizportal vor, der in Fällen, die in den Anwendungsbereich der in Anhang I aufgeführten Rechtsakte fallen, für die elektronische Kommunikation zwischen natürlichen oder juristischen Personen und zuständigen Behörden zu nutzen ist (Art. 4 Abs. 1 VO-E). Dieser Zugangspunkt ermöglicht natürlichen und juristischen Personen, Anträge einzureichen, Ersuchen in die Wege zu leiten, verfahrensrelevante Informationen zu übermitteln und zu empfangen und mit den zuständigen Behörden zu kommunizieren (Abs. 3).“[15]
Beim europäischen elektronischen Zugangspunkt handelt es sich um einen interoperablen Zugangspunkt im Rahmen des dezentralen IT-Systems, der natürlichen und juristischen Personen in der gesamten Union zugänglich ist (Art. 2 Nr. 5 VO-E).
Die Möglichkeit einer rechtssicheren elektronischen Forderungsanmeldung ausländischer Gläubiger ist grundsätzlich zu begrüßen. Bereits heute wird e-CODEX bei der europaweiten Verknüpfung der Handelsregister (BRIS=Business Register Interconnection System) und (partiell) bei der elektronischen Abwicklung des europäischen Mahnverfahrens genutzt.[16]
Zur Verfahrensweise der Nutzung des e-CODEX-Systems wird länderseits ausgeführt:
„Die zuständigen Behörden sollen dabei über ein dezentrales IT-System unter Verwendung des e-CODEX-Systems (e-Justice Communication via Online Data Exchange) kommunizieren. Bei diesem wird die Interoperabilität zwischen unterschiedlich ausgestalteten nationalstaatlichen IT-Lösungen über nationale Konnektoren hergestellt. Zwischen den Konnektoren, die über Gateways verbunden werden, gelten die einheitlichen e-CODEX-Standards. Alle Konnektoren sprechen damit untereinander dieselbe „Sprache“. Der einzelne Konnektor übersetzt dann in seine „Landessprache“, also in die auf nationaler Ebene geltenden IT-Standards für die Übermittlung von Dokumenten und Daten. Auf diese Weise wird ein europaweiter Datenaustausch ermöglicht, ohne die auf nationaler Ebene bereits bestehenden IT-Anwendungen infrage zu stellen.
Soweit e-CODEX als europäisches Transportverfahren für den elektronischen Rechtsverkehr genutzt wird, kann die Anbindung an den deutschen elektronischen Rechtsverkehr über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) erfolgen.“[17]
Hinter dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach EGVP steht eine elektronische Kommunikationsinfrastruktur zwischen authentifizierten Teilnehmern, mittels derer verschlüsselt Dokumente und Akten übertragen werden.
Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) und das besondere elektronische Notarpostfach (beN) sind bereits seit einiger Zeit Teil der EGVP-Infrastruktur.[18]
Art. 5 Abs. 1 VO-E sieht neben der Kommunikation über den europäischen elektronischen Zugangspunkt die Kommunikation über nationale IT-Portale (sofern diese verfügbar sind) im Übrigen ausdrücklich vor.
aa) Nutzung der EGVP-Infrastruktur
Unterstellt, dass eine Anbindung an den nationalen elektronischen Rechtsverkehr via EGVP erfolgen kann, stellen sich folgende Fragen:
- Mit welchem der gesetzlich eingeführten elektronischen Postfächer (beA, eBO, beN und ab 2023 auch beSt) soll der Insolvenzverwalter verpflichtend am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen?
Bereits jetzt ist streitig, ob die Kommunikation via beA für den (anwaltlichen) Insolvenzverwalter verpflichtend ist (§ 130d ZPO).[19]
Auch blieb die vom VID angeregte Änderung des § 173 Abs. 2 ZPO zur Frage, wer einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments zu eröffnen hat (derzeit nur Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts) bislang unberücksichtigt[20] und Insolvenzverwalter und Sachwalter sowie Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren wurden nicht in den Anwendungsbereich des § 173 Abs. 2 ZPO aufgenommen.[21]
Eine einheitliche gesetzliche Regelung ist auch vor dem Hintergrund notwendig, dass nicht alle Insolvenzverwalter zugleich auch Rechtsanwälte, Steuerberater oder Notare sind.
Kollbach hat mit Verweis auf die Begründung des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften[22] zu Recht darauf verwiesen, dass es für alle Insolvenzverwalter, d.h. anwaltliche und nicht anwaltliche, bereits eine einheitliche Regelung zum elektronischen Rechtsverkehr durch das eBo gibt.[23]
Ein paralleles Vorhalten von beA und eBO für anwaltliche Insolvenzverwalter ist aus praktischer Sicht abzulehnen. Für ihre Tätigkeit und die – aktive wie passive – Kommunikation sollte allein das eBO gesetzlich festgeschrieben werden, um absehbare Probleme (Empfang/Sendung/Dokumentation) bei einer parallelen Nutzung von vornherein auszuschließen.
bb) Vorhalten eines elektronischen Postfaches
Da jeder Insolvenzverwalter (oder sonstige Adressat von Forderungsanmeldungen in einem Insolvenzverfahren) unabhängig vom tatsächlichen Aufkommen ausländischer Forderungsanmeldungen stets ein elektronisches Postfach vorhalten müsste, ist auch die Frage der entstehenden Vorhaltekosten zu klären. Für die Einrichtung eines eBO müssen (zumindest derzeit) kommerzielle Anbieter in Anspruch genommen werden.[24] In Betracht käme hier eine Pauschalvergütung.
cc) Zuständigkeitswechsel
Die Möglichkeit für jeden Gläubiger (aus einem anderen EU-Mitgliedstaat) Forderungen über das e-CODEX-System anzumelden, muss sich auch auf Änderungen der Forderungsanmeldung im weiteren Verfahrensverlauf erstrecken. Im deutschen Recht obliegt die Führung der Insolvenztabelle spätestens ab dem Prüfungstermin dem Insolvenzgericht[25], weshalb ab diesem Zeitpunkt auch dieses und nicht mehr der Insolvenzverwalter richtiger Adressat für Gestaltungserklärungen hinsichtlich der geprüften Forderungen ist.[26] In der Praxis geben Gläubiger in aller Regel gleichwohl weiter ihre Erklärungen gegenüber dem Insolvenzverwalter ab, der sie dann an das Gericht weiterleitet.
Die (Herstellung einer) Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen Gläubigern und dem Insolvenzgericht über das e-CODEX-System dürfte über die geplanten Regelungen sichergestellt sein. Es würde sich aber anbieten, die Frage der Wirksamkeit (und ggf. Fristwahrung) oder Unwirksamkeit weiterer Erklärungen gegenüber dem Verwalter zu regeln.
b) Identitätsprüfung des anmeldenden Gläubigers
Der Blick auf den nationalen elektronischen Rechtsverkehr zeigt, dass die miteinander kommunizierenden Beteiligten vor Betrieb des jeweiligen elektronischen Postfachs identifiziert wurden.
- Im Hinblick auf die elektronische Forderungsanmeldung ausländischer Gläubiger ist daher sicherzustellen, dass deren Identität im jeweiligen Mitgliedstaat ebenfalls verlässlich geprüft (werden kann und) wurde, bevor eine Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter via EGVP-Infrastruktur erfolgt. Nur so kann sichergestellt werden, dass es die anmeldende Person auch tatsächlich gibt, bzw. Anmeldungen juristischer Personen durch die zuständigen Vertreter erfolgen.
c) Nutzung des Kommunikationsmittels (Art. 5 VO-E)
Art. 5 des Verordnungsentwurfes regelt die Mittel der Kommunikation. Wie oben ausgeführt kommt bei der Kommunikation zwischen natürlichen oder juristischen Personen und zuständigen Behörden eine Kommunikation via europäischem elektronischen Zugangspunkt oder – sofern verfügbar – via nationalen IT-Portalen in Betracht (Art. 5 Abs. 1 VO-E).
