Stellungnahme zur Prüfbitte zu § 15b Abs. 8 InsO

 A. Einleitung

Im Rahmen einer Evaluation der steuerlichen Haftungsbestimmungen hat der Bundesrechnungshof (BRH) auf mögliche Durchsetzungshindernisse im Zusammenhang mit der Anwendung des § 15b Abs. 8 InsO hingewiesen: den Finanzämtern sei es nicht möglich, den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife zu ermitteln, welche Voraussetzung für die Anwendung des § 15b Abs. 8 InsO ist. Ohne Kenntnis des Zeitpunkts der Insolvenzreife könnten Haftungsbescheide nach §§ 34, 69 AO gegen GeschäftsleiterInnen frühzeitig nicht durchgesetzt werden. Als Lösung regt der BRH an, den Finanzämtern in Zukunft die erforderlichen Informationen über den Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife in der Weise zur Verfügung zu stellen, dass vorläufige InsolvenzverwalterInnen oder externe GutachterInnen mit der zusätzlichen Feststellung des Zeitpunkts der Insolvenzreife beauftragt werden.

Der VID steht dieser Anregung kritisch gegenüber und nimmt dazu hier Stellung.

 

B. Gesetzesentwurf

Am 16. Dezember 2020 hatte der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz der 19. Legislaturperiode den § 15b InsO[1] um einen neuen Absatz (Abs. 8) ergänzt. In der Begründung[2] wurde die zuvor bestehende Problematik erkannt, dass GeschäftsleiterInnen in der Praxis in einen Konflikt gerieten: Entweder verstießen sie gegen das Insolvenzrecht, indem sie selektiv Steuerverbindlichkeiten beglichen, oder sie verstießen gegen das Steuerrecht, indem sie fällige Steuern nicht abführten.

Um redliche GeschäftsführerInnen, die ihren Verpflichtungen aus § 15a InsO nachkommen, vor einer solchen steuerrechtlichen Zwangslage zu schützen, entschied sich der Gesetzgeber für eine Auflösung des Konflikts durch den neuen § 15b Abs. 8 InsO.

Die Regelung bestätigt GeschäftsleiterInnen darin, dass die Massesicherungspflicht Vorrang vor der Abführung von Abgaben hat. Diese insolvenzrechtliche Regelung geht auf vorherige Rechtsprechung auch des Bundesfinanzhofs zurück.[3] Der Vorrang der Massesicherungspflicht dient dazu, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung sicherzustellen und eine einseitige Privilegierung einzelner Gläubiger – hier des Fiskus – zu verhindern.

Darüber hinaus sollte die Vorschrift eine bis dahin verbreitete Praxis in Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung entbehrlich machen: GeschäftsleiterInnen sahen sich zur Haftungsvermeidung gezwungen, auf Umgehungslösungen zurückzugreifen. Diese bestanden darin, die Finanzverwaltung zunächst über den Insolvenzantrag zu informieren, dann die Steuer zu begleichen und diese Zahlungen später nach Insolvenzeröffnung durch den/die SachwalterIn anfechten zu lassen. Dies führte jedoch zu unnötigen Liquiditätsbelastungen für die insolvente Gesellschaft, ohne dass der Fiskus langfristig einen Vorteil daraus zieht. Gut beratene GeschäftsführerInnen konnten sich haftungsfrei halten, während schlecht oder nicht Beratene in Haftungsfallen gerieten – ein Zustand, den der Gesetzgeber mit § 15b Abs. 8 InsO eigentlich beenden wollte.

Unberührt blieb jedoch die Haftung nach § 69 AO, wonach GeschäftsführerInnen für die bereits vor Eintritt der Insolvenzreife begangenen Pflichtverletzungen in Gestalt der Nichtzahlung von zu diesem Zeitpunkt schon fälligen Steuern haften. Ebenso haftungsbewehrt blieb die Nichtbegleichung derjenigen Steuerschulden, die im Zeitraum zwischen dem (fruchtlosen) Ablauf der Insolvenzantragsfrist und der (aufgrund eines später doch noch gestellten Antrags) Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens fällig werden. Auch für pflichtwidrig vereitelte Insolvenzverfahren blieb eine Geschäftsleiterhaftung weiter vorgesehen.

 

C. Kritikpunkte

1. Ermittlungstätigkeit im Eröffnungsverfahren

Die vom BRH vorgeschlagene Ermittlungstätigkeit im Eröffnungsverfahren mag der Finanzverwaltung die Haftungsverfolgung erleichtern. Sie würde jedoch zu erheblichen Mehraufwendungen der GutachterInnen und zudem zu rechtlichen und praktischen Problemen führen. Die Ermittlungen von GutachterInnen und vorläufigen InsolvenzverwalterInnen dienen nicht ohne Grund in diesem frühen Verfahrensstadium nur der Feststellung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes und der voraussichtlichen Deckung der Verfahrenskosten. Diesem Zweck dienen regelmäßig die gerichtlichen Gutachtenaufträge.

Weitergehende Ermittlungsaufträge werden in diesem frühen Verfahrensstadium in der Regel nicht erteilt, weil die Beantwortung allein dieser beiden Fragen ausreicht, die Entscheidung des Gerichts über den Insolvenzantrag vorzubereiten. Liegt kein Insolvenzgrund vor, erübrigt sich eine weitere Ermittlungstätigkeit. Sind die Verfahrenskosten voraussichtlich nicht gedeckt, ist eine Zurückweisung des Antrags mangels Masse angezeigt, die wiederum eine weitere Ermittlungstätigkeit durch das Gericht oder von ihm beauftragte Personen obsolet macht.

Werden die beiden Vorfragen bejaht, könnte ein Gutachter und vorläufiger Insolvenzverwalter nach der aktuellen Rechtslage nicht mit weiteren Ermittlungen beauftragt werden, weil sie vom Wortlaut des § 21 InsO nicht gedeckt sind.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den GläubigerInnen nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu vermeiden. Das gilt für alle – auch zu diesem Zeitpunkt oft noch nicht bekannte – GläubigerInnen. Einzelmaßnahmen zum Schutz bestimmter GläubigerInnen sind regelmäßig nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber hat diesen Effekt gesehen und mit § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO nur ein allgemeines Verfügungsverbot oder einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt zugelassen, um eine Bevorzugung einzelner GläubigerInnen auszuschließen.

Die vom BRH vorgeschlagenen Ermittlungen wären also nur dann geboten, wenn sie i. S. d. § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO eine nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners vermeiden würden. Das ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Indirekt verschlechtern sie sogar möglicherweise die Aussichten, über eine Inanspruchnahme von antragspflichtigen Personen durch den Insolvenzverwalter die Masse für alle GläubigerInnen zu vergrößern.

Aus diesen Gründen verbietet sich auch eine Erweiterung der gerichtlichen Aufträge an GutachterInnen. Da in den Insolvenzgutachten regelmäßig nur die Entscheidung des Gerichts über Eröffnungsanträge vorbereitet werden soll, können solche Aufträge in diesem frühen Verfahrensstadium nicht für weitere Zwecke genutzt werden. Weitergehende Ermittlungen würden die Erstellung der Gutachten nicht nur wesentlich verzögern, sondern auch erheblich verteuern – bei unzureichendem Schuldnervermögen zu Lasten der Staatskasse. Käme diese Verteuerung und Verzögerung nur bestimmten GläubigerInnen zugute, ohne gleichzeitig auch für die übrigen GläubigerInnen im Sinne einer Massesicherung oder Massemehrung wirksam zu werden, ließe sie sich nicht aus dem gesetzlichen Ermittlungsauftrag in dieser Verfahrensphase herleiten. Zudem würde eine Verteuerung der Begutachtung die Verfahrenskosten und damit die Hürde für eine Verfahrenseröffnung erhöhen.

Die vom BRH vorgeschlagene Ermittlungstätigkeit soll den Fiskus in die Lage versetzen, Haftungsansprüche nach § 69 AO gegenüber antragspflichtigen Personen geltend zu machen. Diese Ansprüche konkurrieren mit Ansprüchen aus § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO, die InsolvenzverwalterInnen gegenüber antragspflichtigen Personen geltend machen können. Beide Ansprüche konkurrieren damit auch um dasselbe Haftungssubstrat. Eine Geltendmachung von Haftungsansprüchen gelingt dem Fiskus über einen Haftungsbescheid nach § 72 AO regelmäßig schneller als dem Insolvenzverwalter, der auf den Zivilrechtsweg angewiesen ist. Im Ergebnis würde eine erfolgreiche Ermittlungstätigkeit einen rechtlichen Vorteil des Fiskus zu Lasten aller anderen GläubigerInnen schaffen.

 

2. Praktische Erwägungen

Eine erfolgreiche Ermittlungstätigkeit führte voraussichtlich nur in wenigen Fällen auch praktisch zu einem Vorteil des Fiskus.

Käme sie zu dem Ergebnis, dass die antragspflichtigen Personen ihren Verpflichtungen nach § 15a nachgekommen sind, wäre nach § 15b Abs. 8 Satz 1 InsO eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten ausgeschlossen, wenn zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife nach § 17 oder § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.

Würde das Insolvenzverfahren nicht eröffnet und wäre dies auf eine Pflichtverletzung der Antragspflichtigen zurückzuführen, gelten nach § 15b Abs. 8 Satz 3 InsO die Sätze 1 und 2 nicht. Angesprochen sind hier die Fälle einer Abweisung mangels Masse, in denen die Masselosigkeit auf eine Pflichtverletzung der Antragspflichtigen zurückzuführen ist. Da die Masselosigkeit des Verfahrens bereits Gegenstand des Eröffnungsgutachtens ist, verbieten sich nach ihrer vorrangigen Feststellung weitere kostenträchtige Ermittlungen (s.o.). In solchen Fällen ist überdies zweifelhaft, ob die oftmals ebenfalls insolventen Antragspflichtigen überhaupt erfolgreich in Anspruch genommen werden könnten.

Im Fall des § 15b Abs. 8 Satz 2 InsO könnte eine verspätete Antragstellung so lange zu einer zeitweiligen Haftung der Antragspflichtigen führen, bis ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt oder eine vorläufige Eigenverwaltung angeordnet wird. In beiden Verfahrensvarianten werden die jeweiligen Anordnungen regelmäßig zeitgleich mit dem Gutachtenauftrag und in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Insolvenzantrag erfolgen. Es bleibt deshalb nur ein kurzer Zeitraum, in dem Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Ansprüche, die bereits vor Antragstellung entstanden waren und bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt wurden, bleiben hier außer Betracht, weil sie als Insolvenzforderungen nicht mehr gesondert erfüllt werden dürfen.

Schließlich stehen der Finanzverwaltung aufgrund der öffentlichen Bekanntmachungen und nicht zuletzt aufgrund des seit dem Jahr 2024 von InsolvenzverwalterInnen und SachwalterInnen obligatorisch vorzuhalten Gläubigerinformationssystems (GIS) alle erforderlichen Informationen über die Daten der Insolvenzeröffnung, der Ernennung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzantrages zur Verfügung. Sie können anhand dessen unschwer in dem Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Ernennung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdende Steueransprüche bei einer Haftung nach § 69 AO „aussortieren“ und einen Haftungsbescheid im Sinne einer erleichterten und zügigen Durchsetzung als risikoträchtige Positionen „bereinigen“. Die Praxis von InsolvenzverwalterInnen und SachwalterInnen zeigt jedenfalls, dass die Verwirklichung der Organhaftung bezüglich gezahlter Rückstände in diesem kurzen Zeitraum nahezu keinerlei Rolle spielt.

Im Ergebnis stehen neben den rechtlichen Gründen auch diese praktischen Erwägungen einer Ermittlungspflicht entgegen, die mit großem, häufig von der Staatskasse zu tragendem Aufwand wenig greifbare Ergebnisse für den Fiskus liefern würde.

 

D. Fazit

Die Vorschläge des BRH zur verpflichtenden Prüfung der Insolvenzreife durch Finanzämter sind nicht nur insolvenzrechtlich fragwürdig, sondern auch praktisch wenig sinnvoll. Sie würden eine einseitige Bevorzugung der Finanzverwaltung bedeuten, ohne eine ausgewogene Lösung für alle Gläubigergruppen zu schaffen. Zudem bleiben essenzielle Fragen zur Finanzierung und zu den praktischen Auswirkungen auf die Insolvenzverfahren unbeantwortet.

 

Berlin, 01.04.2025

 

Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Implementiert durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG).

[2] Deutscher Bundestag, Drucksache 19/25353, 19. Wahlperiode, Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), S. 11 ff, abrufbar unter: Drucksache 19/25353 (zuletzt gesehen am 26.03.2025).

[3] Vgl. BFH, Urteil vom 22. Oktober 2019 – VII R 30/18, NZI 2020, 585.

E-JustizVO RP

 

A. Einleitung

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) den Grundstein für die Digitalisierung justizieller Verfahren gelegt. Ab dem 1. Januar 2026 sind Verfahrens-akten in bestimmten Bereichen der Justiz verpflichtend elektronisch zu führen. Diese Regelung betrifft nicht nur Gerichte und Staatsanwaltschaften, sondern auch Finanzbehörden in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach § 386 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie Verwaltungsbehörden, soweit sie Aufgaben im Bußgeldverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wahrnehmen.

Rheinland-Pfalz hat sich dieser bundesweiten Entwicklung angeschlossen und durch mehrere Verordnungen über die Jahre den elektronischen Rechtsverkehr für verschiedene Verfahrensarten eingeführt. Um eine einheitliche und rechtssichere Anwendung sicherzustellen, entschied sich das Land für eine harmonisierte Regelung, die sich eng an den Vorgaben des Bundes orientiert. Damit solle Verwirrung innerhalb der betroffenen Institutionen vermieden und eine effiziente sowie fehlerfreie Dokumentenführung gewährleistet werden.[1] Ab Inkrafttreten der in Frage stehenden eJustizVO RP (folgend als VO-E gekennzeichnet) treten endgültig alle vier anderen zur Regelung der elektronischen Aktenführung geltenden Landesverordnungen gemäß § 22 Abs. 2 VO-E außer Kraft.

Da § 12 Abs. 1 Nr. 6 VO-E i.V.m. § 5 Abs. 4 S. 2 und 3 InsO den Anwendungsbereich für die Nutzung des elektronischen Verkehrs bei der Tabellenführung für die InsolvenzverwalterInnen zwingend eröffnet und der zweite Abschnitt der VO-E sich speziell der elektronischen Insolvenzakte widmet, hat sich der VID entschlossen, hierzu Stellung zu nehmen.

 

B. Im Einzelnen

Die medienbruchfreie Führung der Insolvenztabellen und die Digitalisierung der Justiz sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings werfen einige Regelungen im Entwurf aus Sicht der Insolvenzpraxis Fragen auf, bei denen dringend nachgebessert werden muss.

 

I. Vorbemerkung

Auf Seite 23 des VO-E heißt es: „Eine bundesweit einheitliche und gleichzeitige Einführung kommt wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern nicht in Betracht. Aus diesem Grunde enthält der § 5 der Insolvenzordnung umfassende Ermächtigungen für die Landesregierungen, Einzelheiten durch Rechtsverordnungen zu regeln. Von dieser Verordnungsermächtigung wurde vorliegend (Gebrauch) gemacht.“

Bereits bestehende Verordnungen in anderen Bundesländern, wie etwa die eTab InsO[2] in Nordrhein-Westfalen und die Verordnung in Niedersachsen[3] finden seit geraumer Zeit Anwendung und zeigen eine erhebliche Vielfalt an Vorgaben und zum Teil unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten. Es ist davon auszugehen, dass künftig noch weitere Bundesländer von ihrer Verordnungsermächtigung Gebrauch machen. Die Unterschiedlichkeit der Ansätze führt zu einer erhöhten Komplexität für die NutzerInnen, da sie sich an jeweils unterschiedliche Anforderungen anpassen müssen. Dies kann mit hohen Kosten[4] verbunden sein, da zusätzlich Ressourcen und Zeit investiert werden müssen, um die jeweiligen landesspezifischen Bestimmungen zu berücksichtigen.

 

II. Inhalte

1. § 1 VO-E

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts regeln die Führung elektronischer Akten bei

  1. den Staatsanwaltschaften
  2. den Gerichten
  3. den Finanzbehörden in Ermittlungsverfahren nach § 386 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO).
  4. den Verwaltungsbehörden, soweit diese als Bußgeldbehörden tätig sind.

(2) Akten können bei den in Absatz 1 genannten Stellen elektronisch geführt werden. Das fachlich zuständige Ministerium bestimmt für seinen Zuständigkeitsbereich durch Verwaltungsvorschrift, die öffentlich bekannt zu machen ist, den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden. Die elektronische Aktenführung kann dabei auf einzelne Gerichte, Strafverfolgungsbehörden oder Verwaltungsbehörden oder auf allgemein bestimmte Verfahren beschränkt werden.

(3) Akten, die vor dem gemäß Absatz 2 bestimmten Zeitpunkt in Papierform angelegt wurden, werden auch nach Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform weitergeführt.

(4) Das fachlich zuständige Ministerium kann für die in seinen Zuständigkeitsbereich durch Verwaltungsvorschrift, die öffentlich bekanntzumachen ist, bestimmen, dass Akten, die vor dem 1. Januar 2026 in Papierform angelegt wurden, abweichend von Absatz 3 ab einem bestimmten Stichtag oder Ereignis in elektronischer Form weitergeführt werden (Hybridaktenführung). Die Zulassung der Weiterführung in elektronischer Form kann dabei auf einzelne Gerichte, Strafverfolgungsbehörden oder Verwaltungsbehörden oder auf bestimmte Verfahren beschränkt werden.

(5) Andere landesrechtliche Vorschriften zur Regelung der elektronischen Aktenführung bleiben unberührt.

Die Regelung in Abs. 2 gibt den zuständigen Ministerien weitreichende Befugnisse, die Aktenführung in den in Abs. 1 genannten Institutionen zu regeln. Dabei überlässt sie einen großen Spielraum, der Umsetzungsprobleme mit sich bringt:

Während einige Gerichte und Behörden aufgrund der jeweiligen ministeriellen Entscheidung bereits elektronisch arbeiten, müssen andere weiterhin Papierakten führen. Der Entwurf versucht dies flexibel zu regeln, indem er im Abs. 3 festlegt, dass vor dem Stichtag angelegte Papierakten nicht zwingend digitalisiert werden müssen. Begründet wird diese Regelung damit, dass mit den personellen Ressourcen eine sofortige Digitalisierung aller Papierakten kaum umsetzbar sei.[5]

Langfristig wird es deshalb bei den NutzerInnen zu einem „Mischbetrieb“ kommen, der insbesondere für Insolvenzkanzleien eine Doppelbelastung und dementsprechend nicht eine „möglichst reibungslose Umstellung“[6] mit sich bringt.

Die Regelung versucht dies zu umgehen, indem sie in Abs. 4 eine Hybridaktenführung für vor dem 1. Januar 2026 angelegten Papierakten vorsieht. Diese Kombination aus Papier- und elektronischer Aktenführung führt jedoch zu Verwirrung, da Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und Verwaltungsbehörden je nach ministerieller Vorgabe unterschiedlichen Regelungen unterliegen. Dies erschwert die Arbeitsabläufe von Insolvenzkanzleien, da sie sich auf verschiedene technische und organisatorische Anforderungen einstellen müssen. Es empfehlen sich stattdessen eine einheitliche Fristenregelung sowie klare Vorgaben für die Digitalisierung von Altakten.

 

2. § 2 VO-E: Bildung elektronischer Akten; Repräsentat

(1) Elektronische Dokumente sowie in Papierform beibehaltene Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die dieselbe Angelegenheit betreffen, sind zu elektronischen Akten zu vereinigen. In der elektronischen Akte werden zur Akte gebrachte elektronische Dokumente einschließlich zugehöriger Signaturdateien sowie sonstige zur Akte gebrachte Dateien und Informationen gespeichert. Elektronische Empfangsbekenntnisse sowie elektronische Formulare, die als strukturierte maschinenlesbare Datensätze übermittelt worden sind werden als Datensätze in der elektronischen Akte gespeichert.

(2) Enthält eine elektronisch geführte Akte sowohl elektronische als auch in Papierform beibehaltene Bestandteile, so muss beim Zugriff auf jeden der Teile ein Hinweis auf den jeweils anderen Teil enthalten sein. Die nach Absatz 1 in der elektronischen Akte gespeicherten Inhalte müssen jederzeit zusätzlich als elektronische Dokumente im Format PDF/A wiedergegeben werden können; diese Dokumente bilden das Repräsentat. Das Repräsentat muss den gesamten zur Akte gebrachten Inhalt mit Ausnahme der nur für die Datenverarbeitung notwendigen Struktur-, Definitions- und Schemadateien wiedergeben. Soweit die Wiedergabe eines Inhalts technisch nicht möglich ist, ist ein entsprechender Hinweis in das Repräsentat aufzunehmen. An die Stelle von Signaturdateien treten Vermerke über das Ergebnis der Signaturprüfung. Das Repräsentat muss druckbar, kopierbar und, soweit technisch möglich, durchsuch bar sein. Die Seiten des Repräsentats sind so zu nummerieren, dass sie eindeutig zitiert werden können.

(3) Als Bußgeldbehörden tätige Verwaltungsbehörden müssen Bußgeldakten mindestens nach Maßgabe der in Absatz 1 niedergelegten Grundsätze führen. Sie sollen ferner die in Absatz 2 niedergelegten Grundsätze beachten.

Diese Regelung wirft eine Vielzahl von Fragen auf.

Zunächst ist der Hinweis auf die Nutzung eines PDF/A Formats wesentlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Originaldokumente gemäß § 2 Abs. 1 VO-E zur elektronischen Akte gehören. Das bedeutet, dass diese als eingebettete Dateien hinzufügbar sein sollten.  

Ein Beispiel für eine solche eingebettete Datei:

Eine PDF/A-3 Datei könnte eine Rechnung im PDF-Format enthalten, aber zusätzlich die Original-XML-Datei der Rechnung eingebettet haben.

Daher ist eine Konkretisierung der zu verwendenden PDF-Version vonnöten. Eine solche gibt das rheinland-pfälzische Justizministerium auf seiner Website[7] für die bisher geltende ERVLVO an. Dort sind die PDF-Versionen 1.0 bis 1.7[8] und die PDF/A-1b oder PDF/A-2[9] als zulässige PDF-Formate genannt. Allerdings erlauben weder PDF/A-1b noch PDF/A-2 das Einbetten beliebiger[10] Dateien als Anhänge. Beide Standards schreiben vor, dass alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Ressourcen (z. B. Schriftarten) eingebettet werden müssen, schließen aber das Einfügen zusätzlicher arbiträrer Dateianhänge aus. Erst PDF/A‑3 führt die Möglichkeit ein, beliebige Dateien (z. B. XML, Office-Dokumente) als Anhänge in das PDF einzubetten. Die regulären PDF-Spezifikationen von Version 1.0 bis 1.7 erlauben hingegen die Einbettung beliebiger Dateien – etwa als Dateianhänge über die dafür vorgesehenen Mechanismen (wie die FileAttachment-Anmerkungen und EmbeddedFile-Streams).[11]

Hier stellt sich die Frage, ob durch die Zulassung von PDF 1.0 bis 1.7 das Problem gelöst wird. Denn während diese Versionen zwar Dateianhänge erlauben, erfüllen sie nicht die speziellen Anforderungen der revisionssicheren Langzeitarchivierung nach PDF/A-Standards. Daher ist eine Klarstellung erforderlich, ob und inwieweit eingebettete Dateien zulässig sind und wie dies mit den Archivierungsanforderungen vereinbar ist. Eine explizite Zulassung von PDF/A-3 könnte eine Lösung darstellen, da dieses Format sowohl Langzeitarchivierungsstandards erfüllt als auch die Einbettung zusätzlicher Dateien erlaubt.

Es wird zwar anerkannt, dass nicht alle digitalen Inhalte in ein PDF/A-Dokument überführt werden können, beispielsweise umfangreiche Excel-Dateien oder komplexe Bauzeichnungen. In diesen Fällen sieht die Regelung in § 2 Abs. 2 S. 4 VO-E vor, dass ein Hinweis auf die nicht darstellbaren Inhalte in das „Repräsentat“ aufgenommen wird. Obwohl in der Begründung davon ausgegangen wird, dass solche Daten teilweise überflüssig sind, keinen brauchbaren Akteninhalt darstellen und ihre Einfügung die Lesbarkeit erschwert, wird laut Entwurfsbegründung dennoch eine Einsichtnahme in den Diensträumen ermöglicht.[12]

Dies ist grundsätzlich keine praktikable Lösung. In der Praxis könnten sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben, da betroffene Parteien gezwungen wären, für die Einsichtnahme in nicht darstellbare Inhalte persönlich in die Diensträume der Behörde oder des Gerichts zu kommen. Dies verursacht zusätzlichen Zeitaufwand und organisatorische Hürden, insbesondere für auswärtige Verfahrensbeteiligte. Zudem kann sich die Abgrenzung zwischen ‚überflüssigen‘ und ‚wesentlichen‘ Daten als problematisch erweisen, da es subjektiver Einschätzung unterliegt, welche Inhalte für das Verfahren relevant sind. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass wesentliche Informationen durch die fehlende digitale Bereitstellung verloren gehen oder nur eingeschränkt überprüfbar sind, was zu Unklarheiten oder sogar zu Rechtsunsicherheiten führen kann. Hier wäre eine alternative digitale Lösung notwendig, beispielsweise durch die Bereitstellung dieser Dateien in einem ergänzenden Dateiformat oder über eine gesicherte Online-Plattform (vgl. das RegSol-System in Belgien[13]).

 

3. § 3 VO-E

(1) Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die zu einer elektronisch geführten Akte in Papierform eingereicht werden, sind nach dem Stand der Technik zur Ersetzung der Urschrift in elektronische Dokumente zu übertragen. Hiervon ausgenommen sind in Papierform geführte Akten anderer Instanzen und Beiakten. Diese können gemäß Anordnung der Gerichts- oder Behördenleitung in die elektronische Form übertragen werden.

(2) Es ist sicherzustellen, dass das elektronische Dokument mit den eingereichten Schriftstücken und sonstigen Unterlagen bildlich und inhaltlich übereinstimmt.

(3) Die nach Absatz 1 in elektronische Dokumente übertragenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sind frühestens sechs Monate nach der Übertragung zu vernichten, sofern es sich nicht um Urschriften oder Ausfertigungen einer Urkunde oder sonstige rückgabepflichtige Unterlagen handelt.

Die Regelungen in § 3 VO-E – insbesondere die Verpflichtung zur Übertragung von eingereichten Papierdokumenten in elektronischen Dokumenten sowie deren Vernichtung frühestens sechs Monate nach Übertragung – können Probleme beim Archivierungsprozess hervorrufen. Diese Pflichten beziehen sich laut § 3 Abs. 1 Satz 2 VO-E explizit nicht auf Akten anderer Instanzen. Das impliziert, dass diese Vorgaben primär für Gerichte gelten. Dennoch sind an dieser Stelle aus Sicht der Praxis einige Hinweise geboten:

Im Rahmen von Forderungsanmeldungen sind nach § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin einer Anmeldung die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beizufügen. Nach § 174 Abs.4 InsO kann die Anmeldung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen; der Insolvenzverwalter kann einen gängigen elektronischen Übermittlungsweg sowie ein gängiges Dateiformat vorgeben. Der/die Insolvenzverwalter(in) muss daneben einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a der Zivilprozessordnung für die Übermittlung anbieten. Als Urkunde im Sinne des Abs. 1 Satz 2 kann in diesen Fällen auch eine elektronische Rechnung übermittelt werden. Auf Verlangen der InsolvenzverwalterInnen oder des Insolvenzgerichts sind Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen.

In der Praxis wird regelmäßig eine Fülle von Ausdrucken, Abschriften oder Originalen von Urkunden eingereicht, die gemäß § 175 Abs. 1 InsO mit der Insolvenztabelle beim Insolvenzgericht niederzulegen sind. Eine regelhafte Vernichtung solcher eingereichten Unterlagen kommt insbesondere bei Original-Urkunden nicht in Betracht. Abs. 3 trägt diesem Umstand durch eine entsprechende Regelung Rechnung. Da es gerade in Verfahren mit vielen Beteiligten zu einem hohen Aufkommen von Unterlagen kommen kann, würde sich zur Vermeidung einer ansonsten justizseitig notwendigen (Aus)Sortierung eine Ausnahmeregelung für solche Verfahren empfehlen.

 

4. § 4 VO-E: Bearbeitung und Führung elektronischer Akten

 (1) Elektronische Dokumente sowie sonstige Dateien und Informationen gelten als zur Akte genommen, wenn sie bewusst und dauerhaft in der elektronischen Akte gespeichert worden sind.

(2) Es ist sicherzustellen, dass in der elektronischen Akte alle Bearbeitungsvorgänge nachvollzogen werden können. Es ist insbesondere sicherzustellen, dass nachvollzogen werden kann, welche Stelle die Akte zu welchem Zeitpunkt bearbeitet hat.

(3) Es ist sicherzustellen, dass die elektronische Akte nur von der jeweils lese- und schreibberechtigten Stelle eingesehen und bearbeitet werden kann. Dies gilt auch, wenn die Lese- und Schreibrechte nur teilweise auf eine andere Stelle übergehen.

§ 4 VO-E bestimmt den Zeitpunkt, zu dem das jeweilige elektronische Dokument als zur Akte genommen gilt. Dies ist der Fall, wenn das Dokument bewusst und dauerhaft in der e-Akte gespeichert wird.

Unklar ist aber was unter „dauerhaft“ gemeint ist. Der Verordnungsentwurf erläutert dies nicht näher. Mutmaßlich ist damit zunächst eine revisionssichere Speicherung[14] gemeint. Hier empfiehlt sich ein klarstellender Hinweis.

 

5. § 7 VO-E: Ersatzmaßnahmen

Im Fall anhaltender technischer Störungen der elektronischen Aktenführung können die Behördenleitung der von den Störungen betroffenen Stelle oder die Präsidentinnen und Präsidenten der oberen Landesgerichte jeweils für ihren Geschäftsbereich anordnen, dass eine Ersatzakte in Papierform geführt wird. Diese ist in die elektronische Form zu übertragen, sobald die Störung behoben ist.

Grundsätzlich ist die Regulierung von Ersatzmaßnahmen bei plötzlich eintretenden technischen Störungen zu begrüßen. Die Anordnungskompetenz für die von den Störungen betroffenen Stellen klingt zunächst praktikabel, bringt jedoch erhebliche Probleme mit sich. Die uneinheitliche Handhabung durch Landesgerichte kann in solchen Fällen zu Verfahrensunsicherheiten führen, was bei fristgebundenen Verfahrenshandlungen im Insolvenzverfahren nicht auszuschließen ist. Die Verpflichtung zur doppelten Dokumentation oder Übertragung gemäß § 7 S. 2 VO-E erhöht den Verwaltungsaufwand für Insolvenzkanzleien und birgt das Risiko von Fristversäumnissen und Fehlern.

Die Lösung dieses Problems wäre ein zentrales digitales System nach dem Vorbild von RegSol in Belgien. Ein solches Portal könnte eine einheitliche Regelung für alle Beteiligten gewährleisten und Funktionen wie Offline-Zugriff und automatische Fristenverwaltung anbieten. Sollte ein solches bundesweites System eine technische Störung erleiden, könnten durch die delegierte IT-Verantwortlichkeit spezialisierte IT-Fachkräfte eingesetzt werden, die Notfallmechanismen wie lokale Zwischenspeicherung, automatische Wiederherstellungsfunktionen und eine klar geregelte Priorisierung von Fristen ins System einprogrammieren. Dies würde sowohl die Gerichte als auch die InsolvenzverwalterInnen entlasten.

 

6. Maschinelle Tabellenführung

Bisher galt die rheinland-pfälzische Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr für Insolvenzsachen, soweit Tabellen, Verzeichnisse und die dazugehörigen Dokumente elektronisch eingereicht werden.[15] Diese Umsetzungsoption wird für die InsolvenzverwalterInnen mit den §§ 8 ff. VO-E verpflichtend, soweit das Amtsgericht die Insolvenzakten in dem Einzelfall elektronisch führt:

a) § 8 VO-E: Anordnung der maschinellen Tabellenführung

Soweit bei einem Amtsgericht die Insolvenzakten elektronisch geführt werden, sind die Tabellen und Verzeichnisse nach § 5 Absatz 4 der Insolvenzverordnung maschinell zu führen. Werden die Insolvenzakten nach Maßgabe des § 1 Absatz 4 Satz 1 hybrid geführt, sind die Tabellen und Verzeichnisse in Papierform weiterzuführen.

Eine Ausnahme von dieser Regelung zur elektronischen bzw. maschinellen Tabellenführung macht der Verordnungsentwurf in § 8 S. 2 VO-E. Danach sind die Tabellen und Verzeichnisse in Papierform „weiterzuführen“, wenn die Insolvenzakten nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 VO-E hybrid geführt werden.

Der Verordnungsentwurf übersieht an dieser Stelle, dass die meisten Insolvenzkanzleien inzwischen vollständig auf die Nutzung von Papier verzichten und sämtliche Akten, einschließlich der dazu gehörenden Tabellen und Verzeichnisse, maschinell führen. Im Verordnungsentwurf wird die Entscheidung für eine Aktenführung ausschließlich in maschineller Form oder ausschließlich in Papierform aber damit begründet, dass eine hybride Weiterführung nicht erwünscht ist, um hybride Eingangs- und Rangverhältnisse zu vermeiden.[16] Allerdings könnte dieser Problematik begegnet werden, indem lediglich eine Datierungspflicht eingeführt wird. Zudem ist zu bedenken, dass viele Gerichte nach wie vor auch elektronisch empfangene Dokumente ausdrucken, was den Papierverbrauch nicht vermeidet. Ein weiteres kritisches Problem besteht in der möglichen Divergenz zwischen dem gedruckten und dem nachträglich digitalisierten Dokument. Bereits geringfügige Änderungen – sei es durch technische Konvertierungsprozesse oder durch menschliche Bearbeitung – können dazu führen, dass sich verschiedene Versionen eines Dokuments inhaltlich unterscheiden. Dies birgt erhebliche Risiken für die Authentizität und Verbindlichkeit der jeweiligen Fassung und wirft die Frage auf, welche Version letztlich maßgeblich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung zur Papiereinreichung durch InsolvenzverwalterInnen nicht mehr zeitgemäß. Schon vor dem Hintergrund, dass die elektronische Aktenführung ab dem 1. Januar 2026 verpflichtend sein wird,[17] ist die Auferlegung einer Pflicht zur Dokumentenführung in Papierform nicht mit zukunftsfähigen, effizienten Arbeitsabläufen vereinbar. Eine konsequente Digitalisierung unter klaren und praktikablen Rahmenbedingungen wäre hier der sinnvollere Ansatz.

b) § 9 VO-E: Niederlegung

Werden die Tabellen und Verzeichnisse bei einem Amtsgericht maschinell geführt, so erfolgt die Niederlegung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 InsO durch Speichern einer lesbaren Form der von der Insolvenzverwalterin oder dem Insolvenzverwalter nach § 13 Abs. 1 Satz 1 eingereichten Tabelle einschließlich der dazugehörigen Dokumente in der elektronischen Akte.

Es bleibt offen, was genau unter „lesbar“ zu verstehen ist – wer soll die gespeicherten Daten einsehen können (nur die Beteiligten i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 2 InsO oder auch die Gerichte?) und auf welcher Weise erfolgt die Speicherung, um dauerhafte Lesbarkeit zu garantieren?

Zur Niederlegung der Tabelle fehlt weiterhin eine konkrete Bestimmung, wie Beteiligte Einsicht in die gespeicherte, visualisierte Form der Tabellendaten sowie die zugehörigen Dokumente nehmen können. Die Entwurfsbegründung stellt zwar klar, dass die Ablage der visualisierten Daten als Niederlegung gilt und damit zukünftig eine Online-Einsicht über das Akteneinsichtsportal ermöglicht werden soll, jedoch fehlt eine detaillierte Ausführung, wie und in welchem Umfang diese Zugriffsmodalitäten im konkreten Fall umzusetzen sind. Der Wortlaut des § 175 Abs. 1 S. 2 InsO spricht bisher lediglich von einer Niederlegung in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts.  

Zudem sollte eine Regelung ergänzt werden, wie sie etwa in § 4 eTab InsO‑NRW vorgesehen ist. Dort wird festgelegt, dass die elektronische Einsichtnahme unter Berücksichtigung der Informationssicherheit erfolgen muss – insbesondere muss ein schreibender Zugriff und der Zugriff auf das LAN des Verwaltungsnetzes ausgeschlossen werden.

c) § 10 VO-E: Textdatei, qualifizierte elektronische Signatur

Werden Tabellen maschinell geführt, so hat das Insolvenzgericht für die Eintragung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 InsO Rang und laufende Nummer der Forderungen in einer Textdatei aufzulisten. Die Textdatei ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Berichtigungen von Tabellen sind gesondert qualifiziert elektronisch zu signieren. Die qualifizierte elektronische Signatur ist unverzüglich zu validieren. Die Validierung ist durch ein Signaturprüfprotokoll zu dokumentieren. Die Textdatei, die Signaturdatei und das Signaturprüfprotokoll werden Bestandteil der maschinell geführten Tabelle.

AdressatInnen dieser Norm sind laut Entwurfsbegründung RichterInnen und RechtspflegerInnen.[18] Aus Sicht der Insolvenzverwalterpraxis ergeben sich aber für ihren Arbeitsablauf Fragen bezüglich der Signaturen.

aa) Textdatei

Fraglich ist zuerst, was mit „Textdatei“ genau gemeint ist. Textdateien können grundsätzlich nicht direkt signiert werden, da sie keine integrierte Möglichkeit bieten, eine Signaturkomponente aufzunehmen. Daher bleibt es unklar, welche Art einer elektronischen Signatur i.S.d. SigG gemeint ist. Ebenso wenig eindeutig ist, ob für diese Dateien eine revisionssichere Speicherung vorgesehen ist, und, falls dies der Fall ist, wo bzw. von wem diese Daten gespeichert werden.

bb) Signatur

Hinsichtlich der Anbringung der Signatur durch den/die RichterIn oder RechtspflegerIn stellt sich die Frage, an welcher Stelle die Signatur erfolgen soll. Ohne eine spezielle Signatur-Infrastruktur können ausschließlich PDF-Dateien signiert werden.

Dies wirft die Anschlussfrage auf, welches PDF-Dokument signiert werden soll. Die eingereichte Datei im PDF/A-Format stellt ein Original dar und ist als revisionssicheres Dokument nicht veränderbar, sodass sie auch nicht direkt signiert werden kann. Um eine Signatur anzubringen, müsste die Originalität des PDF-Dokuments aufgehoben werden, da eine Signatur nur durch Wechsel in den Bearbeitungsmodus angebracht werden kann. Bei diesem Wechsel verliert das signierte Dokument seine Integrität und erfüllt nicht mehr die PDF/A-Standards. Die Identität der beiden Dokumente fällt somit auseinander, sodass per Definition ein neues Dokument entsteht.

Diese Problematik ließe sich umgehen, indem das ursprüngliche PDF in seiner originalen Form belassen und stattdessen als Anhang einer neu erstellten, signierten PDF-Datei beigefügt wird. Damit ist das ursprüngliche PDF, also der informatorisch wichtige Inhalt, jedoch nicht mehr im direkten Zugriff nach dem Öffnen der PDF-Datei vorhanden, sondern muss aus diesem als Anhang extrahiert und zusätzlich geöffnet werden. Aus dem Wortlaut des § 10 S. 6 VO-E könnte man entnehmen, dass die Entwurfsbegründung auch so einen „separaten“ Signaturprozess vorsieht, wenn die Rede von „Textdatei, die Signaturdatei und das Signaturprüfprotokoll“ ist.

Wie aber oben erörtert (s. S. 3 f.), bietet sich eine zweite Möglichkeit zur Vermeidung dieser Problematik durch die Nutzung der PDF/A-3 Version. Die PDF/A-3 Norm ermöglicht es, PDF/A als Container für beliebige Dateien zu verwenden, einschließlich nicht normierter PDFs oder sogar Nicht-PDF-Dateien. Konkret auf diese Problematik bezogen kann das ursprüngliche, signierte PDF – nach Entfernung der Signatur – als Anhang in eine neue PDF/A-3 Hüllendatei eingebettet werden. Zusätzlich kann eine XML-Datei mit den Signaturinformationen in die Hülle aufgenommen werden, um eine transparente Dokumentation der ursprünglichen Signatur zu gewährleisten. Optional kann dieser Container mit einem digitalen Siegel der jeweiligen Organisation versehen werden. Ein Siegel ist technisch mit einer Signatur vergleichbar, wird aber von juristischen Personen verwendet und dient der Authentifizierung und Integritätssicherung von Dokumenten.[19]

d) § 11 VO-E: Unveränderlichkeit

Es ist sicherzustellen, dass die Tabelle nach dem Signieren nach § 10 auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann.

Laut Entwurfsbegründung[20] beträgt die Aufbewahrungsfrist 30 Jahre. Diese Regelung gilt jedoch ausschließlich intern für die Justiz und betrifft die InsolvenzverwalterInnen daher nicht. Dennoch ist auf die Speicherung im PDF/A-Format sowie auf die bereits angesprochenen Herausforderungen der Langzeitarchivierung (s.o. S. 4 f.) hinzuweisen.

