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Stellungnahme:

20.04.2022

EnSiG – Anmerkungen des VID zu den geplanten insolvenzrechtlichen Änderungen

Anmerkungen des VID zu den insolvenzrechtlichen Änderungen durch die geplante Novelle des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG)

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Sehr geehrt___,

in meiner Funktion als Vorsitzender des Berufsverbandes der deutschen Insolvenzverwalter und Sachwalter darf ich mich sehr herzlich für die Möglichkeit bedanken, an dem heutigen Austausch über die Formulierungshilfe und insbesondere zu §§ 24 bis 27 EnSiG Stellung zu nehmen. Meine heute bereits persönlich dargelegten Argumente darf ich nachfolgend noch einmal kurz zusammenfassen.

Grundsätzlich sind wir als Insolvenzverwalter und Sachwalter bereit, Transformationsprozesse über ein Insolvenz- und/oder Restrukturierungsverfahren zu begleiten. Dabei bestehen diesseits keine grundsätzlichen Bedenken, zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung im Rahmen der wirtschaftlichen und gesetzlichen Möglichkeiten, einen aktiven Beitrag zu leisten. Allerdings erweist sich die Formulierungshilfe in § 27 EnSiG in verschiedenen Aspekten als problematisch bzw. dringend überarbeitungsbedürftig. Dabei darf ich vorweg nochmals besonders betonen, dass das insolvenzrechtliche Regelwerk in §§ 103 ff. InsO einer der zentralen Bausteine für eine Sanierung insolventer Unternehmen bildet. Ein Eingriff in diese Regelung muss absoluten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, da ansonsten ein Zurückfahren der gesetzlichen Regelungen in die längst überwundene Zeit der Konkursordnung zu befürchten ist.

Sollte man diesen Ausnahmefall von nationaler Tragweite vorliegend bejahen, so ist zunächst zu bemängeln, dass der in der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG gewählte Zeitpunkt („zwei Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens“) zu spät greift. Hier wäre eine deutliche Vorverlagerung der Verpflichtung zur Antragstellung mit Bezug auf eine öffentliche Unterstützung und Finanzierung durch Dritte schon unmittelbar nach dem Insolvenzantrag selbst ratsam. Damit könnte die Reaktionszeit deutlich, d. h. in der Regel um einige Monate, vorverlagert werden. Die Verpflichtung würde damit die Geschäftsleiter unter Aufsicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters treffen.

Das erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehende Wahlrecht nach § 103 InsO dient nicht nur zur Optimierung der Ertragslage des insolventen Unternehmens, sondern vor allem zum Schutz der Insolvenzmasse vor Schädigung im Interesse aller beteiligten Gläubiger. Denn nach wie vor zielt die Insolvenzordnung nach § 1 InsO auf die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger ab. Diese würde bei einer Aufrechterhaltung nicht auskömmlicher Vertragsbeziehungen deutlich gefährdet und somit die Lasten einzelner Verträge zu Lasten der Gläubigergemeinschaft und damit der ohnehin schon durch die Insolvenz geschädigten Gläubiger verteilt. Vor diesem Hintergrund kann eine Einschränkung des Wahlrechts nach § 103 InsO nur dann infrage kommen, wenn die negativen Folgen aus der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses durch Dritte und hier wohl in erster Linie durch die öffentliche Hand ausgeglichen werden. In diesem Fall wäre es grundsätzlich denkbar, Vertragsverhältnisse fortzusetzen und das Wahlrecht entsprechend der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG einzuschränken.

Ohne finanziellen Ausgleich durch die öffentliche Hand wird der von der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG gewählte Ansatz nicht zum Tragen kommen. Dies insbesondere im Hinblick auf den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich daraus für ihn ergebenen persönlichen Verpflichtungen nach §§ 60, 61 InsO zur Tragung aller von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten, zu denen in diesem Fall der aktiven Fortsetzung der Vertragsbeziehung auch die sich aus dem Vertrag ergebenen Zahlungsverpflichtungen gehören würden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Insolvenzverwalter, anders als die insolvente juristische Person, persönlich haftet und für die sich aus den gesetzlichen Vorgaben ergebenen Zahlungsverpflichtungen auch nicht durch eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgesichert werden kann.

In diesem Fall wird der Insolvenzverwalter entweder gehalten sein, auf die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse hinzuwirken oder aber unmittelbar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsbetrieb insgesamt unverzüglich einzustellen. Damit würden nicht nur die einem möglichen Wahlrecht unterliegenden beiderseitigen Vertragsverhältnisse nach §§ 103 ff. InsO nicht fortgeführt, sondern das Insolvenzunternehmen insgesamt vom Markt genommen. Der von der Formulierungshilfe beabsichtigte Ansatz würde damit in das Gegenteil verkehrt werden.

Allerdings setzt der zwingend erforderliche gesicherte Ausgleich finanzieller Verluste aus der Fortsetzung der Vertragsverhältnisse voraus, dass die öffentliche Hand in Bezug auf die finanzielle Unterstützung in der Krise befindlicher und insbesondere insolventer Unternehmen einen Paradigmenwechsel vollzieht. Noch zum Zeitpunkt der Coronakrise und der dort gewählten Finanzierungsinstrumente war die finanzielle Unterstützung insolvenzgefährdeter bzw. insolventer Unternehmen grundsätzlich ausgenommen. Bliebe es bei dieser Ausnahme, würden die Mechanismen der Beantragung entsprechender öffentlicher Mittel, so wie dies in der Formulierungshilfe zu § 27 EnSiG vorgesehen ist, ins Leere laufen, da die Fördermöglichkeiten aus grundsätzlichen Erwägungen für Insolvenzverwalter bzw. die insolventen Unternehmen ausgeschlossen wären.

Vor diesem Hintergrund könnte die Formulierungshilfe zu § 27 Abs. 1 EnSiG gewählte Regelung wie folgt angepasst werden.

  1. In den Fällen einer festgestellten Krisensituation nach Abs. 3 ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Erfüllung von Verträgen, die der Durchführung der Belieferung mit Strom, Gas, Öl, Kohle und Fernwärme (Energie) dienen, die Erfüllung gem. § 103 Abs. 1 der Insolvenzordnung nicht abzulehnen, sofern die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Insolvenzmasse wirtschaftlich nicht nachteilig ist und/oder die Insolvenzmasse zum Ausgleich etwaiger wirtschaftlicher Nachteile eine gesicherte Unterstützung durch Dritte, insbesondere der KfW oder der Bundes- oder Landesebene, erhält.
  1. Der Geschäftsleiter eines für die Durchführung der Lieferung von Strom, Gas, Öl, Kohle und Fernwärme (Energie) zuständigen Unternehmens ist verpflichtet unmittelbar nach einem Insolvenzantrag, spätestens jedoch binnen zwei Wochen, einen Antrag auf Unterstützung an Dritte, insbesondere die KfW oder das betreffende Bundesland insbesondere zur Sicherstellung der nach § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes sich ergebenen Verpflichtung zur Weiterbelieferung zu stellen.

Gerne stehen wir für weitere Ausführungen und für ein Gespräch, ggf. auch für eine Anhörung im Wirtschafts- und/oder Rechtsausschuss zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christoph Niering
Vorsitzender

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