Bei der Kommunikation der zuständigen Behörde über den europäischen elektronischen Zugangspunkt ist zu beachten, dass die betreffende natürliche oder juristische Person der Nutzung dieses Kommunikationsmittels zuvor ausdrücklich zustimmen muss (Art. 5 Abs. 2 VO-E).[27]
Wir gehen zunächst davon aus, dass bei einer Kommunikation via nationalen IT-Portalen eine solche Zustimmung nicht notwendig ist.
Sofern eine solche Zustimmung notwendig ist, stellt sich folgende Frage:
- Wie und auf welchem Weg soll eine Zustimmung im Vorfeld der Kommunikation beim ausländischen Gläubiger angefragt werden?
d) Verpflichtung zur Akzeptanz der elektronischen Kommunikation (Art. 6 VO-E)
Art. 6 VO-E regelt, dass die zuständigen Behörden die elektronische Kommunikation nach Art. 5 Abs. 1 VO-E, die über den europäischen elektronischen Zugangspunkt oder gegebenenfalls über nationale IT-Portale erfolgt, akzeptieren. Die Vorschrift steht § 174 Abs. 4 InsO damit diametral gegenüber. Hiernach muss der Insolvenzverwalter zunächst der Übermittlung elektronischer Dokumente im Rahmen der Forderungsanmeldung ausdrücklich zustimmen.
- Es stellt sich daher die Frage, wie mit den Divergenzen zwischen Art. 6 VO-E und § 174 Abs. 4 InsO umzugehen ist, so bspw. wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente widerspricht und auf die gleichwertige schriftliche Kommunikation nach Art. 5 Abs. 3 VO-E verweist.
3. Kosten (Art. 14 VO-E)
Die Schätzung der Kosten durch die Kommission i.H.v. 300.000 € pro Jahr und Mitgliedstaat[28] für den Anschluss an die e-CODEX-Infrastruktur und die Ertüchtigung der nationalen Systeme erscheint im Übrigen sehr optimistisch und dürfte insbesondere die Kosten unberücksichtigt lassen, die bei jedem (zugelassenen) Insolvenzverwalter für die eigene Bereitstellung des Systemanschlusses anfallen.
IV. Fazit
- Eine Beurteilung des im Zusammenhang mit der Verwendung von e-CODEX entstehenden Aufwands für Insolvenzverwalter und Sachwalter setzt zunächst eine Klärung des Umfangs voraus, in dem dieses System zum Einsatz kommen soll.
- Bevor ein weiterer (europäischer) Kommunikationskanal geschaffen wird, sollten die bereits bestehenden nationalen elektronischen Kommunikationswege ertüchtigt werden.
- Als sinnvolle und notwendige Vorbereitungsmaßnahme wäre die gesetzliche Festschreibung des eBO als elektronisches Postfach für Insolvenzverwalter und Sachwalter geboten.
- Die bislang optionale, von einer Zustimmung des Verwalters abhängige Möglichkeit der elektronischen Forderungsanmeldung müsste für den hier erörterten Fall gesetzlich angepasst werden.
- Eine Verpflichtung zum Empfang elektronischer Forderungsanmeldungen setzt notwendig auch eine Kostenregelung voraus, die hierdurch entstehende Kosten der Insolvenzverwalter und Sachwalter angemessen aufnimmt.
Berlin, 05.12.2022
Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de
[1] Nachfolgend Verordnungsentwurf (VO-E).
[2] Schreiben des BMJ vom 25.11.2022 an die Verbände, S. 1-2.
[3] Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 14.01.2022, COM (2021) 759 final, BR-Drs. 15/22, abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0001-0100/15-22.pdf?__blob=publicationFile&v=1, bzw. EU-Dok. COM (2021) 759 final abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=celex%3A52021PC0759.
[4] BR-Drs. 15/22, S. 71.
[5] COM (2021) 759 final, Art. 22, S. 40; insofern abweichend von der englischen Sprachfassung im BMJ-Schreiben an die Verbände vom 25.11.2022 („Article 53 Right to lodge claims: Any foreign creditor may lodge claims in insolvency proceedings by any means of communication, which are accepted by the law of the State of the opening of proceedings or by the electronic means of communication provided for in Article 4 of Regulation (EU) …/…[this Regulation]. (…))“ Hervorhebung durch die Verfasser.
[6] COM (2021) 759 final, Art. 3, S. 29.
[7] COM (2021) 759 final, Art. 2, S. 28.
[8] Europaweit müssten ggf. nicht nur Verwalter i.S.v. Art. 2 Nr. 5 EuInsVO einbezogen werden, sondern alle auch andere Stellen, bei denen Forderungen angemeldet werden können.
[9] D.h. alle Verfahren i.S.v. Art. 2 Nr. 4 EuInsVO, in denen Forderungen angemeldet werden können.
[10] Dazu ausführlich Mock in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 80, Rz. 59 f.
[11] Vgl. dazu auch Bundesrat, BR-Drs. 15/22 (Beschluss) vom 11.03.2022, dort Ziff. 3, abrufbar unter https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0001-0100/15-22(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1 .
[12] COM (2021) 759 final, Art. 7, S. 30 f.
[13] Zur fehlenden Definition vgl. auch Bundesrat, BR-Drs. 15/22 (Beschluss) vom 11.03.2022, dort Ziff. 4, der sich für einen weiten Anwendungsbereich ausspricht.
[14] Begründung RefE eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten, S. 35, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_%20Videokonferenztechnik.pdf?__blob=publicationFile&v=3 .
[15] COM (2021) 759 final, Art. 4, S. 29 f.
[16] https://www.justiz.de/laender-bund-europa/europa/projekt_e_codex/index.php.
[17] Mitteilung des Ministeriums für Justiz und Migration, Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit COM (2021) 759 final (BR 15/22) vom 04.02.2022, Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 17/1813, S. 4, abrufbar unter https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP17/Drucksachen/1000/17_1813_D.pdf.
[19] Zum aktuellen Streitstand vgl. Kollbach in ZInsO 2022, 624 m.w.N. und Beth, ZInsO 2022, 750 m.w.N.
[20] Vgl. Stellungnahme des VID zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 30.04.2021, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2021/04/VID-Stellungnahme-zum-RegE-eines-Gesetzes-zum-Ausbau-d.-elektronischen-Rechtsverkehrs-mit-den-Gerichten.pdf .
[21] § 173 Abs. 2 Satz 2 ZPO regelt lediglich, dass Steuerberater und sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen sollen.
[22] BT-Drs.19/28399, S. 23, 28, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/283/1928399.pdf .
[23] ZInsO 2022, 624 ff. (625).
[24] https://egvp.justiz.de/buerger_organisationen/index.php.
[25] Vgl. nur Sinz in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 175, Rz. 20 sowie zum Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels Zenker in BeckOK-InsO, 29. Ed. Stand 15.10.2022, § 175, Rz. 5 ff., jeweils m.w.N.
[26] So jedenfalls der BGH und die h.L., vgl. zum Streitstand Zenker in BeckOK-InsO, 29. Ed. Stand 15.10.2022, § 174, Rz. 44.1 m.w.N.
[27] COM (2021) 759 final, Art. 5, S. 30.
[28] Mitteilung des Ministeriums für Justiz und Migration, Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit COM (2021) 759 final (BR 15/22) vom 04.02.2022, Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 17/1813, S. 5.