 

7. Elektronischer Rechtsverkehr

a) § 12 VO-E: Eröffnung des Anwendungsbereichs

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts regeln die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Gerichte in Rheinland-Pfalz nach:

  1. § 135 Abs. 1 der Grundbuchordnung,
  2. § 8 a Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs,
  3. § 156 des Genossenschaftsgesetzes i.V.m. § 8a Abs.2 des Handelsgesetzbuchs,
  4. § 707d Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
  5. § 5 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes i.V.m. § 8a Abs.2 des Handelsgesetzbuchs und
  6. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 der Insolvenzordnung

(2) Bei den rheinland-pfälzischen Gerichten können in Verfahren des Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts-, Partnerschaftsgesellschaftsregisters sowie in Grundbuchsachen elektronische Dokumente eingereicht werden. In Insolvenzsachen können Tabellen, Verzeichnisse und die dazugehörigen Dokumente elektronisch eingereicht werden

Mit dieser Vorschrift eröffnet das rheinland-pfälzische Justizministerium den sachlichen Anwendungsbereich der Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr für Insolvenzsachen, indem es sich auf die Länderermächtigung in § 5 Abs. 4 S. 2 InsO beruft. § 12 Abs. 2 S. 2 VO-E formuliert hier eine konkretisierende „Kann“-Vorschrift, und bezieht sich auf die Tabellen und Verzeichnisse als Objekte des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie konkretisiert mithin § 5 Abs. 4 S. 2 InsO, der den Regelungsspielraum für Länder nur bezüglich der Einreichung von Tabellen, Verzeichnissen und den dazu gehörenden Dokumenten vorsieht.

b) § 13 VO-E: technische Anforderungen an elektronische Dokumente

(1) Das elektronische Dokument ist im Dateiformat PDF zu übermitteln. Wenn bildliche Darstellungen im Dateiformat PDF nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, darf das elektronische Dokument zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden. Die Dateiformate PDF und TIFF müssen den nach § 21 Nummer 1 bekanntgemachten Versionen entsprechen.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein und soll den nach § 21 Nummer 6 bekanntgemachten technischen Standards entsprechen.

(3) Der Dateiname eines elektronischen Dokuments soll den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung enthalten.

(4) Dem elektronischen Dokument soll ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz im Dateiformat XML beigefügt werden, der den nach § 21 Nummer 2 bekannt gemachten Definitions- oder Schemadateien entspricht und mindestens enthält:

  1. die Bezeichnung Gerichts,
  2. sofern bekannt, das Aktenzeichen des Verfahrens,
  3. die Bezeichnung der Parteien oder Verfahrensbeteiligten,
  4. die Angabe des Verfahrensgegenstandes,
  5. sofern bekannt, das Aktenzeichen eines denselben Verfahrensgegenstand betreffenden Verfahrens und die Bezeichnung der die Akten führenden Stelle.

§ 13 Abs. 3 VO-E enthält eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen.

Während davon auszugehen ist, dass unter einer „logischen“ Nummerierung höchstwahrscheinlich eine Nummerierung mittels arabischer Zahlen zu verstehen ist, bleibt das Wort „schlagwortartig“ konkretisierungsbedürftig. Auf der Website des Landesjustizministeriums wird dazu ausgeführt:

„Bei der Übermittlung soll, sofern bekannt, in dem Betreff der Sendung das gerichtliche Aktenzeichen angegeben werden. Bei verfahrenseinleitenden elektronischen Dokumenten und in den Fällen, in denen das gerichtliche Aktenzeichen sonst noch nicht bekannt sein kann, soll „Neueingang“ angegeben werden (siehe jedoch Abweichungen unter 4.4).

Bei Neueingängen soll in der Nachricht die jeweilige Verfahrensart (z.B. Klage, Beschwerde) und die schlagwortartige Bezeichnung des Inhalts angegeben werden. Diese Angaben dienen lediglich der zügigen internen Weiterleitung der Sendungen.

Um Probleme bei der Weiterverarbeitung auf unterschiedlichen Plattformen zu vermeiden, sollen Dateinamen keine Sonderzeichen enthalten (insbesondere keinen Schrägstrich, keinen Doppelpunkt oder kein Euro-Zeichen „€“) und nicht zu lang sein (maximal 60 Zeichen, keine Pfadangaben).“[21]

Auch hier wird das Wort „schlagwortartig“ ohne weitere Erklärung genutzt. Eine Klarstellung oder Nomenklatur ist auch nicht in der Entwurfsbegründung enthalten. Eine rein nach Verfahrensart geordnete Dokumenteneinreichung ist nicht ausreichend übersichtlich. Es empfiehlt sich daher, ein einheitliches Datenbenennungssystem anzuwenden, um einen geordneten und einheitlichen Empfangs- und Zugangsprozess zu ermöglichen. Die nordrheinwestfälische Justiz regelt diese Problematik beispielsweise durch eine „Namenskonvention“[22] für externe NutzerInnen sowie weitere allgemeine Hinweise:

Bei der Übermittlung soll, sofern bekannt, das gerichtliche Aktenzeichen angegeben werden. Dies ist in das dafür vorgesehene Feld „Aktenzeichen“ einzutragen. Wenn dieses Feld nicht zur Verfügung steht (wie z.B. bei der Versendung von DE-Mails) ist das Aktenzeichen im Feld „Betreff“ einzutragen. Dabei ist vor und nach dem Registerzeichen jeweils ein Leerzeichen zu setzen. In Fällen, in denen das gerichtliche Aktenzeichen noch nicht bekannt ist, soll der Begriff „Neueingang“ verwendet werden. Handelt es sich um einen „echten Eilantrag“ (z.B. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, Antrag auf Anordnung des Arrestes, etc.) sollen zusätzlich der Begriff „EILT!“ sowie der spezifizierte Antrag verwendet werden.[23]

Wird eine Namenskonvention eingeführt, wäre eine bundesweite Einheitlichkeit extrem wünschenswert und hilfreich, um den erheblichen Aufwand und die Fehleranfälligkeit unterschiedlicher Vorgaben zu vermeiden.

 

8. Einreichung elektronischer Dokumente in Insolvenzsachen

a) § 19 VO-E: Regelungsgehalt

(1) Werden die Tabellen und Verzeichnisse nach § 5 Absatz 4 der Insolvenzverordnung bei einem Amtsgericht maschinell geführt, so haben die Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter die Tabellen und die dazugehörigen Dokumente elektronisch wie folgt einzureichen:

  1. auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a Abs. 4 der Zivilprozessordnung oder
  2. an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.

Bei einer Übermittlung nach Satz 1 Nr. 2 müssen die Tabellen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.

(2) Bei der Übermittlung von Tabellen nach Absatz 1 sind ferner die nach § 21 Nummer 8 bekannt gemachten Vorgaben zur Schnittstellenbeschreibung für die Dateiübernahme von Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwaltern in gerichtliche Systeme einzuhalten.

(3) Gehen bei der Insolvenzverwalterin oder dem Insolvenzverwalter die zu den Tabellen gehörenden Dokumente in Papierform ein, so hat sie oder er diese nach Maßgabe des § 21 Nummer 9 in ein elektronisches Dokument zu übertragen. Dokumente in Papierform sind ebenfalls beim Insolvenzgericht einzureichen.

Für die Übermittlung der Tabellen und der dazu gehörenden Dokumente stehen zwei Alternativen zur Verfügung, § 19 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VO-E. In der Praxis wird das Versenden gemäß § 130a Abs. 4 ZPO bevorzugt. D.h. eine Übermittlung erfolgt grundsätzlich entweder per beA (§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) oder per eBO (§ 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO).

Weiter stellt § 19 Abs. 3 VO-E ein Problem dar, wenn Papierdokumente sowohl in physischer Form als auch als elektronisches Dokument eingereicht werden müssen. Dies wirft erhebliche praktische und rechtliche Probleme auf.

Zuerst verursacht diese Verpflichtung einen erheblichen bürokratischen, zeitlichen und organisatorischen Mehraufwand für Insolvenzverwalterkanzleien. Vor allem kleinere und mittlere Kanzleien sind diesem Problem am meisten ausgesetzt. Die Entwurfsbegründung geht davon aus, dass die InsolvenzverwalterInnen „bereits heute schriftlich eingereichte Unterlagen für die Weiterverarbeitung einscannen und daher insofern keine Mehraufwände entstehen.“[24] Dies ist nicht richtig. Neben dem für Scanarbeiten einzusetzendem Personal ist die Vorhaltung und Wartung von Geräten notwendig, die neben einer ausreichend großen Dokumentenzufuhr auch über eine schnelle Scangeschwindigkeit und die Möglichkeit des Scannens auch anderer Objekte, wie bspw. Fotos, verfügen. Ebenso ist die Vorhaltung entsprechender Speicherkapazitäten erforderlich.

Dieser Personal- und Kostenaufwand findet in anderen Regelwerken bereits Berücksichtigung:

So regelt § 7 Abs. 3 JVEG, dass für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Abs. 2 genannten Kopien und Ausdrucke 1,50 € je Datei ersetzt werden. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5,00 € ersetzt.

Ähnliches gilt für die Auslagen der Notare (vgl. 32002 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichts- und Notarkostengesetz): „Dokumentenpauschale für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien oder deren Bereitstellung zum Abruf anstelle der in den Nummern 32000 und 32001 genannten Dokumente ohne Rücksicht auf die Größe der Vorlage: je Datei 1,50 €; für die in einem Arbeitsgang überlassenen, bereitgestellten oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente insgesamt höchstens 5,00 €. Werden zum Zweck der Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien Dokumente zuvor auf Antrag von der Papierform in die elektronische Form übertragen, beträgt die Dokumentenpauschale nicht weniger, als die Dokumentenpauschale im Fall der Nummer 32000 für eine Schwarz-Weiß-Kopie betragen würde.“

Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des Insolvenzverwalters ist zugleich eine angemessene Regelung zum Kostenersatz zu treffen.

b) § 20 VO-E: Ausnahme

Ist eine elektronische Einreichung nach § 19 Absatz 1 aus Gründen, die die Insolvenzverwalterin oder der Insolvenzverwalter nicht zu vertreten hat, nicht möglich, so können die Tabellen und die dazugehörigen Dokumente auf einem Datenträger bei dem Gericht eingereicht werden, welcher den Vorgaben des § 21 Nummer 4 entspricht. Die Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung ist darzulegen.

Die Regelung bestimmt, ab wann eine Ersatzeinreichung durch die InsolvenzverwalterInnen möglich ist. Dass bei technischen Hindernissen die Dokumenteneinreichung ausnahmsweise auf einem Datenträger – welcher den Vorgaben des § 21 Nr. 4 VO-E entspricht – erfolgen kann, begrüßt der VID. Technische Störungen könnten in der Praxis gerade in (Massen-)Insolvenzverfahren Probleme bereiten. Auf der Webseite des Landesjustizministerium wird dargestellt, was unter einem „zulässigen physischen Datenträger“ zu verstehen ist: USB-Speichermedien, DVD oder CD (optische Datenträger).[25]

Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Gerichte bei Verwendung externer Datenträger geeignete Sicherungsvorkehrungen treffen müssen, um eine Infizierung mit Schadsoftware zu verhindern.

c) § 21 VO-E: technische Standards

Das für die Angelegenheiten der Rechtspflege zuständige Ministerium macht folgende technische Standards für die Übermittlung und Eignung zur Bearbeitung elektronischer Dokumente auf der Internetseite www.erv.justiz.rlp.de bekannt:

  1. die Versionen der Dateiformate nach § 13 Absatz 1 und § 19,
  2. die Definitions- oder Schemadateien für die Übermittlung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes nach § 13 Absatz 4 sowie § 17 Absatz 5,
  3. die Höchstgrenzen für die Anzahl und das Volumen elektronischer Dokumente,
  4. die zulässigen physischen Datenträger nach § 15 und § 20,
  5. die Einzelheiten zur Anbringung der qualifizierten elektronischen Signatur an einem elektronischen Dokument,
  6. die technischen Eigenschaften der elektronischen Dokumente,
  7. die Anforderungen an komprimierte Dateien nach § 17 Absatz 3 und § 18 Absatz 2,
  8. die Schnittstellenbeschreibung für die Dateiübernahme von Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwaltern in gerichtliche Systeme nach § 19 Absatz 2,
  9. die Anforderungen an die Übertragung von Insolvenztabellen in ein elektronisches Dokument nach § 19 Absatz 3.

Zu § 21 Nr. 3 VO-E wird auf der Website des rheinland-pfälzischen Justizministeriums Folgendes ausgeführt:

Für Sendungen an das Gericht, die per EGVP eingereicht werden, bestehen folgende Beschränkungen:

  • Größe einer einzelnen Nachricht: max. 30 MB
  • Anzahl der Anhänge einer Nachricht: max. 100 Dateien

Je nach Ihrer Arbeitsumgebung kann es erforderlich sein, deutlich unter den genannten Grenzen zu bleiben (z.B. bei zu geringer Bandbreite der Netzanbindung). Sofern ein Vorgang die angegebenen Grenzen überschreitet, besteht die Möglichkeit der Ersatzeinreichung (vgl. Nr. 2.4).

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien, erreichte uns folgender Hinweis:

Die aktuell 30 MB entsprechen nicht dem tatsächlich möglichen maximalen Datenvolumen, denn die Daten müssen für den Transport umkodiert werden, wodurch ein Netzvolumen zwischen 70-75% (also ca. 21-22,5 MB) für eine Übertragung übrigbleibt. Eine Schwarzweißseite hat ca. 300 kB, eine Farbseite ca. 1 MB. Entsprechend können auf diesem Weg maximal 8 Seiten S/W übertragen werden.

 

9. 22 VO-E: Inkrafttreten

Diese kleine Speicherkapazität stellt für InsolvenzverwalterInnen – die Kundschaft des IT-Dienstleisters – insgesamt eine große Hürde dar, die den Arbeitsverlauf erheblich erschwert.

(1) Diese Verordnung tritt am […] in Kraft.

(2) Zeitgleich treten die Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Rheinland-Pfalz vom 10. Juli 2015 (GVBl. S. 175), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. April 2017 (GVBl. S. 86, 121), die Landesverordnung über die elektronische Aktenführung im Strafverfahren vom 12. April 2023 (GVBl. S. 120), die Landesverordnung über die elektronische Aktenführung bei den Gerichten in Rheinland-Pfalz vom 09. Mai 2018 (GVBl. S. 125), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.10.2024 (GVBl. S. 348), die Landesverordnung über die elektronische Aktenführung in Bußgeldverfahren bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten vom 19. August 2022 (GVBl. S. 326) außer Kraft.

Es ist sicherzustellen, dass den InsolvenzverwalterInnen ausreichend Zeit für etwaig notwendige (System-)Umstellungen eingeräumt wird. Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des/r Insolvenzverwalter(in) i.S.d. § 19 Abs. 3 VO-E ist eine entsprechende Vergütungsregelung vorzusehen.

 

Berlin, 11.03.2025

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Verordnungsentwurf über den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Aktenführung Rheinland-Pfalz (E-Justizverordnung Rheinland-Pfalz – eJustizVO RP) v. 22.01.2025.

[2] Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO) idF vom 01.02.2022, abrufbar unter SGV Inhalt: Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der da zugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO)* | RECHT.NRW.DE.

[3] VID-StN  zum Entwurf einer Verordnung über die Einreichung und Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung in maschineller Form (Niedersachsen), abrufbar unter: VID-StN-zum-Niedersaechs.-Verordnungsentwurf-ueber-die-Einreichung-u.-Fuehrung-der-Tabellen-ueber-die-angemeldeten-Fo.pdf (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[4] Die Kosten (die theoretisch aufgrund der bereits bestehenden Landesverordnungen angefallen sind) werden den Rechtsanwendern weiterhin auferlegt. Vgl. VO-E, S. 8.

[5] VO-E, S. 29.

[6] Ebd.

[7] Elektronischer Rechtsverkehr. eJustice Rheinland-Pfalz (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[8] ISO 32000-1.

[9] ISO 19005-1 bzw. ISO 19005-2.

[10] Die Betonung liegt auf dem Wort „beliebig“, da die PDFA/2 Version tatsächlich eingebettete Dateien auch erlaubt, aber nur solche, die selbst dem PDF/A-1 oder PDF/A-2 Standard entsprechen. Vgl. SO 32000-1:2008, 7.11.3.

[11] Vgl. What do we mean by „embedded“ files in PDF? – Open Preservation Foundation. (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[12] VO-E, S. 31.

[13] Vgl. VID-StN zum RegE eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz. Abrufbar unter: VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf

[14] Vgl. z.B. § 3 eTabInsO (NRW).

[15] VO-E, S. 25.

[16] Vgl. VO-E S. 24.

[17] Vgl. Digitalisierung der Justiz | Bundesregierung (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[18] VO-E S. 36.

[19] Vgl. Hoch lebe PDF/A – nieder mit der Signatur? – SEAL Systems AG (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[20] Ebd.

[21] Elektronischer Rechtsverkehr. eJustice Rheinland-Pfalz, unter „4. Bearbeitungshinweise“. (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[22] Vgl. Namenskonvention für externe Nutzer zur Bezeichnung von Dokumenten im elektronischen Rechtsverkehr der Justiz NRW, abrufbar unter: Namenskonvention-fuer-Externe-Nutzer.pdf (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[23] NRW-Justiz, Allgemeine Hinweise zur Benennung von elektronischer Post, abrufbar unter: Allgemeine Hinweise zur Benennung von elektronischer Post | NRW-Justiz (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

[24] VO-E, S. 48.

[25] Elektronischer Rechtsverkehr . eJustice Rheinland-Pfalz, unter „2.4. Ersatzeinreichung“. Vgl. weiter: Bundesanzeiger v. BMJ zu den Rechtsverordnungen über die Führung und Übermittlung elektronischer Dokumente sowie die Einsichtnahme in elektronische Akte – eAeDB 2020, abrufbar unter: BAnz AT 02.10.2020 B2 (2).pdf (zuletzt gesehen am 12.03.2025).

RefE eines Gesetzes zur Änderung des BGB, hier: Einsichtnahme in die Patientenakte

 

A. Einleitung

Der Referentenentwurf[1] (nachfolgend Entwurf) sieht neben einer Änderung des § 1922 BGB eine Neuregelung zur Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630g BGB) vor.

Hintergrund und Anlass dieser Neuregelung ist die Entscheidung des EuGH vom 26.10.2023 (Az. C-307/22), wonach die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit einer ersten Kopie keine Abweichungen im nationalen Recht vorsehen dürfen[2]. Derzeit sieht § 630g BGB i.V.m. 811 BGB vor, dass die Patienten[3] die Kosten für die Erstellung der Kopie der Patientenakte tragen. § 630g BGB steht damit in einem Spannungsverhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung.

Zur Begründung der Neuregelung heißt es im Entwurf: Die „Unentgeltlichkeit der ersten Kopie erstreckt sich nun auch auf den Anspruch nach § 630g Absatz 1 BGB. Um den Anspruch auf Einsicht in die Patientenakte gemäß § 630g BGB und den datenschutzrechtlichen Anspruch auf Erhalt einer Kopie der Daten nach Artikel 15 Absatz 3 der DSGVO miteinander in Einklang zu bringen, soll § 630g BGB entsprechend angepasst (…) werden.“[4]

§ 630g Abs. 1 BGB-E regelt den behandlungsvertraglichen Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakte, der – wie bisher – auch das Recht auf Erhalt einer Abschrift der Patientenakte umfasst[5]. Dieser Anspruch gilt ausweislich der Entwurfsbegründung, „ergänzend neben dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch“. „Um den behandlungsvertraglichen Anspruch auf Einsichtnahme mit der DSGVO in Einklang zu bringen, verweist § 630g BGB auf Artikel 12 Absatz 3 und 5 und Artikel 15 Absatz 3 DSGVO.“[6] (§ 630g Abs. 1 Satz 4 BGB-E).

 

B. Im Einzelnen

Der Entwurf spricht davon, dass er – insbesondere unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten – die unentgeltliche Einsichtnahme in Patientenakten erleichtert, „damit alle Patienten Informationen darüber erhalten können, wie es sich mit der eigenen Gesundheit verhält, welche Daten im Rahmen der Behandlung erhoben wurden und wie die weitere Entwicklung des Gesundheitszustands eingeschätzt wird.“[7] Daran muss er sich messen lassen.

 

1. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

a) Anzahl der Auskunftsverlangen

Ausweislich der Entwurfsbegründung liegen keine öffentlich verfügbaren Informationen über die Häufigkeit des Verlangens, eine Abschrift aus der Patientenakte zu erhalten, vor, so dass die Zahl der jährlich verlangten Abschriften „anhand von Annahmen zu schätzen[8] ist. Dabei wird angenommen, dass eine Abschrift der Patientenakte insbesondere dann verlangt wird, wenn der Patient bzw. deren Angehörige oder sonstige befugte Personen einen Behandlungsfehler vermuten. Laut Statistiken des Medizinischen Dienstes des Bundes (…) wurden zwischen 2018 und 2022 im Mittel rund 13740 Behandlungsfehlergutachten jährlich erstellt.“[9]

Die Probleme liegen in der Praxis jedoch häufig nicht im Bereich der Gesundheitseinrichtungen mit laufendem Behandlungsbetrieb.

Probleme treten vielmehr dann auf, wenn der behandelnde Arzt schwer erkrankt, verstirbt, in Vermögensverfall gerät und/oder keine Praxisnachfolge findet bzw. die Gesundheitseinrichtung insolvenzbedingt schließt. Die Fälle, in denen dann Auskünfte aus Patientenakten – insbesondere für notwendige Weiterbehandlungen[10] – notwendig werden, übersteigen die vorgenannten Schätzfälle wegen Behandlungsfehlern um ein Vielfaches, was aus einer Vielzahl von Fällen aus der Berater- aber auch Insolvenzverwalterpraxis abzuleiten ist.

Bereits die Einstellung des Betriebes eines einzelnen praktischen Arztes kann zu mehreren hundert Auskunftsersuchen führen, welche erheblichen Aufwand beim Verwahrer auslösen.

Vor dem Hintergrund drohender insolvenzbedingter Schließungen weiterer Gesundheitseinrichtungen[11] ist zu erwarten, dass die Anzahl der Auskunftsersuchen nochmals erheblich zunehmen wird.

 

b) Umfang der Aktenauskunft und Höhe des Kostenersatzes

Die Entwurfsbegründung verweist zur Orientierung auf die Kostensätze des § 7 JVEG, wonach für die Anfertigung von Kopien und Ausdrucken bis zu einer Größe von DIN A3 0,50 Euro je Seite für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro für jede weitere Seite anfallen. Je nach Komplexität und Dauer der Behandlung geht die Entwurfsbegründung von 5-500 (Akten)-Seiten aus und gibt den durchschnittlichen Umfang mit 50 Seiten pro Fall an, was – laut Entwurf – zu einem geschätzten Kostenersatz von durchschnittlich 25 Euro pro Fall führt.[12]

Spiegelbildlich zur finanziellen Entlastung der Patienten, so die Begründung weiter, erhöhe sich der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft.[13] Unerwähnt bleiben Portokosten[14] für die Übersendung der Abschrift sowie ggf. Kosten der Digitalisierung für den Fall, dass die Akte lediglich im Papierformat vorliegt, der Patient jedoch auf elektronischem Weg zu beauskunften ist[15].

 

2. Insolvenzrechtliche Besonderheiten

Die Probleme im Umgang mit Patientenakten bei (insolvenzbedingten) Schließungen von Gesundheitseinrichtungen bestehen seit vielen Jahren und haben sich mit Inkrafttreten der DSGVO weiter verschärft:

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) trifft den Insolvenzverwalter regelmäßig auch die Pflicht, die Behandlungsunterlagen ordnungsgemäß aufzubewahren, wobei die gesetzlichen Pflichten zur (Dauer der) Aufbewahrung unberührt bleiben.[16]

 

a) Grundsätzliches

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter mithin der Adressat der Einsichtsgesuche der Patienten[17]: Hier ist er häufig bereits mit den Folgen des regelmäßig schwindenden Organisationsgrades der Gesundheitseinrichtung im Vorfeld eines Insolvenzantrages konfrontiert. Das ehemalige Praxispersonal ist in der Regel längst abgewandert. Daneben sind unvollständige, unsortierte und nicht ordnungsgemäß abgelegte Unterlagen und auch der fehlende Zugriff auf elektronisch gespeicherte Patientendaten praktische Hürden. Dies ist bspw. der Fall, wenn die Daten auf einem Server in einem Rechenzentrum gespeichert wurden, die Dienstleistung nicht (rechtzeitig) bezahlt worden ist und der Dienstleister – im ungünstigsten Fall ohne Ankündigung – den Zugriff auf die Daten verweigert.

Neben unvollständigen Unterlagen kommen auch Schwierigkeiten aufgrund von Medienbrüchen in Betracht, bzw. wenn ein Teil der Patientenakte in Papierform vorliegt, ein anderer jedoch bereits elektronisch gespeichert wurde.

Problematisch ist zudem, dass der Insolvenzverwalter (und seine Mitarbeiter) nur unter engen Voraussetzungen (überhaupt) ein Einsichtsrecht in die Patientenunterlagen haben.[18] Wollen Patienten von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen, ist jedoch zunächst zu prüfen, ob ggf. erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen (vgl. §  630g Abs. 1 BGB, § 630g Abs. 2 BGB-E).[19] Dazu ist regelmäßig eine Befassung mit der jeweiligen Akte notwendig, die schon aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht und Qualifikation nicht vom Insolvenzverwalter übernommen werden kann.[20]

 

b) Aufbewahrung

aa) Dauer

Die Dauer der Aufbewahrung der Patientenakten ist gesetzlich geregelt. Der Behandelnde hat sie für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.[21]

Längere Fristen können sich bspw. für Röntgenbilder aus § 127 Abs. 1 StrlSchV i.V.m. § 85 Abs. 2 Nr. 1 StrlSchG ergeben (30 Jahre).

Bei der Dauer der Aufbewahrung ist zudem zu beachten, dass die Löschungsfristen selbstverständlich sukzessive maßgeblich werden und damit regelmäßig zu prüfen ist, ob sie für die jeweilige Akte Handlungsbedarf auslösen. Damit muss der Aktenbestand mindestens jährlich gesichtet und anteilig vernichtet werden und dies bis zu 30 Jahre lang.

 

bb) Sicherheit und Datenschutz

Bereits die dauerhaft sichere Aufbewahrung der Patientenakten einer Arztpraxis stellt, wie von d´Avoine geschildert, den Insolvenzverwalter vor Herausforderungen, denn „häufig stehen die Praxisräume nicht im Eigentum des schuldnerischen Arztes. Eigentümer ist meist der Vermieter. Nach Beendigung des Mietverhältnisses muss der Insolvenzverwalter für die anderweitige Aufbewahrung der Unterlagen Sorge tragen und hierzu geeignete Maßnahmen ergreifen. (…)

Kann oder will der schuldnerische Arzt die Unterlagen nicht aufbewahren, so besteht für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, diese in seinen eigenen Räumen (i. d. R. Kanzlei) einzulagern. Hierbei muss er sicherstellen, dass niemand unbefugt auf die Unterlagen Zugriff nehmen kann.

Auch er selbst ist nicht befugt, Einsicht zu nehmen. Ausnahmen sind [wie oben bereits angesprochen] – nur dann zulässig, wenn die Interessen der Patienten an dem Schutz ihrer persönlichen Daten ausnahmsweise hinter den Interessen der Gläubigergesamtheit an einem ordnungsgemäßen Ablauf des Insolvenzverfahrens zurückstehen müssen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter lediglich Zugriff auf Namen und Adressen der Patienten nimmt, um auf dieser Grundlage den Forderungseinzug zu betreiben.“[22]

Bei Einsichtnahmegesuchen von Patienten besteht zudem das bereits geschilderte Problem, dass „die Entscheidung hierüber immer auch eine medizinische Bewertung impliziert, ist der Insolvenzverwalter bereits rein fachlich nicht in der Lage, über eine entsprechende Anfrage zu entscheiden.[23] Vielmehr kann und muss er sich der Hilfe des schuldnerischen Arztes oder eines anderen medizinischen Fachmanns bedienen.

Daneben besteht die Möglichkeit, die Patientenunterlagen durch Dritte[24] einlagern zu lassen. (…)  Zum einen muss sichergestellt werden, dass kein unberechtigter Zugriff auf die Unterlagen erfolgt. Zum anderen ergeben sich gerade i. V. m. potentiellen Einsichtsgesuchen der Patienten weitere Fragen. Datenschutzrechtlich ist bereits die Information, welche Patienten überhaupt in der schuldnerischen Arztpraxis behandelt werden, geschützt. Das heißt, dass der Insolvenzverwalter ein System installieren muss, das sicherstellt, dass der Archivar nur auf anonymisierte Akten Zugriff nimmt. (…)

Insbesondere die vorstehend (…) genannte Aufbewahrungsvariante kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, die Kosten der Aufbewahrung zu decken.“[25]

 

cc) Kosten

Stehen keine ausreichenden finanziellen Mittel für die Aufbewahrung der Patientenunterlagen zur Verfügung, können diese schnell zu „toxischen Assets“[26] werden.

Aktuelle Zahlen aus der Praxis zeigen, dass bereits bei einem vergleichsweisen kleinen Krankenhaus mit nur 150 Betten bei Einstellung des Betriebes für die Abholung, Lagerung und Vernichtung der Patientenunterlagen Kosten i.H.v. rund 440.000 Euro anfallen.

Fehlt es an (ausreichenden) finanziellen Mitteln,[27] geht der Insolvenzverwalter, wie von d´Avoine geschildert, üblicherweise wie folgt vor:

„Zunächst wird der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO anzeigen. Er gibt damit zu verstehen, dass die Masse zwar ausreicht, um die Verfahrenskosten (§ 54 InsO) zu decken, die im Rahmen der Abwicklung anfallenden sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO), wie eben die Kosten der Aktenaufbewahrung bei Dritten, allerdings nicht gedeckt werden können. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit besteht die Pflicht des Verwalters zur Verwertung der Masse fort. Dies gilt mithin auch für die Pflicht der Aufbewahrung der Unterlagen. Die hierfür entstehenden Kosten sind Neumasseverbindlichkeiten und dürfen damit grundsätzlich vorrangig aus der Insolvenzmasse bedient werden.

Reicht die vorhandene Masse dennoch nicht aus, die anfallenden Kosten zu decken, stellt sich für den Verwalter die Frage, welche Handlungsvarianten ihm offenstehen:

1. Zunächst besteht selbstverständlich auch im Fall der angezeigten Masseunzulänglichkeit die Möglichkeit, eine Vereinbarung mit dem Arzt (Schuldner) zu treffen, die vorsieht, dass dieser die Unterlagen privat einlagert. Eine Kostenerstattung kann – aufgrund der unzureichenden Masse – nicht gewährt werden. Die Bereitschaft des Arztes, die Unterlagen zu übernehmen, wird daher in den allermeisten Fällen gering sein.

2. Daneben stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Insolvenzverwalter berechtigt ist, die Patientenunterlagen aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben. Eine solche Freigabe [die sonst bspw. im Bereich der Altlasten bei kontaminierten Grundstücken genutzt wird] sieht sich jedoch ordnungs- sowie ggf. schadensersatzrechtlichen Bedenken ausgesetzt.

Zum einen drohen ordnungsbehördliche Maßnahmen, wenn die Patientenunterlagen nicht vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Entsprechende Grundverfügungen können gegen den Verwalter erlassen und ggf. im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzt werden. Bei erfolgter Anzeige der Masseunzulänglichkeit sind die entstehenden Kosten aber nur im Rahmen der vorhandenen Masse zu ersetzen. Eine persönliche Haftung des Verwalters kommt nicht in Betracht, da jedenfalls keine Rechtshandlung i. S. d. § 61 InsO vorliegt. Allerdings können sich Ansprüche von Patienten ergeben, die aufgrund der durch den Verwalter nicht ordnungsgemäß verwahrten Unterlagen nicht mehr geltend gemacht werden können. Fraglich ist indes, ob dem Verwalter ein Schuldvorwurf gemacht werden kann.

3. Grundsätzlich ist dem Verwalter zu empfehlen, das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit möglichst zeitnah vollständig abzuschließen. Denn mit Abschluss des Verfahrens erlangt der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück. Die Aufbewahrungspflicht des Insolvenzverwalters endet. Er hat die Unterlagen an den Arzt (Schuldner) herauszugeben. Dieser ist verpflichtet, sie entgegenzunehmen. Kommt er seiner Pflicht jedoch nicht nach, kann diese nicht durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden. (…)“[28]

Der Fall der Rücknahme stellt in der Praxis jedoch die Ausnahme dar und kommt bei größeren Gesundheitseinrichtungen i.d.R. auch nicht in Betracht. Selbst wenn hier Gesellschafter, bzw. der Vorstand einer Aktiengesellschaft Rücknahmebereitschaft signalisieren würden, besteht das Problem, dass diese „im Falle der Rücknahme der Patientenakten unter Umständen Kenntnis von den Patientendaten erhalten, bzw. den Zugang zu Daten erlangen, die der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen und von datenschutzrechtlichen Bestimmungen umfasst sind. Damit wäre eine solche Überlassung ohne Zustimmung des Patienten nicht zulässig.“[29]

 

c) bisherige Lösungsansätze

Gelingt es, den Betrieb der Gesundheitseinrichtung im Wege einer übertragenden Sanierung, bzw. durch Sanierung mittels rechtsträgererhaltenden Insolvenzplans aufrechtzuerhalten,[30] stellt sich das Problem der Aufbewahrung von Patientenakten und entsprechenden Auskünften nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens für den Verwalter nicht.[31] Problematisch sind jedoch die in der Praxis immer häufiger vorkommenden Fälle,[32] in denen der Betrieb nicht fortgeführt und die Gesundheitseinrichtung geschlossen[33] wird.

Hier sieht sich der Insolvenzverwalter, wie oben beschrieben, insbesondere nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, wenn keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stehen, mit dem Problem der Aufbewahrung von Patientenakten und der Sicherstellung der Erteilung von Auskünften konfrontiert.

Auch stete Hinweise auf eine künftige Digitalisierung der Patientenakte,[34] die zu erheblichen Kosteneinsparungen bei der Archivierung der Akten beitragen kann, lösen die Probleme der Praxis nicht, da auch in diesem Fall u.a. geeignete Personen für die Bescheidung des Akteneinsichtsgesuchs zur Verfügung stehen müssen.[35] Zudem lösen auch digitale Auskünfte Aufwand aus.

Die Problematiken im Umgang mit Patientenakten bei der Schließung von Gesundheitseinrichtungen sind seit langem bekannt. So beschloss die 89. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) bereits 2016 einstimmig:

„Die GMK sieht aktuellen Handlungsbedarf bei dem Umgang mit Patientenakten geschlossener, insbesondere insolventer Einrichtungen, wie z. B. Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen, die Patientenakten verwalten und bittet die Bundesregierung, umgehend eine Gesetzesinitiative, z.B. zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in die Wege zu leiten, damit das Recht der Patientinnen und Patienten auf Akteneinsichtnahme gemäß § 630g BGB gesichert ist.“[36]

Eine solche Änderung, bzw. Ergänzung des § 630g BGB erfolgte bislang nicht.

Einzelne Bundesländer sehen – wenn überhaupt – zum Teil ganz unterschiedliche Regelungen vor, so bspw.

Baden-Württemberg:

§ 4 HBKG: „(1) (…) Die Kammern haben bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Interessen des Gemeinwohls und die Rechte der Patienten zu beachten. Sie haben Patientenunterlagen für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten Einsicht zu gestatten, sofern dies nicht durch das verpflichtete Kammermitglied oder dessen Rechtsnachfolgerin oder -nachfolger gewährleistet ist. Gegenüber den Verpflichteten besteht in diesem Fall ein Anspruch auf Erstattung der Kosten, welche im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der Patientenakten entstehen. Die Kammern können andere Kammermitglieder oder Dritte mit der Erfüllung dieser Aufgabe betrauen, des Weiteren können die Kammern gemeinsame Einrichtungen zur Erfüllung dieser Aufgabe errichten oder nutzen.“[37]

Berlin:

§ 41 KhsVO: „Bei Schließung oder Umwandlung eines Krankenhauses oder eines Teils davon in eine Pflege- oder Betreuungseinrichtung wird die Patientendokumentation abgeschlossen. Die weitere Aufbewahrung des Bestandes an Patientendokumentationen wird vom Krankenhausträger im Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksamt so geregelt, dass Unbefugte nicht Einsicht nehmen können.“[38]

Bremen:

§ 42 BremKrhG: „(1) Stellt ein Krankenhaus den Betrieb ein, hat der Krankenhausträger beziehungsweise der Insolvenzverwalter beziehungsweise die Insolvenzverwalterin dafür zu sorgen, dass die Daten nach den Maßgaben dieses Abschnitts verarbeitet werden.

(2) Hinsichtlich der weiteren Verarbeitung der Patientendaten sind die Vorschriften dieses Abschnitts einzuhalten. Es ist sicherzustellen, dass die Patientinnen und Patienten für die Dauer von mindestens zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung oder Untersuchung auf Verlangen in gleicher Weise wie bisher beim Krankenhaus Auskunft und Einsicht erhalten.“[39]

Hessen:

§ 12 KHKG: „(5) Der Krankenhausträger hat Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass im Falle der Schließung eines Krankenhauses, insbesondere aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, oder einer Betriebsstätte eines Krankenhauses die dort geführten Patientenunterlagen entsprechend ihrer individuellen Aufbewahrungsdauer unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere zur Gewährleistung von Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit aufbewahrt werden können, und dass Ansprüche der Patientinnen und Patienten auf jederzeitige Durchsetzung ihrer Rechte nach der Verordnung (EU) 2016/679 sowie ihrer Rechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht beeinträchtigt werden.

Maßnahmen im Sinne des Satz  1 sind insbesondere Sicherungsmaßnahmen, die einen Zugang zu, einen Zugriff auf und die Kenntnisnahme von Patientenunterlagen durch unbefugte Personen verhindern sowie die in regelmäßigen Abständen durchgeführte Prüfung, ob Patientenunterlagen vernichtet werden können. (…)“ [40]

Mecklenburg-Vorpommern:

§ 38 LKHG: „(1) Der Verantwortliche darf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Patientinnen und Patienten einem Auftragnehmer übertragen, wenn (…) 3. das Krankenhaus seinen Betrieb einstellt. (…)

(4) Übernimmt ein Auftragnehmer nach einer Betriebseinstellung eines Krankenhauses den gesamten Bestand der Patientendaten, gelten für ihn als verantwortliche Stelle hinsichtlich der Verarbeitung dieser Daten die Vorschriften dieses Abschnitts. Bei der Übernahme ist vertraglich sicherzustellen, dass die Patientinnen und Patienten für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung oder Untersuchung auf Verlangen in gleicher Weise wie bisher beim Krankenhaus Auskunft und Einsicht erhalten.“[41]

Nordrhein-Westfalen:

§ 34c KHGG: „(1) Der Krankenhausträger hat Maßnahmen zu treffen, dass im Falle der Schließung eines Krankenhauses aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die dort geführten Patientenunterlagen entsprechend ihrer individuellen Aufbewahrungsdauer unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere zur Gewährleistung von Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit aufbewahrt werden können, und dass Ansprüche der Patientinnen und Patienten auf jederzeitige Durchsetzung ihrer Rechte nach der Verordnung (EU) 2016/679 (…) (Datenschutz-Grundverordnung) (…)sowie ihrer Rechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht beeinträchtigt werden. Maßnahmen im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere Sicherungsmaßnahmen, die einen Zugang zu, einen Zugriff auf und die Kenntnisnahme von Patientenunterlagen durch unbefugte Personen verhindern sowie die in regelmäßigen Abständen durchgeführte Prüfung, ob Patientenunterlagen vernichtet werden können. (…)“[42]

Die bestehenden landesrechtlichen Regelungen gehen damit teilweise ins Leere, da sie (nur) den Rechtsträger verpflichten, der gerade in die Insolvenz geht. Hier können wohl nur vorinsolvenzliche Versicherungslösungen zur Absicherung der Archivierungskosten und insbesondere zur datenschutzkonformen Erfüllung des Auskunftsersuchens der Patienten die Patientenrechte ausreichend schützen.

 

C. Fazit

Der Gesetzesentwurf bietet keinen Lösungsansatz zu besonders relevanten Fragen der Einsichtsrechte der Patienten. Das sind die Fälle der Schließung von Gesundheitseinrichtungen aus alters- oder gesundheitsbedingten Gründen, wegen fehlender Nachfolge und wegen Vermögenslosigkeit, d.h. Einstellung der Praxis bzw. des Betriebs in Folge einer Insolvenz. Die Forderung der Bundesländer aus dem Jahr 2016, auch gerade für diese Fälle – in denen die Anzahl der Einsichtsersuchen wegen Behandlungsfehlern um ein Vielfaches überschritten wird – die Patientenrechte zu sichern, lässt der Gesetzesentwurf außer Acht.