VID-Stellungnahme zur Formulierungshilfe zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (SanInsKG)
A. Einleitung
Der vorliegende Entwurf dient der Umsetzung des insolvenzrechtlichen Auftrags aus dem Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen vom 3. September 2022. Danach sollen auch „Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, (…) ihre Geschäftsmodelle anpassen können.“[1] „Daher wird“, so das Ergebnis des Koalitionsausschusses weiter, „für Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht gesorgt.“
Die vorgesehenen Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht sollen mit einer Änderung des § 4 COVInsAG einhergehen und sehen neben einer vorübergehenden Verkürzung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung auch eine vorübergehende Verkürzung der Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sowie eine vorübergehende Hochsetzung der Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung vor.
B. Im Einzelnen
1. Zu Nummer 1 (neue Bezeichnung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes)
a) Künftige Abmilderung von Krisenfolgen
Die Umsetzung des insolvenzrechtlichen Auftrages, die an eine Änderung des COVInsAG anknüpft, sieht zugleich eine neue Bezeichnung des Gesetzes vor (künftig: Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG)).
Die neue Bezeichnung soll ausweislich der Entwurfsbegründung erkennbar werden lassen, dass das Gesetz zukünftig nicht mehr ausschließlich Bestimmungen zu den Abmilderungen der Folgen der COVID-19-Pandemie enthalten wird.[2] Dies zeigt, dass das bisherige COVInsAG nun als Nukleus eines Gesetzes zur insolvenzrechtlichen Abmilderung von Krisenfolgen dienen soll.
Eine Definition der Krise, an die die mit dem Entwurf geplanten Folgen anknüpfen, enthält der Entwurf nicht. In der Entwurfsbegründung zur vorübergehenden Verkürzung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung finden sich jedoch einzelne Hinweise. Danach verzichtet der Entwurf darauf, „(…) den Anwendungsbereich der Vorschrift an eine entsprechende Voraussetzung zu binden, insbesondere ein Kausalitätserfordernis einzuführen, das die Prognoseunsicherheiten auf die Entwicklungen an den Energiemärkten rückbezieht.“, da von den derzeitigen Verhältnissen mehr oder weniger alle Wirtschaftsteilnehmer zumindest mittelbar betroffen sind.[3] Auch lassen sich Fortführungsprognosen „(…) angesichts der derzeitigen Preisvolatilitäten und der auf absehbare Zeit weiterhin bestehenden Unsicherheiten über Art, Ausmaß und Dauer des eingetretenen Krisenzustands oft nur auf unsichere Annahmen stützen. (…) Das betrifft insbesondere auch Unternehmen, deren Bestandsfähigkeit unter normalen Umständen, das heißt bei Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten außer Zweifel stünde.“[4]
Anders als bei der COVID-19-Pandemie und den bisherigen Regelungen des COVInsAG (Insolvenzreife aufgrund der Pandemie) wird keine individuelle Betroffenheit definiert. Dies führt dazu, dass die neuen Regelungen nicht nur dann anwendbar sind, wenn eine Überschuldung – im Sinn der bisherigen Definition – monokausal durch die erheblichen Energiepreissteigerungen ausgelöst würde, sondern auch dann eingreifen, wenn sonstige Krisenursachen vorliegen. Das können nicht nur exogene Ursachen sein wie Inflation, unterbrochene Lieferketten oder Fachkräftemangel oder ein „Krisenbündel“ daraus, sondern auch „normale“ Krisenursachen, wie Missmanagement, ein überkommenes Geschäftsmodell, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, etc.
Mit dieser Konsequenz ist die vorgeschlagene Regelung auch wettbewerbsrelevant. Umsichtige und vorausschauende Unternehmen, die im Rahmen der Möglichkeiten Vorsorge betrieben haben, können nicht von den Ergebnissen der Vorsorge profitieren. Marktaustritte schwächerer Konkurrenten werden verhindert. Eine enge Befristung der geplanten Regelung ist deshalb notwendig, um die negativen Folgen für den Wettbewerb so gering wie möglich zu halten.
b) Aktuelle Entwicklungen
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass aufgrund der hohen Energiepreise bereits weitergehende Forderungen nach einer erneuten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erhoben werden.[5]
Diese Entwicklung ist sehr problematisch, weil die Eingriffe ins Insolvenzrecht – entgegen früherer Praxis – nunmehr auch ohne gezielte Hilfszusagen diskutiert werden. Ohne solche Hilfszusagen wurde bisher aus gutem Grund eine Erleichterung der Insolvenzantragspflichten abgelehnt, weil sie die betroffenen Unternehmen in einen hilflosen Zustand versetzt hätte. Energie, Rohstoffe und Arbeitsleistungen könnten bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit regelmäßig nicht mehr bezahlt werden. Energieversorger und andere Lieferanten stellen auf Vorkasse um und liefern nur noch gegen Vorauszahlung. Ohne Energie und Zulieferungen kommt die Produktion zum Erliegen und Arbeitnehmer können nicht mehr bezahlt werden. Staatliche Hilfsmaßnahmen müssen in dieser Situation gezielt bei den betroffenen Unternehmen ansetzen. Eine Pflicht zur Weiterlieferung von Energie oder Rohstoffen würde ansonsten die verpflichteten Lieferanten in Insolvenzgefahr bringen. Gleichzeitig dürfen die Hilfszusagen aber schon wegen der Vorgaben des Beihilferechts nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ ausgereicht werden. Vor der entsprechenden Definition der Empfänger und ihrer Kriterien verbietet sich deshalb eine Aussetzung von Insolvenzantragspflichten.
2. Zu Nummer 2 (Änderung des § 4 COVInsAG)
a) Vorübergehende Verkürzung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung (4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SanInsKG-E)
Der Entwurf sieht eine Abmilderung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung (§§ 15a, 19 InsO) vor. Der maßgebliche Prognosezeitraum soll danach bis zum 31. Dezember 2023 von derzeit zwölf Monaten auf vier Monate herabgesetzt werden, wobei die Regelung auch gelten soll, wenn vor dem Inkrafttreten bereits eine Überschuldung vorlag, sofern der für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung maßgebliche Zeitpunkt noch nicht verstrichen ist.
Die Bedeutung des Insolvenzgrundes der Überschuldung ist nicht zu unterschätzen. Derzeit sichert er bei Rechtssubjekten mit beschränkten Haftungsmassen die Geschäftspartner dahingehend ab, dass die Insolvenz – wenn der Antragspflicht nachgekommen wird, was nicht immer der Fall ist – nicht erst bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beantragt wird, sondern dann, wenn absehbar ist, dass diese Rechtssubjekte innerhalb der nächsten – zurzeit – zwölf Monate zahlungsunfähig werden und das Vermögen die Schulden nicht deckt.
aa) Verkürzung des Prognosezeitraums
Die Verkürzung des Prognosezeitraums von derzeit zwölf auf vier Monate ist vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes grundsätzlich kritisch, im Hinblick auf die aktuelle Energiekrise jedoch als vertretbar anzusehen.