Es bedarf dringend einer bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelung zum Umgang mit Patientenakten und Auskunftsersuchen nach § 630g BGB im Falle der Schließung von Gesund-heitseinrichtungen. Diese darf im Fall der Insolvenz wirtschaftlich nicht zu Lasten der Insolvenzmasse und damit der Gläubiger oder gar der Insolvenzverwalter persönlich gehen.

In Betracht käme eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufbewahrung der Akten durch Ärztekammern oder Gesundheitsämter[43] bzw. die gesetzliche Begründung einer Versicherungspflicht bzgl. der Archivierung von Patientenakten im Fall der Schließung und der Insolvenz[44].

  

Berlin, 05.07.2024

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Referentenentwurf, Stand 15.05.2024, 16:41 Uhr.

[2] Entwurfsbegründung, S. 2.

[3] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[4] Entwurfsbegründung, S. 2.

[5] Entwurfsbegründung, S. 11.

[6] Entwurfsbegründung, S. 11.

[7] Entwurfsbegründung, S. 8.

[8] Entwurfsbegründung, S. 9.

[9] Entwurfsbegründung, S. 10 mit Verweis auf S. 9.

[10] Hinzu kommt häufig eine besondere Dringlichkeit, so bspw., wenn es sich um die ehemalige Praxis eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe handelt und kurzfristige Auskünfte aus der Patientenakte für die werdenden Mütter essenziell sind.

[11] Beispielhaft „Insolvenzwelle bei deutschen Krankenhäusern“, Tagesschau vom 11.10.2023, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/wirtschaft/krankenhaus-insolvenz-versorgung-gesundheit-100.html.

[12] Entwurfsbegründung, S. 9

[13] Entwurfsbegründung, S. 10.

[14] Insbesondere bei einem kostenintensiven Versand per Einschreiben.

[15] § 630g Abs. 1 Satz 4 BGB-E verweist auf Art. 12 Abs. 3 DSGVO, der in Satz 4 regelt: Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so ist sie nach Möglichkeit auf elektronischem Weg zu unterrichten, sofern sie nichts anderes angibt.“

[16] Vgl. d’Avoine/d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, 4. Auflage 2023, Rz. 468 f. (mit Verweis auf § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO sowie § 257 HGB, § 147 AO und § 14b UStG jeweils i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO).; Kaufmann /Gutmann, Sanierung von Krankenhäusern in Krise und Insolvenz, 1. Auflage 2023, Rz. 512 ff. (mit Verweis auf  §  155 Abs.  1 Satz  2 InsO und  §  36 Abs.  2 Nr.  1 Halbs. 2  InsO) .

[17] d’Avoine, a.a.O., Rz. 475 m.w.N.; unproblematisch sind Aufbewahrungspflicht und Einsichtsgewährung, wenn die selbstständige Tätigkeit und somit die gesamte Arztpraxis inklusive der Patientenunterlagen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß  § 35 Abs. 2 InsO vom Insolvenzverwalter aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wird. Dann verbleiben, so d´Avoine weiter, „die Unterlagen dort, wo sie sich bereits im Zeitpunkt des Insolvenzantrages befanden, nämlich in der Praxis des behandelnden Arztes und unter dessen Aufsicht.“ (Rz. 476).

[18] Vallender, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024 „Aufbewahrungspflichten des Insolvenzverwalters – Gesetzliche Grundlagen und Besonderheiten bei Patientenakten“, Folie 9 (erscheint demnächst: Vallender, Das Dilemma mit den Patientenakten, MedR 2024).

[19] Die Ablehnung der Einsichtnahme ist künftig, wie schon nach derzeitigem Recht, zu begründen.

[20] (Die Aufbewahrung der Akte innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen sowie) eine entsprechende Beauskunftung ist (lediglich) dann unproblematisch, wenn „der schuldnerische Arzt bereit ist, die Unterlagen in seinen Privaträumen aufzubewahren (…).  Die Unterlagen befinden sich weiterhin im Besitz desjenigen, der datenschutzrechtlich zur Einsicht berechtigt ist und ggf. auch über Einsichtsgesuche der Patienten entscheiden kann. Insoweit ist niemand besser mit der Krankengeschichte der Patienten vertraut als der behandelnde Arzt. “siehe d’Avoine/d’Avoine, a.a.O, Rz. 483.

[21] § 630 f Abs. 3 BGB.

[22] d’Avoine/d’Avoine, a.a.O, Rz. 483 m.w.N.

[23] Vgl. dazu § 630g Abs. 2 BGB-E, wonach der Auskunftsanspruch nicht besteht, „(…) soweit dem Anspruch des Patienten auf Auskunft über den Inhalt der in betreffenden Patientenakte erhebliche therapeutische Gründe (…) entgegenstehen. (…)“.

[24] Zu den (erheblichen) datenschutzrechtlichen Problemen bei der Einschaltung externer Dienstleister ohne wirksame Einwilligung des Patienten vgl. Vallender, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024, Folie 23 ff.

[25] d’Avoine/d’Avoine, a.a.O, Rz. 483-484.

[26] Vallender in NZI 2013, 1001 ff. (1001).

[27] Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass jedenfalls in der Insolvenz des Freiberuflers für diesen das Risiko besteht, keine Restschuldbefreiung erlangen zu können, wenn das Verfahren bei fehlender Deckung der Archivierungs- und Auskunftskosten erst gar nicht zur Eröffnung gebracht wird.

[28] d’Avoine/d’Avoine, a.a.O, Rz. 485; „Um weiterhin entstehende Kosten dennoch zu vermeiden, wird in der Literatur vorgeschlagen, das Finanzamt aufzufordern, den Schuldner unter Androhung von Zwangsmaßnahmen zur Erfüllung seiner steuerlichen Verpflichtungen i. S. d. § 147 AO anzuhalten. Hilft auch das nicht, soll der Verwalter nach Inkenntnissetzung der Staatsanwaltschaft berechtigt sein, die Unterlagen zu vernichten.“ (Rz. 485 a.E.).

[29] Vallender, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024, Folie 20.

[30] Zu den erheblichen (datenschutzrechtlichen) Anforderungen bei einem Verkauf einer Arztpraxis d’Avoine, a.a.O., Rz. 477 ff.

[31] Vgl. Vallender in NZI 2013, 1001 ff. (1001).

[32] Zu den Zukunftsaussichten der deutschen Krankenhäuser Bornheimer in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Handbuch zur Insolvenz, 114. Ergänzungslieferung, Mai 2024, B. Krankenhausmarkt (V.), Rz. 48 ff.; siehe auch Vallender, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024, Folie 6 zur aktuellen Problemlage im Hinblick auf die Insolvenz von Krankenhäusern.

[33] Zur Frage der datenschutzrechtlichen Anordnung zur Einlagerung von Patientenakten und dem Begriff der Datenverarbeitung vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.10.2020, AZ 5 Bs 152/20 – juris- Leitsatz, wonach eine „Verarbeitung“ gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO eine Handlung im Sinne einer menschlichen Aktivität voraussetzt. „Die bloße Lagerung personenbezogener Daten, ohne dass mit diesen Daten „umgegangen“ wurde oder „umgegangen“ wird, stellt keine Verarbeitung in diesem Sinne dar.

[34] Elektronische Patientenakte ab 2025, siehe Bundestag verabschiedet Digitalgesetze für bessere Versorgung und Forschung im Gesundheitswesen | BMG (bundesgesundheitsministerium.de).

[35] Darauf hinweisend bereits 2013 Vallender, NZI 2013, 1001 ff. (1007) im Hinblick auf das Scannen sämtlicher Unterlagen.

[36] Vgl. Beschluss der GMK vom 29.06.2016 – 30.06.2016 zu TOP 11.2. (Gesetzliche Regelung zur Aufbewahrung von Patientenakten), abrufbar unter: Beschlüsse – Gesundheitsministerkonferenz (GMK) (gmkonline.de).

[37] Landesrecht BW – § 4 HBKG | Landesnorm Baden-Württemberg | Kammeraufgaben | § 4 – Kammeraufgaben | gültig ab: 07.05.2024 (landesrecht-bw.de).

[38] VIS Berlin – § 41 KhsVO | Landesnorm Berlin | Verfahren bei Schließung oder Umwandlung eines Krankenhauses | § 41 – Verfahren bei Schließung oder Umwandlung eines Krankenhauses | gültig ab: 15.09.2006.

[39] § 42 BremKrhG, Betriebsaufgabe – Gesetze des Bundes und der Länder (lexsoft.de).

[40] § 12 HKHG 2011, Datenschutz im Krankenhaus, Sicherung von Pa… – Gesetze des Bundes und der Länder (lexsoft.de).

[41] § 38 LKHG M-V, Datenverarbeitung im Auftrag – Gesetze des Bundes und der Länder (lexsoft.de).

[42] § 34c KHGG NRW, Sicherung von Patientenunterlagen – Gesetze des Bundes und der Länder (lexsoft.de).

[43] Vallender, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024, Folie 30 f.

[44] Siehe auch Vallender zur gesetzlichen Begründung einer Versicherungspflicht des Krankenhausträgers bzgl. der Archivierung von Patientenakten (jedoch nur) bei Massearmut oder Masseunzulänglichkeit, Vortrag auf dem Marburger Insolvenztag am 23.05.2024, Folie 31.

 

RefE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025

 

A. Einleitung

Neben der Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung und der Gebühren der Gerichtsvollzieher sieht der Referentenentwurf (nachfolgend Entwurf) u.a. eine Anpassung der Honorarsätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für Sachverständige und Sprachmittler vor. Diese wurden zuletzt im Januar 2021 an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst.

Inzwischen sind“, so der Entwurf, „die marktüblichen Vergütungen in diesen Bereichen deutlich gestiegen. Um die vergütungsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu erhalten, dass den Gerichten und Staatsanwaltschaften weiterhin qualifizierte Sachverständige und Sprachmittler in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, sind die diesbezüglichen Vergütungssätze des JVEG anzupassen.[1] Die Honorarsätze der Sachverständigen sollen um 9 % erhöht werden.[2]

Die nähere Befassung mit dem Entwurf zeigt, dass die insolvenzrechtlichen Sachverständigen von der Anpassung der Honorarsätze des JVEG ausgenommen sind.

Ungeachtet dessen heißt es in der Entwurfsbegründung:

„Für eine Reihe von Sachgebieten, auf denen Sachverständige ihre Leistung für die Justiz erbringen (…) legt das JVEG konkrete Honorarsätze fest. Diese Sätze beruhen auf einer Marktanalyse aus dem Jahr 2018. Wie für die Rechtsanwaltskanzleien sind auch für Sachverständige (…) die Bürokosten seither deutlich gestiegen. Aufgrund der gestiegenen Kosten werden für außergerichtliche Aufträge inzwischen deutlich höhere Vergütungen gefordert und auch gezahlt. Dadurch ist eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Marktpreisen und den Vergütungssätzen nach dem JVEG entstanden. Verschärfend wirkt sich dabei aus, dass die Vergütungssätze des JVEG für Sachverständige (…) durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 nicht auf dem Niveau der damaligen Marktpreise, sondern mit einem Abschlag von 5 Prozent festgelegt wurden („Justizrabatt“). Im Ergebnis werden Aufträge der Justiz somit für Sachverständige (…) aus wirtschaftlicher Sicht zunehmend unattraktiv. Dadurch wird auch die Nachwuchsgewinnung im Bereich der öffentlich bestellten Sachverständigen zusätzlich beeinträchtigt.“ [3]

 

B. Im Einzelnen

Die Vergütung der im Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen richtet sich nach § 9 Abs. 4 JVEG. Die Vorschrift wurde mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021[4] grundlegend reformiert und eine Regelung für den sogenannten „isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen“ sowie den zum vorläufigen[5] Sachwalter bestellten Sachverständigen eingeführt:

„Das Honorar des Sachverständigen für die Prüfung, ob ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, beträgt 120 Euro je Stunde. Ist der Sachverständige zugleich der vorläufige Insolvenzverwalter oder der vorläufige Sachwalter, so beträgt sein Honorar 95 Euro je Stunde.“

Zur Begründung der Höhe der Stundensätze hieß es im damaligen Gesetzentwurf:

„Der Stundensatz orientiert sich an den Stundensätzen für die betriebswirtschaftlichen Sachgebiete der Anlage 1 zum JVEG und berücksichtigt zudem, dass der isolierte insolvenzrechtliche Sachverständige anders als der Sachverständige, der zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter oder vorläufiger Sachwalter ist, neben der Sachverständigenvergütung nicht noch einen weiteren Vergütungsanspruch hat.

Der vorgeschlagene § 9 Absatz 4 Satz 2 übernimmt zunächst die Regelung des bisherigen § 9 Absatz 2 JVEG und erweitert diese auf den als Sachverständigen bestellten vorläufigen Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren nach den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung. (…) Der Honorarstundensatz soll unter Berücksichtigung der Entwicklung der tariflichen Verdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich auf 95 Euro erhöht werden.“[6]

 

I. § 9 Abs. 4 Satz 1 JVEG (Vergütung des isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen)

a)

Bereits bei der Anpassung 2021 wurde der Stundensatz (120,00 €) des isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen lediglich im oberen Mittel der maßgeblichen betriebswirtschaftlichen Sachgebiete (Nr. 6) der Anlage 1 (Teil 1) zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG angesiedelt.

Diese betragen, inkl. eines Justizrabatts i.H.v. 5 %[7], für

  • Nr. 6.1 Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und -verlagerungsschäden: 135,00 €
  • Nr. 6.2 Besteuerung: 110,00 €
  • Nr. 6.3 Rechnungswesen: 105,00 €
  • Nr. 6.4 Honorarabrechnung von Steuerberatern: 105,00 €[8].

Bei der Anpassung des Stundensatzes (120,00 €) wurde 2021 bereits nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen auch im betriebswirtschaftlichen Sachgebiet Nr. 6.1 (Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und -verlagerungsschäden) liegt.

Dass die Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen neben insolvenzrechtlichen Kenntnissen auch vertiefte Kenntnisse im Steuer-, Arbeits-, Handels-, Gesellschafts- und Immobilienrecht, mithin einen multidisziplinären Ansatz, erfordert, blieb ebenfalls unberücksichtigt.

 

b)

Der Honorarstundensatz des isolierten Sachverständigen orientiert sich an den Stundensätzen für die betriebswirtschaftlichen Sachgebiete (Nr. 6) der Anlage 1 zum JVEG.[9] Diesbezüglich weist der Entwurf folgende Erhöhungen aus:

  • Nr. 6.1: Erhöhung von 135,00 €              auf 147,00 € /h
  • Nr. 6.2: Erhöhung von 110,00 €              auf 120,00 €/h
  • Nr. 6.3: Erhöhung von 105,00 €              auf 114,00 €/h
  • Nr. 6.4: Erhöhung von 105,00 €              auf 114,00 €/h

Da (auch) eine Erhöhung der Honorarstundensätze für die betriebswirtschaftlichen Sachgebiete vorgesehen ist, ist unverständlich, weshalb das Honorar des isolierten Sachverständigen nach § 9 Abs. 4 Satz 1 JVEG trotz selbstverständlich auch dort gestiegener (Büro-)Kosten unverändert bleiben soll. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der vorgenannten Defizite der letzten Anpassung 2021 und auch, wenn der im damaligen Gesetzgebungsverfahren letztlich berücksichtigte „Justizrabatt“ bei § 9 Abs. 4 JVEG zu keinem weiteren Abzug führte.[10]

Nach wie vor hat der isolierte insolvenzrechtliche Sachverständige, anders als der Sachverständige, der zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachwalter ist, neben der Sachverständigenvergütung auch keinen weiteren Vergütungsanspruch.

 

II. § 9 Abs. 4 Satz 2 JVEG (Vergütung des zum vorläufigen Insolvenzverwalter, bzw. zum vorläufigen Sachwalter bestellten Sachverständigen)

Für den insolvenzrechtlichen Sachverständigen der zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachwalter ist, erfolgte mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 eine Erhöhung des Honorarstundensatzes auf 95,00 €/h.

Zuvor betrug die Vergütung des gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellten Sachverständigen 80,00 €/h.

Ausweislich der Gesetzesbegründung[11] zum damaligen § 9 Abs. 2 JVEG – der von § 9 Abs. 4 Satz 2 JVEG übernommen wurde[12] – orientierte sich die Höhe des Honorars dabei an der Honorargruppe 4 (80,00  €/h) der damaligen Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Für die Sachgebiete der ursprünglichen Honorargruppe 4[13] sah das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021[14] unterschiedliche Erhöhungen auf Stundensätze von 85,00 € bis 115,00 € vor. Bereits der durchschnittliche Stundensatz betrug damit 100,00 €/h.

Zur Erhöhung des Stundensatzes von 80,00 € auf lediglich 95,00 € führte die Gesetzesbegründung aus, dass diese (nun) „unter Berücksichtigung der Entwicklung der tariflichen Verdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich“[15] erfolgt.

Diese Orientierung führte dazu, dass die Erhöhung auf 95,00 €/h bereits 2021 unterhalb der durchschnittlichen Erhöhung für die bisherigen Sachgebiete der Honorargruppe 4 (100,00 €/h) lag.

Soweit die Gesetzesbegründung[16] darauf abstellte, dass der Sachverständige, der zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachwalter ist, neben der Sachverständigenvergütung noch einen weiteren Vergütungsanspruch habe, wurden die Fälle nicht berücksichtigt, in denen eine Kompensation des überdurchschnittlichen Aufwands des Sachverständigen durch Zuschläge auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters/vorläufigen Sachwalters nicht stattfindet. Eine solche Kompensation soll im Gegenteil nach der Rechtsprechung des BGH gerade nicht möglich sein.[17]

Nachdem im Zuge der Reform 2021 die Erhöhung des Stundensatzes von 80,00 € auf (lediglich) 95,00  € „unter Berücksichtigung der Entwicklung der tariflichen Verdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich“ erfolgte, zeigt sich folgende Entwicklung:

Der Index der tariflichen Stundenverdienste ohne Sonderzahlungen im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich stieg laut Statistischem Bundesamt von

  • 100 im Jahr 2020 auf
  • 101,4 im Jahr 2021
  • 102,8 im Jahr 2022
  • 105,4 im Jahr 2023.[18]

Der Index der tariflichen Stundenverdienste mit Sonderzahlungen im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich stieg laut Statistischem Bundesamt von

  • 100 im Jahr 2020 auf
  • 101,3 im Jahr 2021
  • 103,5 im Jahr 2022
  • 107,3 im Jahr 2023.[19]

Die Entwicklung der Stundenverdienste im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich zeigt seit 2020 eine stetige, zum Teil deutliche Erhöhung.

Weshalb diese Entwicklung sich nicht auch im Honorarstundensatz des § 9 Abs. 4 Satz 2 JVEG wiederfindet, bleibt unklar.

Bei den Gerichtskosten für Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren sind mit Verweis auf die gestiegenen Sach- und Personalkosten[20], ebenfalls Erhöhungen vorgesehen[21].

Umso unverständlicher bleibt, weshalb für die insolvenzrechtlichen Sachverständigen keine Anpassung des Honorars erfolgt, obwohl sie im Eröffnungsverfahren regelmäßig einen Großteil der Ermittlungsaufgaben übernehmen.

Die Anregung des VID zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, dass das Stundenhonorar des vorläufigen Sachwalter-Sachverständigen grundsätzlich 15,00 €/h mehr als das des vorläufigen Insolvenzverwalter-Sachverständigen betragen sollte, blieb bedauerlicherweise unberücksichtigt.

Der Vorschlag den vorläufigen Sachwalter bei seiner gutachterlichen Tätigkeit deutlich höher einzuordnen als den Sachverständigen, der zugleich als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist, stand vor dem Hintergrund, dass sein Aufgabenkreis gegenüber dem des vorläufigen Insolvenzverwalters reduziert ist und er deshalb nicht die gleichen Paralleleffekte erzielen kann, die eine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit sich bringt.[22]

Selbst bei einer Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter kann eine vom Gesetzgeber beschränkte Vergütung des Sachverständigen in der überwiegenden Zahl der (kleinen) Fälle nicht durch hohe Vergütungen im anschließenden Insolvenzverfahren ausgeglichen werden. Gerade hier sind aber die Gerichte in besonderem Maß auf die Ermittlungsarbeit der Sachverständigen angewiesen, weil in kleinen Fällen oft nur noch diese Erkenntnisquelle zur Verfügung steht. Es bleibt deshalb unverständlich, warum der Gesetzgeber hier nicht reagiert und die Tätigkeit der Sachverständigen angemessen vergütet.

 

III. RVG-E Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis)

Angehoben werden sollen auch die Gebühren für die Beratungshilfe im insolvenzrechtlichen Kontext.[23] Ob dies allein jedoch zu einer Belebung der Beratungshilfe im Bereich der Verbraucherinsolvenz und der (ehemaligen) Selbstständigen führen wird, darf bezweifelt werden.

Bereits im Rahmen der Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wies der VID darauf hin, dass eine verstärkte Inanspruchnahme der Restschuldbefreiung in Deutschland eine Verstetigung und Vereinfachung der Beratungshilfen für betroffene Schuldnerinnen und Schuldner voraussetzen würde.[24] Dies gilt in besonderem Maß für die Beratung von Nicht-Verbrauchern im insolvenzrechtlichen Sinn, die aufgrund der qualifikatorischen Anforderungen von den meisten Schuldnerberatungsstellen nicht abgedeckt werden kann.

 

IV. § 54 Abs. 1 Satz 2 GKG-E

Bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken sind die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen und für die Abhaltung des Versteigerungstermins nach dem gemäß § 74a Abs. 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung festgesetzten Wert zu berechnen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 GKG).

§ 54 Abs. 1 Satz 2 GKG-E sieht vor, dass, wenn ein solcher Wert nicht festgesetzt ist, künftig nicht der Einheitswert, sondern der Grundsteuerwert maßgeblich ist.

Im Hinblick auf den Grundsteuerwert sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren dringend die höchstrichterliche Rechtsprechung[25] im Blick behalten werden, die derzeit verfassungsrechtliche Bedenken formuliert.

 

C. Fazit

Nachdem die Anpassung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) in den vergangenen Jahren trotz erheblich gestiegener Betriebs- und Personalkosten der Berufsträger[26] äußerst gering ausfiel,[27] ist die Ausnahme des insolvenzrechtlichen Sachverständigen von der Anpassung der Honorarstundensätze des JVEG eine besondere und unverhältnismäßige Belastung.

Für den insolvenzrechtlichen Sachverständigen ist in § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 JVEG eine deutliche Erhöhung des Honorarstundensatzes im zweistelligen Prozentbereich vorzusehen.

 

 

Berlin, 04.07.2024

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] RefE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025, S. 1, 45.

[2] RefE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025, S. 1.

[3] RefE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025, Begründung S. 47.

[4] Der VID hatte 2020 zum Referenten- sowie zum Regierungsentwurf Stellung genommen; die Stellungnahmen sind hier abrufbar: VID-Stellungnahme-zum-RegE-Kostenrechtsaenderungsgesetz-2021.pdf sowie vid-stellungnahme-zum-refe-des-jveg-aenderungsgesetzes-2020.pdf

[5] Eine Regelung zum vorläufigen Insolvenzverwalter fand sich zuvor bereits in § 9 II JVEG a.F.

[6] Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BT-Drs. 19/23484 vom 19.10.2020, Begründung S. 66-67.

[7] Vgl. dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 19/24740, S. 77 der die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Honorarsätze des § 9 Abs. 5 JVEG sowie des Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG um einen „Justizrabatt“ i.H.v. 5 % reduzierte.

[8] Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG.

[9] Vgl. Begründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BT-Drs. 19/23484 vom 19.10.2020, S. 67.

[10] Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 19/24740, S. 32-33.

[11] Begründung des Gesetzesentwurfes zum 2. KostRMoG (BT-Drs. 17/11471 (neu) vom 14.11.2012),  S. 260.

[12] Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BT-Drs. 19/23484 vom 19.10.2020, S. 67.

[13] Zur Honorargruppe 4 gehörten die Sachgebiete Nr. 2 (Akustik/Lärmschutz), Nr. 3 (Altlasten und Bodenschutz), Nr. 4.1 (Planung (Bauwesen)), Nr. 8 (Brandursachenermittlung), Nr. 11 (Elektrotechnische Anlagen und Geräte), Nr. 13.3 (Schadenfeststellung, -ursachenermittlung und -bewertung (Garten- und Landschaftsbau einschließlich Sportanlagenbau)) und Nr. 29 (Schiffe/Wassersportfahrzeuge).

[14] Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21.12.2020, BGBl 2020 (I), 3229.

[15] Begründung Gesetzentwurf Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BT-Drs. 19/23484, S. 67.

[16] Begründung Gesetzentwurf Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BT-Drs. 19/23484, S. 67.

[17] Nach BGH, Beschluss vom 07.10.2021, IX ZB 4/20, Rz. 11 soll gerade kein Zuschlag auf die Vergütung des vorl. Insolvenzverwalters/Sachwalters gewährt werden für Tätigkeiten, die als insolvenzrechtlicher Sachverständiger erledigt wurden; Bestätigung des Beschlusses des BGH vom 18.06.2009, IX ZB 97/08.

[18]  Statistisches Bundesamt Deutschland – GENESIS-Online: Tabelle abrufen (destatis.de), Abruf am 27.06.2024.

[19]  Statistisches Bundesamt Deutschland – GENESIS-Online: Tabelle abrufen (destatis.de), Abruf am 27.06.2024.

[20] RefE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2025, S. 1.

[21] Vgl. RefE , Art. 1, Anpassungen der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) zum GKG sowie Anpassungen der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG.

[22] Vgl. VID-Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 vom 28.10.2020, S. 5, abrufbar unter VID-Stellungnahme-zum-RegE-Kostenrechtsaenderungsgesetz-2021.pdf.

[23] Vgl. RefE , Art. 7, Anpassungen der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) zum RVG, so bspw. zu den Ziff. 2502, 2504 ff.

[24] Vgl. VID-Stellungnahmen zur Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 10.05.2024, abrufbar unter VID-StN-zur-Evaluation-d.-Gesetzes-zur-weiteren-Verkuerzung-des-Restschuldbefreiungsverfahrens-.pdf.

[25] Vgl. BFH, Beschluss vom 27. Mai 2024, II B 78/23 sowie inhaltsgleich BFH, Beschluss vom 27. Mai 2024, II B 79/23 zur AdV einer Grundsteuerwertfeststellung im sogenannten Bundesmodell.

[26] Auf die deutliche Diskrepanz zur Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten nach § 81 StaRUG (Abs. 3: „Bei der Bemessung der Stundensätze berücksichtigt das Restrukturierungsgericht die Unternehmensgröße, Art und Umfang der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und die Qualifikation des Restrukturierungsbeauftragten sowie der qualifizierten Mitarbeiter. Im Regelfall beläuft sich der Stundensatz für die persönliche Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten auf bis zu 350 Euro und für die Tätigkeit qualifizierter Mitarbeiter auf bis zu 200 Euro.“) hatte der VID bereits in seiner Stellungnahme  zum RegE des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 hingewiesen, abrufbar unter VID-Stellungnahme-zum-RegE-Kostenrechtsaenderungsgesetz-2021.pdf

[27] Vgl. Graeber in ZInsO 2024, 1039 ff. (Blick auf die Entwicklung der Höhe der Regelvergütungen von Konkurs- und Insolvenzverwaltern von 1972 bis heute inkl. der Kaufkraftbereinigung).

 

Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

 

I. Einleitung

Mit dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I 2020,3328ff.) wurden eine Reihe von wichtigen Änderungen der Insolvenzordnung und insolvenzbezogener Nebengesetze umgesetzt.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher wurde die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht – wie zunächst vorgesehen – befristet. Die Entscheidung über ggfl. notwendige weitere gesetzgeberische Maßnahmen soll nach Art. 107a EGInsO aber auf Grundlage eines von der Bundesregierung bis zum 30. Juni 2024 zu erstattenden Berichts über etwaige Auswirkungen der Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern erfolgen. Der Bericht soll auch auf etwaige Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen Neustart nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausgehen.

Mit Schreiben vom 27. März 2024 hat das BMJ insolvenznahe Verbände um die Beantwortung der Frage gebeten, ob sich bei der Entwicklung des Insolvenzgeschehens seit dem 1. Oktober 2020 aus ihrer Sicht Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der verkürzten Verfahrensdauer und dem Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern entnehmen lassen. Sollten solche Anhaltspunkte bestehen, wurde um eine qualitative und möglichst auch quantitative Darstellung der Entwicklungen sowie um eine Benennung der Faktoren gebeten, welche die Entwicklungen mit der verkürzten Verfahrensdauer in Verbindung bringen.

Die sehr umfassend formulierte Frage nach dem Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach Verkürzung der Verfahrensdauer legt zunächst einen Blick in die amtliche Insolvenzstatistik nahe. Danach wurde im Jahr 2021 mit 78.615 Verbraucherinsolvenzverfahren zunächst ein deutlicher Anstieg der Verfahrenszahlen gegenüber dem Jahr 2020 (40.502) verzeichnet. Dieser Anstieg war eindeutig auf eine zuvor verzögerte Antragstellung in Erwartung der früh angekündigten Verkürzung zurückzuführen. Im Folgejahr 2022 (65.487) stiegen die Verfahrenszahlen nicht weiter an, sondern fielen auf eine Zahl zurück, die unter dem Durchschnitt des vorangegangenen Jahrzehnts lag. 2023 (66.887) wurde nur ein leichter Anstieg der Verfahrenszahlen verzeichnet.

Es fällt somit auf, dass die erhebliche Verkürzung der Verfahrensdauer nicht zu einer deutlichen Zunahme der Verbraucherinsolvenzverfahren geführt hat.

Nach Zahlen von Creditreform hat sich die Anzahl der überschuldeten Privatpersonen in Deutschland zwischen 2020 (6,85 Mio.) und 2023 (5,65 Mio.) deutlich reduziert[1]. Dieser Rückgang ist mit Sicherheit ein wesentlicher Faktor für die Abnahme der Verbraucherinsolvenzen. Noch immer ist es aber ein verhältnismäßig kleiner Anteil der überschuldeten Verbraucherinnen und Verbraucher, die jedes Jahr den Ausweg eines Verbraucherinsolvenzverfahrens suchen. Trotz einer gewissen Steigerung in 2024 (im Januar 2024 lag die Zahl der beantragten Verbraucherinsolvenzen 6,3% höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres[2]) lässt sich ein signifikanter Effekt der verkürzten Verfahrensdauer bis heute nicht feststellen.

Die Frage, ob diese Stagnation auf Kapazitätsengpässe bei Schuldnerberatungen zurückzuführen ist, liegt nahe, kann durch den VID aber nicht beantwortet werden. Die im Jahrzehnt vor 2020 (ohne verkürzte Verfahrensdauer) teilweise deutlich höheren Verfahrenszahlen deuten jedoch darauf hin, dass hier nicht der einzige Grund für die geschilderte Entwicklung zu suchen ist.

Die nachfolgende Stellungnahme greift deshalb einige ausgewählte Probleme auf, die aus Sicht der Praxis bis heute das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern maßgeblich beeinflussen.

 

II. Mangelnde oder schwer verständliche Informationen

Zum wesentlichen Inhalt des Gesetzentwurfs hatte seine Begründung (BT Drs. 19/21981, S.15) formuliert:

„Die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens wird von sechs auf drei Jahre reduziert. Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen wie die Deckung der Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen wird verzichtet. Diese Erleichterungen werden nicht nur für unternehmerisch tätige, sondern alle natürlichen Personen geschaffen. Insbesondere erhalten damit auch Verbraucherinnen und Verbraucher die realistische Möglichkeit, eine Restschuldbefreiung binnen drei Jahren zu erlangen.“

Diese, im Vergleich zu den bis dahin geltenden oder als Alternative diskutierten Maßgaben, radikale Vereinfachung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung führte zunächst zu einem Verzögerungseffekt, der aber offensichtlich auf diejenigen Schuldnerinnen und Schuldner begrenzt blieb, die bereits beraten wurden. Ein weitergehender Mobilisierungseffekt auch bei den bislang zögernden Schuldnerinnen und Schuldnern ist nicht eingetreten. Schuldnerberater berichten, dass die Dimension der Reform bis heute den beratenen Schuldnerinnen und Schuldnern oft nicht bekannt ist.

Trotz der umfangreichen Informationsmöglichkeiten, die im Internet u.a. auf den Webseiten von Landes- und Bundesministerien zum Thema Verbraucherinsolvenz verfügbar sind, bewegen sich die Verfahrenszahlen auf einem Niveau, das weit unter den Höchstwerten der Jahre 2005-2015 liegt.

Dieser Befund deutet an, dass die verfügbaren Informationen mit ihrer Aufbereitung und Darstellung einen Großteil der betroffenen Schuldnerinnen und Schuldner nicht erreichen.

 

III. Mangelnde Verfahrensvereinfachung, fehlende Beratungshilfe und geringe Digitalisierung von Verfahren

Weitaus schwerer wiegt jedoch das rein analoge und bürokratische Antragsverfahren. Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird zu Recht als schwierig und unzugänglich wahrgenommen. Wirft man einen Blick auf die entsprechenden Formulare nach den Maßgaben der Verbraucherinsolvenzformularverordnung (VbrinsFV), findet man eine Fülle juristischer Fachbegriffe, die für den juristischen Laien ohne Erklärungen unverständlich bleiben. Das auf der Webseite des BMJ abrufbare Formular (Stand 26.April 2021) umfasst insgesamt 45 Seiten.

In den amtlichen Hinweisen zur Ausfüllung des vom BMJ bereitgestellten Formulars[3] findet sich folgender Hinweis („Allgemeine Hinweise“):

„Die Formulare für das Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren können Sie mit dem Computer, mit der Schreibmaschine oder handschriftlich – bitte in lesbarer Druckschrift – ausfüllen. Da es sich um amtliche Formulare handelt, sind inhaltliche oder gestalterische Änderungen oder Ergänzungen nicht zulässig. Sollte der Raum im Formular nicht ausreichen, können Sie die Angaben auf einem besonderen Blatt machen.

In dem betreffenden Feld des Formulars ist dann auf das beigefügte Blatt hinzuweisen.

Die vollständig ausgefüllten Formulare sind zunächst ohne Abschriften (Kopien) bei dem zuständigen Insolvenzgericht einzureichen. Wenn das Insolvenzgericht die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens … anordnet, werden Sie gesondert aufgefordert, Abschriften des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans (Anlage 7, Anlage 7 A und Anlage 7 B) und der Vermögensübersicht (Anlage 4) in der für die Zustellung an die Gläubiger erforderlichen Anzahl nachzureichen. Stellen Sie deshalb unbedingt sicher, dass Sie eine vollständige, inhaltsgleiche Kopie der an das Gericht übersandten Antragsunterlagen bei Ihren Verfahrensunterlagen behalten.“

Schon dieser allgemeine Hinweis macht deutlich, dass der strenge Formularzwang für viele Betroffene nicht ohne Beratung zu bewältigen ist. Die Hinweise zur Ausfüllung des Formulars umfassen insgesamt 12 Seiten. Da eine Hilfe bei der Ausfüllung des Formulars in den meisten Fällen notwendig sein wird, müsste sie als Angebot für alle betroffenen Schuldnerinnen und Schuldner gesetzlich verankert und finanziert werden.

Das ebenfalls vom BMJ online bereitgestellte Antragsformular auf Bewilligung von Beratungshilfe[4] umfasst 10 Seiten und verlangt eine umfassende Offenlegung der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse. Gerade dieser Überblick wird für viele betroffene Schuldnerinnen und Schuldnern, die ihn oft selbst verloren haben, nicht darstellbar sein. Aus der Praxis wird berichtet, dass die Bereitschaft zur Vergabe von Beratungsscheinen in der Privatinsolvenz bei den Gerichten deutlich zurückgegangen ist.

Staatlich anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen sind zwar in den meisten Fällen kostenlos und oft sogar online erreichbar. Ihre personelle und sachliche Ausstattung ist jedoch vom jeweiligen Träger abhängig und bleibt deshalb oft unter dem Umfang, der für eine zeitnahe und umfassende Beratung notwendig wäre. Schwankungen im Verfahrensaufkommen führen hier häufig auch zu Budgetveränderungen.

Es bleibt festzuhalten, dass eine verstärkte Inanspruchnahme der Restschuldbefreiung in Deutschland eine Verstetigung und Vereinfachung der Beratungshilfen für betroffene Schuldnerinnen und Schuldner voraussetzen würde.

Bei der Digitalisierung von Insolvenzverfahren ist Deutschland im Vergleich zu einigen europäischen Nachbarländern deutlich zurückgefallen. Im Nachbarland Belgien, das seit 2017 mit dem System RegSol arbeitet, sind eine digitale Verfahrenseinleitung und Verfahrensverfolgung in Verbraucherinsolvenzverfahren[5] bereits seit dem 2. November 2023 gelebte Realität. Neben online-Hilfsangeboten wird dort auch durch online-Videos und direkte Kontaktmöglichkeiten eine Fülle von Unterstützung auf einer leicht zugänglichen und zentralen Webseite angeboten. Dies hat nach Berichten aus der Praxis zu unerwartet hohen Antragszahlen geführt[6].

Ergänzend könnte auch eine Verlagerung von verfahrensimanenten Aufgaben auf Insolvenzverwalter zur Entlastung der Gerichte und zur Vermeidung paralleler und damit unproduktiver Tätigkeiten beitragen.

Dabei sollte die Funktion des Gerichts auf die Aufsicht, nicht aber auf die parallele Aktenführung und Aktenbearbeitung fokussiert werden. Hier sollte man über folgende gesetzliche Veränderungen nachdenken:

  • Übernahme der gesamten Tabellenführung und Feststellung/Erteilung eines Tabellenauszugs durch den Insolvenzverwalter
  • Information über Tabellenwiderspruch (§179 Abs.3 InsO) durch den Insolvenzverwalter
  • Statt Niederlegung in der Geschäftsstelle (§154 InsO, §188 InsO) – Onlineportal für die Verzeichnisse beim Verwalter
  • Rechtsmittelfähige Entscheidung über die Massezugehörigkeit von Vermögensgegenständen (§36 Abs. 4 InsO) durch den Insolvenzverwalter (vgl. auch Art. 48 des Richtlinienvorschlags COM (2022) 702 final)

Nach Prüfung der Zulässigkeit des Antrags durch das Insolvenzgericht und Bestellung eines Insolvenzverwalters könnte dieser ab seiner Beauftragung so die umfassende Betreuung des Verfahrens einschließlich Tabellenführung, Korrespondenz mit den Gläubigern und Verwertung der Insolvenzmasse etc. übernehmen.

Eine Hinzuziehung des Gerichtes wäre nur mehr bei Pfändungsschutzanträgen, Versagungsanträgen der Restschuldbefreiung etc. notwendig. Ein Bericht an das Insolvenzgericht würde erst mit dem Schlussbericht und der Schlussrechnung erfolgen.

Ein transparenteres Verfahren für die beteiligten Gläubiger könnte durch den uneingeschränkten Einsatz eines Gläubigerinformationssystems nach dem bereits erwähnten belgischen Vorbild geschaffen werden. Dies könnte öffentliche Bekanntmachungen direkt durch den Insolvenzverwalter (z. B. bei einer Freigabe nach §35 Abs.2 InsO) einschließen. Eine ausschließlich digitale Antragstellung, eine einheitliche Software bzw. Schnittstelle für Schuldnerberater und die automatisierte elektronische Weiterverarbeitung der Daten, insbesondere mit dem Einsatz des bereits eingeführten Datenformats Xrechnung würden die Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen und gerade im Bereich von Verbraucherinsolvenzverfahren eine spürbare Verfahrensvereinfachung herbeiführen.

 

IV. Tendenz zur (gesetzlichen) Aushöhlung der Restschuldbefreiung

In Artikel 23 der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019[7] wird der Gestaltungsspielraum der EU-Mitgliedstaaten für gesetzliche Ausnahmen von einer Restschuldbefreiung beschrieben:

Ausnahmeregelungen

(1) Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 behalten die Mitgliedstaaten Bestimmungen bei oder führen Bestimmungen ein, mit denen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Vorteile der Entschuldung widerrufen werden oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn der insolvente Unternehmer bei seiner Verschuldung — während des Insolvenzverfahrens oder während der Begleichung der Schulden — gegenüber den Gläubigern oder sonstigen Interessenträgern unredlich oder bösgläubig im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften gehandelt hat, unbeschadet der nationalen Vorschriften zur Beweislast.

(2) Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 können die Mitgliedstaaten Bestimmungen beibehalten oder einführen, mit denen unter bestimmten genau festgelegten Umständen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Entschuldung widerrufen wird oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn solche Ausnahmeregelungen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa wenn:

  1. a) der insolvente Unternehmer gegen im Tilgungsplan vorgesehene Verpflichtungen oder gegen eine andere rechtliche Verpflichtung zum Schutz der Interessen der Gläubiger, einschließlich der Verpflichtung, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, in erheblichem Maße verstoßen hat,
  2. b) der insolvente Unternehmer den Informationspflichten oder Verpflichtungen zur Zusammenarbeit gemäß dem Unionsrecht und den nationalen Rechtsvorschriften nicht nachgekommen ist,
  3. c) Entschuldungsverfahren missbräuchlich beantragt werden,
  4. d) innerhalb eines bestimmten Zeitraums, nachdem dem insolventen Unternehmer eine volle Entschuldung gewährt oder aufgrund eines schweren Verstoßes gegen die Informationspflichten oder die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit verweigert worden ist, eine weitere Entschuldung beantragt wird,
  5. e) die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens nicht gedeckt sind oder
  6. f) eine Ausnahmeregelung erforderlich ist, um einen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und den Rechten eines oder mehrerer Gläubiger zu gewährleisten.

(3) Abweichend von Artikel 21 können die Mitgliedstaaten längere Entschuldungsfristen für den Fall festlegen, dass

  1. a) eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde Schutzmaßnahmen billigt oder anordnet, um die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls der Familie des Unternehmers oder die für die Fortsetzung der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit des Unternehmers unverzichtbaren Vermögenswerte zu schützen, oder
  2. b) die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls seiner Familie nicht verwertet wird.

(4) Die Mitgliedstaaten können bestimmte Schuldenkategorien von der Entschuldung ausschließen, den Zugang zur Entschuldung beschränken oder eine längere Entschuldungsfrist festlegen, wenn solche Ausschlüsse, Beschränkungen oder längeren Fristen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa im Falle von

  1. a) besicherten Schulden,
  2. b) aus strafrechtlichen Sanktionen entstandenen oder damit in Verbindung stehenden Schulden,
  3. c) aus deliktischer Haftung entstandenen Schulden,
  4. d) Schulden bezüglich Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen,
  5. e) Schulden, die nach dem Antrag auf ein zu einer Entschuldung führendes Verfahren oder nach dessen Eröffnung entstanden sind, und
  6. f) Schulden, die aus der Verpflichtung, die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens zu begleichen, entstanden sind.

(5) Abweichend von Artikel 22 können die Mitgliedstaaten längere oder unbestimmte Verbotsfristen festlegen, wenn der insolvente Unternehmer einem Berufsstand angehört:

  1. a) für den besondere ethische Regeln oder besondere Regeln bezüglich der Reputation oder der Sachkunde gelten, und der Unternehmer gegen diese Regeln verstoßen hat, oder
  2. b) der sich mit der Verwaltung des Eigentums Dritter befasst.

Unterabsatz 1 gilt auch wenn ein insolventer Unternehmer beantragt, sich einem in Unterabsatz 1 Buchstabe a oder b genannten Berufsstand anzuschließen.

(6) Die vorliegende Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften zu anderen als den in Artikel 22 genannten Tätigkeitsverboten, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angeordnet werden.

Bereits vor dieser umfangreichen Aufzählung hatte der deutsche Gesetzgeber eine seit Einführung der Insolvenzordnung mehrfach erweiterte Reihe von Ausnahmen geschaffen.

In ihrer ursprünglichen Fassung war die Ausnahmevorschrift des § 302 InsO noch knapp gehalten:

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung;

2.Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs.1 Nr.3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners.

Demgegenüber lautet die aktuelle Fassung:

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;

2.Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;

3.Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

In der schriftlichen Stellungnahme des VID-Vorsitzenden Dr. Niering in der Anhörung des Deutschen Bundestages vom 30.9.2020[8] wurde zu dieser Entwicklung ausgeführt:

„3.5. Echte Restschuldbefreiung – keine Fiskusprivilegien

Die jüngere Rechtsprechung zugunsten von Fiskus und Sozialkassen stellt den Wert der Restschuldbefreiung des Schuldners und damit auch den Verfahrenszweck überhaupt in Frage. So entschied der BFH mit Urteil vom 28.11.2017, dass Masseverbindlichkeiten weder von einer Restschuldbefreiung erfasst werden, noch der Verrechnung eine aus dem Insolvenzverfahren resultierende Haftungsbeschränkung entgegenstehe. In einem anderen Fall entschied das Bayerische Landessozialgericht unter Berufung auf das BSG, dass die Verrechnung offener, vor Insolvenzeröffnung entstandener Beitragsforderungen mit aktuellen Rentenansprüchen des Schuldners auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig ist.

Zudem ist in Frage zu stellen, ob gem. § 302 Ziffer 1 InsO qualifizierte Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis grundsätzlich von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden sollten. Gerade auf der Ebene der selbständigen Unternehmen wird damit gescheiterten Unternehmern ein wirtschaftlicher Neuanfang oft unmöglich gemacht, da diese zeitlich unbefristet für diese Steuerschulden haften. Ein Restschuldbefreiungsverfahren ist daher oftmals für diese Betroffenen sinnlos.“

An gleicher Stelle findet sich im Anschluss folgender Lösungsvorschlag:

„Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die in der Literatur bereits diskutierte Regelung aufgenommen werden, wonach auch Steuerschulden im Rang einer Masseverbindlichkeit oder ein Anspruch gegen das insolvenzfreie Vermögen, der aus der Freigabe eines belasteten Vermögensgegenstandes resultiert, in die Restschuldbefreiung einbezogen werden. Auch sollte hinsichtlich einer Steuerverbindlichkeit im Rang einer Masseverbindlichkeit, die wegen einer Masseunzulänglichkeit nicht getilgt wird, § 69 AO keine Anwendung finden. Zudem sollte über die Privilegierung der von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis nochmals nachgedacht werden.“

Diesem Befund ist aus heutiger Sicht wenig hinzuzufügen. Die Rechtsprechung hat seither ihre o.g. Tendenz fortgesetzt.

Mit Urteil vom 1. Oktober 2020 (IX ZR 199/19) hatte der BGH entschieden, dass eine Verbindlichkeit aus einem Steuerschuldverhältnis auch dann von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, wenn die Eintragung über die Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO, welche im Zusammenhang mit dem Steuerschuldverhältnis steht, im Bundeszentralregister getilgt worden oder zu tilgen ist. Zudem sollen Säumniszuschläge und Zinsforderungen als steuerliche Nebenleistungen an der Privilegierung der Hauptforderung teilnehmen.

Der BGH erkennt dabei zwar die Problematik einer Aushöhlung der Restschuldbefreiung (a.a.O. Rz.19):

„Allerdings kann das nur durch die Vorschriften der Verjährung (§§ 169 ff, 228 ff AO) zeitlich beschränkte insolvenzrechtliche Nachforderungsrecht aus § 302 Nr. 1 Fall 3 InsO im Einzelfall zu Härten führen. Der Schuldner ist Steuerforderungen ausgesetzt, welche er im Laufe seines Lebens aus eigener Kraft möglicherweise nicht wird begleichen können. Die angestrebte Restschuldbefreiung ist für ihn nutzlos, wenn die Beklagte, wie in der Revisionsinstanz vorgetragen, die einzige Insolvenzgläubigerin ist, deren Steuerforderungen aber von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO nicht umfasst sind. Zu einer solchen Konstellation kann es aber nicht nur bei den hier streitgegenständlichen Steuerforderungen, sondern auch bei den übrigen ausgenommenen Forderungen nach § 302 Nr. 1 Fall 1 und 2 InsO kommen. In all diesen Fällen besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner von wesentlichen Schulden nicht befreit wird und Zeit seines Lebens – in den Grenzen der Verjährung nach §§ 194 ff BGB – der Inanspruchnahme durch seine Gläubiger ausgesetzt ist. Damit wird in diesen Fällen das Ziel der Restschuldbefreiung nicht erreicht, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029 Rn. 9 mwN).“

Er sieht sich aber aus rechtlichen Gründen daran gehindert, hier zugunsten der betroffenen Schuldnerinnen und Schuldner zu entscheiden (a.a.O. Rz.22):

„Rechtspolitisch mag die Ausweitung der privilegierten Forderungen angreifbar sein. Sie schränkt die Gläubigergleichbehandlung ein und entwertet die Restschuldbefreiung für bestimmte Schuldner. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG folgt daraus jedoch nicht.“

In einer jüngeren Entscheidung vom 21. März 2024 (IX ZB 56/22) betont der BGH die Möglichkeit, sogar nach Erteilung der Restschuldbefreiung noch eine ausgenommene Forderung gerichtlich feststellen zu lassen (a.a.O. Rz.26 f.):

„Die Antragsgegnerin hat auch nach der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung an der Feststellung der Forderung sowie des Deliktsgrunds ein Rechtsschutzinteresse. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dauert das Feststellungsinteresse des Gläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens fort. Es kann nicht im Wege der Rechtsfortbildung an die Einhaltung einer bestimmten Klage- oder Ausschlussfrist gekoppelt werden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – IX ZR 124/08, WM 2009, 313 Rn. 9).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung kann das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht nach der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung verneint werden. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, kann es der Gläubiger für sinnvoll erachten, mit der Erhebung einer Feststellungsklage zuzuwarten, etwa bis sich herausstellt, ob dem Schuldner die erstrebte Restschuldbefreiung zu versagen ist oder ob der Schuldner sich in der Wohlverhaltensphase wirtschaftlich erholt, so dass anschließende Vollstreckungsversuche aussichtsreich erscheinen. Es besteht auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung kein Anlass, dem Gläubiger von Gesetzes wegen ein solches Zuwarten abzuschneiden, zumal er trotz erfolgreicher Feststellung des Anspruchsgrunds das beträchtliche Risiko trägt, die Erstattung seiner Prozesskosten vom Schuldner nicht erlangen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – IX ZR 124/08, WM 2009, 313 Rn. 12). Es besteht auch im Interesse des Schuldners kein Bedürfnis, die Möglichkeit des Gläubigers auf ein Zuwarten einzuschränken. Der Schuldner hat die Möglichkeit, eine negative Feststellungsklage zu erheben und damit die Unklarheit hinsichtlich des Umfangs der Restschuldbefreiung zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008, aaO).“

Im entschiedenen Fall war um die Ausnahme von Trennungsunterhalt gestritten worden. Dieser Umstand weist auf die praktische Bedeutung der Ausnahmetatbestände des § 302 InsO hin. Arbeitslosigkeit, Krankheit und Scheidung sind bis heute die häufigsten Auslöser privater Überschuldung[9]. Ihre persönliche und wirtschaftliche Bewältigung gehört deshalb zu den Grundvoraussetzungen einer wirkungsvollen Entschuldung. Wird eine wirtschaftliche Entschuldung wegen rechtlicher Unsicherheitsfaktoren in Frage gestellt, wirkt sich dies unmittelbar auf die Bereitschaft betroffener Schuldnerinnen und Schuldner aus, ein notwendiges und mühevolles Restschuldbefreiungsverfahren auf sich zu nehmen.

Im Fall hoher ausgenommener Forderungen hat der BGH (IX ZB 39/19 vom 13. Februar 2020) sogar bereits eine Verfahrenskostenstundung und damit den für viele Schuldnerinnen und Schuldner einzig möglichen Zugang zum Restschuldbefreiungsverfahren ausgeschlossen.

 

V. Fazit

Der mit der Evaluation gebotene Blick auf einen Zusammenhang zwischen der verkürzten Verfahrensdauer und dem Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern macht deutlich, dass die Verkürzung nicht zu dem erwarteten Anstieg der Verfahrenszahlen geführt hat. Das Antragsverhalten hat sich kaum verändert.

Die Gründe hierfür dürften nicht nur in der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Schuldnerinnen und Schuldnern zu suchen sein. Hier hat es zwar eindeutig eine positive Entwicklung gegeben. Gleichzeitig bleibt die Zahl der überschuldeten Privatpersonen aber auf einem hohen Niveau.

Ein Anreiz zu vermehrter Antragstellung muss deshalb an verschiedenen Stellen ansetzen.

Mangelnde oder schwer verständliche Informationen sollten durch ein verständliches und leicht zugängliches Informationsangebot ersetzt werden.

Mangelnde Verfahrensvereinfachung, fehlende Beratungshilfe und geringe Digitalisierung von Verfahren sollten durch gezielte Gegenmaßnahmen des Gesetzgebers verbessert werden.

Der Gesetzgeber sollte zudem der Tendenz zur (gesetzlichen) Aushöhlung der Restschuldbefreiung entschlossen entgegentreten und dabei die oftmals fiskalisch motivierten Ausnahmeregelungen auf den Prüfstand stellen.

 

 

Berlin, den 10.05.2024

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

 

[1] https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/schuldneratlas-deutschland-2023.

[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/04/PD24_152_52411.html.

[3] Vgl. FN 3.

[4] https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formular/Antrag_auf_Bewilligung_von_Beratungshilfe.pdf?__blob=publicationFile&v=7.

[5] https://www.regsol.be/RegCol/Home/Landing.

[6] Es zeichnet sich ab, dass die von der belgischen Justiz prognostizierte Zahl von insgesamt ca. 8.000 Anträgen pro Jahr nach 1.200 Anträgen bereits in der ersten Woche deutlich übertroffen wird. Vgl. zur Einführung auch die Pressemitteilung des belgischen Justizministers vom 6. November 2023 unter https://justitie.belgium.be/nl/nieuws/persberichten/justrestart_volledige_digitalisering_van_collectieve_schuldenregeling.

[7] Abl. L 172 v.26.6.2019, S.18ff.

[8] https://www.vid.de/stellungnahmen/stellungnahme-von-dr-christoph-niering-vorsitzender-des-verbandes-insolvenzverwalter-deutschlands-e-v-vid-im-rahmen-der-sachverstaendigenanhoerung-im-rechtsausschuss-des-deutschen-bundestages-am-2/.

[9] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/Tabellen/ueberschuldung.html

RegE eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz

  

Zusammenfassung 

 

  • Das Ziel des Gesetzentwurfs, die dringend notwendige Digitalisierung von Insolvenzverfahren in einzelnen Bereichen voranzubringen, wird ausdrücklich begrüßt. So macht sich gerade im Bereich der Kollektivverfahren[1] die bislang nur zögerliche und bruchstückhafte Entwicklung digitaler Justizverfahren besonders negativ bemerkbar.
  • Während andere EU-Mitgliedsstaaten, vor allem Belgien, eine einheitliche und benutzerfreundliche digitale Plattform aufgebaut haben, die alle Verfahrensbeteiligten in Insolvenz- und Sanierungsverfahren einbindet, soll auf nationaler Ebene an überholten, bzw. wenig entwicklungsfähigen Konzepten festgehalten werden. Dies ist insbesondere in Zeiten demographisch bedingter Nachwuchsprobleme im Bereich der Justiz schwer verständlich. Die dadurch geschaffenen Folgeprobleme werden sich bei einem Festhalten an diesem Irrweg nicht verringern.
  • Sollte daran festgehalten werden, elektronische Gläubigerinformationssysteme der Insolvenzverwalter als zentralen Zugangspunkt für sämtliche verfahrensrelevanten Informationen auszubauen, ergeben sich daraus klärungsbedürftige Fragen und die erstrebenswerte Vereinheitlichung ist nicht erreichbar.
  • Bei einer Übertragung zentraler Informationsaufgaben auf Insolvenzverwalter und Sachwalter bedarf es einer Kostenregelung für die zwingende Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems. Werden zur Digitalisierung von Insolvenzverfahren zentrale Aufgaben auf Berufsträger übertragen, darf dies wirtschaftlich nicht zu deren Lasten gehen. Auch hier ist eine Orientierung am belgischen Vorbild geboten, das die Kosten in angemessener Höhe über die Insolvenzmassen deckt und damit auf alle Gläubiger verteilt.
  • Die kurz gefasste Übergangsvorschrift des Art. 37 löst erheblichen Anpassungsdruck aus, der zu nochmals erhöhten Kosten führen wird.

 

A. Einleitung

Der Entwurf[2] sieht zur weiteren Förderung der Digitalisierung der Justiz im Insolvenzrecht vor, die Möglichkeiten der elektronischen Forderungsanmeldung und der elektronischen Kommunikation mit den Insolvenzgläubigern,[3] im Restrukturierungsrecht die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten der Verfahrensbeteiligten untereinander zu erweitern.[4]

Die Vorschläge enthalten zudem die verbliebenen Anpassungen des deutschen Rechts zur Umsetzung des Art. 28a) und c) der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU 2019/1023) vom 20.06.2019 sowie konkretisierende Regelungen zu den Gegenständen der Bekanntmachung in öffentlichen Restrukturierungssachen nach dem StaRUG.[5]

Die grundsätzliche Intention des Entwurfs, die überfällige Digitalisierung im Bereich des Insolvenzrechts und mithin in Kollektivverfahren weiter voranzubringen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Obwohl der Entwurf erfreulicherweise zum Teil der Kritik am Referentenentwurf abhilft, wirft er neue Fragen auf, die der weiteren Klärung im parlamentarischen Verfahren bedürfen. Teilweise muss die bereits zum Referentenentwurf geäußerte Kritik[6] daher nachstehend wiederholt werden.

 

B. Im Einzelnen

I. Änderungen der Insolvenzordnung (Art. 36)

1. § 5 Abs. 5 InsO-E (Elektronische Gläubigerinformationssysteme)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E sieht vor, dass elektronische Gläubigerinformationssysteme (eGIS) künftig verpflichtend[7] in allen Insolvenzverfahren vorzuhalten sind.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass Gläubigerinformationssysteme nach § 5 Abs. 5 InsO „(…) in allen Verfahren zum zentralen Zugangspunkt für verfahrensrelevante Informationen und Mitteilungen ausgebaut werden (…)“ sollen.[8] „Die gebündelte Bereitstellung von Informationen über das System hat“, so die Begründung weiter, „den Vorteil, dass den Gläubigern (…) sämtliche relevante Verfahrensinformationen zur Verfügung“ stehen.[9]

Dahinter steht erkennbar die Grundentscheidung, eine solche digitale Plattform nicht in die Hände der Justiz, sondern in die der Insolvenzverwalter/Sachwalter zu legen.

Begründet wird der im Entwurf vorgeschlagene Weg damit, dass sich das „Gläubigerinformationssystem (…) technisch und organisatorisch als taugliches Mittel zur parallelen Information sämtlicher verfahrensbeteiligter Gläubiger erwiesen [hat], wodurch Wissensvorsprünge einzelner Gläubiger vermieden und individuelle Unterrichtungserfordernisse minimiert werden. Da sich die Gläubigerinformationssysteme in den großen Insolvenzverfahren bewährt haben, können sie künftig auch in den kleineren Verfahren problemlos eingesetzt werden.“[10]

Andere europäische Mitgliedsstaaten, insbesondere Belgien, gehen einen anderen Weg:

Die dort eingesetzte digitale Plattform („RegSol“)[11] für die Verwaltung der Insolvenzfälle (Konkurse und gerichtlichen Reorganisationen) wurde durch belgische Insolvenzrichter entwickelt. Sie verfügt über einen öffentlichen und einen privaten Bereich. Der private Bereich ist zum einen für Insolvenzanträge und die Anmeldung von Forderungen (und deren Prüfung), zum anderen für die Verwaltung der verfahrensbezogenen Informationen und Kommunikation konzipiert. Der öffentliche Bereich dient gleichzeitig als Zugang zu öffentlichen Verfahrensinformationen und (nach entsprechendem „login“) als verfahrensspezifischer Zugang für weitere, nur den zugangsberechtigten Gläubigern zugängliche Informationen. Verfahrensbeteiligte Gläubiger melden sich an und verfügen anschließend über einen Account, der in allen Insolvenzverfahren nutzbar ist.[12]

Das belgische System ist der im vorliegenden Entwurf konzipierten deutschen Lösung deutlich überlegen und verbindet die Verfahrensbeteiligten in einem System.

Die Insolvenzverwalter übertragen die Verfahrensdaten in eine einheitliche Plattform mit einheitlichen Dateiformaten und den Gerichten wird gleichzeitig über diese Plattform eine Verfahrenssteuerung in der Art einer modernen Projektmanagementsoftware ermöglicht. Eine Plattform mit vereinheitlichten Standards und Formaten ist ein grundlegender Bestandteil effektiv digitalisierter Insolvenzverfahren.

Beispielhaft sei auf folgende Produktivitätsfortschritte des seit April 2017 in Belgien eingesetzten Systems „RegSol“ verwiesen:

  • Die durchschnittliche Verfahrensdauer (von Verfahren mit Aktiva > 5.000) lag vor April 2017 bei 7 Jahren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer nach April 2017 liegt bei 3 Jahren. Kleine Verfahren (d.h. mit Aktiva < 5.000) werden jetzt in der Regel innerhalb eines Jahres abgeschlossen; vorher waren es oft 3 Jahre.
  • Der medienbruchfreie Austausch von Informationen führte zu Kosteneinsparungen bei Porto-, Transport- und Lagerkosten i.H.v. > 40 Mio. € in 4,5 Jahren. [13]

Auch Stimmen aus der Justiz befürworten die Einführung einer solchen einheitlichen Plattform in Deutschland: Das GIS [elektronisches Gläubigerinformationssystem] leidet letztlich unter einer falschen konzeptionellen Weichenstellung. Es stellt lediglich einen Notbehelf dar, weil die Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Insolvenzverfahrens stellen, letztlich nur über eine von den Ländern gemeinsam betriebene Plattform mit einer „Cloud“-Funktionalität gelöst werden können. Dies betrifft insbesondere die elektronische Teilnahme am Verfahren, die verpflichtende Verwendung sicherer Übertragungswege, Anforderungen an die elektronische Zustellung, Identitätsnachweise oder Dateiformate. Da sich eine solche Plattform kurzfristig jedoch nicht umsetzen lässt, ist es als Übergangslösung zu begrüßen, den Gläubigern über das verpflichtende GIS erleichterte Informationsmöglichkeiten und Kommunikationsmöglichkeiten zu gewähren, wenn auch Nachschärfungen des RefE erwogen werden sollten. Nichtsdestotrotz sollte die Einführung einer einheitliche[n] Insolvenzplattform, wie sie bereits in Belgien seit einigen Jahren praktiziert wird, als Ziel nicht aus den Augen verloren werden.“[14]

Aus dem Kreis der Rechtspfleger heißt es:

„Die höchste Hürde bei der Umsetzung des Gesetzesvorhabens in der Praxis ist aus unserer Sicht jedoch der Medienbruch zwischen den Insolvenzverwaltern und den Gerichten. Ein sinnvolles Weiterarbeiten mit elektronisch eingereichten Schriftsätzen oder Zustellungsnachweisen ist angesichts der technischen und personellen Ausstattung der Justiz schlicht nicht möglich. Die Justiz bleibt bei der Digitalisierung weit hinter der Anwaltschaft und institutionellen Gläubigern zurück. Durch die Einführung weiterer Digitalisierung wird die Kluft vergrößert. Selbst dort wo die sogenannte E-Akte eingeführt ist, ergeben sich Probleme, weil z.B. Schnittstellen oder die Kapazitäten unzureichend sind. In Insolvenzsachen können die Tabellen zwar elektronisch vom Verwalter geführt werden, nicht aber von dem Gericht in die E-Akte eingespielt und genutzt werden. Ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird, darf bezweifelt werden.“[15]

Die in den einzelnen Bundesländern angestoßene uneinheitliche Einführung der elektronischen Insolvenzakte wird durch die Vielzahl von Kombinationen aus den jeweiligen Fachverfahren und dem elektronischen Aktensystem zusätzlich erschwert.[16]

Die Einbindung aller Verfahrensbeteiligten im Rahmen einer einheitlichen Plattform ist auch im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der Schuldner und deren Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter von erheblicher Bedeutung.

So zeigt sich in der Praxis, dass insbesondere im Bereich der Kommunikation mit dem Schuldner benutzerfreundliche digitale Zugänge via Handy-App, die u.a. ein einfaches Hochladen von Dokumenten ermöglichen, von den Schuldnern rege genutzt werden.[17] Hierbei handelt es sich jedoch um kostenträchtige Serviceangebote einzelner Verwalter.

Sollte – auch nur übergangsweise – an der Entscheidung festgehalten werden, das bisherige elektronische Gläubigerinformationssystem der Insolvenzverwalter als zentralen Zugangspunkt für sämtliche verfahrensrelevanten Informationen und Mitteilungen auszubauen, ergeben sich daraus eine Vielzahl klärungsbedürftiger Fragen:

 

a) Kosten der verpflichtenden Vorhaltung

Erhebliche Defizite zeigt der Entwurf im Hinblick auf bisher ungelöste Vergütungsfragen bei der Übertragung zentraler Informationsaufgaben auf Insolvenzverwalter und Sachwalter.[18]

Bereits zum Entwurf des SanInsFoG hatte der VID mehrfach darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems nebst den daraus folgenden weiteren Verpflichtungen (wie bspw. die Verifizierung der Gläubiger) nicht losgelöst von der Frage der Kostentragung für ein solches System behandelt werden kann.

Daran änderte auch der Umstand nichts, dass bereits Teile der Verwalterschaft (freiwillig) solche elektronischen Gläubigerinformationssysteme auf eigene Kosten vorhalten. Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2016 (IX ZB 62/15) ausgeführt, dass die Kosten für ein Gläubigerinformationssystem auch dann, wenn sie einem einzelnen Verfahren zugeordnet werden können, nicht zusätzlich zur Vergütung des Verwalters aus der Masse aufzubringen sind.[19] Er führte damals aus (Rz.19):

„Der Verwalter ist, soweit er zur Auskunft an die Gläubiger verpflichtet oder zumindest berechtigt oder willens ist, ohne weiteres in der Lage, diese Auskünfte mit herkömmlichen Mitteln zu erteilen. Das mag, vor allem bei knapper Personalausstattung, aber auch aus technischen Gründen (Verarbeitungs- und Postlaufzeiten) zu Verzögerungen führen. Das liegt aber überwiegend im Verantwortungsbereich des Verwalters. Deshalb sind die Kosten, auch dann, wenn sie einzelnen Verfahren zugeordnet werden können, nicht zusätzlich zur Vergütung des Verwalters aus der Masse aufzubringen.“

Diese Argumentation ist spätestens mit der vom Entwurf vorgesehenen Vorhaltepflicht in allen Verfahren überholt.

Ist die Auskunftspflicht ausnahmslos nur noch durch Vorhaltung eines Gläubigerinformationssystems zu erfüllen, führt die vom BGH erwähnte Ausweichmöglichkeit auf herkömmliche Mittel (Brief, Telefon etc.) nicht mehr zu Kosteneinsparungen.

Die Kostenbelastung der bislang auf größere Verfahren beschränkten Vorhaltepflicht erhöht sich deutlich, wenn sie künftig auch in kleinen und Kleinstverfahren bei teilweise sehr geringen (Mindest-)Vergütungen durch die Insolvenzverwalter selbst getragen werden muss. Der Bund Deutscher Rechtspfleger wies in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf bereits darauf hin, dass in Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig kleinere Verwalterkanzleien tätig seien, „die den finanziellen Aufwand für die Einführung des GIS scheuen“, jedoch gerade diese „für die Gerichte eine große Anzahl wenig lukrativer Verfahren (Nullverfahren) ab“[wickeln].[20]

Mit dem vorliegenden Entwurf wird offenbar davon ausgegangen, dass die Insolvenzverwalter das System kostenfrei[21] für die Verfahrensbeteiligten vor- sowie unterhalten und technisch an die weiteren mit dem Entwurf geplanten Änderungen anpassen.

Dazu führt die Entwurfsbegründung aus: Durch die Änderungen der InsO und des StaRUG entsteht für die Wirtschaft (betroffene (…) Insolvenzverwalter (…)) kein messbarer Erfüllungsaufwand. Das elektronische Gläubigerinformationssystem ist aufgrund seiner zwingenden Anwendung in Insolvenzverfahren über das Vermögen mittelgroßer und großer Unternehmen bei den Insolvenzverwaltern bereits vorhanden. Auf die vorhandenen IT-Systeme kann zurückgegriffen werden, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.“[22]

Die Einschätzung, dass mit den im Entwurf angelegten Änderungen für die Insolvenzverwalter (und Sachwalter[23]) kein messbarer Erfüllungsaufwand entstünde, ist falsch.

Die Anschaffung und Unterhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems löst regelmäßig erhebliche Programmier-, Implementierungs- und Wartungskosten sowie Lizenzgebühren aus, sei es, dass diese Leistungen eingekauft, sei es, dass sie mittels eigener Fachkräfte erbracht werden müssen.

Dieser erhebliche Aufwand führte zum berechtigten Versuch der Verwalterschaft, diese Kosten auf die Insolvenzmasse umzulegen, da sie in dem bisherigen Vergütungssystem nicht abgebildet sind. Dem trat der BGH mit seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 14. Juli 2016 (IX ZB 62/15) leider entgegen.[24] Neben dem Aufwand für technische Ressourcen entsteht zudem ein kontinuierlicher personeller Aufwand für das (datenschutzkonforme) Einpflegen von Informationen in elektronische Gläubigerinformationssysteme, der vollständig außer Acht gelassen wird.

Zu Recht wies Zimmer bereits zur Einführung des § 5 Abs. 5 InsO durch das SanInsFoG auf Folgendes hin:

Für die Insolvenzverwalter sind keine Auswirkungen vorgesehen, sodass ohne jedwede Diskussion scheinbar die allgemeinen Geschäftskosten i. S. d.  §  4 Abs.  1 Satz  1 InsVV  erhöht wurden. Tatsächlich aber steht die Entlastung der Insolvenzgerichte im Vordergrund. Die Einführung des  §  5 Abs.  5 InsO  ist gleichzusetzen mit der Einführung eines Informationsportals durch die Landesjustizverwaltung, also mit der Idee der Digitalisierung der Akteneinsicht bzw. eines Gerichtsverfahrens, ohne dass jedoch der Bundesgesetzgeber in der Lage war, die Landesjustizverwaltungen zu entsprechenden Investitionen zu verpflichten. Es wäre jedoch mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Kosten stattdessen einseitig dem Insolvenzverwalter aufzuerlegen. Würden die Landesjustizverwaltungen ein solches Portal zur Verfügung stellen, würden gemäß  GKG KV  9000 Nr.  3 Gerichtskosten in Höhe von 1,50  € je überlassener oder bereitgestellter Datei anfallen.“[25]

Auch Graeber weist darauf hin, dass mit der Nutzung eines Gläubigerinformationssystems der Insolvenzverwalter nicht sich selbst, sondern das Insolvenzgericht entlastet und er dementsprechend Aufgaben des Insolvenzgerichts übernimmt. „Die ihm hierbei entstehenden Lasten durch Kosten, Risiken nach der Datenschutzgrundverordnung, Zurverfügungstellung von Soft- und Hardware sowie die Beschäftigung von Mitarbeitern mit insoweit entstehenden Aufgaben können einem Insolvenzverwalter nicht ersatzlos auferlegt werden. Dementsprechend sind einem Insolvenzverwalter in den Verfahren, in denen er gemäß § 5 Abs. 5 InsO ein Gläubigerinformationssystem vorhalten muss, die durch die tatsächliche Zurverfügungstellung und Nutzung durch die Insolvenzgläubiger entstehenden Kosten und Lasten zu ersetzen.“ [26]

Der Entwurf muss dringend um eine Kostenregelung für die zwingende Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems in jedem Insolvenzverfahren ergänzt werden. Hierzu bietet sich eine Regelung in der InsVV an.

Alternativ kommt eine entsprechende Anwendung der Kostenregelung des GKG in Betracht, die in Anlage 1 (Teil 9 (Auslagen) Ziff. 9000) Auslagentatbestände für die gerichtliche Bereitstellung elektronisch gespeicherter Daten formuliert.

Das belgische „RegSol“ ist an dieser Stelle bereits deutlich weiter.

Hier fallen pro (Insolvenz-)Fall Gebühren an, die aus der Masse bezahlt werden und mit denen das System weiterentwickelt und unterhalten wird.[27] Die Differenzierung der Gebühren erfolgt nach der Größenordnung des jeweiligen Verfahrens.

In Unternehmensinsolvenzen, die in „RegSol“ bearbeitet werden, stellen sich die jährlichen Kosten in Bezug auf die Insolvenzmasse dabei wie folgt dar:

  • Verfahren mit Aktiva < 1.500,- €                                                0,- €
  • Verfahren mit Aktiva zwischen 1.500,- und 5.000 €            35,- €
  • Verfahren mit Aktiva > 5.000 €                                                  325,- €[28]
b) Anwendungsbereich

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 wurde in § 5 Abs. 5 InsO erstmalig ein vom Insolvenzverwalter vorzuhaltendes elektronisches Gläubigerinformationssystem gesetzlich verankert. Weder § 5 Abs. 5 InsO noch die Gesetzesbegründung zum SanInsFoG definierten explizit, in welchen Verfahrensabschnitten bzw. -arten die Vorschrift zur Anwendung kommen, d.h. ein elektronisches Gläubigerinformationssystem zur Verfügung gestellt werden sollte.

Im Hinblick auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs beschäftigt die Praxis daher nicht nur die Frage der einzelnen Verfahrensabschnitte (Eröffnungsverfahren/vorläufiges Verfahren, Restschuldbefreiungsverfahren, Nachtragsverteilung), sondern auch, ob das elektronische Gläubigerinformationssystem in Verbraucherinsolvenzverfahren sowie in den Fällen der Eigenverwaltung und, wenn ja, von wem (Sachwalter oder Schuldner), vorzuhalten ist.[29] Diese Fragen waren insoweit virulent, als es stets einer datenschutzrechtlichen Grundlage für die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf.

 

aa) „alle“ Insolvenzverfahren

Die Begründung spricht von allen Insolvenzverfahren, jedoch schließt der Kontext die Auslegung nicht vollständig aus, dass es sich hierbei nur um Erläuterungen im Hinblick auf die Aufgabe der bisherigen Differenzierung nach Unternehmensgröße handelt: „Allerdings sind die Systeme derzeit nur für Insolvenzverfahren ab einer bestimmten Unternehmensgröße zwingend vorgeschrieben. Für alle übrigen Verfahren ist die Nutzung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Diese Differenzierung soll nunmehr aufgegeben werden, sodass in allen Insolvenzverfahren künftig eine elektronische Unterrichtung der Gläubiger mittels Gläubigerinformationssystem erfolgt.“[30]

Hilfreich wäre mithin eine Klarstellung, ob

  • die Verpflichtung gleichermaßen für Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren gilt,
  • der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorzuhalten hat,
  • auch in Nachlassinsolvenzverfahren ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorzuhalten ist,
  • die Vorhaltung des elektronischen Gläubigerinformationssystems für den Insolvenzverwalter und ggf. Sachwalter nur im bzw. für die Dauer des eröffneten Verfahrens verpflichtend ist oder z.B. auch für eine Nachtragsverteilung oder allgemein mit (ggf. welchem) Nachlauf.

 

bb) Eigenverwaltung

Im Gegensatz zum Referentenentwurf schafft der Regierungsentwurf nun im Hinblick auf die Eigenverwaltung Klarheit. Es bleiben jedoch wichtige Fragen offen:

So regelt § 5 Abs. 6 InsO-E:

Ist die Eigenverwaltung angeordnet, gilt Absatz 5 mit der Maßgabe, dass den Schuldner die Pflicht zur Verfügungstellung sämtlicher in das System einzustellender Informationen und Dokumente trifft; verfügt der Schuldner selbst nicht über ein geeignetes System, so kann die Gläubigerinformation über ein vom Sachwalter geführtes System bewerkstelligt werden.“

Es liegt auf der Hand, dass Schuldner über ein entsprechendes System regelmäßig ebenso wenig verfügen wie über sonstige insolvenzspezifische Software.

Entgegen der Kann-Bestimmung im Wortlaut der Norm heißt es sodann in der Begründung: „Da aber einerseits nicht immer gesichert sein wird, dass der Schuldner über die dafür erforderliche IT-Infrastruktur verfügt und anderseits der Sachwalter über ein entsprechendes System verfügen wird, ist der Sachwalter verpflichtet, das von ihm vorgehaltene System zur Verfügung zu stellen.“[31]

In der Begründung wird eine eigenständige Verpflichtung des Sachwalters formuliert, die dem Wortlaut der Norm (bislang) nicht zu entnehmen ist. Dieser schließt nicht aus, dass der Schuldner seine Verpflichtung auch mit Hilfe Dritter erfüllen kann. Die Kosten gehen in diesem Fall zwangsläufig zu Lasten des Schuldnervermögens, also der Insolvenzmasse.

Neben einem Defizit im Hinblick auf die Vergütungsfrage bei der Übertragung zentraler Informationsaufgaben auf den Sachwalter werfen die unterschiedlichen Formulierungen auch datenschutzrechtliche Fragen auf.

Unklar bleibt, wer datenschutzrechtlich Verantwortlicher für die Führung des elektronischen Gläubigerinformationssystems ist, d.h. ob sich der Schuldner bei der Erfüllung eigener Aufgaben des Sachwalters bedient[32] oder ob es sich um eine eigene Verpflichtung des Sachwalters handelt.

 

c) Datenschutzrechtliche Grundlagen

Anders als die Begründung zum SanInsFoG enthält die Entwurfsbegründung zumindest einige Ausführungen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung:

„Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Datenschutzgrundverordnung ist bei Verwendung eines Gläubigerinformationssystems stets gegeben. § 5 Absatz 5 InsO ist insoweit als Erlaubnis im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c der Datenschutzgrundverordnung anzusehen. Durch die künftige rechtliche Verpflichtung zur Verwendung des elektronischen Gläubigerinformationssystems in allen Insolvenzverfahren steht der Erlaubnischarakter dann allerdings nicht mehr im Vordergrund, sondern wird gewandelt in ein Gebot zur elektronischen Datenverarbeitung unter Beachtung der sonstigen datenschutzrechtlichen Vorgaben.“[33]

Richtig ist zwar, dass § 5 Abs. 5 InsO einen Erlaubnistatbestand im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. c) DSGVO darstellt, zusätzlich gilt aber immer auch der Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Die Verarbeitung personenbezogener Daten muss dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.

§ 5 Abs. 5 InsO ist insofern – anders als es die Begründung nahelegt – kein datenschutzrechtlicher „Freifahrtschein“. Auch wenn Informationen in das elektronische Gläubigerinformationssystem eingestellt werden, muss im Einzelfall immer vorher geprüft werden, ob einzelne Informationen im Sinne des Art. 5 DSGVO notwendig sind. Dies kann bspw. Informationen in Gutachten oder Berichten zu persönlichen Lebensverhältnissen des Schuldners betreffen, die zwar informativ sind und einem besseren Verständnis dienen, deren Relevanz für das Insolvenzverfahren aber unterschiedlich beurteilt werden kann, wie z.B. Hinweise auf (psychische) Erkrankungen oder Straftaten.

Schon die „Beachtung der sonstigen datenschutzrechtlichen Vorgaben“[34] ist mithin regelmäßig mit (erheblichem) personellem Aufwand[35] verbunden.

Dass Insolvenzverwalter bei der Vorhaltung des elektronischen Gläubigerinformationssystems im Fokus der Aufsichtsbehörden stehen können, zeigt das Vorgehen der Landesbeauftragten für Datenschutz in Bremen.[36] Es ist davon auszugehen, dass eine zwingende Einführung elektronischer Gläubigerinformationssysteme in allen Verfahren die Verwalter deutlich mehr in den Fokus der Datenschutzbehörden der Länder rücken wird, deren Einschätzung und Vorgehen erfahrungsgemäß nicht einheitlich und von unterschiedlicher Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten eines Insolvenzverfahrens geprägt ist.

 

d) § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E (verpflichtende Vorhaltung)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E regelt:

Insolvenzverwalter haben ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorzuhalten und darin jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle Rechtsmittelentscheidungen, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen unverzüglich in einem gängigen Dateiformat zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen. (…)“

Die verpflichtende Vorhaltung elektronischer Gläubigerinformationssysteme in allen Verfahren führt dazu, dass die bisherigen Praxisprobleme noch drängender werden:

 

aa) Voraussetzungen des Zugangs zu elektronischen Gläubigerinformationssystemen
(1) Forderungsanmeldung

Zugang zum elektronischen Gläubigerinformationssystem soll gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E jeder Insolvenzgläubiger erhalten, der eine Forderung angemeldet hat. Der Entwurf belässt es insoweit bei der bisherigen Regelung.

Maßgeblich bleibt danach die Begründung des SanInsFoG zur Einführung des § 5 Abs. 5 InsO:

Einsichtsberechtigt“, so die damalige Gesetzesbegründung, „sind grundsätzlich alle Gläubiger, die durch eine Forderungsanmeldung zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich am Insolvenzverfahren beteiligen wollen. Ob die Gläubigerstellung besteht, ist durch den Insolvenzverwalter vor der Zurverfügungstellung der Zugangsdaten zu prüfen. In einer Vielzahl von Fällen wird sich die Gläubigerstellung einfach durch einen Abgleich mit der Buchhaltung des Schuldners ermitteln lassen. In diesen Fällen kann der Zugang auch bereits vor dem Prüfungstermin zur Verfügung gestellt werden. Der Zugang ist spätestens unmittelbar nach der gerichtlichen Feststellung der angemeldeten Forderung zu gewähren.“[37]

Damit ist vom Insolvenzverwalter zunächst stets zu klären, ob es sich bei den Einsichtsbegehrenden um Insolvenzgläubiger handelt.

 

(2) Ermittlung der Gläubigerstellung

Nach dem (alten und neuen) Wortlaut des § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E reicht es aus, dass der jeweilige Insolvenzgläubiger eine Forderung zur Tabelle angemeldet hat.