Problematisch stellt sich jedoch das unter B.1.a) bereits beschriebene Fehlen des Kausalitätserfordernisses dar. Das in der Entwurfsbegründung angesprochene Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten[6] im Hinblick auf die Beurteilung der Bestandsfähigkeit unter normalen Umständen ist bei multikausalen Ursachen nur schwer möglich.
bb) aktive Darlegung durch den Schuldner
Im Hinblick auf die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 SanInsKG-E („es sei denn“) sollte ergänzend aufgenommen werden, dass der Schuldner aktiv zur Darlegung der ihn begünstigenden Umstände verpflichtet ist. So können die Fälle leichter separiert werden, in denen das schuldnerische Unternehmen bereits länger als sechs – künftig acht – Wochen überschuldet ist.
cc) Lesart des verkürzten Prognosezeitraums
Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen die Regelungen „(…) den derzeitigen und auf absehbare Zeit fortbestehenden Prognoseunsicherheiten Rechnung tragen und deshalb nur vorübergehend gelten. Da sich einerseits nicht absehen lässt, wie lange die derzeitigen Unsicherheiten fortdauern werden, und da andererseits vermieden werden soll, dass der Geltungszeitraum zu kurz bemessen wird und insoweit wieder Unsicherheiten erzeugt, sollen die Regelungen bis zum 31. Dezember 2023 gelten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen schon vor dem Ablauf der Geltungsdauer einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit einbüßen können. Denn wenn für ein Unternehmen weniger als vier Monate vor dem Ablauf der Geltungsdauer feststeht, dass es unmittelbar nach dem Ablauf dieser Geltungsdauer unter dem dann wieder maßgeblichen Überschuldungsbegriff des § 19 InsO überschuldet sein wird, kann dieser Befund auch für die unter § 4 Absatz 2 zu erstellende Fortführungsprognose relevant sein.“[7]
Die Begründung wirft die Frage der Lesart der genannten Zeiträume auf. Wenn die Regelungen schon vor dem Ablauf der Geltungsdauer einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit einbüßen können, kommen durchaus unterschiedliche Betrachtungsweisen in Frage (Variante 1: bereits ab 12/2022 ist wieder der 12-Monats-Zeitraum relevant; Variante 2: bereits ab 09/2023 ist wieder der 12-Monats-Zeitraum relevant; Variante 3: erst ab 31.12.2023 ist der 12-Monats-Zeitraum wieder relevant).
Wir gehen davon aus, dass im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes § 4 Abs. 2 Satz 1 SanInsKG-E so zu lesen ist, dass erst ab 31.12.2023 wieder der 12-Monats-Zeitraum zu betrachten ist. Eine entsprechende Klarstellung in der Begründung wäre hilfreich.
dd) Verpflichtung zur fortlaufenden Prognoserechnung
Zudem sollte, in Anlehnung an die fortlaufende Überwachungspflicht im StaRUG[8], im Gesetz aufgenommen werden, dass der Geschäftsleiter eine fortlaufende Prognoserechnung für die jeweils folgenden vier Monate zu führen hat, die Erleichterung mithin nur dann zur Anwendung kommt, wenn eine entsprechende Dokumentation vorliegt.
b) Vorübergehende Verkürzung der Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen ( 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SanInsKG-E)
Die maßgeblichen Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen (§§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO, 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) sollen bis zum 31. Dezember 2023 von derzeit sechs auf vier Monate verkürzt werden.
Die Entwurfsbegründung knüpft daran an, dass auch von Schuldnern, die ihr Unternehmen im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens sanieren wollen, Prognosen und Finanzpläne zu erstellen sind.[9] „Kann“, so die Begründung weiter, „eine entsprechende Planung nicht vorgelegt werden, ist die Durchführung eines Eigenverwaltungsvorhabens zwar nicht ausgeschlossen, jedoch an die Voraussetzung gebunden, dass dennoch davon ausgegangen werden kann, dass die Durchführung des Vorhabens im Interesse der Gläubiger liegt (§ 270b Absatz 2 InsO).“[10]
Es bleibt unklar, weshalb auch die Frist des § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO verkürzt wird, geht es dabei doch darum, erfolgreich ein Eigenverwaltungsverfahren zu absolvieren. Hintergrund der Einführung der Eigenverwaltung war die, sowohl im Hinblick auf Zeit und Kosten als auch die zu erwartende Quote für Gläubiger, angestrebte Optimierung des Insolvenzverfahrens.[11]
Angesichts des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraums halten wir eine Verkürzung des Planungszeitraums auf vier Monate für kritisch, aber vertretbar. Wenn eine derartige Verkürzung vorgenommen wird, muss sichergestellt sein, dass die Planung sich nicht nur auf den Vier-Monats-Zeitraum beschränkt, sondern entweder eine Revolvierung bei fortlaufender Eigenverwaltung oder aber eine zu dokumentierende Überprüfung einen Monat vor Ablauf des Vier-Monats-Zeitraums eingeführt wird. Andernfalls kann die Eigenverwaltung dann sehr plötzlich nicht mehr möglich, weil nicht mehr finanzierbar sein. Die Auswirkungen eines plötzlichen Verfahrenswechsels sind für die Insolvenzverfahren häufig nicht förderlich.
c) Vorübergehende Hochsetzung der Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung (§ 4a SanInsKG-E)
Die Höchstfrist für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung soll bis zum 31.12.2023 von derzeit sechs auf acht Wochen hochgesetzt werden.
Ausweislich der Entwurfsbegründung soll durch die vorgesehene temporäre Verlängerung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass „(…) die aktuelle Situation und die damit einhergehenden Planungsunsicherheiten dazu führen können, dass für Sanierungsbemühungen sowie die Vorbereitung einer Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens mehr Zeit erforderlich sein kann.“[12]
Die Überlegung, dass Sanierungsbemühungen in schwierigem Planungsumfeld mehr als sechs Wochen in Anspruch nehmen können, ist nicht unplausibel. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel, dass sich Unternehmen im fortgeschrittenen Krisenzustand in einem schwierigen Planungsumfeld befinden. Planungsunsicherheiten eignen sich daher nur bedingt als Argument für eine Sonderbehandlung der aktuellen Situation.
3. Vorschläge des VID zu geplanten staatlichen Hilfen
a) Staatliche Hilfsprogramme auch für Unternehmen, die in einem Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren saniert werden können
Staatliche Hilfsprogramme sollten – anders als die staatlichen Hilfen in der COVID-19-Pandemie – auch den Unternehmen zur Verfügung stehen, die in einem Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren saniert werden können. Maßgeblich für die Bewilligung von staatlichen Hilfen muss die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens sein, nicht, auf welchem Weg die Sanierung erfolgt. So stellt das deutsche Insolvenz- und Restrukturierungsrecht heute eine Vielzahl von Instrumenten für die schnelle Anpassung von Geschäftsmodellen zur Verfügung.
b) Rechtsunsicherheiten zur (Un-) Pfändbarkeit staatlicher Hilfen vorbeugen
Die aktuellen Rechtsunsicherheiten bei der Beurteilung der Frage der Pfändbarkeit der Energiepreispauschale[13] und mit ihr der Verwertung im Insolvenzverfahren zeigen, dass es bei (künftigen) Hilfsmaßnahmen des Bundes zwingend einer gesetzlichen Regelung zur Frage der Pfändbarkeit einer Leistung bedarf, soll der Zweck derselben nicht verfehlt werden.
C. Fazit
- Um negative Folgen für den Wettbewerb möglichst gering zu halten, ist eine enge Befristung der vorgeschlagenen pauschalen Verkürzung von Prognosezeiträumen notwendig.
- Eine weitergehende Aussetzung von Insolvenzantragspflichten ohne begleitende, konkrete Hilfszusagen an die Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig überlebensfähig sind, sollte auf jeden Fall vermieden werden.
- Eine Verkürzung des Planungszeitraums gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO halten wir für kritisch, aber vertretbar. Im Rahmen der Eigenverwaltung sollte die vorgeschlagene Verkürzung des Planungszeitraums zu einer kritischen Überprüfung dieser Verfahrensvariante führen. Jedenfalls muss die Planung über den Viermonatszeitraum hinaus revolvierend angepasst werden.
- Staatliche Hilfen sollten in der sich abzeichnenden Krisensituation auch solchen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden können, die in einem Insolvenzverfahren eine Fortführungsperspektive entwickeln und sanierungsfähig sind.
Berlin, 21.09.2022
Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de
[1] Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 3. September 2022, S. 11, abrufbar unter https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20220903_Massnahmenpaket.pdf.
[2] Entwurfsbegründung, S. 3.
[3] Entwurfsbegründung, S. 4.
[4] Entwurfsbegründung, S. 3.
[5] SPD fordert Aussetzen der Insolvenzantragspflicht, abrufbar unter https://www.spiegel.de/wirtschaft/energiekrise-spd-fordert-aussetzen-der-insolvenzantragspflicht-a-b7f8f665-c983-4bf6-9fd8-b9b74bee93a2.