Nach der Gesetzesbegründung zum SanInsFoG war bislang ein stufenweises Vorgehen angezeigt:

  1. Schritt: Einsichtsberechtigt sind grundsätzlich alle Gläubiger, die eine Forderung (ordnungsgemäß) angemeldet haben.
  1. Schritt: Der Insolvenzverwalter prüft jedoch zunächst, ob die Gläubigerstellung (überhaupt) besteht. (Einschränkung von Schritt 1)
  1. Schritt: Ist die Gläubigerstellung – ggf. nach Abgleich mit der Schuldnerbuchhaltung – unkritisch, kann bereits vor dem Prüfungstermin der Zugang gewährt werden. Spätestens ist der Zugang unmittelbar nach der gerichtlichen Feststellung der angemeldeten Forderung zu gewähren.

 

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E regelt nun, dass Insolvenzverwalter die betreffenden Informationen künftig im elektronischen Gläubigerinformationssystem „jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat (…) unverzüglich in einem gängigen Dateiformat zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen (…)“ hat.

Wir gehen davon aus, dass der Verwalter weiterhin zunächst die materielle Gläubigerstellung des Anmeldenden prüfen soll und nur nach deren Bejahung unverzüglich Informationen im System zum Abruf zur Verfügung stellen muss.

„Unverzüglich“ i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E kann nur bedeuten, dass der elektronische Abruf von Dokumenten im System nach positiver Prüfung der Gläubigerstellung des Anmeldenden zu verstehen ist.

An dieser Stelle ist eine Klarstellung unbedingt erforderlich. Ansonsten wäre bereits die Anmeldung einer fiktiven Forderung ausreichend, um Zugang zu nicht-öffentlichen Informationen im elektronischen Gläubigerinformationssystem zu erhalten.

Konsequenterweise sollte zwischen den Gläubigern differenziert werden, die als Beteiligte/Parteien i.S.v. § 299 ZPO zu qualifizieren sind und denen, die (noch) kein Teilnahmerecht[38] haben:

Gläubiger i.S.d. § 5 Abs. 5 InsO sind danach:

– Gläubiger gemäß § 38 InsO
– Gläubiger gemäß § 39 InsO[39], soweit sie nach § 174 Abs. 3 InsO zur Anmeldung aufgefordert wurden

Nicht von § 5 Abs. 5 InsO erfasste Gläubiger sind:

– Massegläubiger[40]
– aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger, soweit kein Ausfall angemeldet wurde[41]
– Gesellschafter
– Neugläubiger[42]

An dieser Stelle wäre eine Differenzierung nach Gläubigerarten hilfreich.

Dringend klärungsbedürftig ist ferner, wie mit Gläubigern (teilweise) bestrittener[43] Forderungsanmeldungen umzugehen ist.[44]

 

(3) Identitätsprüfung des Gläubigers?

Die damalige Gesetzesbegründung zum SanInsFoG stellte darauf ab, dass die Regelung des § 5 Abs. 5 InsO neben „Erleichterungen für die Gläubiger, die Informationen dann unproblematisch elektronisch abrufen können“, „auch die Gerichte entlasten [soll], bei denen voraussichtlich weniger Anfragen von Gläubigern zum Verfahrensstand und dem Status von Forderungsprüfungen eingehen werden.“[45]

Eine solche Entlastung dürfte (jedoch nur) dann eintreten, wenn die Gläubiger die begehrten Informationen dem elektronischen Gläubigerinformationssystem in demselben Umfang entnehmen können, wie dies auch bei der elektronischen Akteneinsicht bzw. wie bisher bei der Akteneinsicht vor Ort möglich ist.[46]

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 5 Abs. 5 InsO durch das SanInsFoG keine Änderungen am Recht der (elektronischen) Akteneinsicht vorgenommen und insbesondere dem Insolvenzverwalter keine Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht übertragen.

Um sicherzustellen, dass nur Berechtigte vom Inhalt der Akte (und damit personenbezogenen Daten) Kenntnis erlangen, erfolgt bei Gericht üblicherweise zunächst eine Legitimationsprüfung derjenigen, die Einsicht in die Akte begehren. So prüft das Gericht bei der physischen Akteneinsicht vor Ort neben der Gläubigereigenschaft die Identität des Einsichtsbegehrenden durch Kontrolle eines entsprechenden Ausweisdokuments.

Auch bei der elektronischen Akteneinsicht ist eine Identitätsprüfung des Einsichtsbegehrenden notwendig.

So ist für die Anmeldung beim elektronischen Akteneinsichtsportal die Verwendung eines Benutzernamens und eines Kennwortes notwendig.[47] Zwei sog. SAFE-Verzeichnisdienste stehen dem Anmelder dabei (bislang[48]) zur Verfügung: Zum einen der SAFE-Verzeichnisdienst der Justiz (EGVP-Postfächer der Justiz, beBPos und eBOs), zum anderen der SAFE-Verzeichnisdienst der Bundesrechtsanwaltskammer (beA-Postfächer).[49]

Um sicher elektronisch kommunizieren zu können, geht der Nutzung dieser elektronischen Postfächer regelmäßig eine Identitätsprüfung voraus.[50]

Eine solche Identitätsprüfung[51] ist beim Zugang zu elektronischen Gläubigerinformationssystemen, die nicht in den elektronischen Rechtsverkehr eingebunden sind, gerade nicht vorgesehen.[52]

Der Gesetzgeber hatte für den Zugang lediglich die Ermittlung der Gläubigerstellung vorgesehen, für die sogar ein Abgleich mit den Buchhaltungsunterlagen des Schuldners ausreichen soll.[53]

Der Zugang zum elektronischen Gläubigerinformationssystem unterliegt damit bisher deutlich geringeren Anforderungen als die (elektronische) Akteneinsicht.[54] Dieser Umstand ist unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch.

Dabei gilt der Grundsatz: Je enger die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen ist, umso größer kann der Umfang der Informationen im elektronischen Gläubigerinformationssystemen sein. Umgekehrt muss der Informationsumfang geringer ausfallen, je weniger eng die Zugangsvoraussetzungen geprüft werden.

Zur Frage, ob vor dem Zugang zu Informationen in elektronischen Gläubigerinformationssystemen eine Identitätsprüfung des jeweiligen Gläubigers durch den Insolvenzverwalter zu erfolgen hat, verhält sich der vorliegende Entwurf leider nicht.

Wir gehen davon aus, dass eine solche Identitätsprüfung der einzelnen Gläubiger nicht erforderlich ist. Eine Klarstellung ist hier dringend erforderlich.

Das Fehlen einer Identitätsprüfung führt konsequenterweise zu den nachfolgenden Einschränkungen:

 

bb) Einzustellende Dokumente

Bedeutsam werden datenschutzrechtliche Fragen insbesondere dann, wenn es darum geht, welche Unterlagen und darin befindliche personenbezogene Daten in das System einzustellen sind bzw. eingestellt werden können.

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E nennt – wie auch die aktuelle Regelung – verschiedene Arten von einzustellenden Dokumenten:

  • alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts,
  • alle Rechtsmittelentscheidungen,
  • alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und
  • alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen
(1) „alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts“

Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO handelt es sich bei gerichtlichen Entscheidungen um Urteile, Beschlüsse und Verfügungen. Da das Insolvenzgericht lediglich durch Beschluss und Verfügung entscheidet, sind diese beiden Arten der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

Bereits zu diesem Punkt stellen sich in der Praxis zahlreiche Fragen:

 

Beschlüsse

Wenn grundsätzlich alle Beschlüsse einstellungspflichtig sind, stellt sich die Frage nach dem zeitlichen Rahmen.

Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass der Eröffnungsbeschluss von § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO („alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts“) ausgenommen ist, weil zu diesem Zeitpunkt kein Gläubiger eine Forderung angemeldet haben kann,[55] ist abzulehnen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeitpunkt des Zugangs zum System den Umfang der einzustellenden Unterlagen beschränkt.

Heyer/Blankenburg führen dazu zu Recht aus: Eine solche Einschränkung kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Es wäre auch widersinnig, gerade den Eröffnungsbeschluss nicht einzustellen, der die Grundlage des Verfahrens bildet. Auch der Sinn und Zweck des GIS sprechen gegen eine entsprechende Einschränkung. Die Gläubiger sollen umfassend informiert werden. (…) Folglich sind sämtliche Beschlüsse des Gerichts, die bisher in dem Verfahren ergangen sind und noch bis [zu] seinem Ende ergehen werden, einzustellen. Beschlüsse, die vor Errichtung des GIS ergangen sind, müssen direkt zu Beginn mit eingestellt werden. Dies betrifft sämtliche Beschlüsse des Eröffnungsverfahrens sowie den Eröffnungsbeschluss.“ [56]

Um die Frage, ob auch der Eröffnungsbeschluss einzustellen ist, zu klären, könnte § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E wie folgt ergänzt werden: „alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts ab Eröffnung des Verfahrens“.

Die Fragestellung kann noch dahingehend erweitert werden, ob (nach Insolvenzeröffnung) auch etwaige Beschlüsse aus dem Eröffnungsverfahren in das eGIS einzustellen sind, insbesondere die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO.

Die zeitliche Grenze am anderen Ende des Verfahrens dürfte mangels ausdrücklicher Regelung dessen Aufhebung bzw. Einstellung bilden. Da mit ihr auch das Amt des Insolvenzverwalters endet, ist klärungsbedürftig, ob und ggf. in welchem Umfang die Pflicht zur Einstellung gerichtlicher Entscheidungen in das eGIS über das Amt hinaus fortbesteht.

 

Sonderfall: Vergütungsbeschlüsse

Für Vergütungsbeschlüsse stellt sich die Frage, ob sie (lediglich) in der Form im System einzustellen sind, in der sie im Insolvenzportal[57] veröffentlicht werden oder vollständig unter Angabe aller Beträge.

Zur Veröffentlichung im Insolvenzportal regelt § 64 Abs. 2 InsO: „Der Beschluss ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.“

Für Vergütungsbeschlüsse hat der Gesetzgeber mithin eine Sonderregelung geschaffen, wonach der vollständige Beschluss nur in der Geschäftsstelle des Gerichts eingesehen werden kann.

Auch wenn die Möglichkeit der Einsicht in die elektronische Akte das Aufsuchen der Geschäftsstelle grundsätzlich entbehrlich machen soll, hat der Gesetzgeber die Besonderheit bewusst beibehalten, dass der vollständige Vergütungsbeschluss nur im Gericht eingesehen werden kann.[58]

Der Regierungsentwurf[59] zum SanInsFoG in § 64 Abs. 2 InsO-E sah eine explizite Regelung zum Gläubigerinformationssystem vor:

„a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Der Beschluss ist dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Es ist sofort öffentlich bekanntzumachen, dass der Beschluss ergangen ist und dass er in der Geschäftsstelle eingesehen werden und über das Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters nach § 5 Absatz 5 abgerufen werden kann, sofern ein solches für das Verfahren genutzt wird.

  1. b) Dem Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

Abweichend von § 569 Absatz 1 der Zivilprozessordnung beträgt die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde vier Wochen. Sie beginnt mit der öffentlichen Bekanntmachung nach Absatz 2 Satz 2. Ist der Verwalter zur Unterhaltung eines Gläubigerinformationssystems nach § 5 Absatz 5 Satz 2 verpflichtet oder nutzt er ein solches für das Verfahren, beginnt die Beschwerdefrist nicht vor der Bereitstellung des Beschlusses in diesem System.“

Die vorgeschlagene Änderung des § 64 InsO wurde jedoch vom Rechtsauschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung vom 15.12.2020[60] gestrichen. Der Gesetzgeber lehnte hier mithin einen Gleichlauf der Akteneinsicht in der Geschäftsstelle mit dem elektronischen Gläubigerinformationssystem ab. Da der vollständige Beschluss weiterhin nur in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann, ist der Vergütungsbeschluss im elektronischen Gläubigerinformationssystem lediglich in der Fassung einzustellen, in der er im Insolvenzportal veröffentlicht wurde.[61]

An dieser Stelle ist eine Klarstellung erforderlich, die in § 85 Abs. 2 Nr. 5 StaRUG-E bereits für das Restrukturierungsverfahren formuliert wird.

Zu § 85 Abs. 2 Nr. 5 StaRUG-E führt die Entwurfsbegründung aus: Die neue Nummer 5 bestimmt in Anlehnung an die Regelungen in der InsO die sonstigen, durch das Restrukturierungsgericht öffentlich bekanntzumachenden Entscheidungen. Entsprechend § 64 Absatz 2 InsO wird darauf verzichtet, die Veröffentlichung der Vergütungsbeträge und Auslagen sowie sonstiger Beträge vorzusehen, die Rückschlüsse auf die konkrete Vergütung der betroffenen Personen zulassen. Ebenfalls entsprechend § 64 Absatz 2 InsO wird flankierend in einem neuen Absatz 5 vorgesehen, dass die vollständigen Beschlüsse in der Geschäftsstelle des Restrukturierungsgerichts zur Einsichtnahme bereitgehalten werden müssen und dass die Bekanntmachung einen Hinweis darauf enthalten muss.“[62]

Es bleibt unverständlich, warum diese Klarstellung nur in Restrukturierungsverfahren und nicht auch in Insolvenzverfahren gelten soll.

 

Verfügungen

Zunächst ist zwischen verfahrensleitenden und sonstigen Verfügungen zu unterscheiden.[63] Blankenburg[64] grenzt insoweit ein, dass lediglich verfahrensleitende Verfügungen (z.B. Terminierung, Vermerke) einstellungspflichtig sind, nicht hingegen gerichtsinterne Verfügungen, wie bspw. die Eröffnungsverfügung oder die Gewährung von Akteneinsicht. Maßgeblich ist, ob die Verfügungen für die Gläubiger relevante Entscheidungen darstellen, wie bspw. die vorgenannte Terminbestimmung.[65]

Im Hinblick auf Verfügungen des Insolvenzgerichts ist zu beachten, dass dem Insolvenzverwalter nicht zwangsläufig alle Verfügungen des Insolvenzgerichts vorliegen. In das eGIS kann der Verwalter daher von vornherein nur die Verfügungen einstellen, die ihm das Gericht tatsächlich übermittelt.

An dieser Stelle wäre eine Klarstellung hilfreich, wie mit den dem Insolvenzverwalter übermittelten Verfügungen des Gerichts umzugehen ist.

 

(2) „alle Rechtsmittelentscheidungen“

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E nennt – wie auch die aktuelle Regelung – verschiedene Arten von einzustellenden Dokumenten. In den Katalog neu aufgenommen wurden „alle Rechtsmittelentscheidungen“.

Die Frage, ob Rechtsmittelentscheidungen in das System aufgenommen werden müssen, beschäftigte die Praxis seit Einführung des § 5 Abs. 5 InsO. Dabei war nicht nur fraglich, ob Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte überhaupt unter die Bezeichnung „alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts“ fallen, sondern auch, ob in diesem Fall dazu (lediglich) Beschwerdeentscheidungen oder auch Urteile in Anfechtungsprozessen zählen.

Die Entwurfsbegründung konkretisiert dazu:

Neu aufgenommen werden die Entscheidungen des Rechtsmittelgerichts, da diese die Entscheidungen des Insolvenzgerichts bestätigen, aufheben oder abändern können; unterbliebe deren Aufnahme, könnten die im System hinterlegten Informationen unvollständig oder irreführend sein.“[66]

Die Aufnahme von Rechtsmittelentscheidungen in den Katalog des § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E sowie die weitere Konkretisierung in der Begründung folgen den Anregungen der Praxis[67] und werden begrüßt.

 

(3) „alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen“

Der Gesetzeswortlaut spricht von allen an das Insolvenzgericht übersandten „Berichten“.

Der vorliegende Entwurf nimmt, anders als noch der Referentenentwurf, erstmals eine Konkretisierung vor. So heißt es nun in der Entwurfsbegründung: „Die in der Vorschrift genannten Berichte des Insolvenzverwalters an das Insolvenzgericht umfassen insbesondere die Berichte nach § 156 InsO, Sachstands- und Zwischenberichte, Vermögensübersichten und das Verzeichnis der Massegegenstände sowie der Schlussbericht im Sinne des § 66 InsO.“[68]

Der Entwurf hat die Anregungen der Praxis damit zu einem großen Teil aufgenommen.[69]

Fraglich bleibt, ob Sonderberichte auf Anforderung der Gläubigerversammlung[70] ebenfalls einzustellen sind.

 

Verzeichnisse

Der Wortlaut der Norm bezieht sich (lediglich) auf Berichte, „welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen“.

In der Praxis war bisher daher fraglich, ob auch Verzeichnisse als Teil des Berichtswesens verstanden werden.[71]

Da jeder einsichtsberechtigte Gläubiger mit personenbezogenen Daten in den Verzeichnissen enthalten ist, betreffen diese im Übrigen gerade „nicht ausschließlich“, sondern lediglich „auch“ die Forderungen anderer Gläubiger.[72]

Gegen eine Subsumtion der Verzeichnisse unter „Berichte“ spricht, dass Verzeichnisse nur in bestimmten Situationen zur Niederlegung in der Geschäftsstelle bei Gericht (§§ 154, 175, 188 InsO) und nicht im Zusammenhang mit den turnusgemäßen Sachstandberichten bei Gericht eingereicht werden müssen.[73]

Aus datenschutzrechtlicher Sicht und aufgrund des Umstands, dass – anders als bei der (elektronischen) Akteneinsicht – nicht per se eine Identifizierung des einsichtbegehrenden Gläubigers erfolgt, ist daher bislang eine enge Auslegung geboten.[74]

Die Kritik der Praxis[75] findet im Hinblick auf Verzeichnisse in der Entwurfsbegründung nun erstmalig Berücksichtigung. So heißt es dort: „Verzeichnisse, welche regelmäßig eine Vielzahl personenbezogener Daten verschiedener Gläubiger enthalten und dem Gericht lediglich zum Zwecke der Niederlegung auf der Geschäftsstelle zugeleitet werden, gehören nicht zu den Berichten im Sinne der Vorschrift.“[76]

Ebenfalls nicht unter „Berichte“ i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E fallen aus unserer Sicht jedoch auch:

  • Tabelle[77]
  • Gutachten[78]
  • Schlussrechnung gemäß § 66 Abs. 1 InsO[79]
  • Schlussrechnung mit allen Belegen[80], gerichtlichem Prüfungsvermerk und den Bemerkungen des Gläubigerausschusses[81]
  • Berichte von Kassenprüfern[82]

An dieser Stelle ist eine weitere Klarstellung dringend erforderlich.

 

(4) „alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen“ (der Gläubiger)

Zu den „die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen“ zählen insbesondere die Prüfungsunterlagen des Insolvenzverwalters und das Ergebnis der Forderungsprüfung, nicht aber interne Vermerke des Verwalters.

Dem Anmelder muss die Möglichkeit gegeben werden, zu prüfen, ob seine angemeldete Forderung mit dem korrekten Betrag, dem richtigen Forderungsgrund und dem Prüfungsvermerk entsprechend des Rangs in der Insolvenztabelle richtig erfasst ist.[83] Den jeweiligen Gläubigern sind nach dem Prüfungstermin die Informationen bzw. Unterlagen zugänglich zu machen, aus denen sich ergibt, ob und ggf. in welcher Höhe ihre Forderungen festgestellt wurden, sowie ggf. produzierte Unterlagen zur Begründung, warum Forderungen nicht festgestellt wurden. Den Feststellungsvermerk und etwaige Widersprüche anderer Beteiligter kann der Gläubiger indes verbindlich nur anhand der vom Gericht geführten Tabelle sehen.

Weiterführende Unterlagen, wie z.B. Berichtigungen, Widerspruchsrücknahmen der Bestreitenden sowie Rücknahmen von Forderungsteilbeträgen[84] sind entsprechend für den jeweiligen Gläubiger hochzuladen, sofern sie seine Forderung betreffen.[85]

 

Vom Gläubiger selbst eingereichte Unterlagen

Streitig ist, wie mit Unterlagen zu verfahren ist, die dem Gläubiger selbst bereits vorliegen bzw. die er selbst eingereicht hat, z.B. Forderungsanmeldung, Belege, Rücknahme, Korrespondenz mit dem Verwalter.

Für eine Einstellung auch der vom Gläubiger selbst eingereichten Unterlagen spricht der Wortlaut der Norm („alle“ Unterlagen). Dagegen[86] lässt sich jedoch anführen, dass das elektronische Gläubigerinformationssystem der Information der Gläubiger dient und es bei den eigenen Unterlagen des Gläubigers an einem tatsächlichen Informationsbedürfnis und -gehalt fehlt.[87] Zudem kann auch im Zivilprozess eine Partei nicht die Vorlage eigener Unterlagen durch den Gegner verlangen. Der Verwalter ist nicht die „Sekretärin“ des Gläubigers und nicht verpflichtet, Unterlagen des Gläubigers für diesen kostenfrei zu digitalisieren.[88]

Aus diesen Gründen sind auch Prozessunterlagen zu teilweise bestrittenen Forderungen eines Gläubigers nicht einzustellen, da sie dem betreffenden Gläubiger bereits vorliegen.

Auch an dieser Stelle bedarf es einer Klarstellung, dass vom Gläubiger selbst eingereichte Unterlagen nicht einstellungspflichtig sind.

 

(5) umfassende Verfahrensinformationen

Aus datenschutzrechtlicher Sicht sollten grundsätzlich nur diejenigen Dokumente bereitgestellt werden, die vom Wortlaut des § 5 Abs. 5 InsO(-E) eindeutig umfasst sind.

Folgt man der Begründung des vorliegenden Entwurfs, sollen Gläubiger (jedoch) Zugriff auf sämtliche relevanten Verfahrensinformationen erhalten[89].

Zu etwaig einzustellenden Dokumenten stellen sich in der Praxis schon heute Fragen:

 

(a) Entscheidungen der Gläubigerorgane

Nicht vom Wortlaut umfasst sind Entscheidungen der Gläubigerorgane.[90] Dies wurde in der Literatur bereits kritisiert.[91]

Für eine Einstellung der Entscheidungen der Gläubigerorgane sprechen der Sinn und Zweck elektronischer Gläubigerinformationssysteme. Wenn die Systeme dazu dienen sollen, die Gläubiger zu informieren, dann sollte auch der einzelne Gläubiger nachvollziehen können, was die Gläubigermehrheit beschlossen hat.

Gegen eine Einstellung spricht, dass Entscheidungen der Gläubigerorgane explizit nicht vom Wortlaut des § 5 Abs. 5 InsO(-E) erfasst sind und auch Entscheidungen der Gläubigerversammlung selbst nicht veröffentlicht werden.

Lüdtke[92]folgend sollte eine Einstellung ins System mithin (nur dann) erfolgen, soweit die Entscheidungen der Gläubigerorgane – beschränkt auf die der Gläubigerversammlung – in Berichten bzw. in gerichtlichen Protokollen festgehalten sind.

 An dieser Stelle wäre eine gesetzliche Klarstellung hilfreich, insbesondere vor dem Hintergrund der Feststellung des Entwurfs, dass den Gläubigern mit der gebündelten Bereitstellung von Informationen über das eGIS „ein zentraler Zugangspunkt für den Zugriff auf sämtliche relevante Verfahrensinformationen zur Verfügung steht“[93].

 

(b) Protokolle

Dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E nach sind vom Gericht gefertigte Protokolle nicht einstellungspflichtig. Unproblematisch, so Heyer/Blankenburg, ist die Einstellung ins System jedoch, „soweit sich in dem Protokoll selbst Entscheidungen in Form von direkt verkündeten Beschlüssen finden. Dann kann die Entscheidung nur mittels Protokolls des Gerichts eingestellt werden.[94]

Die von Heyer/Blankenburg vertretene Auffassung, dass auch Protokolle eingestellt werden, die keine Entscheidungen des Insolvenzgerichts beinhalten, ist im Hinblick darauf, dass Entscheidungen häufig nur im Zusammenhang mit dem Protokoll verständlich werden, aus Gläubigersicht nachvollziehbar, aus datenschutzrechtlichen Erwägungen aber jedenfalls problematisch, wenn das Protokoll personenbezogene Daten enthält.

In diesem Fall sollte eine – mangels Verpflichtung überobligatorische – Einstellung nur mit entsprechenden Schwärzungen erfolgen, die allerdings einen entsprechenden Aufwand erfordern.

 
cc) elektronischer Abruf von Dokumenten

Im Hinblick auf die technischen Anforderungen an elektronische Gläubigerinformationssysteme spricht der Entwurf lediglich davon, dass die in § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E genannten Dokumente „in einem gängigen Dateiformat zum elektronischen Abruf zur Verfügung“ zu stellen sind. Weitere technische Anforderungen sieht der Entwurf nicht vor. Er enthält, wie bislang, auch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung der Systeme.

Zu Recht verweist Kollbach auf die erheblichen Nachteile des von den Justizverwaltungen eingeschlagenen Weges, der als führendes Archivsystem eine PDF-Ablage statt Strukturdaten vorsieht.[95] Anders handhaben dies dagegen die Insolvenzgerichte in NRW und Niedersachsen, die bereits eine auf Strukturdaten ausgerichtete Gerichtssoftware einsetzen.[96]

Mangels weiterer Anhaltspunkte des Gesetzgebers zum „gängigen Dateiformat“[97] sowie des Umstands, dass das eGIS bislang nicht in den elektronischen Rechtsverkehr eingebunden ist, dürfte sich (derzeit noch) zum Abruf die Einstellung von Dokumenten im PDF-Format[98] empfehlen.

Im Hinblick auf weitere Digitalisierungsbemühungen sollte der Fokus darauf liegen, bundesweit einheitlich auf Strukturdaten abzustellen.

 

e) § 5 Abs. 5 Satz 2 InsO-E (Zugänglichmachung weiterer Dokumente)

§ 5 Abs. 5 Satz 2 InsO-E sieht vor, dass

„Über das Gläubigerinformationssystem (…) auch die Dokumente zugänglich sein [müssen], die dem Insolvenzgläubiger nach § 8 Absatz 3 zugestellt wurden; sie sind besonders kenntlich zu machen.“

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

 „Neu hinzu kommt auch die Möglichkeit, über das Gläubigerinformationssystem diejenigen Dokumente abrufen zu können, die der Insolvenzverwalter im Auftrag des Gerichts nach § 8 Absatz 3 InsO zustellt. Diese Dokumente werden in vielen Fällen identisch sein mit den Entscheidungen des Gerichts, die ohnehin nach § 5 Absatz 5 Satz 1 InsO zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen sind; die ergänzende Bereitstellung mit Kenntlichmachung als der Zustellung unterliegendes Dokument ermöglicht allerdings einen Überblick über die durchgeführten Zustellungen des Insolvenzverwalters, wobei ausschlaggebend für die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen allein die Zustellung nach § 8 Absatz 3 InsO ist. Auf diese Weise wird der Gläubiger in die Lage versetzt, das Gläubigerinformationssystem als einheitliches Portal zur Informationsgewinnung über die das Verfahren betreffenden Dokumente und Verfahrensschritte zu nutzen.[99]

Damit zeigt sich, dass eine ergänzende Bereitstellung mit Kenntlichmachung als der Zustellung unterliegendes Dokument erfolgen soll und diese Dokumente nicht in allen Fällen mit Dokumenten identisch sind, die nach § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-(E) ohnehin zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen sind.

An dieser Stelle wird zur Umsetzung der geplanten Regelung weiterer technischer und personeller Aufwand notwendig. Zum einen muss zunächst (händisch) geprüft werden, welche Dokumente ergänzend einzustellen sind, zum anderen muss die geplante Kenntlichmachung technisch umgesetzt werden.

Ergänzend wird in der Begründung zur Änderung des § 8 InsO-E (siehe unter B. I. 2.) ausgeführt:

Parallel ist das zuzustellende Dokument künftig zu Informationszwecken auch im elektronischen Gläubigerinformationssystem zum Abruf bereitzustellen, weil mit dem elektronischen Gläubigerinformationssystem künftig in allen Insolvenzverfahren eine geeignete und sichere Informationsplattform für verfahrensbezogene Dokumente und Mitteilungen zur Verfügung steht. Diese Vorgabe enthält der neue § 5 Absatz 5 Satz 2 InsO; siehe auch Begründung zu Nummer 1 Buchstabe a.“[100]

Mit der Bezeichnung „parallel“ nimmt der Entwurf die Kritik am Referentenentwurf auf, der im dortigen § 8 Abs. 3 Satz 2 InsO-RefE noch vorsah, dass im Fall der elektronischen Zustellung im Auftrag des Gerichts die betroffenen Dokumente „zugleich“ auch zum Abruf im elektronischen Gläubigerinformationssystem zur Verfügung zu stellen sind. So warf die Formulierung „zugleich“ eine Reihe von Fragen auf, da sie eine Gleichzeitigkeit bzw. Nähe zur elektronischen Zustellung implizierte.[101]

 

Digitalisierung von Dokumenten

Auch geht der Entwurf offenbar davon aus, dass dem Insolvenzverwalter sämtliche Dokumente bereits in elektronischer Form vorliegen. So finden sich keinerlei Hinweise zu Aufwand und Kosten für die (ggf. fälschungssichere) Digitalisierung von in Papierform zugegangenen Dokumenten.

Neben dem für Scanarbeiten einzusetzendem Personal ist auch die Vorhaltung und Wartung von Geräten notwendig, die neben einer ausreichend großen Dokumentenzufuhr über eine schnelle Scangeschwindigkeit und die Möglichkeit des Scannens auch anderer Objekte[102] verfügen. Ebenso ist die Vorhaltung entsprechender Speicherkapazitäten erforderlich. Dieser Personal- und Kostenaufwand findet in anderen Regelwerken bereits Berücksichtigung (z.B. § 7 Abs. 3 JVEG, bzw. Nr. 32002 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichts- und Notarkostengesetz).

Für den Fall von Digitalisierungsverpflichtungen des Insolvenzverwalters ist zugleich eine angemessene Regelung zum Kostenersatz zu treffen.

Inwieweit im Übrigen ein Mehrwert entsteht, wenn den Gläubigern bereits zugestellte Dokumente zusätzlich zum Abruf zur Verfügung gestellt werden, ist fraglich. Grundsätzlich dürfte eine Einstellung (nur) dann Sinn machen, wenn sich damit eine anderweitige Übermittlung erübrigt, was hier nicht vorgesehen ist.

 

f) § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E (Einsichtsrecht des Gerichts)

§ 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E regelt, dass dem Insolvenzgericht ein Zugang zur Ausübung der Aufsicht nach § 58 zu gewähren ist.

War bislang lediglich in der Begründung zum SanInsFoG zur Einführung des § 5 Abs. 5 InsO aufgenommen worden, dass auch dem Gericht eine Einsichtnahmemöglichkeit einzuräumen sei, wurde der Forderung der Praxis[103] nach einer gesetzlichen Klarstellung mit dem vorliegenden Entwurf Rechnung getragen.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: Die Gerichte haben ein Einsichtsrecht im Rahmen der Ausübung ihrer Aufsicht nach § 58 InsO, weshalb ihnen schon bisher im Regelfall ein Zugang gewährt wurde. Die Klarstellung erfolgt aufgrund der wenigen Einzelfälle, in denen der bisherige Satz 3 nur auf die Einsichtsberechtigten im Sinne des Satzes 1 bezogen wurde.“[104]

 

g) § 5 Abs. 5 Satz 4 InsO-E (Zugangsdaten)

Der bisherige § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO soll – unverändert – zum neuen § 5 Abs. 5 Satz 4 InsO-E werden. Er regelt, dass der Insolvenzverwalter den Einsichtsberechtigten die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung stellt.

Sah der Referentenentwurf noch eine umfassende Neuregelung der Zugangsdatenthematik vor,[105] nimmt der Regierungsentwurf davon Abstand.

 

aa) Bisherige Vorgehensweise

Bislang kamen unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht, wobei neben rechtlichen Erwägungen Praktikabilität und Handhabbarkeit wesentliche Kriterien für die Gestaltung des Zugangs sind:

Variante 1:

Die Zugangsdaten werden an alle Adressaten bereits mit der Aufforderung zur Forderungsanmeldung versandt und zugleich wird erläutert, unter welchen Umständen eine Freischaltung erfolgt.

Variante 2:

Die Zugangsdaten werden individuell erst nach Freischaltung des Zugangs versandt. Diesem geht die (Teil-)Feststellung zur Tabelle bzw. die Klärung der Gläubigerstellung in Fällen eines vollständigen Bestreitens voraus.

Variante 3:

Es wird auf den Zeitpunkt nach Einreichung der Insolvenztabelle bei Gericht zur Niederlegung (§ 175 Abs. 1 S. 2 InsO) abgestellt und die Gläubiger unkritischer Forderungsanmeldungen erhalten gleichzeitig (freigeschaltete) Zugangsdaten.

Zugunsten der Praktikabilität dürfte bislang die erste Alternative vorzugswürdig sein, wonach die Zugangsdaten an alle Adressaten bereits mit der Aufforderung zur Forderungsanmeldung versandt werden und zugleich erläutert wird, unter welchen Umständen eine Freischaltung zum eGIS erfolgt.

 

bb) Künftige Anforderungen

Die Frage wann (und auf welchem Weg) der Insolvenzverwalter den Einsichtsberechtigten die Zugangsdaten für das elektronische Gläubigerinformationssystem zu übermitteln hat, ist bislang eng mit der oben unter B. I. 1. d) aa) beschriebenen Ermittlung der Gläubigerstellung verbunden.

Dies ist insbesondere deshalb der Fall, weil ausweislich des Wortlautes nicht nur die Zugangsdaten unverzüglich zu übermitteln sind (§ 5 Abs. 5 Satz 4 InsO-E), sondern auch die Informationen im eGIS künftig unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen sind (§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E).

Der Eingang (irgend-)einer Forderungsanmeldung lässt jedoch (noch) keine verlässliche Beurteilung zu, ob es sich bei dem Anmeldenden (tatsächlich) um einen Insolvenzgläubiger i.S.d. §  5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E handelt.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter B. I. 1. d) aa) muss dem Insolvenzverwalter grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet bleiben, nach Anmeldung der Forderung zunächst die Frage der Gläubigerstellung des Anmeldenden zu prüfen. Die Freischaltung der Zugangsdaten kann zeitlich erst danach erfolgen, selbst wenn diese bereits übersandt wurden.

Sonst besteht die Gefahr, dass sich Unberechtigte Zugang zu Informationen und personenbezogenen Daten im eGIS verschaffen. Diese Gefahr besteht insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch keine Identitätsprüfung der Insolvenzgläubiger erfolgt.

Es bedarf mithin einer Klarstellung, dass dem Verwalter nicht nur grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet bleiben muss, nach Anmeldung der Forderung zunächst die Frage der Gläubigerstellung des Anmeldenden zu prüfen, sondern auch die Freischaltung des Zugangs – unabhängig vom Versand der Zugangsdaten – frühestens nach positiver Prüfung der Gläubigerstellung des Anmeldenden erfolgen darf.

  

2. § 8 Abs. 3 InsO-E (Elektronische Zustellungen)

§ 8 Abs. 3 InsO soll wie folgt ergänzt werden:

„Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter beauftragen, die Zustellungen nach Absatz 1 durchzuführen. Zur Durchführung der Zustellung und zur Erfassung in den Akten kann er sich Dritter, insbesondere auch eigenen Personals, bedienen. Die Zustellung kann auch elektronisch nach Maßgabe des § 173 der Zivilprozessordnung erfolgen.

Der Insolvenzverwalter hat die von ihm nach § 184 Abs. 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung angefertigten Vermerke unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen. Im Fall des Satzes 3 hat er die Zustellnachweise zu den Akten zu nehmen und einen Vermerk über die erfolgte Zustellung mit dem Zeitpunkt der Absendung und mit der genutzten Adresse des Zustellungsadressaten unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen.“

Die Klarstellung, dass auch Insolvenzverwalter die Möglichkeit haben, Zustellungen im Auftrag des Insolvenzgerichts elektronisch nach § 173 ZPO vorzunehmen, „kann“ – so die Entwurfsbegründung – „dazu beitragen, den Versendungsaufwand zu reduzieren und die Zustellungsadressaten unmittelbar zu erreichen.“ [106]

„Voraussetzung für die elektronische Zustellung an nicht in professioneller Eigenschaft am Verfahren beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen ist eine Zustimmung zu dieser Zustellungsvariante nach Maßgabe des § 173 Absatz 4 ZPO. Im Eröffnungsbeschluss nach § 27 InsO wird künftig auf die Möglichkeit der Zustimmung zum Erhalt elektronischer Zustellungen hingewiesen (…).“[107]

 

a) § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO-E
aa) Sichere Übermittlungswege des Insolvenzverwalters

§ 173 Abs. 1 ZPO regelt, dass ein elektronisches Dokument elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg zugestellt werden darf. Einen solchen sicheren Übermittlungsweg haben nach Absatz 2 Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (Nr. 1), sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (Nr. 2) zu eröffnen.

Was sichere Übermittlungswege i.S.d. § 173 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind, regelt § 130a Abs. 4 ZPO.

 

(1) Beschränkung auf einen bestimmten Übermittlungsweg?

Danach käme für anwaltliche Insolvenzverwalter sowohl eine Übermittlung via beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) als auch via eBO (elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach) in Betracht, für nichtanwaltliche Insolvenzverwalter nur eine solche via eBO.

Es stellt sich die Frage, ob der vom Gericht mit Zustellungen nach § 8 Abs. 1 InsO beauftragte Insolvenzverwalter im Hinblick auf elektronische Zustellungen auf die Nutzung eines bestimmten sicheren Übermittlungsweg beschränkt ist.

Dass diese Frage bedeutsam ist, zeigt der Streit um die Frage der Nutzungspflicht des §  130d ZPO (Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden) für den anwaltlichen Insolvenzverwalter[108], die der BGH zumindest im Hinblick auf die Einlegung von Rechtsmitteln im Insolvenzverfahren (IX ZB 11/22 vom 24.11.2022) geklärt hat. In der Entscheidung wies der BGH jedoch auf Folgendes hin:

„Weil die genannten Bestimmungen in §  5 Abs.  4 Satz  2 und Abs.  5 Satz  1 InsO sowie in §  174 Abs.  4 InsO auch keine abschließende Regelung für den elektronischen Rechtsverkehr beinhalten, kommt eine entsprechende Anwendung von §  130d InsO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter in Betracht.[109]

Es sollte klargestellt werden, dass der Insolvenzverwalter nicht auf einen bestimmten sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO beschränkt ist.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Entwurf in § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO-E nunmehr vorsieht, dass der Insolvenzverwalter für die elektronische Forderungsanmeldung einen gängigen elektronischen Übermittlungsweg vorgeben kann und daneben (mindestens[110]) einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a ZPO anbieten muss.[111] Die Vorgabe eines bestimmten sicheren Übermittlungswegs erfolgt auch dort (gerade) nicht.

 

(2) Praxisprobleme bei beA und eBO

Datenvolumen

Eine elektronische Zustellung über sichere Übermittlungswege via beA (aber auch eBO) bringt weitere Probleme mit sich:

Im Hinblick auf Insolvenzverfahren als Massenverfahren sind Zustellungen via beA extrem konfliktträchtig. Zum einen ist die hinter dem beA liegende EGVP-Infrastruktur, die auf dem OSCI-Protokoll aufsetzt, für größere Datenmengen ungeeignet.

Derzeit sind Anzahl und Volumen elektronischer Dokumente[112] auf (höchstens 1000 Dateien und) höchstens 200 Megabyte, bzw. effektiv auf 140-150 Megabyte begrenzt (vgl. Ziff. 3 der 2. Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2022 vom 10. Februar 2022[113]). Mangels fehlender Versionierung ist die notwendige Volumenerweiterung technisch nicht in ausreichendem Maß möglich. Beim OSCI-Standard handelt es sich, mangels „handshaking“, um eine technische Sackgasse.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass (anwaltliche) Insolvenzverwalter, die ihr beA zum Zwecke der elektronischen Zustellung nutzen wollen, die Entscheidung des BGH vom 20.06.2023 (AZ 2 StR 39/23) zu beachten haben, wonach Rechtsanwälte ihre beA-Zugangsdaten nicht an Kanzleimitarbeiter weitergeben dürfen. Sofern der Insolvenzverwalter die elektronischen Zustellungen nicht in persona via beA veranlasst, ist gemäß § 24 Abs. 2 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPN) für entsprechende Kanzleimitarbeiter zunächst ein diesen selbst zugeordnetes Zertifikat mit eigener PIN zu organisieren, was einen weiteren, nicht unerheblichen, administrativen Aufwand bedeutet.

 

Getrennte Systeme

Die Systeme der Verwalterkanzleien sind – zum Schutz vor Hackerangriffen – üblicherweise von den elektronischen Gläubigerinformationssystemen getrennt. Welche Dokumente ins elektronische Gläubigerinformationssystem hochgeladen werden, muss manuell angesteuert werden.

Stellt der Insolvenzverwalter künftig Dokumente unter Verwendung der Schnittstellen seines Kanzleisystems auf einem sichereren Übermittlungsweg zu, ist dieser Vorgang losgelöst vom Betrieb des elektronischen Gläubigerinformationssystems zu betrachten, da es sich um zwei völlig verschiedene Kommunikationswege handelt.

Sofern der Insolvenzverwalter bspw. via beA elektronisch zugestellt hat, ist eine automatische Synchronisation (derzeit[114]) nicht möglich, da das beA nur über eine EGVP-Schnittstelle verfügt („closed shop“). D.h. die zuzustellenden/zugestellten Dokumente müssten ins beA und zusätzlich ins elektronische Gläubigerinformationssystem hochgeladen werden.

Daneben erfolgt eine Übermittlung via beA mehrstufig. D.h. die Nachricht geht zunächst beim Intermediär (Rechenzentrum) ein und wird von dort vom Empfänger (verpflichtend) abgeholt. Hierbei ist ein zeitlicher Versatz von bis zu einem Tag möglich.

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister von Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns zudem folgender Hinweis:

Bislang erfolgt die Synchronisation der Systeme der Verwalterkanzleien mit dem elektronischen Gläubigerinformationssystem aus Kostengründen üblicherweise (nur) im Wochenrhythmus. Dabei wird das Wochenende bevorzugt, da die Synchronisation erhebliche Last auf den Servern verursacht. Eine tägliche Spiegelung der Systeme würde die Kosten für Personal und Technik erheblich erhöhen; insbesondere wären leistungsfähigere Server notwendig. Der zeitliche Rahmen, in dem programmseitig die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen wären, wurde mit minimal 1 bis 1,5 Jahren angegeben.

 

bb) Vergütung

Bislang regelt § 4 Abs. 2 Satz 2 InsVV, dass für die Übertragung der Zustellungen im Sinne des  §  8 Abs.  3  InsO, Anlage 1 Nr. 9002 des Kostenverzeichnisses zum GKG entsprechend gilt.

Die in der Anlage 1 Nr. 9002 GKG geregelten Zustellungskosten, bei denen nach wie vor eine Klarstellung fehlt, ab welcher Anzahl von Zustellungen sie greift, und deren Anwendung durch eine disparate Rechtsprechung der Insolvenzgerichte gekennzeichnet ist, soll bislang den Aufwand einer Zustellung durch Aufgabe zur Post abgelten. Es ist aber nicht erkennbar, dass sie auch einen notwendigen Beitrag zur (Re-)Finanzierung einer IT-gestützten Zustellungsinfrastruktur umfasst. Dies ist jedoch erforderlich: Dem Insolvenzverwalter wird mit der Übertragung der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und der Anmeldeunterlagen an die Insolvenzgläubiger eine gerichtliche Aufgabe übertragen.

Die Zustellungspauschale (Nr. 9002) i.H.v. 3,50 € je Zustellung wird für Zustellungen mit Zustellungsurkunde, Einschreiben gegen Rückschein oder durch Justizbedienstete nach § 168 Abs. 1 ZPO“ gewährt. Der Begriff der Zustellungsurkunde ist in § 182 ZPO definiert.

Es sollte daher dringend eine Klarstellung erfolgen, in welcher Höhe die elektronische Zustellung durch den Insolvenzverwalter vergütet wird.

 

b) § 8 Abs. 3 Satz 5 InsO-E

Der Entwurf sieht in § 8 Abs. 3 Satz 5 InsO-E vor, dass der Insolvenzverwalter im Fall der elektronischen Zustellung nach Maßgabe des § 173 ZPO „die Zustellnachweise zu den Akten zu nehmen und einen Vermerk über die erfolgte Zustellung mit dem Zeitpunkt der Absendung und mit der genutzten Adresse des Zustellungsadressaten unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen.“ hat.

 

aa) sog. Sammelnachweise

Der Entwurf nimmt an dieser Stelle erfreulicherweise die Kritik aus der Praxis[115] am Referentenentwurf auf, wonach die Möglichkeit von Sammelnachweisen erhalten bleiben muss.

Dahinter steht in der Praxis folgender Umstand:

Bislang reicht der Insolvenzverwalter über die postalischen Zustellungen Zustell-Listen als Sammelnachweis ein. Im Fall elektronischer Zustellungen via beA gibt es jedoch keine Sammelnachweise. Dies würde dazu führen, dass der Insolvenzverwalter (in größeren Insolvenzverfahren durchaus mehrere Tausend) Einzelnachweise einzureichen hätte. Die Übersendung aller Einzelzustellungsnachweise würde – gerade in Massenverfahren – zu einer erheblichen Mehrbelastung nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch der Gerichte führen.[116] Auch bei elektronischen Zustellungen bedarf es daher dringend der Möglichkeit von Sammelnachweisen.

In der Entwurfsbegründung wird dazu nun ausgeführt: „ (…) Die Vorschrift übernimmt insoweit die Systematik aus dem vorhergehenden Satz, der eine Übermittlung der angefertigten Vermerke über postalische Zustellungen an das Gericht vorsieht.“[117]„Die Zustellungsvariante“, so die Entwurfsbegründung weiter, „umfasst auch die Berechtigung zum Erhalt des elektronischen Empfangsbekenntnisses nach §  173 Absatz 3 ZPO, das in diesem Fall ihm und nicht dem Gericht zu übermitteln ist.[118]

 

bb) Inhalt des Zustellvermerks

Der Zustellvermerk, der bei elektronischen Zustellungen den Zeitpunkt der Absendung und die genutzte Adresse des Zustellungsadressaten zu enthalten hat, wirft Fragen auf.

Während bei postalischen Zustellungen i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO (i.V.m. §  184 Abs. 2 Satz 4 ZPO) darauf abzustellen ist, wann das Schriftstück zur Post gegeben wurde, sind bei der elektronischen Zustellung deren Besonderheiten zu beachten.

So regelt § 173 Abs. 3 ZPO, dass die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen wird.

Bei anderen als den in Absatz 2 Genannten heißt es in § 173 Abs. 4 Satz 4 ZPO: „Ein elektronisches Dokument gilt am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach als zugestellt.[119]

Insoweit ist unverständlich, weshalb § 8 Abs. 3 Satz 5 InsO-E im Hinblick auf den Inhalt des Zustellvermerks bei elektronischen Zustellungen auf den Zeitpunkt der „Absendung“ abstellt.

An dieser Stelle sollte, insbesondere im Hinblick auf notwendige Fristberechnungen, eine Überarbeitung erfolgen.

 

3. § 28 Abs. 4 InsO-E (Eröffnungsbeschluss)

Der Entwurf sieht vor, dass § 28 InsO der folgende Absatz 4 angefügt wird:

„Der Eröffnungsbeschluss hat den Hinweis darauf zu enthalten, dass Gläubiger, die elektronische Dokumente über sichere elektronische Übermittlungswege (§ 130a der Zivilprozessordnung) empfangen können, unter Angabe des über einen solchen Weg erreichbaren Postfachs ihre Zustimmung zu elektronischen Zustellungen erklären können; die Möglichkeit der elektronischen Zustellung an die in § 173 Absatz 2 der Zivilprozessordnung Genannten bleibt unberührt.“

Der Verweis auf § 173 Abs. 2 ZPO, der im Referentenentwurf noch nicht enthalten war, ist zu begrüßen. Sein Fehlen hatte zu der Frage geführt,[120] ob eine Zustimmung zur elektronischen Zustellung bei professionell Beteiligten i.S.d. § 173 Abs. 2 ZPO nicht (ohnehin) entbehrlich ist.

In der Praxis kommen für den Insolvenzverwalter damit verschiedene Zustellkonstellationen in Betracht, die organisiert werden müssen:

Zum einen kommt – wie bisher – die postalische Zustellung in Betracht, zum anderen die elektronische Zustellung. Bei der elektronischen Zustellung ist wiederum in professionelle (keine Zustimmung erforderlich) und nicht professionelle Verfahrensbeteiligte (Zustimmung erforderlich)[121] zu unterscheiden. Bei den nicht professionellen Verfahrensbeteiligten ist wiederum zu unterscheiden, ob die Zustimmung ausdrücklich oder über die Zustimmungsfiktion des § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO erteilt wurde.

Fraglich ist jedoch, wann und wem gegenüber die Zustimmung zu erklären ist (Gericht/Insolvenzverwalter). Sie bedarf ausweislich der Entwurfsbegründung „keiner bestimmten Form“ und kann „beispielsweise mit der Forderungsanmeldung nach § 174 InsO erfolgen“.[122] Da die Forderungsanmeldung gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgt, spricht der Wortlaut der Entwurfsbegründung wohl dafür, dass die (ausdrückliche) Zustimmung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären ist bzw. ausreicht.

Da nach der Entwurfsbegründung keine bestimmte Form vorgesehen ist, dürfte mithin auch eine telefonische Zustimmung als ausreichend angesehen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Dokumentation(spflicht). An dieser Stelle wäre zudem eine Klarstellung hilfreich, wem gegenüber die Zustimmung zu erklären ist.

 

4. § 174 Abs. 4 InsO-E (Forderungsanmeldung)

Der Entwurf sieht vor, § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO wie folgt zu ersetzen:

„Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen; der Insolvenzverwalter kann einen gängigen elektronischen Übermittlungsweg sowie ein gängiges Dateiformat vorgeben. Der Insolvenzverwalter muss daneben einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des §  130a der Zivilprozessordnung für die Übermittlung anbieten.“

„Die Neufassung des § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO dient der Umsetzung des Artikels 28 Buchstabe a der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Forderungsanmeldungen in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren künftig elektronisch erfolgen können. (…)

Das Angebot zur elektronischen Forderungsanmeldung soll mit der Neufassung des § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO verpflichtend werden.[123]

Die Möglichkeit zur schriftlichen Forderungsanmeldung bleibt weiterhin möglich. So sollen Die Gläubiger (…) durch die Neuregelung nicht zur elektronischen Einreichung gezwungen werden.“ [124]

 

a) Übermittlungsweg

Nach der Entwurfsfassung sind elektronische Forderungsanmeldungen künftig sowohl auf einem sicheren als auch einem gängigen elektronischen Übermittlungsweg zu ermöglichen.

Einen sicheren Übermittlungsweg, dessen Nutzung einen identifizierten Sender impliziert, muss der Insolvenzverwalter gemäß § 174 Abs. 4 Satz 2 InsO-E danach stets anbieten.

Einen gängigen elektronischen Übermittlungsweg sowie ein gängiges Dateiformat kann der Insolvenzverwalter anbieten (§ 174 Abs. 4 Satz 1 InsO-E).

Damit ist zum einen davon auszugehen, dass eine Identitätsprüfung des anmeldenden Gläubigers, der einen (lediglich) gängigen Übermittlungsweg nutzt, (auch künftig) nicht erfolgen muss.

Zu den allgemein anerkannten Übermittlungsformen gehören ausweislich der Entwurfsbegründung „beispielsweise die Übermittlung der Forderungsanmeldung per PC-Fax, E-Mail, Messangerdiensten oder auch die Nutzung von Gläubigerinformationsdiensten mit elektronischen Eingabefunktionalitäten etwa über ein Kontaktformular.“[125]

Zum anderen steht es dem Insolvenzverwalter frei, welchen sicheren Übermittlungsweg er anbietet. „Der neue § 174 Absatz 4 Satz 2 InsO“, so die Entwurfsbegründung, „sieht das Angebot mindestens eines sicheren elektronischen Übermittlungswegs im Sinne des § 130a der Zivilprozessordnung vor. Dieser Übermittlungsweg“, so die Begründung weiter, „ist vor allem für Gläubiger öffentlich-rechtlicher Forderungen von Bedeutung, wenn ihnen die Nutzung des gegebenenfalls nach Satz 1 Halbsatz 2 vorgesehenen Übermittlungswegs aufgrund interner Vorgaben nicht möglich ist.“[126]

Damit dürfte für anwaltliche Insolvenzverwalter weder die Nutzung des beA zwingend noch der Insolvenzverwalter gehalten sein, sich auf einen einzigen sicheren Übermittlungsweg zu beschränken („mindestens eines“).

Es ist zu begrüßen, dass der Entwurf – anders als noch der Referentenentwurf[127] – Angaben enthält, wie es sich mit Forderungsanmeldungen auf sicheren Übermittlungswegen i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO verhält.[128]

Die mit dem Entwurf zum Ausdruck gebrachte Flexibilität bei der elektronischen Forderungsanmeldung, neben der weiterhin bestehenden Möglichkeit zur schriftlichen Forderungsanmeldung,[129] führt jedoch dazu, dass eine bundeseinheitliche Handhabung in weite Ferne rückt.

 

b) gängiges Dateiformat

Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO-E neben den Übermittlungswegen ein „gängiges Dateiformat“ vorgeben.

Nach Kritik am Referentenentwurf[130] findet sich zum „gängigen Dateiformat“ in der Entwurfsbegründung nun zumindest folgender Hinweis: Das gewählte Dateiformat muss eine einfache bildliche Wiedergabe (Scan) im Sinne des § 130a Absatz 3 ZPO-E ermöglichen.“

In § 130a Abs. 3 ZPO-E heißt es:

„Soll ein schriftlich einzureichender Antrag oder eine schriftlich einzureichende Erklärung einer Partei oder eines Dritten als elektronisches Dokument eingereicht werden, so kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung in ein elektronisches Dokument übertragen und durch den Bevollmächtigten, den Vertreter oder den Beistand nach Satz 1 übermittelt werden.“

In der Begründung zu § 130a Abs. 3 ZPO-E wird ausgeführt, dass es sich bei § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht um den Fall des ersetzenden Scannens, sondern lediglich um eine Erleichterung zur Wahrung der prozessualen Schriftform handelt.[131]

Nach der Definition des § 130a Abs. 2 ZPO muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.[132]

Die naheliegende Frage, ob § 174 Abs. 4 Satz InsO-E diese grundsätzliche Maßgabe als lex specialis verdrängen soll, wird – soweit ersichtlich – im Entwurf nicht weiter erörtert.

Dies ist jedoch insofern von Bedeutung, als dass einzelne Bundesländer[133] bspw. Vorgaben über die Einreichung und Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 InsO in maschineller Form machen,[134] die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden können.

Hier besteht Klarstellungsbedarf, ob § 174 Abs. 4 Satz InsO-E als lex specialis § 130a Abs. 2 ZPO verdrängen soll.

Der Einsatz einer Systemplattform nach dem Muster des belgischen Systems (s.o.) wäre auch hier eine erhebliche Vereinfachung. In einem solchen System könnte auch die Forderungsanmeldung bruchlos durch eine entsprechende Eingabemaske mit elektronischer Hilfefunktion (Hinweise zum richtigen und vollständigen Ausfüllen) unterstützt werden.

Für die weitere Vereinfachung des Verfahrens wäre der von Kollbach[135] vorgeschlagene Verzicht auf eine Übermittlung von Vertragsunterlagen an das Gericht bei unbestrittenen Forderungen und eine Übermittlung der Tabellendaten erst nach dem Prüftermin sinnvoll.

 

II. Änderungen des StaRUG (Art. 38)

Die Änderungen des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG) dienen in ihrer Mehrzahl der Klarstellung und Präzisierung. Die Ansätze zur weiteren Digitalisierung von Restrukturierungsverfahren sind grundsätzlich zu begrüßen, geben jedoch Anlass zu weiteren Anmerkungen:

 

1. § 45 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3a StaRUG-E (Erörterungs- und Abstimmungstermin)

§ 45 soll ein neuer Absatz 3a angefügt werden:

„Auf die Beifügung des vollständigen Restrukturierungsplans nebst Anlagen gemäß Absatz 3 Satz 2 kann verzichtet werden, wenn der Schuldner den elektronischen Zugriff auf diese Dokumente gewährleistet und der Geladene anhand der in der Ladung enthaltenen Zugangsdaten auf die Dokumente zugreifen kann. Liegt ein wichtiger Grund vor, kann der Geladene die Übermittlung der schriftlichen Dokumente verlangen.“

§ 45 Abs. 2 soll zudem folgender Satz angefügt werden:

„Soll auf die Zustellung des vollständigen Restrukturierungsplans und der Anlagen verzichtet werden, hat der Antrag Angaben dazu zu enthalten, wie der elektronische Zugang zu diesen Dokumenten sichergestellt wird; insbesondere sind die den Betroffenen bereitzustellenden Zugangsdaten mitzuteilen.“

Ausweislich der Entwurfsbegründung soll die heute „nach § 45 Absatz 3 Satz 2 StaRUG erforderliche Beifügung des Restrukturierungsplans und der zugehörigen Anlagen (…) verzichtbar sein, wenn ein effektiver elektronische Zugriff auf diese Dokumente gewährleistet wird und der Geladene in den Stand gesetzt wird, anhand der in der Ladung enthaltenen Zugangsdaten effektiv auf die Dokumente zuzugreifen.“[136]

Maßgebliches Kriterium ist danach (allein) ein effektiver elektronischer Zugriff auf die genannten Dokumente. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf darum gebeten zu prüfen, ob die (…) zu eröffnende Zugriffsmöglichkeit auf einen vom Schuldner veranlassten elektronischen Dokumentenabruf für die Terminsladung der Planbetroffenen im gerichtlichen Restrukturierungsverfahren ausreichend ist. So könne das Gericht nicht lückenlos überwachen, ob der Schuldner den Planbetroffenen einen dauerhaften elektronischen Zugang zu den o.g. Dokumenten ermöglicht. Infolgedessen (…) [könne] kann das Gericht auch nicht gewährleisten, dass den Planbetroffenen zureichendes rechtliches Gehör nach § 45 Absatz 3 StaRUG gewährt worden ist. Der Erörterungs- und Prüfungstermin könnte mit diesbezüglichen Streitigkeiten belastet und das Gerichtsverfahren verzögert werden.[137]

Der Entwurf sieht im Hinblick auf Insolvenzverfahren in § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E bereits vor, dass den Gerichten Zugang zu Gläubigerinformationssystemen zu gewähren ist,[138] die ein Einsichtsrecht im Rahmen der Ausübung ihrer Aufsicht nach § 58 InsO haben.[139] Ferner wird zu Recht davon ausgegangen, dass in Eigenverwaltungsverfahren der Schuldner regelmäßig nicht selbst über ein solches System verfügen wird und die Gläubigerinformation über ein vom Sachwalter geführtes System bewerkstelligt werden kann (vgl. § 5 Abs. 6 InsO-E).

Ggf. käme für das Restrukturierungsverfahren daher eine ähnliche Regelung in Betracht, wonach die notwendigen Informationen über ein dann vom Restrukturierungsbeauftragten geführtes Gläubigerinformationssystem zur Verfügung gestellt werden. Dies ist selbstverständlich nur in Fällen möglich, in denen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird.

 

2. § 85 Abs. 4 Satz 2 StaRUG-E (Besondere Bestimmungen)

Ergänzend sieht § 85 Abs. 4 Satz 2 StaRUG-E für den Fall, dass die Zustellung von Ladungen nach § 45 Abs. 3 unterbleibt, vor, jedem Planbetroffenen auf dessen Verlangen die Ladung sowie den vollständigen Restrukturierungsplan nebst Anlagen elektronisch zuzuleiten oder elektronisch zugänglich zu machen.

Ausweislich der Entwurfsbegründung darf der Schuldner keine besonderen Anforderungen an den Übertragungsweg stellen und die Dokumente auf Verlangen des Planbetroffenen auch per einfacher E-Mail übermitteln.[140]

Dies bedeutet, dass der Schuldner insoweit mangels besonderer Anforderungen an einen (elektronischen) Übermittlungsweg lediglich den Nachweis der Absendung einer (einfachen) E-Mail erbringen könnte[141].

 

III. Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (Art. 37)

Im Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung ist in Art. 103n-E folgende Überleitungsvorschrift vorgesehen:

„(1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 17. Juli 2024 eröffnet worden sind, sind § 5 Absatz 5 und § 8 Absatz 3 der Insolvenzordnung in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden. § 5 Absatz 6 und § 28 Absatz 4 der Insolvenzordnung sind auf diese Verfahren nicht anzuwenden.

(2) § 174 Absatz 4 Satz 1 und 2 der Insolvenzordnung in der ab dem 17. Juli 2024 geltenden Fassung ist auch auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die vor dem 17. Juli 2024 eröffnet worden sind.“

Die kurz gefasste Übergangsvorschrift des Art. 37 löst erheblichen Anpassungsdruck aus, der zu nochmals erhöhten Kosten führen wird.

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen denjenigen Verwaltern, die bereits auf eigene Kosten elektronische Gläubigerinformationssysteme vorhalten und diese kurzfristig anpassen sowie denjenigen, die diese Systeme vollständig neu einführen müssen.

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung (GOI) sehen für die Mitglieder des VID bereits seit über 10 Jahren vor, dass der (Insolvenz-) Verwalter den am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern online aktuelle Informationen zu den Ergebnissen der Forderungsprüfung, zur voraussichtlichen Verfahrensdauer und Quote sowie zur Erreichbarkeit zur Verfügung stellt (GOI-Grundsatz 46).[142] Entsprechende Systeme werden weitgehend bei den Insolvenzkanzleien geführt und gepflegt, die hierbei auf unterschiedliche Anbieter zurückgreifen.

Aus der gerichtlichen Praxis kam jedoch bereits zum Referentenentwurf der Hinweis, dass insbesondere in Verbraucherinsolvenzverfahren „bei etlichen Insolvenzgerichten kleinere Kanzleien tätig [sind], die den finanziellen Aufwand für die Einführung des GIS scheuen und damit nicht mehr zur Verfügung stehen. Aber gerade diese Kanzleien wickeln für die Gerichte eine große Anzahl wenig lukrativer Verfahren (Nullverfahren) ab.“[143]

Unabhängig von den Kosten der Umstellung, bzw. Neueinführung elektronischer Gläubigerinformationssysteme ist die Umsetzungsfrist, die nach Abschluss des Gesetzgebungsprozesses lediglich wenige – wenn überhaupt – Wochen umfasst, erheblich zu kurz.

 

IV. Änderungen der Zivilprozessordnung (Art. 13)

Bestimmten Verfahrensbeteiligten soll es in allen Verfahrensordnungen ermöglicht werden, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichnete Anträge oder Erklärungen (zum Beispiel Insolvenzanträge) durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren.[144]

Wie bereits ausgeführt heißt es dazu in § 130a Abs. 3 ZPO-E:

„Soll ein schriftlich einzureichender Antrag oder eine schriftlich einzureichende Erklärung einer Partei oder eines Dritten als elektronisches Dokument eingereicht werden, so kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung in ein elektronisches Dokument übertragen und durch den Bevollmächtigten, den Vertreter oder den Beistand nach Satz 1 übermittelt werden.“

Von der Möglichkeit einer echten digitalen Antragstellung in Insolvenzverfahren[145] ist die vorgeschlagene Regelung bedauerlicherweise (noch) weit entfernt. Ohne die Eingabe strukturierter Daten verbleibt es insbesondere bei der personal- und zeitintensiven (händischen) Übertragung in die gerichtlichen Systeme.

 

Berlin, 10.05.2024

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Unternehmensinsolvenzverfahren können bereits bei mittleren Unternehmensgrößen sehr hohe Beteiligtenzahlen aufweisen.

[2] BT-Drucksache 20/10943.

[3] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[4] Vgl. Entwurf, S. 1.

[5] Vgl. Entwurf, S. 2.

[6] Siehe VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz, abrufbar unter: https://www.vid.de/wp-content/uploads/2023/11/VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf.

[7] Der Notwendigkeit, auch außerhalb von § 5  Abs. 5 InsO Informationsangebote für „Offliner“ vorzuhalten, trägt die weiterhin bestehende Möglichkeit der Akteneinsicht Rechnung (vgl. dazu https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/offliner-deutschland-2023-100.html).

[8] Entwurfsbegründung, S. 63 (Einleitung zu Artikel 36).

[9] Entwurfsbegründung, S. 63 (zur Änderung von § 5 InsO).

[10] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 63.

[11] Siehe unter: RegSol. (siehe dort für Verbraucherinsolvenzen „JustRestart“).

[12] Das Entwurfskonzept würde insbesondere bei institutionellen Gläubigern einzelne Accounts zumindest bei jeder Verwalterkanzlei erfordern.

[13] Auskunft  Ann De Jaeger (Fa. Aginco, Aginco | The RegSol Case)) vom 08.05.2024.

[14] Beth / Bogumil: Durchbruch für die digitale Kommunikation zwischen Gericht und Gläubigern? in ZInsO 2024, 487 ff. (489).

[15]Stellungnahme des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) vom 27.11.2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellungnahmen/2023/1127_Weitere_Digitalisierung_Justiz_BDR.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[16] Zum „Stand der elektronischen Akte bei den Insolvenzgerichten“ und den diesbezüglichen Herausforderungen Blankenburg in ZInsO 2013, 2201 ff.

[17] Schmidt: Mit mobiler Schuldner-App die Verwaltung von Verbraucherinsolvenzen revolutionieren in Existenz Magazin 47, 30 f.

[18] Zum Sachwalter vgl. unter b).

[19] Vgl. VID-Stellungnahme zum RefE SanInsFoG, dort S. 78, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/10/VID-Stellungnahme-zum-RefE-SanInsFoG.pdf.

[20] Stellungnahme des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) vom 27.11.2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellungnahmen/2023/1127_Weitere_Digitalisierung_Justiz_BDR.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[21] Vgl. dazu auch Kampf: Fortschritt der Digitalisierung der Justiz – auf Kosten der Insolvenzverwalter? in ZVI 2024, 117.

[22] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 42.

[23] Vgl. § 5 Abs. 6 InsO-E, wonach im Fall der Eigenverwaltung die Gläubigerinformation über ein vom Sachwalter geführtes System bewerkstelligt werden kann, wenn der Schuldner selbst nicht über ein geeignetes System verfügt.

[24] Gegen eine Übertragbarkeit der BGH-Entscheidung auf die Rechtslage nach Einführung des § 5 Abs. 5 InsO Reck in Schmidt, Privatinsolvenzrecht, KO, 2. Aufl. 2021, § 5, Rz. 16; ebenso Graeber/Graeber, InsVV, 4. Auflage 2022, § 4 InsVV, S. 478, Rz. 68.

[25] Zimmer in Zimmer, InsVV, 2. Aufl. 2021, § 4 InsVV, Rz. 176.

[26] Graeber/Graeber, InsVV, 4. Auflage 2022, § 4 InsVV, S. 479, Rz. 69, der neben einer Pauschale für die Vorhaltung zzgl. 1,50 € pro Zugriff eines Insolvenzgläubigers auf das eGIS vorschlägt.

[27] Ausführlich zur Funktionsweise von „RegSol“ der Vortrag Ann de Jaeger am 09.11.2023 auf dem Deutschen Insolvenzverwalterkongress 2023 (Digitalisierung von Insolvenzverfahren: Das Beispiel RegSol).

[28] Auskunft Ann de Jaeger (Fa. Aginco) vom 06.05.2024.

[29] Bspw. Blankenburg Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin; Lüdtke, ZVI 2021, 91 ff.; Heyer/Blankenburg, ZInsO 2022, 501 ff.; Madaus, BeckOK, InsO, § 5 Rn. 28 (Stand 15.10.2021); Rüther in Hamb-KO InsO, 9. Aufl. 2022, § 5, Rz. 50; Deppe/Radschuwait, InsbürO 2022, 340 ff.

[30] Entwurfsbegründung, S. 63.

[31] Entwurfsbegründung, S. 64.

[32] Die Entwurfsbegründung führt auf S. 64 in Ergänzung des Satzes „Da aber einerseits nicht immer gesichert sein wird, dass der Schuldner über die dafür erforderliche IT-Infrastruktur verfügt und anderseits der Sachwalter über ein entsprechendes System verfügen wird, ist der Sachwalter verpflichtet, das von ihm vorgehaltene System zur Verfügung zu stellen“ aus: „Das ändert nichts an der materiellen Verantwortung des Schuldners, für eine vollständige und richtige Information der Gläubiger zu sorgen.“.

[33] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 64.

[34] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 64.

[35] Auch eine Schwärzung von Dokumenten, die regelmäßig (eine Vielzahl) personenbezogene(r) Daten anderer Gläubiger enthalten, wäre zum einen mit einem erheblichen personellen Aufwand des Insolvenzverwalters, zum anderen mit einer Reduzierung des Informationsgehalts (ggf. bis auf Null) verbunden; zur Komplexität datenschutzrechtlicher Fragen sei auch auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Schwärzung von (personenbezogenen) Daten in Dokumenten verwiesen, so bspw. gegen eine Anonymisierung im Hinblick auf Beschlüsse, Heyer/Blankenburg a.a.O., S. 505; differenzierend Kollbach zur „Kürzung“ von Verwalterberichten in ZIP 2022, 201 f.

[36] Pressemitteilung Kontrolle der LfDI bewirkt Stopp unzulässiger Veröffentlichungen von personenbezogenen Insolvenzdaten“ vom 16.08.2022, abrufbar unter Kontrolle der LfDI bewirkt Stopp unzulässiger Veröffentlichungen von personenbezogenen Insolvenzdaten – Die Landesbeauftragte für Datenschutz (bremen.de).

[37] Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192.

[38] Auf den Streit, ob Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht zur Tabelle angemeldet haben, als Beteiligte anzusehen sind, solange die Forderung noch angemeldet werden könnte (vgl. Rüther, a.a.O., § 4, Rz. 36) kommt es hier nicht an, da die Anmeldung vom Gesetzgeber als Grundvoraussetzung genannt ist.

[39] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506, die jedoch darauf verweisen, dass es im Hinblick auf die Zugriffsberechtigung auf das eGIS bei diesen Gläubigern zumeist an der fehlenden Anmeldung zur Tabelle scheitert; nachrangige Gläubiger erst ab Zulassung ihrer Forderungsanmeldung durch das Insolvenzgericht (§ 174 Abs. 3), so Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 52.

[40] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin sowie Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506; ebenso Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 52; a.A. Kollbach in ZIP 2022, 203.

[41] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin, sowie Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506; a.A. Kollbach in ZIP 2022, 199 (203).

[42] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin.

[43] Bei auch nur teilweiser Feststellung einer Forderung dürfte das Einsichtsrecht als Beteiligter bestehen (vgl. BGH 07.05.2020, IX ZB 56/19, Rz. 6), so dass der Zugang zum eGIS zu gewähren ist. (Nach Heyer/Blankenburg besteht eine Gläubigerstellung unstreitig dann, wenn zumindest ein Teil der Forderung anerkannt wurde (a.a.O. S. 507).

[44] Dies ist insb. in Fällen relevant, in denen die Forderung zwar dem Grunde nach besteht, vom Insolvenzverwalter jedoch wegen der geltend gemachten Höhe insgesamt bestritten wird, z.B. bei Schätzforderungen von Fiskus, Sozialversicherungsträgern oder der Agentur für Arbeit; auf diese Problematik hinweisend auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 507.

[45] Vgl. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S.192 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/241/1924181.pdf).

[46] Kollbach geht davon aus, dass elektr. Gläubigerinformationssysteme nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch die Gerichtsakten in Teilen abbilden, um mit der Neuregelung vor allem die Gerichte zu entlasten, während die Informationssysteme bis zur Einführung von §  5 Abs. 5 InsO „vor allem auf Forderungsanmeldung, Informationen über Prüfungsergebnisse (Anerkennung/Bestreiten, Quotenaussicht) und Termine ausgerichtet“ waren, vgl. ZInsO 2023, 723 ff. (725).

[47] Hilfe – Akteneinsichtsportal, dort unter Ziff. 2 und 3 (Das Gericht kann zudem (auch) eine temporäre Nutzer-ID für das Akteneinsichtsportal (Benutzername und Kennwort) anlegen, was mit Gewährung der Akteneinsicht erfolgt.).

[48] Stand 07.05.2024.

[49] Siehe https://services.akteneinsichtsportal.de/saml/discovery?returnIDParam=idp&entityID=https://services.akteneinsichtsportal.de/saml/metadata („Wählen Sie einen Verzeichnisdienst“).

[50] So hat bspw. beim eBO (besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach, § 10 ERVV) der Postfachinhaber gem. § 11 Abs. 2 ERVV im Rahmen der Identitätsfeststellung seinen Namen und seine Anschrift nachzuweisen, u.a. durch den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (Abs. 2 Nr. 1). Zum Registrierungsverfahren beim beA siehe auch die FAQs der Bundesnotarkammer (Zertifizierungsstelle)[50] zur beA-Karte (FAQ_beA_180704.pdf (bnotk.de).)

[51] Kritisch auch Beth/Bogumil: Durchbruch für die digitale Kommunikation zwischen Gericht und Gläubigern? in ZInsO 2024, 487 ff. (489).

[52] Zu den Voraussetzungen des Zuganges der Gläubiger zum elektronischen Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters ausführlich Radmann in NZI 19/2023, 749 ff.

[53] Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192.

[54] Vgl. auch Lüdtke, a.a.O., S. 92 der darauf verweist, dass die Missbrauchsanfälligkeit infolge versehentlicher Zugriffsgewährung an Nichtberechtigte deutlich höher ist als bei der Gewährung von Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle, wo eine fallbezogene individuelle Kontrolle durch das Gericht stattfindet.

[55] Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 54.

[56] Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 504.

[57] https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/.

[58] Zur Unterscheidung in der InsO zwischen öffentlicher Bekanntmachung und der Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle siehe auch Lüdtke, a.a.O., S. 92.

[59] Begr. RegE BT-Drucks. 19/24181 vom 09.11.2020, S. 59.

[60] BT-Drs. 19/25303, S. 93f.; die Streichung wurde im Bericht des Rechtsausschusses vom 16.12.2020 (BT-Drs. 19/25353, S. 13 f.) wie folgt begründet: „Der Ausschuss hat die Regelung zur Einschränkung der Veröffentlichung von Insolvenzverwaltervergütungsbeschlüssen überprüft. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Transparenz der mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Kosten gegenüber den Gläubigern von hoher Bedeutung ist. Denn das zentrale Ziel des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Insolvenzverwaltervergütung schmälern die Insolvenzmasse, die an die Insolvenzgläubiger verteilt werden kann. Der Zugang der Gläubiger zu den Informationen über die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung und die Möglichkeit, gegen fehlerhafte Vergütungsbeschlüsse ein Rechtsmittel einlegen, sollte daher nicht erschwert werden. Dies stellt die bisherige Fassung des § 64 InsO in der Auslegung durch den BGH sicher, wonach die Vergütungsbeschlüsse mit Ausnahme der festgesetzten Beträge im Wesentlichen vollständig zu veröffentlichen sind (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 – IX ZB 65/16). Bei ihr soll es bleiben.“

[61] Für eine Einstellung der (vollständigen) Vergütungsbeschlüsse Kollbach in ZIP 2022, 201; so auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505, die darauf abstellen, dass das GIS nur verfahrensbeteiligten Gläubigern zugänglich ist, die grds. ein Akteneinsichtsrecht gem. § 299 Abs. 1 ZPO haben – unterliegt die betroffene Entscheidung / der Beschluss der Akteneinsicht, ist eine Einstellung in vollem Wortlaut in das GIS angezeigt (Ausnahme: Beschluss wäre in einem Sonderband veröffentlicht); für eine Einstellung aller Beschlüsse die im Lauf des Verfahrens ergehen Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342.

[62] Entwurfsbegründung, S. 68.

[63] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[64] Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin.

[65] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[66] Entwurfsbegründung, S. 63.

[67] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S.17 (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[68] Entwurfsbegründung, S. 64.

[69] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 18 (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[70] Ebenso Lüdtke, a.a.O. S. 93; Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[71] Dafür etwa Voigt-Salus/Pape in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl., Kapitel 22, Rn. 169 ff.

[72] Siehe auch Deppe/Radschuwait, a.a.O., S. 342: „Was sich der Gesetzgeber unter Berichten vorstellt, welche ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, bleibt der eigenen Phantasie überlassen, da die Insolvenzordnung derartige Berichte nicht vorsieht.“

[73] Vgl. auch Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55: „Sieht das Gesetz vor, dass bestimmte Unterlagen für die Gläubiger zur Einsicht der Beteiligten ausgelegt werden (z.B. die Schlussrechnung mit allen Belegen, dem gerichtlichen Prüfungsvermerk und den Bemerkungen des Gläubigerausschusses, § 66 Abs. 2; das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht, §§ b151 ff., 154; das Verteilungsverzeichnis, § 188) sind diese nicht Gegenstand des elektronischen Gläubigerinformationssystems. Insoweit handelt es sich weder um eine >>Entscheidung<< des Insolvenzgerichts noch den eigentlichen Verwalter>>bericht<< (…), wonach Abs. 5 aus Gründen des Datenschutzes dahin gehend teleologisch zu reduzieren ist, dass keine Unterlagen Gegenstand des elektronischen Gläubigerinformationssystems sind, die nicht öffentlich bekannt gemacht, sondern lediglich zur Einsichtnahme ausgelegt werden.“

[74] Der Insolvenzverwalter(/Sachwalter) steht als Verantwortlicher für die Datenverarbeitung, anders als das Gericht, unter Aufsicht der zuständigen Landesdatenschutzbehörde und ist bei Datenschutzverstößen Adressat etwaiger Bußgelder.

[75] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 18 ff. m.w.N. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[76] Entwurfsbegründung, S. 64.

[77] Ebenso Heyer/Blankenburg, wonach die Tabelle in digitaler Form geführt wird und schon fraglich wäre, wie der Verwalter diese Information ins eGIS einstellen sollte, da ein Dokument in Form eines Tabellenauszuges noch gar nicht vorhanden wäre. Zu Recht weisen die Autoren darauf hin, dass ab dem Prüfungstermin die Tabelle bei Gericht zu führen ist, sodass die Erklärungen dort abzugeben sind und der Verwalter nicht ohne weiteres darauf zurückgreifen kann (a.a.O., S. 506). Für eine Tabellenniederlegung nur im Gläubigerinformationssystem Kollbach, ZInsO 2023, 2633 ff., mit Argumenten, die zurecht auf die bestehenden Lücken bei der Digitalisierung hinweisen.

[78] § 5 Abs. 5 InsO bezieht sich auf das eröffnete Insolvenzverfahren, während das Gutachten im Vorfeld für das Insolvenzgericht erstellt wurde; der Inhalt des Gutachtens findet ferner in den einstellungspflichtigen Berichten Berücksichtigung.

[79] A.A. Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[80] Ebenso Lüdtke, a.a.O., S. 93 und Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[81] Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[82] Da das Gesetz keine Einschränkungen hinsichtlich des Urhebers eines Berichts enthält, werden Berichte von Kassenprüfern an dieser Stelle behandelt.

[83] Im Einzelnen dazu auch Lüdtke, a.a.O., S. 93.

[84] Ebenso Lüdtke, a.a.O., S. 93.

[85] Heyer/Blankenburg sehen die Fallgruppe der die eigene Forderung betreffenden Unterlagen (sogar) als Auffangtatbestand für sämtliche Dokumente, die nicht bereits nach § 5 Abs. 5 Fallgruppe 2 den Gläubigern zur Verfügung gestellt werden (a.a.O., S. 506).

[86] Ablehnend auch Lüdtke, a.a.O., S. 93 und Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 56.

[87] So wohl auch Heyer/Blankenburg, die darauf verweisen, dass dem erheblichen Mehraufwand für den Verwalter kein Mehrwert des Gläubigers gegenübersteht, a.a.O., S. 506.

[88] Gegen eine Digitalisierungspflicht und die Übernahme einer zusätzlichen Archivierung von Unterlagen des Gläubigers auch Kollbach in ZIP 2022, 202; ebenso auch Kexel, in Graf-Schlicker, InsO-KO, 6. Aufl. 2022, § 5, Rz. 31 wonach der Insolvenzverwalter die eigenen Unterlagen des Gläubigers oder solche, die er ohnehin schon auf anderem Weg erhalten hat, nicht nochmals zusammenzustellen hat, bzw. auch nicht verpflichtet ist, solche ggf. noch eigens zu digitalisieren.

[89] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 63.

[90] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 504 zu Beschlüssen der Gläubigerversammlung.

[91] Lüdtke, a.a.O., S. 92 f.: “Unverständlich ist, weshalb § 5 Abs. 5 InsO nur vorsieht, die Entscheidungen des Insolvenzgerichts in das System einzustellen, nicht aber auch die Entscheidungen der Gläubigerschaft, obgleich sie nach dem Grundsatz der Gläubigerautonomie über den Fortgang des Verfahrens und die bedeutsamsten Rechtshandlungen des Verwalters entscheiden sollen (§§ 157 ff. InsO). Daher sollten zumindest auch die gerichtlichen Protokolle der Gläubigerversammlungen zur Verfügung gestellt werden. Anders verhält es sich bei den Protokollen von Sitzungen des Gläubigerausschusses. Sie können nicht als „gerichtliche Entscheidung“ angesehen werden und sind aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des Ausschusses auch nicht gläubigeröffentlich.“; zu Protokollen von Gläubigerausschusssitzungen und deren Besonderheiten, wenn diese vertrauliche Informationen enthalten, siehe auch Kollbach in ZIP 2022, 199 ff. (201).

[92] a.a.O., S. 93.

[93] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 63.

[94] Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 505; für eine Einstellung von Protokollen, die gerichtliche Entscheidungen enthalten, die zur umfassenden Information der Gläubiger notwendig sind, vgl. auch Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342.

[95] Kollbach in ZIP 2022, 203 f., der die elektronische Akte und das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als Rückschritt in der IT-Konzeption bezeichnet.

[96] Kollbach in ZIP 2022, 203 f.

[97] Für PDF als gängiges Dateiformat auch Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 53.