[6] Entwurfsbegründung, S. 3 „Das betrifft insbesondere auch Unternehmen, deren Bestandsfähigkeit unter normalen Umständen, das heißt bei Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten außer Zweifel stünde.“
[7] Entwurfsbegründung, S. 5.
[8] § 1 Abs. 1 StaRUG.
[9] Entwurfsbegründung, S. 4.
[10] Vgl. Fn. 9.
[11] Fiebig in Hamb-KO, Vorb. zu §§ 270 ff. InsO., Rz. 3.
[12] Entwurfsbegründung, S. 6.
[13] Vgl. Ahrens in NJW-Spezial 2022, 341 ff., Wipperfürth in ZInsO, 1665 ff., Grote in InsbürO 2022, 337 ff.
VID-Stellungnahme zum Maßnahmenpaket III des Bundes
In dem Maßnahmenpaket III sind unter anderem Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht vorgesehen.
In einer ähnlichen Situation befand Deutschland sich bereits im Frühjahr 2020, als der Gesetzgeber wegen der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen vorübergehend die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen geregelt hat (Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz). Für Unternehmen, die aufgrund der Pandemie zahlungsunfähig wurden, aber Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit hatten, wurde die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Zudem wurde der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung verkürzt. Die Regelungen galten mit Modifizierungen vom 1. März 2020 bis zum 30. April 2021.
Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Überschuldung eine ähnliche Regelung aufgrund der knappen Energieversorgung infolge des Kriegs in der Ukraine in Erwägung ziehen wird. Unter Ziff. 16 des Maßnahmenpakets III heißt es wörtlich:
„Auch Unternehmen, die
1) im Kern gesund und
2) auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, sollten ihre Geschäftsmodelle anpassen können. Daher wird für Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht gesorgt.“
Das Ziel des Maßnahmenpakets III, an sich gesunde Unternehmen zu erhalten, ist sinnvoll und richtig. Es kann durch erneute staatliche Hilfsmaßnahmen, insbesondere durch eine Verlängerung der Kurzarbeit verfolgt werden. Der VID weist aber darauf hin, dass auch die Instrumente der Insolvenzordnung (InsO) sowie des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG) explizit darauf ausgerichtet sind, grundsätzlich gesunde und sanierungsfähige Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten zu erhalten. Das deutsche Insolvenz- und Restrukturierungsrecht ist anerkanntermaßen eines der leistungsfähigsten der Welt. Die in der öffentlichen Diskussion verbreitete Gleichsetzung von Insolvenz mit Betriebsschließung und Abwicklung ist praxisfremd und falsch und beruht zu einem nicht unerheblichen Teil auf einer Kommunikation – auch durch öffentliche Stellen – die stärker von politischen Motiven geprägt zu sein scheint als von Kenntnis der Materie.
Auf jeden Fall sollten die staatlichen Hilfsprogramme – anders als die staatlichen Hilfen in der COVID-19-Pandemie – auch den Unternehmen, die in einem Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren saniert werden können, zur Verfügung stehen. Maßgeblich für die Bewilligung von staatlichen Hilfen muss die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens sein, nicht, auf welchem Weg die Sanierung erfolgt.
Demgegenüber muss im Interesse des Gläubigerschutzes, aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht klar sein, dass im Kern nicht gesunde Unternehmen und Unternehmen, deren Geschäftsmodell unter den geänderten Rahmenbedingungen wirtschaftlich nicht mehr nachhaltig überlebensfähig ist, keine Erleichterungen und Staatshilfen erfahren dürfen. Das schließt nach Auffassung des VID nicht aus, dass auch für solche Unternehmen eine Transformation unter Erhalt von Strukturen erzielt werden kann. Auch hierfür eignen sich aber vor allem die Instrumentarien des Insolvenz- und Sanierungsrechts.
Die Äußerung eines Sprechers des Bundesministeriums der Justiz deutet aktuell auf eine geplante Verkürzung des Prognosezeitraums im Rahmen des Überschuldungstatbestandes auf vier Monate hin. Eine solche Änderung könnte vorübergehend eine Erleichterung darstellen, wenn die künftigen Liquiditätslücken durch staatliche Hilfen überbrückt werden. Wenn die allgemeine Krisenlage weiter anhält, kann dies aber keine dauerhafte und nachhaltige Lösung einer Unternehmenskrise darstellen. Letztlich hängt die Überlebensfähigkeit von Unternehmen davon ab, wie die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ohne staatliche Unterstützungsmaßnahmen langfristig aussehen werden.
Die Änderungen des Insolvenzrechts sollten nach Ansicht des VID zeitlich bis maximal 31. März 2023 befristet werden. Bei anhaltender Krisenlage muss spätestens zu diesem Zeitpunkt über die Option geordneter Insolvenz -oder Restrukturierungsverfahren nachgedacht werden.
Betriebsaufgabe ohne Insolvenz? Auf jeden Fall auch Insolvenzen ohne Betriebsaufgabe!
Der VID begrüßt in diesem Zusammenhang die Klarstellung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zu den umstrittenen Äußerungen des Wirtschaftsministers Robert Habeck vom 6. September 2022, es könne Betriebsaufgaben ohne Insolvenz geben:
„Der Minister habe lediglich «den wichtigen Unterschied» zwischen Insolvenzen und Betriebsaufgaben deutlich machen wollen. […] Das Insolvenzverfahren dient dazu, das Unternehmen in einem strukturierten Verfahren möglichst zu erhalten. Demgegenüber bedeuten Betriebsaufgaben, dass Betriebe aufgeben, ohne Insolvenz anzumelden, weil sie beispielsweise sehen, dass sich ihr Geschäft wegen hoher Energiekosten schlicht nicht mehr lohnt. Betriebsaufgabe ist nicht gleichbedeutend mit einer Insolvenz.“
Für die schnelle Anpassung von Geschäftsmodellen stellt das deutsche Insolvenz- und Restrukturierungsrecht nach großen Reformen in den letzten 15 Jahren heute eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung. Mit ihnen können Transformationsprozesse gelingen, die in der Vergangenheit wegen der zeitkritischen Umsetzung oft in eine Betriebsaufgabe mündeten.
Berlin, 12.09.2022
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VID-Stellungnahme zum RefE Bürgergeld-Gesetz
A. Einleitung
Ziel des Referentenentwurfs[1] (nachfolgend Entwurf) ist die grundlegende Weiterentwicklung der sozialen Sicherung in Deutschland. So sollen die Grundsicherung für Arbeitssuchende mit der Einführung eines Bürgergeldes und dazugehörigen Änderungen erneuert werden, um mehr Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Die mit der Einführung des Bürgergeldes geplante sozialpolitische Reform soll Menschen im Leistungsbezug die Möglichkeit geben, sich künftig stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können und die Potentiale der Menschen und die Unterstützung für eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration stärker in den Fokus stellen.[2]
Nachfolgend sollen die mit dem Entwurf verbundenen insolvenzrechtlichen Implikationen aufgezeigt werden.