[98] Offen bleibt, ob seitens der Entwurfsverfasser mit einem „gängigen Dateiformat“ auch fälschungssicher gemeint ist.

[99] Entwurfsbegründung, S. 63 f.

[100] Entwurfsbegründung, S. 64 f.

[101] Zur Kritik am Referentenentwurf vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 27 (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[102] wie bspw. Fotos.

[103] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 17 (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[104] Entwurfsbegründung, S. 64.

[105] So regelte § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E in der Fassung des Referentenentwurfs: „Der Insolvenzverwalter hat den Nutzungsberechtigten die für den Zugang erforderlichen Daten nach Eingang der Forderungsanmeldung oder der Zustimmung zur elektronischen Zustellung unverzüglich zur Verfügung zu stellen.“; zur Kritik vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 23 f. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[106] Entwurfsbegründung, S. 64.

[107] Entwurfsbegründung, S. 64.

[108] Gegen eine Nutzungspflicht zu Recht u.a. Kollbach in ZInsO 2022, 624 ff., für eine Nutzungspflicht u.a. Beth in ZInsO 2022, 750 ff.

[109] BGH IX ZB 11/22, Rz. 9.

[110] Entwurfsbegründung, S. 66.

[111] Vgl. Art. 36 Nr. 4a) des Entwurfes.

[112] Bedingt durch die Umkodierung der Daten für den Transport.

[113] Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 ERVV.

[114] Hier müsste eine (technisch mögliche) Erweiterung des EGVP geschaffen werden.

[115] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 28 f. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf) sowie Stellungnahme der Fachgruppe EUREKA-WINSOLVENZ (abrufbar auf BMJ-Homepage unter: Fachgruppe EUREKA-WINSOLVENZ (bmj.de).

[116] Dazu auch Kollbach, ZInsO 2023, 2633 (2634).

[117] Entwurfsbegründung, S. 65.

[118] Entwurfsbegründung, S. 64.

[119] Zu den Ausnahmen vgl. Satz 5: „Satz 4 gilt nicht, wenn der Empfänger nachweist, dass das Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.“

[120] Vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 29 f. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[121] Vgl. Entwurfsbegründung zu § 8 Abs. 3 InsO-E, S. 64: „Voraussetzung für die elektronische Zustellung an nicht in professioneller Eigenschaft am Verfahren beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen ist eine Zustimmung zu dieser Zustellungsvariante nach Maßgabe des § 173 Absatz 4 ZPO.“

[122] Entwurfsbegründung, S. 64.

[123] Entwurfsbegründung, S. 65.

[124] Entwurfsbegründung, S. 65.

[125] Entwurfsbegründung, S. 65.

[126] Entwurfsbegründung, S. 66.

[127] Zur damaligen Kritik vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 31f. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[128] Zum Streitstand der Frage einer etwaigen Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs bei der Forderungsanmeldung/Anmeldung über Gläubigerinformationssysteme Kollbach in ZInsO 2023, 723 ff. (727), der sich kritisch mit dem Beitrag von Deppe/Radschuwait, InsbürO 2022, 378 ff. auseinandersetzt.

[129] Entwurfsbegründung, S. 65.

[130] Zur damaligen Kritik vgl. Stellungnahme des VID zum Referentenentwurf, S. 32f. (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-weiteren-Digitalisierung-der-Justiz.pdf).

[131] Entwurfsbegründung, S. 56.

[132] Die geplanten Änderungen des § 130a Abs. 2 ZPO-E betreffen (lediglich) Ergänzungen.

[133] Vgl. Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO) sowie Entwurf einer Verordnung über die Einreichung und Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung in maschineller Form (Niedersachsen).

[134] So sieht § 2 Abs. 3 der eTab InsO NRW vor: „Entsprechen die elektronischen Dokumente den Anforderungen dieser Verordnung nicht, so liegt kein wirksamer Eingang vor.“; der niedersächsische Verordnungsentwurf regelt in § 4 Abs. 3 VO-E, dass Forderungsanmeldungen, neben weiteren Voraussetzungen, im PDF-Format zu übermitteln sind und kein wirksamer Eingang (Abs. 4) vorliegt, wenn die elektr. Dokumente nicht den zwingenden Anforderungen der Verordnung entsprechen oder zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet sind.

[135] ZInsO 2023, 2633 (2636).

[136] Entwurfsbegründung, S. 67.

[137] Drucksache 126/24 (Beschluss) vom 26.04.2024, S. 8 f.

[138] Was in der Praxis bereits heute der Fall ist.

[139] Entwurfsbegründung, S. 64.

[140] Entwurfsbegründung, S. 68.

[141] Wenn der Plan (und/oder Anlagen) personenbezogene Daten enthalten, dürfte das problematisch sein. Zum Versand von Email-Nachrichten vgl. Orientierungshilfe der Datenschutzkonferenz vom 27.05.2021 „Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten bei der Übermittlung per E-Mail“ (abrufbar unter: 2021-DSK_OH-E-Mail-Verschluesselung.pdf (datenschutz-berlin.de)

[142] In der Fassung seit 2016.

[143] Stellungnahme des Bund Deutscher Rechtspfleger vom 27.11.2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellungnahmen/2023/1127_Weitere_Digitalisierung_Justiz_BDR.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[144] Entwurfsbegründung, S. 33.

[145] In Belgien ist seit Anfang November 2023 eine digitale Antragstellung auch in Verbraucherinsolvenzverfahren möglich: JustRestart: volledige digitalisering van collectieve schuldenregeling | Federale overheidsdienst justitie (belgium.be)

 

RefE des Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetzes

A. Einleitung

Mit dem Referentenentwurf[1] (nachfolgend Entwurf) soll der missbräuchlichen Ausübung des Eigentums an sog. Schrott- oder Problemimmobilien durch den Erwerb in der Zwangsversteigerung begegnet werden:

„Betroffene Gemeinden konnten in einigen Fällen beobachten, dass derartige Immobilien zu einem den Verkehrswert deutlich übersteigenden Wert ersteigert werden und der Ersteher nur die Sicherheitsleistung, anschließend jedoch nicht sein Gebot bezahlt hat. Da der Ersteher mit der Verkündung des Zuschlags Eigentümer der Immobilie wird, darf er jedoch ab dem Zeitpunkt des Zuschlags auch die Nutzungen aus der Immobilie ziehen, beispielsweise Mieten aus bestehenden Mietverhältnissen einziehen oder die Immobilie neu vermieten. Dadurch kann der Ersteher erhebliche Einnahmen generieren. In einigen dieser Fälle berichten betroffene Gemeinden von Überbelegung und Verwahrlosung der Immobilie, die auch mit zusätzlichen Problemen und Rechtsverstößen einhergehen können, wie zum Beispiel Lärm oder Vermüllung. Die Nutzung der Immobilie, ohne das Gebot zu zahlen, stellt sich in diesen Fällen daher als Missbrauch der erlangten Eigentümerstellung dar. Wird das Gebot nicht belegt, kommt es zwar in der Regel zu einer Wiederversteigerung. Da jedoch zwischen Zuschlag und neuem Versteigerungstermin regelmäßig mehrere Monate vergehen, kann der Ersteher in der Zwischenzeit erhebliche Einnahmen erzielen. Zugleich verschlechtert sich der Zustand der Immobilie weiter, bis dem Ersteher bei der Wiederversteigerung das Eigentum wieder entzogen wird. Diesem missbräuchlichen Erwerb soll durch den Entwurf entgegengewirkt werden.“[2]

Dem soll, bei geschätzt rund 30 Fällen deutschlandweit pro Jahr[3], durch die Einführung eines neuen § 94a ZVG-E begegnet werden.

Dieser sieht vor, der Gemeinde, in der das Grundstück liegt – unabhängig von den Voraussetzungen des § 94 ZVG und von sonstigen Voraussetzungen – das Recht einzuräumen, in einem Zwangsversteigerungsverfahren einen Antrag auf gerichtliche Verwaltung zu stellen.[4]

Mit dem in § 94a Abs. 3 ZVG-E enthaltenen Verweis auf § 94 Abs. 2 ZVG werden die Vorschriften über die Zwangsverwaltung hinsichtlich der Bestellung des Verwalters sowie dessen Rechte und Pflichten für anwendbar erklärt.[5] § 94a Abs. 4 ZVG-E regelt u.a. das Verhältnis der gerichtlichen Verwaltung zur Zwangsverwaltung.[6]

Die geplante Regelung des § 94a ZVG-E wirft eine Vielzahl an Fragen auf. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Frage des Anwendungsbereichs der Norm.

 

B. Im Einzelnen

Nachdem der Titel („Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz“) und die im Entwurf geschilderte Problematik auf Schrott-, bzw. Problemimmobilien abstellen, lässt der Entwurf eine entsprechende Definition in § 94a ZVG-E vermissen.

So regelt § 94a Abs. 1 ZVG-E lediglich, dass „auf Antrag der Gemeinde, in der das Grundstück belegen ist, (…) dieses für Rechnung des Erstehers in gerichtliche Verwaltung zu nehmen [ist] (…)“, solange nicht die in § 94a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZVG-E genannten Bedingungen vorliegen.

Ausweislich der Entwurfsbegründung ist der Antrag der Gemeinde außer bezüglich der Lage der Immobilie an keine sonstigen Voraussetzungen gebunden[7]. Die Regelung setzt, so die Begründung, „insbesondere nicht voraus, dass das Gericht prüft und zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei der Immobilie um eine sogenannte Schrott- oder Problemimmobilie handelt. Spiegelbildlich enthält die Vorschrift auch keine Pflicht der Gemeinde, ihren Antrag gegenüber dem Gericht mit entsprechenden Ausführungen zu begründen.“[8]

Lediglich im Allgemeinen Teil der Begründung wird ausgeführt, dass als Schrott- oder Prob-lemimmobilien „umgangssprachlich Immobilien mit nicht vorhandenem Geldwert und fehlender Verwertungsmöglichkeit bezeichnet [werden]. Bei diesen Immobilien kann es zusätzlich zu erheblichen städtebaulichen Missständen kommen, die vom Eigentümer nicht behoben werden, häufig, weil sich dies aus dessen Sicht nicht lohnen würde oder der Eigentümer die erforderlichen finanziellen Mittel dafür nicht aufbringen kann.“[9]

Mangels gesetzlicher Definition von Schrott-, bzw. Problemimmobilien und einer nicht notwendig durchzuführenden Prüfung durch das Gericht ist nach dem Wortlaut der Norm davon auszugehen, dass ein solcher Antrag der Gemeinde künftig für alle im Gemeindegebiet gelegenen Grundstücke möglich ist.

Dies erstaunt insoweit, als dass die Gemeinde, anders als bei § 94 ZVG, nicht einmal Gläubigerin sein muss. Vielmehr verweist die Entwurfsbegründung explizit darauf, dass das Antragsrecht der Gemeinde nach § 94a ZVG-E auch dann besteht, wenn die Gemeinde zwar auch Gläubigerin ist, die Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinde jedoch gezielt beglichen werden und diese dadurch kein Antragsrecht auf gerichtliche Verwaltung nach § 94 ZVG hat.“

 

C. Fazit

Der Anwendungsbereich des § 94a ZVG-E erfasst nach seinem Wortlaut nicht nur sog.
Schrott-, bzw. Problemimmobilien. Diese Lücke bleibt unverständlich, da sie erhebliche Rechtsunsicherheit schafft. Die weitgehenden Interventionsrechte von Gemeinden ohne Gläubigerstellung sind zudem ein Systembruch, der angesichts der voraussichtlich sehr geringen Fallzahlen auch verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

 

Berlin, 22.01.2024

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
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E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Referentenentwurf des BMJ, Stand 18.12.2023.

[2] Entwurfsbegründung, S. 1.

[3] Entwurfsbegründung zum Erfüllungsaufwand, S. 8: „Insgesamt gibt es pro Jahr 21389 Versteigerungsverfahren (…). Nur ein sehr kleiner Teil davon betrifft verwahrloste Immobilien, bei denen der Ersteher ein Gebot deutlich über Verkehrswert abgibt, sein Gebot jedoch nicht bezahlt und trotzdem Nutzungen aus der Immobilie zieht. Für die Berechnung des Erfüllungsaufwands wird davon ausgegangen, dass es deutschlandweit pro Jahr 30 Fälle dieser Art gibt, in denen ein Antrag für die Gemeinde nach bislang geltendem Recht nicht möglich war, künftig aber die gerichtliche Verwaltung beantragt, tatsächlich angeordnet und durchgeführt wird.“

[4] Entwurfsbegründung, S. 1.

[5] Entwurfsbegründung, S. 14.

[6] Entwurfsbegründung, S. 15: Der Regelung des § 94a Abs. 4 Nr. 1 ZVG-E „liegt zu Grunde, dass beide Arten der Verwaltung dem Eigentümer die Verwaltungsbefugnis entziehen und auf den Zwangsverwalter übertragen. Während die Überschüsse aus der Verwaltung des Grundstücks bei der gerichtlichen Verwaltung jedoch später an den Ersteher auszukehren sind, sind sie bei der Zwangsverwaltung auf die Forderungen der Gläubiger zu verteilen. Treffen beide Verfahren der Verwaltung zusammen, sind die Interessen von Gläubigern auf Befriedigung ihrer Forderung höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen der Gemeinde, die nicht auf Gläubigerbefriedigung gerichtet sind.“

[7] Zur Frage, wie mit Grundstücken umzugehen ist, die in mehreren Gemeinden liegen, siehe Entwurfsbegründung, S. 12.

[8] Entwurfsbegründung, S. 12.

[9] Entwurfsbegründung, S. 5.

 

RegE Selbstbestimmungsgesetz

A. Einleitung

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen bei Abweichung des Geschlechtseintrags im Verhältnis zur Geschlechtsidentität vereinheitlicht und eine selbstbestimmte Änderung der Geschlechtsidentität geregelt werden. Widersprüche und Unklarheiten des bislang maßgeblichen Transsexuellengesetzes (TSG), die durch die Entscheidungen des BVerfG zur punktuellen Verfassungswidrigkeit einzelner Voraussetzungen entstanden sind, sollen zudem im Sinne eines konsistenten Gesamtsystems aufgelöst und ausgewogen geregelt werden.[1]

Die Inanspruchnahme der geplanten Regelungen des Art. 1 des Entwurfs (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag, nachfolgend SBGG-E) steht gleichermaßen Personen[2] in finanziellen Schwierigkeiten offen, d.h. denjenigen, bei denen ein Insolvenz-, bzw. Restschuldbefreiungsverfahren (unmittelbar) bevorsteht[3], die sich bereits in einem solchen Verfahren befinden oder ein solches abgeschlossen[4] haben.

Von den geplanten Regelungen können nicht nur Personen Gebrauch machen, die Organe einer juristischen Person sind, zu denen registerrechtliche Eintragungen bestehen. So dürfte die Neuregelung insbesondere für Insolvenzverfahren natürlicher Personen bedeutsam werden.

Nachfolgend stehen die mit der Änderung des Geschlechtseintrags und des/der Vornamen verbundenen insolvenzrechtlichen Implikationen während eines Insolvenz-, bzw. Restschuldbefreiungsverfahren im Fokus.[5] Dazu zählt neben den Veröffentlichungen im Insolvenzportal insbesondere der Umgang des Insolvenzverwalters mit den (geänderten) Daten des Schuldners.

 

B. Im Einzelnen

I. § 6 SBGG-E Wirkungen der Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen

§ 6 Abs. 1 SBGG-E sieht vor, dass der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sind, soweit auf die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung oder die Vornamen Bezug genommen wird und durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Ausweislich der Entwurfsbegründung ändert sich mit § 6 Abs. 1 SBGG-E hinsichtlich der Rechtsfolgen – im Vergleich zum bisher geltenden § 10 TSG[6] – nichts. Es wird lediglich klargestellt, dass es stets um Rechtsfolgen geht, für die der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister bzw. die dort eingetragenen Vornamen einer Person relevant sind.[7]

Für Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren sind der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen des Schuldners von erheblicher Bedeutung:

 

1. Öffentliche Bekanntmachungen

Die Insolvenzordnung schreibt für zahlreiche Informationen zum Verfahren, bzw. einzelne Verfahrensschritte eine öffentliche Bekanntmachung vor.[8]

Diese erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 InsO)[9] unter https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/ und ist für jedermann frei zugänglich.[10] Die öffentliche Bekanntmachung kann auch auszugsweise erfolgen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 2. HS).

Die europäischen Vorgaben zur Einrichtung solcher Insolvenzregister sind in Art. 24 ff. EuInsVO[11] geregelt. Die Pflichtinformationen finden sich in Art. 24 Abs. 2 EuInsVO, wozu nach Abs. 2e) und f) auch der Name des Schuldners zählt.[12]

Der Schuldner ist in den insolvenzrechtlichen Veröffentlichungen „genau zu bezeichnen“ (§ 9 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Im Hinblick auf den Vornamen des Schuldners hat der BGH in seiner Entscheidung vom 10.10.2013 (IX ZB 229/11) ausgeführt: „(…) Bei der öffentlichen Bekanntmachung von Beschlüssen des Insolvenzgerichts im Internet auf der länderübergreifenden Justizplattform www.insolvenzbekanntmachungen.de ist der zu veröffentlichende Beschluss des Insolvenzgericht einschließlich des Vornamens des Schuldners einzugeben. (…) Die fehlende Angabe des Vornamens des Schuldners kann dazu führen, dass die Veröffentlichung keine Wirkungen entfaltet, weil die notwendige Unterscheidungskraft nicht gewahrt ist; die Angabe des Vornamens wird durch die Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzsachen im Internet nicht ausgeschlossen. (…)[13]

Der Vorname des Schuldners[14] stellt damit eine unverzichtbare Angabe[15] der Insolvenzbekanntmachungen dar.[16]

 

2. Antragsformulare für Insolvenz-, bzw. Restschuldbefreiungsverfahren

Vor diesem Hintergrund verlangen die Gerichte die Angabe des Vornamens des Schuldners und er wird auch bereits in den – aus Servicegründen zur Verfügung gestellten – Antragsformularen erfragt, soweit die Angabe nicht ohnehin – wie im Formular zum Verbraucherinsolvenzverfahren und zur Restschuldbefreiung – zwingend ist:

Auch wenn das BMJ(V) von der in § 13 Abs. 4 InsO geregelten Ermächtigung zur Einführung von Antragsformularen für den Schuldner (bislang) keinen Gebrauch gemacht hat, stellen die Länder aus Servicegründen regelmäßig eine Antragsvorlage zur Verfügung. In dieser Vorlage („Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für natürliche Personen, Selbständige oder ehemals Selbständige, für die das Regelinsolvenzverfahren gilt mit Antrag auf Restschuldbefreiung“) sind neben dem Namen, dem Vornamen und dem Geburtsnamen auch frühere Namen des Schuldners anzugeben.[17] Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Antragsangaben sind vom Schuldner zu versichern.

Die Besonderheiten des Verbraucherinsolvenzverfahrens sind in § 304 ff. InsO geregelt. Die verbindlichen Formulare für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren[18] sehen dabei neben der Angabe des Namens und des/der Vornamen/s, des Geburtsnamens sowie früherer Namen zudem die Angabe des Geschlechts des Schuldners vor.[19]

Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag hin eröffnet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO), wobei die Gläubiger[20] (Fremdantrag) und der Schuldner (Eigenantrag) antragsberechtigt sind (Satz 2).

Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO enthält der Eröffnungsbeschluss Firma oder Namen und Vornamen, Geburtsdatum, Registergericht und Registernummer, unter der der Schuldner in das Handelsregister eingetragen ist, Geschäftszweig oder Beschäftigung, gewerbliche Niederlassung oder Wohnung des Schuldners.[21]

 

II. § 10 SBGG-E Änderung von Registern und Dokumenten

1. § 10 Abs. 1 SBGG-E (amtliche Register)

Sind der Geschlechtseintrag und die Vornamen einer Person im Personenstandsregister geändert worden, so kann sie, sofern eine Anpassung nicht bereits aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen erfolgt, verlangen, dass Einträge zu ihrem Geschlecht und ihren Vornamen in amtlichen Registern geändert werden, wenn dem keine besonderen Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E). Bisherige Einträge in amtlichen Registern bleiben erhalten (Abs. 1 Satz 2).

§ 10 Abs. 1 SBGG-E, so die Entwurfsbegründung, stellt klar, „dass ein Anspruch im Sinne des § 242 BGB besteht, die Angaben zu Geschlecht und Vornamen in anderen amtlichen Registern als dem Personenstandsregister ändern zu lassen, wenn die Änderung im Personenstandsregister nicht automatisch in weiteren Registern nachvollzogen wird.“[22]

Damit wird, so die Entwurfsbegründung weiter, der nach geltendem Recht bereits aus § 5 TSG abgeleitete Anspruch auf Datenberichtigung in für die Person wichtigen Dokumenten ausdrücklich normiert und dient (auch) der Durchsetzung des in § 13 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E geregelten Offenbarungsverbots[23].

 

a) Insolvenzportal als Register i.S.d. Abs. 1

Das nationale Insolvenzportal (https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/) dürfte – schon aufgrund der o.g. europäischen Vorgaben zur Einrichtung von Insolvenzregistern – vom Begriff des „amtlichen Registers“ in § 10 Abs. 1 SBGG-E erfasst sein.

Die bisherigen Einträge[24] bleiben dort – ausweislich § 10 Abs. 1 Satz 2 SBGG-E – erhalten.

Abrufe aus (solchen) amtlichen Registern (und amtlichen Informationssystemen), die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erfolgen, sind ungeachtet des Offenbarungsverbots des § 13 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E nach § 13 Abs. 4 SBGG-E zulässig.

 

b) Auswirkungen in (laufenden) Insolvenz-/ Restschuldbefreiungsverfahren

Vorliegend besteht die Besonderheit, dass im Insolvenzportal – ergänzend zu den bisherigen (nicht änderbaren) Einträgen – fortlaufend Einträge zum jeweiligen Verfahren ergänzt werden.

Ändert der Schuldner seinen Geschlechtseintrag und seine(n) Vornamen im (eröffneten) Insolvenzverfahren stellt sich die Frage, ob eine Datenberichtigung „bereits aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen“ erfolgt, bzw. ein Anpassungsverlangen des Schuldners notwendig ist und in welcher Form eine Berichtigung erfolgt.

Die Änderung im Personenstandsregister wird nicht automatisch im Insolvenzportal nachvollzogen.

Gem. § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1-10 SBGG-E informiert die zuständige Meldebehörde nach Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen (lediglich) die folgenden Behörden zur Aktualisierung der in den von ihnen geführten Register und Informationssysteme gespeicherten Daten zu dieser Person: Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesverwaltungsamt zum Nationalen Waffenregister und zum Ausländerzentralregister, soweit das Bundesverwaltungsamt Daten im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verarbeitet (§ 1 Absatz 1 Satz 2 des AZR-Gesetzes), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es sei denn im Melderegister ist ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit der betroffenen Person verzeichnet, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst, die jeweils zuständigen Landeskriminalämter, Zollkriminalamt, Hauptzollämter, Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen. Die Insolvenzgerichte sind hier, ebenso wie bei den Adressaten im automatisierten Verfahren (§ 13 Abs. 5 Satz 2 SBGG-E)[25], nicht genannt.

Auf ein etwaiges Anpassungsverlangen des Schuldners dürfte es jedoch nicht ankommen, da der Schuldner in den insolvenzrechtlichen Veröffentlichungen ohnehin genau zu bezeichnen ist[26] (siehe oben).

Um den Schuldner hinreichend genau zu bezeichnen, erfolgt bei einer (Nach-)Namensänderung bislang üblicherweise eine Ergänzung dahingehend, dass in der öffentlich bekannt gemachten Entscheidung des Insolvenzgerichts „Frau Anna Mustermann“ sodann als „Frau Anna Musterfrau, geb. Mustermann“ bezeichnet wird.[27]

Daran angelehnt wäre der Schuldner im laufenden Verfahren sodann mit neuem Vornamen, jedoch versehen mit einem Zusatz des bisherigen Vornamens[28] zu bezeichnen.[29]

Eine Klarstellung wäre an dieser Stelle hilfreich.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Gläubiger, die einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner unter altem Namen erwirkt haben, die Möglichkeit erhalten, auf diese Weise ohne Titelumschreibung einen Vollstreckungstitel auf den neuen (Vor-)Namen des Schuldners zu erhalten (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO).[30]

 

2. § 10 Abs. 2 SBGG-E (Dokumente)

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 SBGG-E kann die Person zudem verlangen, dass bestimmte Dokumente, soweit sie Angaben zum Geschlecht oder zum Vornamen enthalten, mit dem geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen neu ausgestellt werden, soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden kann. Ausweislich der Entwurfsbegründung ist die Aufzählung der neu auszustellenden Dokumente (Zeugnisse und andere Leistungsnachweise, Ausbildungs- und Dienstverträge, Besitzstandsurkunden, Führerscheine, Versicherungsnummer-Nachweis und elektronische Gesundheitskarte sowie Zahlungskarten) in Abs. 2 Satz 1 abschließend.[31] Es wird daher davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf eine Neuausstellung von Dokumenten, die vor einer Änderung im Personenstandsregister vom jeweiligen Amtsträger (Sachverständiger, Insolvenzverwalter) gefertigt wurden, wie bspw. Gutachten, Berichte, Verzeichnisse, Sachstände, Anschreiben, Aktenvermerke etc., nicht besteht.

Auf die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses des Schuldners kommt es insofern nicht mehr an.

 

III. § 13 SBGG-E Offenbarungsverbot

§ 13 Abs. 1 SBGG-E regelt, dass die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe bzw. die eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung der Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden dürfen, wenn Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person nach § 2 SBGG-E geändert worden sind. Das Offenbarungsverbot ist bußgeldbewehrt (§ 14 SBGG-E).

In der Entwurfsbegründung wird dazu ausgeführt: „Das Tatbestandsmerkmal des Offenbarens ist als Mitteilen einer Tatsache an einen Dritten zu verstehen, der diese Tatsache zur Zeit der Mitteilung nicht, nicht in dem mitgeteilten Umfang, nicht in dieser Form oder nicht sicher kennt (…). Die Offenbarung über etwas, was bereits bekannt ist, ist nicht möglich.

Der Begriff „ausforschen“ wurde bereits in § 5 TSG verwendet. Im Gegensatz zu „offenbaren“ sind damit Konstellationen gemeint, in denen die bisherigen Daten der transgeschlechtlichen Person durch eingehende, intensive oder ständige Anfragen in Erfahrung gebracht werden.“[32]

Das Offenbarungsverbot richtet sich nicht nur an staatliche Stellen, sondern auch an private Personen.[33]

Der Insolvenzverwalter als gerichtlich bestellter Amtsträger in einem nicht-öffentlichen Verfahren korrespondiert nicht nur mit dem Insolvenzgericht, sondern auch mit (einer Vielzahl von) Gläubigern, (Ermittlungs-) Behörden, Dritten etc. zum schuldnerischen Verfahren.

Es muss sichergestellt werden, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit auch Altdaten des Schuldners (weiter)verarbeiten und in der Korrespondenz mit Verfahrensbeteiligten und Dritten verwenden darf, ohne gegen das Offenbarungsverbot zu verstoßen.

 

1. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners

Grundsätzlich ist der Schuldner zunächst verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO.) „Damit sind nur solche Bereiche ausgeklammert, die eindeutig und offenkundig nichts mit dem Verfahren zu tun haben, insbesondere höchstpersönliche Angelegenheiten, z.B. aus dem familiären Bereich. Persönliche Verhältnisse des Schuldners sind allerdings in dem Moment wieder relevant, als diese Auswirkungen auf seine eigene wirtschaftliche Lage haben, z.B. Unterhaltspflichten.“[34]

Danach ist davon auszugehen, dass der Schuldner dem Insolvenzverwalter (bzw. dem Insolvenzgericht) eine während des Verfahrens erfolgte Änderung im Personenstandsregister umgehend mitzuteilen hat, um seinen insolvenzrechtlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten[35] nachzukommen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach § 13 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und 6 SBGG-E die Mitteilung des bisherigen und geänderten Vornamens sowie des bisherigen und geänderten Geschlechtseintrages an bestimmte Behörden im automatisierten Verfahren erfolgt. Dazu gehören u.a. das Bundeszentralamt für Steuern und das Kraftfahrtbundesamt.[36]

Gemäß § 98 Abs. 1a) InsO kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen, bspw. wenn der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach § 97 InsO nicht nachkommt, an Stelle des Gerichtsvollziehers Maßnahmen nach § 802 l Abs. 1 Satz 1 ZPO durchführen, wozu Datenabfragen beim Bundeszentralamt für Steuern und dem Kraftfahrtbundesamt gehören.

 

2. Einverständnis des Schuldners

Der Tatbestand des Offenbarungsverbots ist dann nicht erfüllt, wenn die vom Schutzbereich der Norm erfasste Person mit der Mitteilung einverstanden ist.[37] D.h. hat der Schuldner zugestimmt, dürfen die bis zur Änderung eingetragene(n) Geschlechtsangabe/Vorname(n) offenbart werden.

Hier stellt sich die Frage, ob in Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahren nicht bereits mit dem Antrag eine solche Zustimmung des Schuldners zur Offenbarung verlangt werden sollte.[38]

 

3. Ausnahmen vom Offenbarungsverbot

Ausnahmen vom Offenbarungsverbot des § 13 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E bestehen (nur) dann, wenn

  • amtliche Register oder amtliche Informationssysteme personenbezogene Daten zu dieser Person enthalten und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung von Daten nach Satz 1 nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1),
  • besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenbarung der Daten nach Satz 1 erfordern (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) oder
  • ein rechtliches Interesse an den Daten nach Satz 1 glaubhaft gemacht wird (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3).

Nachfolgend wird auf die Ausnahmetatbestände des § 13 Abs. 1 Satz 2 SBGG-E im Einzelnen eingegangen:

 

a) Nr. 1 Amtliche Register oder amtliche Informationssysteme
aa) Amtliche Register

Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass das Insolvenzportal als amtliches Register i.S.d. Entwurfs zu verstehen ist. Es enthält personenbezogene Daten des Schuldners, deren Verarbeitung im Rahmen der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stelle nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist (hier § 9 Abs. 1 und 2 InsO).

Für den Insolvenzverwalter dürfte daher maßgeblich sein, welche/n Vornamen/Geschlechtsangabe das Insolvenzgericht in seinen, den Veröffentlichungen zugrunde liegenden, Entscheidungen verwendet.

Eine Verletzung des Offenbarungsverbots durch den Insolvenzverwalter muss ausgeschlossen sein, wenn sich der Insolvenzverwalter an der vom Gericht verwendeten Bezeichnung des Schuldners orientiert, die im Insolvenzportal veröffentlicht wird.

Für sog. Altdaten regelt § 13 Abs. 3 SBGG-E, dass das Offenbarungsverbot nach Absatz 1 einer weiteren Verarbeitung der bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in amtlichen Registern oder Informationssystemen enthaltenen Angaben nicht entgegensteht (Satz 1). Amtliche Register und amtliche Informationssysteme dürfen zur Nachvollziehbarkeit der Identität von Personen, die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben verarbeiten, wenn andere Rechtsvorschriften eine Verarbeitung der aktuellen Daten vorsehen (Satz 2).

In der Entwurfsbegründung heißt es dazu: Absatz 3 ermöglicht, dass amtliche Register und Informationssysteme zur Nachvollziehbarkeit der Identität von Personen die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben verarbeiten dürfen. Voraussetzung ist, dass die anderen Rechtsvorschriften die Befugnis zur Verarbeitung der jeweils aktuellen Daten vermitteln. Absatz 3 erweitert die jeweils vorhandene Befugnis in Bezug auf die bisherigen Daten, ohne dass die anderen Rechtsvorschriften selbst eine solche Befugnis in Bezug auf die bisherigen Daten vermitteln müssen.“[39]

Da der Schuldner in den öffentlichen Bekanntmachungen genau bezeichnet werden muss (§ 9 Abs. 1 Satz 2 InsO), dürfte es sich dabei um die in der Entwurfsbegründung bezeichneten „jeweils aktuelle[n] Daten“ handeln[40].

An dieser Stelle ist erneut zu beantworten, wie ein Schuldner, der während eines Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahrens von den Möglichkeiten des § 2 SBGG-E Gebrauch macht, genau zu bezeichnen ist.[41]

 

bb) Amtliche Informationssysteme

Gemäß § 5 Abs. 5 InsO sollen Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. In den einzustellenden Dokumenten finden sich zwangsläufig zahlreiche personenbezogene Daten des Schuldners.

Der aktuelle Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz sieht vor, dass elektronische Gläubigerinformationssysteme künftig in allen Insolvenzverfahren vorgehalten und als zentraler Zugangspunkt für sämtliche verfahrensrelevanten Informationen ausgebaut werden.[42] In diesem System sollen künftig auch alle elektronisch zugestellten Dokumente zum Abruf zur Verfügung gestellt werden.[43]

Beim elektronischen Gläubigerinformationssystem des Verwalters handelt es sich schon nach dem Wortlaut der Norm nicht um ein amtliches Informationssystem und beim Insolvenzverwalter um keine öffentliche Stelle.

Die im elektronischen Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters den Gläubigern und dem Gericht zur Verfügung gestellten personenbezogenen Daten begründen damit keinen eigenen Ausnahmetatbestand i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SBGG-E.

Eine Verletzung des Offenbarungsverbots muss jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn der Insolvenzverwalter in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben ein elektronisches Gläubigerinformationssystem für das Verfahren unterhält.

 

b) Nr. 2 Besondere Gründe des öffentlichen Interesses

Besondere Gründe des öffentlichen Interesses nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sind insbesondere dann gegeben, wenn die Offenbarung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden sowie amtlichen Stellen mit Sicherheitsaufgaben erforderlich ist (§ 13 Abs. 1 Satz 3 SBGG-E).

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass die Kenntnis von Eintragungen unter den früheren Vornamen bspw. bei der Durchführung von Personenkontrollen durch die Polizei oder einer Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesministerium der Verteidigung erforderlich ist. Ebenso bestehe ein öffentliches Interesse bei der Ermittlung des Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung.[44]

Hier fehlt eine Klarstellung, dass auch die Durchführung eines Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahren einen solchen besonderen Grund des öffentlichen Interesses an einer Offenbarung der Daten darstellt.

 

c) Nr. 3 Rechtliches Interesse

Eine Ausnahme vom Offenbarungsverbot liegt ferner vor, wenn ein rechtliches Interesse an den Daten nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E glaubhaft gemacht wird.

Die Entwurfsbegründung verweist hier u.a. auf das Beispiel eines Gläubigers eines Vollstreckungstitels: Der Gläubiger eines Vollstreckungstitels, der gegen einen Schuldner unter den bisherigen Vornamen ergangen ist, hat Anspruch auf Mitteilung der neuen Vornamen, um den Titel umschreiben lassen zu können. Ist dagegen der Titel gegen eine Person unter den neuen Vornamen ergangen, kann ein rechtliches Interesse an der Auskunftserteilung oder Offenbarung der früheren Vornamen darin liegen, dass der Gläubiger feststellen will, ob die Person unter den früheren Vornamen die eidesstattliche Versicherung (Vermögensauskunft des Schuldners gemäß § 802c ZPO) abgelegt hat (…)“. [45]

Ausweislich der Entwurfsbegründung sind die Interessen der Gläubiger grundsätzlich zu berücksichtigen. Wenn den Gläubigern[46] bereits im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung ein rechtliches Interesse an den Daten des Schuldners zugestanden wird, das eine Ausnahme vom Offenbarungsverbot begründet, muss dies für Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren erst recht gelten.

Für den Fall, dass nicht bereits per se bei Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahren die unter Ziff. b) genannten besondere Gründe des öffentlichen Interesses für eine Offenbarung der Daten vorliegen, ist klarstellungsbedürftig, dass auch der Insolvenzverwalter/Treuhänder im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit ein rechtliches Interesse an den Daten des Schuldners hat.

Der Hinweis in der Entwurfsbegründung, dass der Tatbestand des § 13 Abs. 1 SBGG-E ausgeschlossen ist, „(…) wenn der bisherige Geschlechtseintrag oder die bisherigen Vornamen bereits allgemein oder dem Adressaten bekannt waren, da die Informationen dann diesem konkreten Adressaten(-kreis) gegenüber nicht mehr offenbart werden können (…)“[47]hilft an dieser Stelle nicht weiter. Denn der Insolvenzverwalter kann nicht darauf vertrauen, dass (allen) Verfahrensbeteiligten die Information zum Schuldner bereits bekannt war.

Wir regen an klarzustellen, dass Veröffentlichungen im Insolvenzportal dazu führen, dass der bisherige Geschlechtseintrag oder die bisherigen Vornamen bereits als allgemein bekannt gelten und deshalb auch ein rechtliches Interesse vom Insolvenzverwalter nicht glaubhaft gemacht werden muss.[48]

Hilfreich wäre dazu folgende Ergänzung in § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SBGG-E:

Satz 1 gilt nicht, wenn 1. (…), 2. (…) 3. ein rechtliches Interesse an den Daten nach Satz 1 glaubhaft gemacht wird oder offenkundig ist.

Hintergrund ist, dass gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 SBGG-E die bisherigen Einträge zu(m) alten Vornamen des Schuldners im Insolvenzportal erhalten bleiben und damit offenkundig sind.

 

IV. Bußgeldvorschriften

Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E die Geschlechtszugehörigkeit oder einen Vornamen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (§ 14 Abs. 1 SBGG-E).

Ausweislich der Entwurfsbegründung wird eine Schädigungsabsicht der handelnden Person, also ein auf die ein getretene Schädigung der betroffenen Person abzielendes Handeln, vorausgesetzt; sie liegt nur vor, wenn der Täter der betroffenen Person einen über die bloße Offenbarung hinausgehenden, selbständigen Nachteil zufügen will (…)[49].

So liegt es beim Insolvenzverwalter/Treuhänder, der in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben handelt, jedoch gerade nicht.

 

C. Fazit

  1. Die gesetzlich verankerten Veröffentlichungs- und Informationspflichten in Insolvenz-/ Restschuldbefreiungsverfahren kollidieren mit einzelnen Regelungen des Gesetzentwurfs.
  1. Es bedarf dringend einer Klarstellung, dass in Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahren für die Verfahrensbeteiligten Ausnahmen vom bußgeldbewährten Offenbarungsverbot bestehen. Dabei ist sicherzustellen, dass Insolvenzverwalter/Treuhänder nicht Gefahr laufen, durch die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gegen das Offenbarungsverbot des § 13 Abs. 1 SBGG-E zu verstoßen.

 

Berlin, 12.12.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Entwurfsbegründung, S. 26 f.

[2] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[3] Zu Fragen der Offenbarung des früheren (Vor-)Namens durch Schuldnerberatungsstellen im außergerichtlichen Einigungsversuch vgl. Büttner in NZI 2019, 569 ff. (572).

[4] Bspw. in Fällen, in denen ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wird (vgl. § 287a Abs. 2 InsO).

[5] Auf die insolvenzrechtlichen Implikationen einer Inanspruchnahme der geplanten Regelungen bei der Stellung von Anträgen auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sei es durch den Schuldner selbst (Eigenantrag) oder durch Gläubiger (Fremdanträge), wird hier nicht eingegangen.

[6] § 10 Abs. 1 TSG: „Von der Rechtskraft der Entscheidung an, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.“

[7] Entwurfsbegründung, S. 45.

[8] So bspw. in §§  5 Abs.  2 Satz  4, 23 Abs. 1 Satz  1 , 26 Abs.  1 Satz  3, 30 Abs.  1, 34 Abs.  3 Satz  1, 74 Abs.  2 Satz  1, 78 Abs.  2 Satz  1, 177 Abs.  3 Satz  1, 188 Satz  3, 197 Abs.  2, 200 Abs.  2 Satz  1, 208 Abs.  2 Satz  1, 214 Abs.  1 Satz  1, 215 Abs.  1 Satz  1, 235 Abs.  2 Satz  1, 241 Abs.  2 Satz  2, 258 Abs.  3 Satz  1, 267 Abs.  1 und 2, 268 Abs.  2 Satz  1, 273, 277 Abs.  3 Satz  1, 287a Abs.  1 Satz  2, 290 Abs.  3 Satz  2, 296 Abs.  3 Satz  2, 300 Abs.  4 Satz  1, 303 Abs.  3 Satz  3 InsO.

[9] Insolvenzbekanntmachungen: Suche nach Veröffentlichungen.

[10] Zur etwaig eingeschränkten Suche im Insolvenzportal vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsBekV.

[11] VERORDNUNG (EU) 2015/848 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), abrufbar unter EUR-Lex – 32015R0848 – EN – EUR-Lex (europa.eu).

[12] Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a) InsBekV ist der „Familienname“ des Schuldners bekannt zu machen.

[13] A.a.O., Leitsatz a) und b).

[14] Zur Veröffentlichung des Vornamens Heyer in Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenz, 2. Aufl. 2022, § 9, Rn. 17.

[15] In der Suchmaske des Insolvenzportals werden dazu, wenn es sich beim Schuldner/bei der Schuldnerin um eine natürliche Person handelt der, bzw. die vollständigen Vornamen sowie der vollständige aktuelle Familienname/Nachname erfragt, vgl. Hilfetexte der Suchmaske zu den Feldern Vor- und Nachnamen des Schuldners.