B. Im Einzelnen
I. Abschaffung des Vermittlungsvorranges
Um erwerbsfähige Leistungsberechtigte dauerhaft in Arbeitsverhältnisse zu integrieren, durch die die Hilfebedürftigkeit möglichst weitgehend vermindert, bzw. überwunden wird, soll der Vermittlungsvorrang im SGB II – zugunsten einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt im Gleichklang mit der Regelung im SGB III – abgeschafft werden.[3] Auch wenn die bestehenden Regelungen des SGB II keinen ausdrücklichen Vermittlungsvorrang formulieren, legen die Leistungsgrundsätze in § 3 einen Schwerpunkt auf Maßnahmen, die die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen.[4]
§ 3 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB II-RefE sehen vor, dass vorrangig Leistungen erbracht werden sollen, „die die unmittelbare Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ermöglichen, es sei denn, eine andere Leistung ist für die dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn leistungsberechtigte Personen ohne Berufsabschluss Leistungen zur Unterstützung der Aufnahme einer Ausbildung nach diesem Buch, dem Dritten Buch oder auf anderer rechtlicher Grundlage erhalten oder an einer nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 81 des Dritten Buches zu fördernden berufsabschlussbezogenen Weiterbildung teilnehmen sollen.“[5]
Im Hinblick auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte[6], die sich in einem Insolvenzverfahren (i.d.R. mit dem persönlichen Ziel der Restschuldbefreiung) befinden, kommt es in Fällen, in denen eine andere Leistung für die dauerhafte Eingliederung erforderlich ist als die, die eine unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglicht, zu Divergenzen im Hinblick auf die insolvenzrechtlichen Obliegenheiten des leistungsberechtigten Schuldners.
So regelt § 287b InsO, dass es dem Schuldner ab Beginn der Abtretungsfrist (d.h. ab Insolvenzeröffnung) bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Verletzt der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Obliegenheiten, kann ihm die Restschuldbefreiung versagt werden (§ 290 Abs. 1 Nr. 7; zum Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist vgl. §§ 295, 296 InsO).
Die Tätigkeit ist angemessen, wenn sie „der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des Schuldners entspricht“[7]. Der teilzeitbeschäftigte Schuldner muss sich dabei grundsätzlich in gleicher Weise wie der erfolglos selbstständig tätige und der erwerbslose Schuldner um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen.[8] Gelingt es dem Schuldner nicht, eine seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand entsprechende Arbeitsstelle zu finden, muss er eine berufsfremde, eine auswärtige und notfalls eine Aushilfs- oder Gelegenheitstätigkeit annehmen.[9]
Eingliederungsvereinbarungen des Schuldners mit dem Sozialhilfeträger beeinflussen den objektiv anzulegenden Maßstab an das Bemühen um eine angemessene Erwerbstätigkeit des (erwerbslosen) Schuldners nicht. Diese sind (erst) im Rahmen des subjektiv erforderlichen Verschuldens (§ 296 Abs. 1 Satz 1 InsO) zu berücksichtigen.[10]
Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die für einen gewissen Zeitraum zu Einkommensverlusten des Schuldners führen, sind (nur) unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. „Zunächst muss – nicht nur die theoretische, sondern wahrscheinliche – Möglichkeit bestehen, nach der Fortbildung ein höheres Einkommen zu erzielen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die finanzielle Einbuße , die durch die Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme verursacht wird, durch die Erwartung auf höhere Einkünfte nach Ende der Fortbildung und innerhalb des eröffneten Insolvenzverfahrens oder zumindest der Wohlverhaltensperiode ausgeglichen wird.(…) Je länger die Fortbildungsmaßnahme mit Einkommensverlust andauert, umso sorgfältiger hat der Schuldner vor der Teilnahme an dieser Maßnahme zu prüfen, ob er den Verlust noch innerhalb der Zeit der Erwerbsobliegenheit ausgleichen kann.“ [11]
Mithin stünde bspw. bei einem Schuldner ohne Berufsabschluss, bei dem gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 SGB II-RefE von der Erforderlichkeit einer dauerhaften Eingliederung auszugehen ist, aus sozialrechtlicher Sicht die unmittelbare Aufnahme der Erwerbstätigkeit – trotz der günstigen Lage am Arbeitsmarkt – regelmäßig nicht mehr im Vordergrund.
Auch wenn der Ansatz, durch den Einsatz der Eingliederungsinstrumente des SGB II kurzfristige Beschäftigungen zu vermeiden und die Chancen auf nachhaltige Integration zu stärken[12] lobenswert ist, kann dies zugleich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger schmälern.
II. Einführung einer Vertrauenszeit nach Abschluss des Kooperationsplans
Der o.g. Effekt kann sich weiter verstärken, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte in den ersten sechs Monaten der nach Abschluss des Kooperationsplans laufenden Vertrauenszeit, in der gegen den Leistungsberechtigten keine Anordnung von Maßnahmen mit Rechtsfolgenbelehrung ergeht (§ 15a SGB II-RefE[13]), Absprachen zu Mitwirkungspflichten nicht einhält, wie bspw. Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge, Eigenbemühungen und Maßnahmeteilnahmen. Der Umstand, dass die Mitwirkungspflichten während der Vertrauenszeit regelmäßig überprüft werden sollen und die Vertrauenszeit auch vorzeitig enden kann, wirkt lediglich für die Zukunft.
III. Verzicht auf das Verkürzungserfordernis bei Umschulung in besonderen Fällen
Zudem sieht der Entwurf für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Möglichkeit vor, eine Umschulung im Rahmen einer geförderten beruflichen Weiterbildung bei Bedarf in drei Jahren, anstatt wie bisher in zwei Jahren, zu besuchen (§ 180 Abs. 4 SGB III-RefE).[14]
Dieser neue Zeitrahmen ist deckungsgleich mit der Gesamtdauer der Wohlverhaltensperiode im Restschuldbefreiungsverfahren. Diese wurde erst kürzlich in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz[15] auf drei Jahre ohne Mindestquote verkürzt[16] und hat den Zeitraum der Abführung pfändbarer Beträge aus der Erwerbstätigkeit des Schuldners ohnehin (weiter) verringert.
Die Richtlinie sah zugleich Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren vor.[17] So sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass solche Verfahren im Interesse zügiger Bearbeitung auf effiziente Weise geführt werden.[18] Eine Bearbeitung auf effiziente Weise ist jedoch fraglich, wenn ein Schuldner, wie im o.g. Beispielfall, faktisch ohne die Obliegenheit zur Abführung pfändbarer Beträge eine dreijährige Wohlverhaltensperiode durchläuft.
IV. Berücksichtigung von Vermögen
Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Unpfändbare Gegenstände sowie Ausnahmen regelt § 36 InsO.
Bei den in § 12 SGB II-RefE getroffenen Regelungen zur Berücksichtigung von Vermögen ist mithin zu beachten, dass es hier aufgrund zwangsvollstreckungsrechtlicher Normen durchaus zu einer unterschiedlichen Handhabung im Insolvenzfall eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigte kommen kann.
Beispielhaft sei hier auf § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II-RefE verwiesen, wonach ein Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Die Angemessenheitsprüfung für das Kraftfahrzeug soll – aus Gründen der erheblichen Verwaltungsvereinfachung für die Jobcenter – künftig entfallen.[19]
Im Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter durchaus gehalten sein, hier eine Verwertung durchzuführen, ggf. im Wege der Austauschpfändung nach § 811 a ZPO, wenn ein gem. § 811 ZPO unpfändbarer PKW einen entsprechenden Wert hat, auch wenn er aus sozialrechtlicher Sicht unerheblich wäre.
C. Fazit
Die Abwägung der Interessen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit den Eigentumsrechten der betroffenen Gläubiger im Insolvenzverfahren obliegt dem Gesetzgeber.
Wertungswidersprüche zwischen sozialstaatlichen Regelungen und dem Vollstreckungsinteresse der betroffenen Gläubiger werden durch den Referentenentwurf verschärft. Dieser Umstand wird insbesondere bei den Erwerbsobliegenheiten deutlich und kann ohne Eingriffe in das Insolvenzrecht dazu führen, dass insolventen Beziehern des Bürgergeldes eine beantragte Restschuldbefreiung versagt bleibt.
Berlin, 23.08.2022
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[1] Bearbeitungsstand 21.07.2022; 18:17 Uhr.
[2] RefE, S. 2.
[3] Begründung RefE, S. 51.
[4] Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 SGB II, RefE S. 69.
[5] Vgl. RefE, S. 10.
[6] Ausweislich des Entwurfs unterstützen die Jobcenter derzeit rund 3,7 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Arbeits- und Ausbildungsmarktintegration.
[7] Sternal in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 287b, Rz. 6.
[8] BGH IX ZB 32/17.
[9] BGH IX ZB 32/17, Rz. 10.
[10] Streck in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 295, Rz. 7 mit Verweis auf BGH IX ZB 191/11 vom 13.09.2012 (ZInsO 2012, 1958); auf BGH IX ZB 191/11 bezugnehmend auch BGH IX ZB 32/17.
[11] Sternal in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 287b, Rz. 11 und 12 m.w.N.
[12] Vgl. RefE, S. 3.
[13] Vgl. dazu auch RefE, S. 3, 45.
[14] Vgl. RefE, S. 4, 52.
[15] Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz).
[16] Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22. Dezember 2020, abrufbar unter.
[17] Vgl. Art. 1 Abs. 1c) der RL (EU) 2019/1023.
[18] Art. 25 (b) der RL (EU) 2019/1023.
[19] Vgl. Begründung RefE, S. 77.
VID-Stellungnahme zum IDW ES 15 n.F.
Zu Rz. 4 (Erforderlichkeit einer Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 S. 2 StaRUG):
Für die Einordnung dieses Standards wäre es möglicherweise hilfreich, deutlich klarzustellen, dass die Vorlegung der Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 S. 2 StaRUG im Unterschied zu derjenigen nach § 270d Abs. 1 S. 1 InsO ausschließlich dazu führt, dass der vorgeschlagene Re-strukturierungsbeauftragte nur in Ausnahmefällen durch das Gericht nicht bestellt werden muss. Dieser Standard ist daher insbesondere einer, der die Anforderungen an die Erteilung einer Stabilisierungsanordnung beschreibt.
Zu Rz. 18 (Anforderungen an den Gutachter):
Zu ergänzen ist, dass zu den geeigneten Personen auch die bei den Restrukturierungs- und Insolvenzgerichten zur Übernahme von Aufgaben in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren als Insolvenzverwalter/Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragter oder Sanierungsmoderator gelisteten Personen zählen.
Zu Rz. 21 (Anforderungen an den Gutachter):
Es wird angeregt klarzustellen, dass an die Person des Gutachters, der (auch) als Insolvenzverwalter/Sachwalter tätig ist, als „Bescheiniger“, ebenfalls nicht die Anforderungen an die Unabhängigkeit nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56 InsO zu stellen sind.
Zu Rz. 38 (Verweigerung der Stabilisierungsanordnung bei noch nicht drohender Zahlungsunfähigkeit):
Die Aussage, die Stabilisierungsanordnung „kann“ bei noch nicht drohender Zahlungsunfähigkeit verweigert werden, trifft nicht zu. Sie muss vielmehr verweigert werden. Nach § 29 Abs. 1 StaRUG können die Instrumente des StaRUG nur in Anspruch genommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht (siehe Gesetzestext § 29 StaRUG, auch Mock in Beck/OK, Stand 01.03.2022, § 51 Rn. 10; Riggert in Braun, StaRUG, 1. Auflage 2021, § 51 Rn. 6).
Zudem heißt es § 51 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG wörtlich „Die Stabilisierungsanordnung ergeht, wenn […] und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner noch nicht drohend zahlungsunfähig ist.“ Solange die drohende Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten
ist, ist die Inanspruchnahme des modularen Rahmens nach StaRUG nicht zulässig. Insofern muss der erste Satz der Rz. 38 korrekt lauten „Die Stabilisierungsanordnung ist zu verweigern, wenn …“.
Weiterhin gibt es nach unserer Auffassung das Regelwerk nicht her, dass „in Ausnahmefällen“ das Gericht die Stabilisierungsanordnung trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gewährt. Das ergibt sich aus den §§ 33 Abs. 2 und 32 Abs. 3 StaRUG. Diese Vorschriften regeln den Fall, dass nach Anordnung einer Stabilisierungsanordnung die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt und diese Ereignisse auf einer Kündigung oder Fälligstellung einer bestimmten Gläubigerforderung beruht – aber eben nur dann.
Hingegen ist rechtlich derzeit ungeklärt, ob in den Fällen des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach Anzeige einer Restrukturierungssache eine Stabilisierungsanordnung noch ergehen kann, und zwar auch dann noch ergehen kann, wenn das Gericht von der Aufhebung der Restrukturierungssache wegen ihres erreichten Standes im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger absieht. Es ist nach unserer Auffassung nicht die Aufgabe des IDW-Standards, diese offene Rechtsfrage in dem einen oder anderen Sinne zu präjudizieren.
Jutta Rüdlin Torsten Gutmann
(Beiratsvorsitzende des VID)
Melsungen, 20.06.2022
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VID-Stellungnahme zum IDW ES 9 n. F.
Zu Rz. 10 (Anforderungen an den Gutachter):
Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Gutachters sollen danach gegeben sein, „Wenn der Gutachter als Insolvenzverwalter tätig ist oder …“. Es wird angeregt, nach Insolvenzverwalter „und/oder Sachwalter“ einzufügen.
Zu Rz. 12 (Anforderungen an den Gutachter):
Es wird angeregt klarzustellen, dass an die Person des Gutachters, der (auch) als Insolvenzverwalter/Sachwalter tätig ist, als „Bescheiniger“, ebenfalls nicht die Anforderungen an die Unabhängigkeit nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56 InsO zu stellen sind.
Zu Rz. 25 (Nicht offensichtliche Aussichtslosigkeit der Sanierung (Grobkonzepte Sanierung)):
Die Dauer der Planung soll den Zeitraum von der geplanten Insolvenzantragstellung bis zur plangemäßen Aufhebung des Verfahrens umfassen „… und geht ggf. über den nach § 270a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO geforderten Planungshorizont von 6 Monaten hinaus.“
Der Planungshorizont nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO ist verfahrensorientiert in dem Sinne, dass die Planung dem Gericht die Durchfinanzierung des Schuldners für die voraussichtliche Dauer des Verfahrens zeigen soll. Die Darlegung, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, muss aber notwendigerweise einen Zeitraum über die erwartete Verfahrensdauer, die der Gesetzgeber in § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO pauschal mit 6 Monaten angesetzt hat, in den Blick nehmen. Dazu Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 270d Rz. 29: „Die vom Schuldner vorzulegende Bescheinigung nach § 270d Abs. 1 hat daher – unter Berücksichtigung der Neuregelungen zur drohenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu den Prognosezeitpunkten durch das SanInsFoG – über einen längeren Prognosezeitraum einen profunderen Einblick in die wirtschaftliche Lage des schuldnerischen Unternehmens zu geben als es die nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 und 2 vorzulegenden Unterlagen erfordern.“
Es wird daher angeregt, in dem eingangs zitierten Satz des Entwurfes „ggf.“ durch „regelmäßig“ zu ersetzen.
Zu Rz. 31 (Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens):
Das Grobkonzept zur Bewältigung der Krise hat die Ziele der Eigenverwaltung und die zu deren Erreichung erforderlichen Maßnahmen zu enthalten. Es wird vorgeschlagen, dies konkreter zu fassen: Das Grobkonzept hat die leistungswirtschaftlichen Maßnahmen zu skizzieren, mit denen die drohende Insolvenz oder Überschuldung als materielle Voraussetzung für den Eintritt in das Verfahren nach § 270d InsO beseitigt werden sollen. Sieht das Grobkonzept zur Bewältigung der Krise nur finanzwirtschaftliche Maßnahmen vor, ist – ggf. durch einen längeren Planungshorizont – aufzuzeigen, dass und warum bereits diese Maßnahmen zur Krisenbewältigung ausreichen. Sind bereits diese Voraussetzungen (alternativ) nicht erfüllt, ist die Aussichtslosigkeit der Sanierung offensichtlich.
Zu Rz. 35 (Kosten der Eigenverwaltung, Schätzwerte):
Bei der Schätzung sollten die voraussichtlichen Maßnahmen der Sanierung und die damit i.d.R. einhergehenden Pauschalansätze für Erhöhungen oder Abschläge bei der InsVV-Vergütung ebenso wie – bei allen Unsicherheiten in diesem Verfahrensstadium – jedenfalls die voraussichtliche Berechnungsgrundlage angegeben werden. Damit würde für den Fall späterer Änderungen Transparenz für die Verfahrensbeteiligten hergestellt.
Michael Bremen
(Vorstand)
Berlin, 20.06.2022
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EnSiG – Anmerkungen des VID zu den geplanten insolvenzrechtlichen Änderungen
Sehr geehrt___,
in meiner Funktion als Vorsitzender des Berufsverbandes der deutschen Insolvenzverwalter und Sachwalter darf ich mich sehr herzlich für die Möglichkeit bedanken, an dem heutigen Austausch über die Formulierungshilfe und insbesondere zu §§ 24 bis 27 EnSiG Stellung zu nehmen. Meine heute bereits persönlich dargelegten Argumente darf ich nachfolgend noch einmal kurz zusammenfassen.
Grundsätzlich sind wir als Insolvenzverwalter und Sachwalter bereit, Transformationsprozesse über ein Insolvenz- und/oder Restrukturierungsverfahren zu begleiten. Dabei bestehen diesseits keine grundsätzlichen Bedenken, zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung im Rahmen der wirtschaftlichen und gesetzlichen Möglichkeiten, einen aktiven Beitrag zu leisten. Allerdings erweist sich die Formulierungshilfe in § 27 EnSiG in verschiedenen Aspekten als problematisch bzw. dringend überarbeitungsbedürftig. Dabei darf ich vorweg nochmals besonders betonen, dass das insolvenzrechtliche Regelwerk in §§ 103 ff. InsO einer der zentralen Bausteine für eine Sanierung insolventer Unternehmen bildet. Ein Eingriff in diese Regelung muss absoluten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, da ansonsten ein Zurückfahren der gesetzlichen Regelungen in die längst überwundene Zeit der Konkursordnung zu befürchten ist.
Sollte man diesen Ausnahmefall von nationaler Tragweite vorliegend bejahen, so ist zunächst zu bemängeln, dass der in der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG gewählte Zeitpunkt („zwei Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens“) zu spät greift. Hier wäre eine deutliche Vorverlagerung der Verpflichtung zur Antragstellung mit Bezug auf eine öffentliche Unterstützung und Finanzierung durch Dritte schon unmittelbar nach dem Insolvenzantrag selbst ratsam. Damit könnte die Reaktionszeit deutlich, d. h. in der Regel um einige Monate, vorverlagert werden. Die Verpflichtung würde damit die Geschäftsleiter unter Aufsicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters treffen.
Das erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehende Wahlrecht nach § 103 InsO dient nicht nur zur Optimierung der Ertragslage des insolventen Unternehmens, sondern vor allem zum Schutz der Insolvenzmasse vor Schädigung im Interesse aller beteiligten Gläubiger. Denn nach wie vor zielt die Insolvenzordnung nach § 1 InsO auf die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger ab. Diese würde bei einer Aufrechterhaltung nicht auskömmlicher Vertragsbeziehungen deutlich gefährdet und somit die Lasten einzelner Verträge zu Lasten der Gläubigergemeinschaft und damit der ohnehin schon durch die Insolvenz geschädigten Gläubiger verteilt. Vor diesem Hintergrund kann eine Einschränkung des Wahlrechts nach § 103 InsO nur dann infrage kommen, wenn die negativen Folgen aus der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses durch Dritte und hier wohl in erster Linie durch die öffentliche Hand ausgeglichen werden. In diesem Fall wäre es grundsätzlich denkbar, Vertragsverhältnisse fortzusetzen und das Wahlrecht entsprechend der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG einzuschränken.
Ohne finanziellen Ausgleich durch die öffentliche Hand wird der von der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG gewählte Ansatz nicht zum Tragen kommen. Dies insbesondere im Hinblick auf den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich daraus für ihn ergebenen persönlichen Verpflichtungen nach §§ 60, 61 InsO zur Tragung aller von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten, zu denen in diesem Fall der aktiven Fortsetzung der Vertragsbeziehung auch die sich aus dem Vertrag ergebenen Zahlungsverpflichtungen gehören würden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Insolvenzverwalter, anders als die insolvente juristische Person, persönlich haftet und für die sich aus den gesetzlichen Vorgaben ergebenen Zahlungsverpflichtungen auch nicht durch eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgesichert werden kann.
In diesem Fall wird der Insolvenzverwalter entweder gehalten sein, auf die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse hinzuwirken oder aber unmittelbar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsbetrieb insgesamt unverzüglich einzustellen. Damit würden nicht nur die einem möglichen Wahlrecht unterliegenden beiderseitigen Vertragsverhältnisse nach §§ 103 ff. InsO nicht fortgeführt, sondern das Insolvenzunternehmen insgesamt vom Markt genommen. Der von der Formulierungshilfe beabsichtigte Ansatz würde damit in das Gegenteil verkehrt werden.
Allerdings setzt der zwingend erforderliche gesicherte Ausgleich finanzieller Verluste aus der Fortsetzung der Vertragsverhältnisse voraus, dass die öffentliche Hand in Bezug auf die finanzielle Unterstützung in der Krise befindlicher und insbesondere insolventer Unternehmen einen Paradigmenwechsel vollzieht. Noch zum Zeitpunkt der Coronakrise und der dort gewählten Finanzierungsinstrumente war die finanzielle Unterstützung insolvenzgefährdeter bzw. insolventer Unternehmen grundsätzlich ausgenommen. Bliebe es bei dieser Ausnahme, würden die Mechanismen der Beantragung entsprechender öffentlicher Mittel, so wie dies in der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG vorgesehen ist, ins Leere laufen, da die Fördermöglichkeiten aus grundsätzlichen Erwägungen für Insolvenzverwalter bzw. die insolventen Unternehmen ausgeschlossen wären.
Vor diesem Hintergrund könnte die Formulierungshilfe zu § 27 Abs. 1 EnSiG gewählte Regelung wie folgt angepasst werden.
- In den Fällen einer festgestellten Krisensituation nach Abs. 3 ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Erfüllung von Verträgen, die der Durchführung der Belieferung mit Strom, Gas, Öl, Kohle und Fernwärme (Energie) dienen, die Erfüllung gem. § 103 Abs. 1 der Insolvenzordnung nicht abzulehnen, sofern die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Insolvenzmasse wirtschaftlich nicht nachteilig ist und/oder die Insolvenzmasse zum Ausgleich etwaiger wirtschaftlicher Nachteile eine gesicherte Unterstützung durch Dritte, insbesondere der KfW oder der Bundes- oder Landesebene, erhält.
- Der Geschäftsleiter eines für die Durchführung der Lieferung von Strom, Gas, Öl, Kohle und Fernwärme (Energie) zuständigen Unternehmens ist verpflichtet unmittelbar nach einem Insolvenzantrag, spätestens jedoch binnen zwei Wochen, einen Antrag auf Unterstützung an Dritte, insbesondere die KfW oder das betreffende Bundesland insbesondere zur Sicherstellung der nach § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes sich ergebenen Verpflichtung zur Weiterbelieferung zu stellen.
Gerne stehen wir für weitere Ausführungen und für ein Gespräch, ggf. auch für eine Anhörung im Wirtschafts- und/oder Rechtsausschuss zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christoph Niering
Vorsitzender