[16] Zur Publikation auch des vormaligen Vornamens siehe Büttner, a.a.O., S. 573 zum TSG.

[17] Vgl. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für natürliche Personen, Selbständige oder ehemals Selbständige, für die das Regelinsolvenzverfahren gilt mit Antrag auf Restschuldbefreiung (InsO_10_Neusatz_breiter.indd (justiz.de), dort Fragebogen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse.

[18] Vgl. Verbraucherinsolvenzformularverordnung, § 305 V InsO.

[19] Vgl. Formulare für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (Formulare für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (justiz.de), dort Anlage 1 zum Eröffnungsantrag.

[20] Zu den möglichen Konstellationen bei Stellung eines Gläubigerantrages (Gläubiger kennt die Namensänderung, bzw.  fehlende Kenntnis des Gläubigers von der Änderung des Vornamens) vgl. Büttner, a.a.O., S. 575 ff.

[21] Bereits zum TSG vertrat Büttner zu Recht, dass sich im „gerichtlichen Insolvenzverfahren (…) der/die Schuldnerin aufgrund seine[r]/ihrer umfassenden Auskunftspflicht bereits mit Einreichung des Insolvenzantrages bei Gericht ausdrücklich mit der Mitteilung der Namensänderung gegenüber den Gläubigern und der Mitteilung im Eröffnungsbeschluss einschließlich der öffentlichen Bekanntmachung durch die Veröffentlichung der entsprechenden Daten, nämlich neuer Vorname und vormaliger Vorname, einverstanden erklären [muss], auch wenn die früheren Namen nicht ausdrücklich in § 27 II  Nr. 1 InsO erwähnt sind.“  (a.a.O, S. 572 f.); zu den Folgen, wenn der Schuldner die „Anforderungen nicht erfüllt und sich zwecks eindeutiger Identifizierung seiner Person nicht mit der Mitteilung und Veröffentlichung früherer Vornamen ausdrücklich im Rahmen des § 5 Abs. 1 TSG einverstanden erklärt“ (unzulässiger Insolvenzantrag), a.a.O., S. 573).

[22] Entwurfsbegründung, S. 53.

[23] Entwurfsbegründung, S. 53.

[24] Die Löschungsfristen richten sich nach § 3 InsBekV.

[25] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 63.

[26] Zu den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners siehe unten Ziff. III. 1.

[27] Siehe auch Heyer in Privatinsolvenz, 2. Aufl. 2022, § 9 InsO, Rz. 74, wonach Gerichte in der Regel Geburtsnamen oder frühere Namen des Schuldners mit veröffentlichen und hierüber (auch) im Insolvenzportal gesucht werden kann.

[28] Für eine Angabe auch des vormaligen Vornamens vgl. Büttner, a.a.O., S. 573.

[29] Zu Fragen des Offenbarungsverbots siehe nachfolgend unter Ziff. III.

[30] Beachte § 201 Abs. 1 und 3 InsO.

[31] Entwurfsbegründung, S. 55.

[32] Entwurfsbegründung, S. 60.

[33] Entwurfsbegründung, S. 60.

[34] Wedekind in Pape/Uhländer, NWB Kommentar zum Insolvenzrecht, 1. Aufl. 2013, § 97 Rn. 22; ähnlich auch Zipperer, in Uhlenbruck, 15. Auflage 2019, § 97, Rn. 7: „Die Auskunftspflicht erstreckt sich nicht auf höchstpersönliche Tatsachen, die in keinem Bezug zum Verfahren und zur vermögensrechtlichen Situation des Schuldners stehen (…). Ein anhängiges Ehescheidungsverfahren kann im Hinblick auf eine Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung verfahrensrechtlichen Bezug haben und ist insoweit auskunftspflichtig.“

[35] Zur Mitteilungspflicht des Schuldners bereits bei Einreichung des Insolvenzantrages siehe Büttner, a.a.O., S. 572.

[36] Entwurfsbegründung, S. 63.

[37] Entwurfsbegründung, S. 60.

[38] Vgl. dazu auch Büttner, a.a.O., S. 574: „Auch wenn das Gericht die Möglichkeit hätte, über das rechtliche Interesse die früheren Vornamen der betroffenen Person  von Amts wegen zu veröffentlichen, erscheint es – insbesondere zur Vermeidung von Rechtsmitteln – ratsam, eine ausdrückliche Einverständnis-/Zustimmungserklärung für die Verwendung der früheren Namen im laufenden Insolvenzverfahren, inklusive der Bekanntgabe an den Insolvenzverwalter und alle mit dem Verfahren verbundenen Beteiligten einzuholen.“

[39] Entwurfsbegründung, S. 63.

[40] Zu Recht weist Heyer darauf hin, dass bei Änderungen in den Schuldnerdaten, die das Gericht über die Veröffentlichungen vornimmt, stets bedacht werden muss, dass die Gerichte die Daten im Insolvenzportal nicht fortlaufend aktualisieren, sondern dass Änderungen immer nur der jeweils nächsten Veröffentlichung erfolgen (a.a.O. § 9 Rz. 74).

[41] Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 6.

[42] Vgl. Art. 36, § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E, Referentenentwurf vom 05.09.2023, abrufbar unter BMJ – Aktuelle Gesetzgebungsverfahren – Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz.

[43] Vgl. Art. 36, § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO-E, Referentenentwurf vom 05.09.2023, abrufbar unter BMJ – Aktuelle Gesetzgebungsverfahren – Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz.

[44] Entwurfsbegründung, S. 61.

[45] Entwurfsbegründung, S. 61.

[46] Fraglich ist auch, wem gegenüber der Gläubiger seinen o.g. Anspruch auf Mitteilung des neuen Vornamens geltend machen soll. Sollte sich dies auf eine (erweiterte) Auskunft aus dem Melderegister beziehen, ist bereits fraglich aufgrund welcher Anhaltspunkte der Gläubiger Kenntnis davon erhalten kann, dort (auch) geänderte Vornamen zu erfragen.

[47] Entwurfsbegründung, S. 61.

[48] Bei der Glaubhaftmachung würde sich zudem die Frage stellen, wem gegenüber der Insolvenzverwalter sie wann vorzunehmen hätte.

[49] Entwurfsbegründung, S. 65.

 

RegE Leitentscheidungsverfahren

A. Einleitung

Der vorliegende Gesetzentwurf (nachfolgend Entwurf) soll der effizienten Erledigung von Massenverfahren im Zivilprozess dienen und dem BGH die Möglichkeit einräumen, ein bei ihm anhängiges Verfahren als Leitentscheidungsverfahren zu bestimmen.

Der Entwurf sieht für die Umsetzung die Ergänzung und Änderung einzelner Regelungen in der ZPO vor und nimmt ausgewählte Rechtsgebiete vom Leitentscheidungsverfahren aus.

Indem der Anwendungsausschluss nicht ausdrücklich auf die Insolvenzgerichte erstreckt wird, besteht im Umkehrschluss eine Relevanz für laufende Insolvenzverfahren.

Ein Leitentscheidungsverfahren kann Insolvenzverfahren gleichermaßen betreffen, wie reine zivilrechtliche Streitigkeiten. In einem Insolvenzverfahren sind einerseits massenhaft gleichgelagerte Anfechtungsklagen keine Seltenheit. Im Rahmen von Insolvenzfällen mit hoher Beteiligung von Kapitalanlegern entstehen oft massenhaft gleichgelagerte Anfechtungsansprüche gegen die Anleger zugunsten der Masse.

Bestreitet andererseits der Insolvenzverwalter (oder ein Insolvenzgläubiger) im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO eine Vielzahl gleichgelagerter Forderungen, können massenhafte Klagen auf Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle erhoben werden.

 

B. Im Einzelnen

1. Definition

Mit dem Entwurf wurden die Bedenken hinsichtlich des Anwendungsbereichs nicht ausgeräumt. Es bleibt weiterhin offen, wie weitreichend sog. „massenhafte Einzelklagen zur gerichtlichen Geltendmachung gleichgelagerter (Verbraucher-)Ansprüche“[1] verstanden werden können. In unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass bei dieser Definition offenbleibt, ob nur Leistungsklagen oder auch Feststellungsklagen von einem Leitentscheidungsverfahren umfasst werden können.[2] Eine Klarstellung, inwieweit der Gesetzgeber massenhafte Feststellungsklagen als ebenfalls denkbar voraussetzt oder bewusst ausnehmen will, lässt erneut auch der vorliegende Entwurf vermissen.

Eine eindeutige Bestimmung des Anwendungsbereichs ist von höchster praktischer Relevanz. Umso mehr verwundert es, dass die unklare Formulierung trotz geäußerter Kritik unkommentiert in den Gesetzentwurf übernommen wurde. Dadurch bleibt weiterhin offen, ob ein
Leitentscheidungsverfahren ausschließlich bei Verbraucheransprüchen möglich sein soll.

Die Klärung dieser Fragestellung ist im Hinblick auf die Anwendbarkeit bei Insolvenzverfahren von wesentlicher Bedeutung. Die Einordnung eines Insolvenzverwalters als Verbraucher ist ungeklärt. Zudem wird nicht geklärt, wie der Begriff der „Geltendmachung“ auszulegen ist. Um eine Doppelung der Ausführungen zu vermeiden, verweisen wir insoweit auf unsere Stellungahme zum Referentenentwurf.[3]

Die offene Definition eines Massenverfahrens birgt ohne genaue Bestimmung des Anwendungsbereichs enorme Rechtssicherheitsdefizite.

 

2. Bestimmung zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO-E

Mit § 552b ZPO-E soll ein Leitentscheidungsverfahren eingeführt werden, um die Ressourcen der Instanzen künftig zu schonen und dadurch die allgemeine Verfahrensdauer zu beschleunigen. Dem BGH soll die Kompetenz zustehen, sich auch dann zu zentralen Rechtsfragen, deren Beantwortung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung sind, äußern zu können, wenn die Revision der Parteien beendet wurde.[4]

Der Entwurf nimmt im Vergleich zum Referentenentwurf lediglich eine Änderung der Frist zur Bestimmung eines Leitentscheidungsverfahrens vor. Die Eingrenzung der Bestimmungsfrist eines Leitentscheidungsverfahrens hilft nicht über die Unbestimmtheit des § 552b ZPO-E hinweg. Die Begründung des Entwurfs lässt eine konkrete Vorgabe vermissen, wann eine „Vielzahl anderer Verfahren[5] vorliegt. Auf die Musterfeststellungsklage oder Abhilfeklage nach dem VDuG, die jeweils eine Mindestzahl an Verbraucheransprüchen voraussetzten, wird in dem Entwurf ebenfalls nicht Bezug genommen.

An der Ausgestaltung des Leitentscheidungsverfahrens als Ermessensentscheidung wird festgehalten, ohne dass die Begründung zumindest beispielhaft Auswahlkriterien für das Revisionsgericht nennt. In den Stellungnahmen zum Referentenentwurf wurde das eingeräumte Ermessen des BGH kritisiert. Insbesondere Prof. Dr. Nikolaj Fischer hat in seiner Stellungnahme deutlich ausgeführt, welche prozessualen Probleme diese Ermessensentscheidung birgt.[6]

Durch die fehlenden Mindestanforderungen bei der Bestimmung einer Leitentscheidung kann es bei den verschiedenen Zivilsenaten des BGH zu einer divergierenden Rechtsanwendung des § 552b ZPO-E kommen. Das verfolgte Ziel der Entlastung und Effizienzförderung der Instanzgerichte kann damit nicht erreicht werden. Vielmehr wird die Rechtsunsicherheit der Anspruchsinhaber erhöht.

 

3. Leitentscheidung nach § 565 ZPO-E

Hat der BGH ein Leitentscheidungsverfahren bestimmt, soll durch den geänderten § 565 ZPO-E auch dann eine Entscheidung ergehen, wenn die Parteien das Revisionsverfahren beenden. Die Leitentscheidung soll – und kann – dabei keine formale Bindungswirkung und keine Auswirkung auf das zugrundliegende Revisionsverfahren entfalten.[7] Der Inhalt und die Form einer Leitentscheidung wurde in den Stellungnahmen zum Referentenentwurf vielfach kritisiert. Indem lediglich kosmetische Änderungen des Wortlauts vorgenommen wurden, konnten die Problemfelder nicht ausgeräumt werden.

An der Kompetenz des BGH zur hypothetischen Urteilsfindung wird festgehalten. Die Leitent-scheidung soll laut Entwurfsbegründung „den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dafür, wie die Entscheidung der Rechtsfragen gelautet hätte“[8], dienen. Unklar bleibt weiterhin, welche Tragweite die Leitentscheidung als Richtschnur konkret haben soll. Der Entwurf erweckt den Anschein, dass eine mittelbare Bindungswirkung der Leitentscheidung geschaffen werden soll. Um der Zielrichtung – die Effizienzförderung und Entlastung der Instanzgerichte – gerecht zu werden, müssen die Instanzgerichte faktisch im Lichte der Leitentscheidung urteilen. Der Entwurf birgt weiterhin die Gefahr für die Parteien, in der ersten Instanz durch bereits vorgeprägte Urteile abgeurteilt zu werden. Hierdurch kann es zu einer Verkürzung des Instanzenzuges kommen. Mit der Ausgestaltung des Leitentscheidungsverfahrens sehen sich die Verfahrensbeteiligten der Beschränkung ihrer prozessualen Handlungsfähigkeit konfrontiert.

Es ist unverständlich, dass der eindeutige Verstoß gegen die Dispositionsmaxime auch im Gesetzentwurf ignoriert wird. Nicht nur in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf wurde dargestellt, dass die prozessuale Handlungsfreiheit – namentlich die Dispositionsmaxime – als Ausfluss der Privatautonomie Schutzgut des Art. 2 Abs. 1 GG ist. Prof. Dr. Fischer führt in seiner Stellungnahme ausführlich aus, dass „im Zivilprozess nur die Parteien die Befugnis haben, darüber zu disponieren, ob überhaupt ein Zivilgericht tätig wird.“[9] Das BVerfG hat klargestellt, dass auch die Wahrung der Privatautonomie Gegenstand einer grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates sein muss, da es die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben betrifft.[10] Nach der aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht müssen staatliche Stellen verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung umkehrt.[11] Durch die Schaffung einer mittelbaren Bindungswirkung durch eine Leitentscheidung droht den Verfahrensbeteiligten bereits in der ersten Instanz die freie Verfügung über den Verfahrensgegenstand faktisch entzogen zu werden.

Eine Rechtfertigung des grundrechtlichen Eingriffs lässt auch die Begründung des Gesetzentwurfs erneut vermissen. Eine gerechtfertigte Beschränkung der Dispositionsmaxime scheitert an den hohen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Aufgrund der sprachlichen Unschärfe und Unbestimmtheit sind die neu gefassten ZPO-Vorschriften zur Zielerreichung nicht geeignet. Eine Entlastung der Instanzen kann erst mit der Entscheidung über die Bestimmung eines Leitentscheidungsverfahrens eintreten. Insofern obliegt es dem BGH aufgrund der vorgesehenen Ermessensentscheidung selbst, ob und inwieweit eine Entlastung erwartet werden kann.

 

4. Notwendigkeit eines Leitentscheidungsverfahrens

In den vergangenen Jahren stand die Justiz mehrmals vor der Herausforderung, umfangreiche Klagewellen bearbeiten zu müssen. Dennoch ist die geäußerte Kritik[12] an der vorgelegten Konzeption eines Leitentscheidungsverfahrens berechtigt. Nach der Prüfung durch den Nationalen Normenkontrollrat wird deutlich, dass der unbestimmte Anwendungsbereich keine Rückschlüsse für die Ermittlung der voraussichtlichen Entlastung der Gerichte zulässt. Gemäß des dargestellten Erfüllungsaufwands wird von schätzungsweise 25 Leitentscheidungsverfahren jährlich ausgegangen. Dadurch seien ca. 2.000 Verfahren je Leitentscheidung erstinstanzlich abzuwenden.[13]

Die genannten Zahlen sind nicht nachvollziehbar. Die Aufstellung erweckt den Anschein, als seien keine empirischen Daten zugrunde gelegt worden. Vielmehr werden für Massenverfahren pauschal der Dieselskandal oder Klagen aufgrund unzulässiger Klauseln in Fitness-, Versicherungs- oder Bankenverträge als Beispiele benannt.[14] Eine empirische Darstellung, wie viele Leitentscheidungen während dieser Verfahrenswellen in der Vergangenheit hätten ausgesprochen werden können, bleibt die Entwurfsbegründung schuldig.

 

5. Aussetzungsmöglichkeit nach § 148 Abs. 4 ZPO-E

Der Entwurf strebt die Entlastung der Instanzgerichte durch eine Erweiterung des § 148 ZPO-E um einen Absatz 4 an. Den Gerichten soll ermöglicht werden, „mit Zustimmung der Parteien solche Verfahren auszusetzen, deren Entscheidung von Rechtsfragen abhängt, die den Gegenstand eines bei dem Revisionsgericht anhängigen Leitentscheidungsverfahrens bilden.“[15]

Die Aussetzungsproblematik im Rahmen von § 148 ZPO ist der Bundesregierung nicht unbekannt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz hatte sich der Bundesrat richtigerweise für eine Aussetzungsmöglichkeit seitens des Gerichts ausgesprochen. Nur dadurch ist eine Entlastung der Gerichte zu erreichen und eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.[16] Aus Sicht der Bundesregierung handelte es sich dabei um eine unangemessene Beschränkung der Verfahrensführung, sodass sie sich dieser Ausgestaltung anschließen wollte. Dieser Meinungsstand wird in dem vorliegenden Entwurf anscheinend weiter vertreten, obwohl dies im Widerspruch zum verfolgten Zweck des Entwurfes steht. Aus prozesstaktischen Gründen kann eine Aussetzung durch die Parteien somit verhindert werden. Diese Abhängigkeit der gewünschten Entlastung der Gerichte von dem Parteiwillen erscheint als Korrektiv zur eingeschränkten Dispositionsmaxime ausgestaltet zu sein.

Indem die Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO unberührt bleiben soll[17], wird der gewünschte Ausgleich wiederum konterkariert. Die Aussetzung des Verfahrens unabhängig von dem Parteiwillen bleibt weiterhin möglich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die in einem Leitentscheidungsverfahren zu klärenden Rechtsfragen können gleichzeitig für das Bestehen und Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses entscheidend sein. In diesen Fällen wird den Gerichten die Möglichkeit eröffnet, über den Parteiwillen hinweg, die Aussetzung eines Verfahrens zu erreichen.

Der Entwurf klärt nicht die Frage, inwieweit eine nach § 565 ZPO-E zu treffende Leitentscheidung ein anhängiges Verfahren im Sinne des § 148 Abs. 1 ZPO sein kann. Der BGH darf erst dann über ein bei ihm anhängiges Verfahren eine Leitentscheidung treffen, wenn dieses ohne Urteil durch die Parteien beendet wurde.[18] Ab diesem Zeitpunkt ist der Streitgegenstand der Verfahrensbeteiligten nicht mehr anhängig. Inwieweit ein Leitentscheidungsverfahren die fehlende Anhängigkeit des zugrundeliegenden Verfahrens ersetzen kann, erschließt sich aus der Entwurfsbegründung nicht.

 

C. Fazit

Obgleich ein Massenverfahren vorliegt, sind die Verfahrensbeteiligten weiterhin angehalten, bis in die Revisionsinstanz zu prozessieren. Die Instanzgerichte erfahren dadurch keine Entlastung. Dem BGH wird neben seiner Zuständigkeit als Revisionsgericht zusätzlich die Auswahl eines Leitentscheidungsverfahrens aufgebürdet.

Die Möglichkeit einer hypothetischen Urteilssetzung entgegen dem erklärten Parteiwillen stellt einen nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff dar. Der Entwurf ist nicht geeignet, die erforderliche Entlastung und Ressourcenschonung der Instanzgerichte herbeizuführen.

In insolvenzrechtlichen Massenverfahren bleibt seine Reichweite und Wirkung unklar. Dies sollte im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt behoben werden, da ansonsten die angestrebte Effizienz bei der Erledigung von Massenverfahren nicht erreicht werden kann.

 

Berlin, 11.12.2023

Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Entwurfsbegründung, S. 8.

[2] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf , S. 2 (abrufbar unter VID-StN-zum-RefE-Leitentscheidungsverfahren.pdf).

[3] A.a.O., S. 2.

[4] Entwurfsbegründung, S. 13.

[5] Vgl. § 552b ZPO-E.

[6] Vgl. Stellungnahme Prof. Dr. Fischer, S. 9 f. (abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellungnahmen/2023/0731_Stellungnahme_Fischer_Leiteintscheidungsverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=3).

[7] Entwurfsbegründung, S. 8.

[8] Entwurfsbegründung, S. 8.

[9] Stellungnahme Prof. Dr. Fischer, S. 6., a.a.O.

[10] BVerfG, NJW 1994, 2749; BVerfG, NJW 1994, 36.

[11] Di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 99. EL Stand September 2022, Art. 2 GG, Rz. 101, 105.

[12] Vgl. Stellungnahmen von Prof. Dr. Fischer, S. 3 f.; Bitkom, S. 2; Deutsche Kreditwirtschaft, S. 4 (sämtlich abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Leitentscheidungsverfahren.html?nn=110518).

[13] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 10.

[14] Vgl. Entwurf, S. 1.

[15] Entwurfsbegründung, S. 13.

[16] BR-Drs. 145/23, S. 9.

[17] Entwurfsbegründung, S. 13.

[18] Vgl. § 565 ZPO-E.

 

RefE eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz

A. Einleitung

Der Referentenentwurf (nachfolgend Entwurf[1]) verfolgt das Ziel, durch Rechtsanpassungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung die bereits fortgeschrittene Digitalisierung in der Justiz in allen Verfahrensordnungen weiter zu fördern.

Dazu sollen im Insolvenzrecht die Möglichkeiten der elektronischen Forderungsanmeldung und der elektronischen Kommunikation mit den Insolvenzgläubigern erweitert werden.[2]

Daneben ist vorgesehen, dass bestimmten Verfahrensbeteiligten in allen Verfahrensordnungen ermöglicht wird, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichneten Anträge oder Erklärungen, wie bspw. Insolvenzanträge, durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren.[3]

Weiter sind im Entwurf insbesondere konkretisierende Regelungen zu den Gegenständen der Bekanntmachung in öffentlichen Restrukturierungssachen nach dem StaRUG vorgesehen.

 

B. Im Einzelnen

I. Änderungen der Insolvenzordnung (Art. 36)

1. § 5 Abs. 5 InsO-E (Elektronisches Gläubigerinformationssystem)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E sieht vor, dass elektronische Gläubigerinformationssysteme künftig verpflichtend in allen Insolvenzverfahren vorzuhalten sind.

Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen die Gläubigerinformationssysteme nach § 5 Absatz 5 InsO „in allen Verfahren zum zentralen Zugangspunkt für sämtliche verfahrensrelevante Informationen und Mitteilungen ausgebaut werden.“[4]

Dahinter steht erkennbar die grundlegende Entscheidung, eine solche digitale Plattform nicht in die Hände der Justiz, sondern in die der Insolvenzverwalter/Sachwalter zu legen.

Begründet wird der im Entwurf vorgeschlagene Weg damit, dass das „Gläubigerinformationssystem (…) sich technisch und organisatorisch als taugliches Mittel zur parallelen Information sämtlicher verfahrensbeteiligter Gläubiger erwiesen [hat], wodurch Wissensvorsprünge einzelner Gläubiger vermieden und individuelle Unterrichtungserfordernisse minimiert werden. Da sich die Gläubigerinformationssysteme in den großen Insolvenzverfahren bewährt haben, können sie künftig auch in den kleineren Verfahren problemlos eingesetzt werden.“[5]

Andere europäische Mitgliedsstaaten, wie z.B. Belgien, gehen einen anderen Weg. Die dort eingesetzte digitale Plattform („RegSol“) für die Verwaltung der Insolvenzfälle (Konkurse und gerichtlichen Reorganisationen) wurde durch belgische Insolvenzrichter[6] entwickelt. Sie verfügt sowohl über einen öffentlichen als auch einen privaten Bereich, der zum einen für Insolvenzanträge und die Anmeldung von Forderungen (und deren Prüfung), zum anderen für die Verwaltung des Insolvenzfalls konzipiert ist. Der öffentliche Bereich dient gleichzeitig als Zugang zu öffentlichen Verfahrensinformationen und (nach entsprechendem log in) als verfahrensspezifischer Zugang für weitere, nur den zugangsberechtigten Gläubigern zugängliche Informationen. Verfahrensbeteiligte Gläubiger melden sich an und verfügen anschließend über einen Account, der in allen Insolvenzverfahren nutzbar ist. Pro (Insolvenz-)Fall entstehen Gebühren, die aus der Masse bezahlt werden und mit denen das System weiterentwickelt und unterhalten wird.[7]

Das geschilderte belgische System ist der im vorliegenden Entwurf konzipierten deutschen Lösung deutlich überlegen. Es verbindet wichtige Verfahrensbeteiligte in einem System. Insolvenzverwalter übertragen die Verfahrensdaten in eine einheitliche Plattform mit einheitlichen Dateiformaten und den Gerichten wird gleichzeitig auf über diese Plattform eine Verfahrenssteuerung in der Art einer modernen Projektmanagementsoftware ermöglicht. Eine Plattform mit vereinheitlichten Standards und Formaten ist ein grundlegender Bestandteil effektiv digitalisierter Insolvenzverfahren. Gläubigerinformationssystemen von Insolvenzverwaltern mangelt es an vereinheitlichten Standards und Formaten und damit an Effektivität.

Sollte an der Entscheidung, das bisherige elektronische Gläubigerinformationssystem der Insolvenzverwalter als zentraler Zugangspunkt für sämtliche verfahrensrelevanten Informationen und Mitteilungen auszubauen, festgehalten werden, ergeben sich daraus eine Vielzahl dringend klärungsbedürftiger Fragen.

 

a) Kosten der verpflichtenden Vorhaltung

Bereits zum Entwurf des SanInsFoG hatte der VID mehrfach darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (eGIS) nebst den sich daraus ergebenden weiteren Verpflichtungen (wie bspw. die Verifizierung der Gläubiger) nicht losgelöst von der Frage der Kostentragung für ein solches System behandelt werden kann. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass bereits Teile der Verwalterschaft (freiwillig) solche elektronischen Gläubigerinformationssysteme auf eigene Kosten vorhalten. Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2016 (IX ZB 62/15) ausgeführt, dass die Kosten für ein Gläubigerinformationssystem auch dann, wenn sie einem einzelnen Verfahren zugeordnet werden können, nicht zusätzlich zur Vergütung des Verwalters aus der Masse aufzubringen sind.[8] Er hatte damals ausgeführt (Rz.19):

„Der Verwalter ist, soweit er zur Auskunft an die Gläubiger verpflichtet oder zumindest berechtigt oder willens ist, ohne weiteres in der Lage, diese Auskünfte mit herkömmlichen Mitteln zu erteilen. Das mag, vor allem bei knapper Personalausstattung, aber auch aus technischen Gründen (Verarbeitungs- und Postlaufzeiten) zu Verzögerungen führen. Das liegt aber überwiegend im Verantwortungsbereich des Verwalters. Deshalb sind die Kosten, auch dann, wenn sie einzelnen Verfahren zugeordnet werden können, nicht zusätzlich zur Vergütung des Verwalters aus der Masse aufzubringen.“

Diese Argumentation ist spätestens mit der vom Entwurf vorgesehenen Vorhaltepflicht in allen Verfahren überholt. Kann die Auskunftspflicht ausnahmslos nur noch durch Vorhaltung eines Gläubigerinformationssystems erfüllt werden, führt die vom BGH erwähnte Ausweichmöglichkeit auf herkömmliche Mittel (Brief, Telefon etc.) nicht mehr zu Kosteneinsparungen. Die bislang auf größere Verfahren beschränkte Vorhaltepflicht wird zur deutlichen Kostenbelastung, wenn sie nun auch in kleinen und Kleinstverfahren bei teilweise sehr geringen (Mindest-)Vergütungen durch die Insolvenzverwalter selbst getragen werden muss.

Mit dem Entwurf wird offenbar trotzdem davon ausgegangen, dass die Insolvenzverwalter das System kostenfrei für die Verfahrensbeteiligten vor- sowie unterhalten und technisch an die weiteren mit dem Entwurf geplanten Änderungen anpassen.

So führt die Entwurfsbegründung (lediglich) aus: Durch die Änderungen der InsO und des StaRUG entsteht für die Wirtschaft ((…) Insolvenzverwalter (…)) kein messbarer Erfüllungsaufwand. Das elektronische Gläubigerinformationssystem ist aufgrund seiner zwingenden Anwendung in Insolvenzverfahren über das Vermögen mittelgroßer und großer Unternehmen bei den Insolvenzverwaltern bereits vorhanden. Auf die vorhandenen IT-Systeme kann zurückgegriffen werden, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Die Nutzung der elektronischen Forderungsanmeldung war auch bisher schon möglich, soweit der Insolvenzverwalter zugestimmt hat. Da lediglich die Notwendigkeit der Zustimmung entfällt, wird auf Seiten der Anmeldenden kein neuer Erfüllungsaufwand ausgelöst. Da für die elektronische Forderungsanmeldung kein bestimmtes Format vorgegeben ist, werden auch für die Verwalterschaft keine Anpassungen der dort verwendeten Softwaresysteme notwendig sein.“[9]

Die Prognose, dass mit den im Entwurf angelegten Änderungen für die Insolvenzverwalter kein messbarer Erfüllungsaufwand entstünde, ist falsch. Die Anschaffung und Unterhaltung eines eGIS löst regelmäßig Programmier-, Implementierungs- und Wartungskosten aus, sei es, dass diese Leistungen eingekauft, sei es, dass sie mittels eigener Fachkräfte erbracht werden müssen. Gerade dieser Aufwand führte dazu, dass die Verwalterschaft berechtigterweise den Versuch unternommen hat, diese Kosten auf die Insolvenzmasse umzulegen, da sie in dem bisherigen Vergütungssystem nicht abgebildet sind. Dem ist der BGH mit seiner Entscheidung vom 14. Juli 2016 (IX ZB 62/15) entgegengetreten. Neben dem Aufwand für technische Ressourcen entsteht auch ein kontinuierlicher personeller Aufwand für das (datenschutzkonforme) Einpflegen von Informationen in elektronische Gläubigerinformationssysteme, der vollständig außer Acht gelassen wird.

Auf die personellen und technischen Ressourcen, die zur Umsetzung der geplanten Regelungen erforderlich sein würden, soll daher nachfolgend ebenfalls eingegangen werden.

Der Entwurf ist daher um eine Kostenregelung für die zwingende Vorhaltung eines eGIS in jedem Insolvenzverfahren zu ergänzen. Hierzu bietet sich eine Regelung in der InsVV an.

 

b) Anwendungsbereich

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 wurde in § 5 Abs. 5 InsO erstmalig ein vom Insolvenzverwalter vorzuhaltendes elektronisches Gläubigerinformationssystem (eGIS) gesetzlich verankert.

Weder § 5 Abs. 5 InsO noch die Gesetzesbegründung zum SanInsFoG definierten explizit, in welchen Verfahrensabschnitten bzw. -arten die Vorschrift zur Anwendung kommen, d.h. ein eGIS zur Verfügung gestellt werden soll.

Im Hinblick auf die Eröffnung des Anwendungsbereiches beschäftigte die Praxis daher nicht nur die Frage der einzelnen Verfahrensabschnitte (Eröffnungsverfahren/vorläufiges Verfahren, Restschuldbefreiungsverfahren, Nachlassinsolvenzverfahren), sondern auch, ob das eGIS in Verbraucherinsolvenzverfahren sowie in den Fällen der Eigenverwaltung und wenn ja, von wem (Sachwalter oder Schuldner), vorzuhalten sei.[10] Diese Fragen waren insoweit virulent, als dass stets eine datenschutzrechtliche Grundlage für die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich ist.

Der vorliegende Entwurf schafft insoweit wenig Abhilfe.

Die Begründung spricht lediglich von allen Insolvenzverfahren, jedoch schließt der Kontext die Auslegung nicht vollständig aus, dass es sich hierbei nur um Erläuterungen im Hinblick auf die Aufgabe der bisherigen Differenzierung nach Unternehmensgröße handelt: „Allerdings sind die Systeme derzeit nur für Insolvenzverfahren ab einer bestimmten Unternehmensgröße zwingend vorgeschrieben. Für alle übrigen Verfahren ist die Nutzung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Diese Differenzierung soll nunmehr aufgegeben werden, sodass in allen Insolvenzverfahren künftig eine elektronische Unterrichtung der Gläubiger mittels Gläubigerinformationssystem erfolgt.“[11]

Es sollte mithin klargestellt werden, dass

  • die Verpflichtung gleichermaßen für Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren gilt,
  • die Vorhaltung des eGIS in den Aufgabenbereich des Sachwalters fällt,
  • der Treuhänder ein eGIS vorzuhalten hat,
  • auch in Nachlassinsolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter ein eGIS vorzuhalten ist,
  • die Vorhaltung des eGIS für den Insolvenzverwalter/Sachwalter nur im eröffneten Verfahren verpflichtend ist.
c) Datenschutzrechtliche Grundlagen

Anders als die Begründung zum SanInsFoG enthält der vorliegende Entwurf zur Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zumindest einige Ausführungen:

„Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Datenschutzgrundverordnung ist bei Verwendung eines Gläubigerinformationssystems stets gegeben. § 5 Absatz 5 InsO ist insoweit als Erlaubnis im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c der Datenschutzgrundverordnung anzusehen. Durch die künftige rechtliche Verpflichtung zur Verwendung des elektronischen Gläubigerinformationssystems in allen Insolvenzverfahren steht der Erlaubnischarakter dann allerdings nicht mehr im Vordergrund, sondern wird gewandelt in ein Gebot zur elektronischen Datenverarbeitung unter Beachtung der sonstigen datenschutzrechtlichen Vorgaben.“[12]

Richtig ist zwar, dass § 5 Abs. 5 InsO einen Erlaubnistatbestand im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. c) DSGVO darstellt, zusätzlich gilt aber immer auch der Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Personenbezogene Daten müssen dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.

§ 5 Abs. 5 InsO ist insofern – anders als es die Begründung nahelegen könnte – kein datenschutzrechtlicher „Freifahrtschein“. Auch wenn Informationen ins eGIS eingestellt werden, muss im Einzelfall immer geprüft werden, ob einzelne Informationen im Sinne des Art. 5 DSGVO notwendig sind. Dies kann bspw. Informationen in Gutachten oder Berichten zu persönlichen Lebensverhältnissen des Schuldners betreffen, die zwar informativ sind und einem besseren Verständnis dienen, für das Insolvenzverfahren aber nicht unmittelbar relevant sind, wie auch Hinweise auf (psychische) Erkrankungen oder Straftaten.

Die geplante Kombination eines einfachen Zugangs mit (noch) umfassender(er) Information der Insolvenzgläubiger muss daher zwingend auch weiteren datenschutzrechtlichen Anforderungen[13] genügen.

Dass Insolvenzverwalter bei der Vorhaltung des eGIS durchaus im Fokus der Aufsichtsbehörden stehen können, zeigt das Vorgehen der Landesbeauftragten für Datenschutz in Bremen.[14]

Es ist davon auszugehen, dass eine zwingende Einführung des eGIS die Verwalter deutlich mehr in den Fokus der Datenschutzbehörden der Länder rücken wird.

 

d) § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E (verpflichtende Vorhaltung)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E regelt:

Insolvenzverwalter haben ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorzuhalten und darin jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen.“

Die verpflichtende Vorhaltung elektronischer Gläubigerinformationssysteme in allen Verfahren führt dazu, dass die bisherigen Praxisprobleme noch drängender werden und einer Klärung bedürfen.

Einen Zugang zum eGIS soll gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E jeder Insolvenzgläubiger erhalten, der eine Forderung angemeldet hat. Der Entwurf belässt es insoweit bei der bisherigen Regelung.

Maßgeblich bleibt danach die Begründung des SanInsFoG zur Einführung des § 5 Abs. 5 InsO:

Einsichtsberechtigt“, so die damalige Gesetzesbegründung, „sind grundsätzlich alle Gläubiger, die durch eine Forderungsanmeldung zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich am Insolvenzverfahren beteiligen wollen. Ob die Gläubigerstellung besteht, ist durch den Insolvenzverwalter vor der Zurverfügungstellung der Zugangsdaten zu prüfen. In einer Vielzahl von Fällen wird sich die Gläubigerstellung einfach durch einen Abgleich mit der Buchhaltung des Schuldners ermitteln lassen. In diesen Fällen kann der Zugang auch bereits vor dem Prüfungstermin zur Verfügung gestellt werden. Der Zugang ist spätestens unmittelbar nach der gerichtlichen Feststellung der angemeldeten Forderung zu gewähren.“[15]

Damit ist vom Insolvenzverwalter zunächst zu klären, ob es sich bei den Einsichtsbegehrenden[16] um Insolvenzgläubiger handelt.

 

aa) Ermittlung der Gläubigerstellung

Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO(-E) reicht es aus, dass der jeweilige Insolvenzgläubiger eine Forderung zur Tabelle angemeldet hat.

Nach der Gesetzesbegründung zum SanInsFoG war bislang ein stufenweises Vorgehen angezeigt:

  1. Schritt: Einsichtsberechtigt sind grundsätzlich alle Gläubiger, die eine Forderung (ordnungsgemäß) angemeldet haben.
  1. Schritt: Der Insolvenzverwalter prüft jedoch zunächst, ob die Gläubigerstellung i.S. einer Anmeldeberechtigung (überhaupt) besteht. (Einschränkung von Schritt 1)
  1. Schritt: Ist die Gläubigerstellung – ggf. nach Abgleich mit der Schuldnerbuchhaltung – unkritisch, kann bereits vor dem Prüfungstermin der Zugang gewährt werden. Spätestens ist der Zugang unmittelbar nach der gerichtlichen Feststellung der angemeldeten Forderung zu gewähren.

Mit dem vorliegenden Entwurf wird die Klärung der Frage, wer Insolvenzgläubiger ist, noch dringender. So sieht § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E vor, dass die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich „nach Eingang der Forderungsanmeldung oder der Zustimmung zur elektronischen Zustellung“ zur Verfügung zu stellen sind. Die Gewährung des Zugangs zum eGIS wird damit zeitlich nach vorn verlagert.

Das hätte zur Folge, dass bei potentiellen Verfahrensbeteiligten, bei denen die Gläubigerstellung zweifelhaft ist und daher einer zeitintensiveren Prüfung bedarf, trotz dieser Zweifel Zugangsdaten zur Verfügung gestellt werden müssten.

Angesichts der gesetzgeberischen Vorstellung des SanInsFoG sollte konsequenterweise zwischen den Gläubigern differenziert werden, die als Beteiligte/Parteien i.S.v. § 299 ZPO zu qualifizieren sind und denen, die (noch) kein Teilnahmerecht[17] haben:

Gläubiger i.S.d. § 5 Abs. 5 InsO sind danach:

– Gläubiger nach § 38 InsO

– Gläubiger nach § 39 InsO[18], soweit sie nach § 174 Abs. 3 InsO zur Anmeldung aufgefordert wurden

 

Nicht von § 5 Abs. 5 InsO erfasste Gläubiger sind:

– Massegläubiger[19]

– aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger, soweit kein Ausfall angemeldet wurde[20]

– Gesellschafter

– Neugläubiger[21]

 

Dringend klärungsbedürftig ist ferner, wie mit Gläubigern (teilweise) bestrittener[22] Forderungsanmeldungen umzugehen ist.[23]

Für Sonderfälle, wie bspw. den Erwerb der Gläubigerstellung allein zur Erlangung eines Zugangs zum eGIS, fehlt eine praktische Handhabung.

 

Exkurs: Identitätsprüfung vor Zugang zum eGIS?

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 5 Abs. 5 InsO keine Änderungen am Recht der (elektronischen) Akteneinsicht vorgenommen und insbesondere dem Insolvenzverwalter keine Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht übertragen.

Die damalige Gesetzesbegründung stellt (lediglich) darauf ab, dass die Regelung des § 5 Abs. 5 InsO neben „Erleichterungen für die Gläubiger, die Informationen dann unproblematisch elektronisch abrufen können“, „auch die Gerichte entlasten [soll], bei denen voraussichtlich weniger Anfragen von Gläubigern zum Verfahrensstand und dem Status von Forderungsprüfungen eingehen werden.“[24]

Der Gesetzgeber ging mithin davon aus, dass mit der Vorhaltung des eGIS seitens der Verwalterschaft eine Entlastung der Gerichte einhergeht.

Eine solche Entlastung dürfte (jedoch nur) dann eintreten, wenn die Gläubiger die begehrten Informationen dem eGIS in demselben Umfang entnehmen können, wie dies auch bei der elektronischen Akteneinsicht bzw. wie bisher bei der Akteneinsicht vor Ort möglich ist.[25]

Um sicherzustellen, dass nur Berechtigte vom Inhalt der Akte (und damit personenbezogenen Daten) Kenntnis erlangen, erfolgt bei Gericht üblicherweise zunächst eine Legitimationsprüfung derjenigen, die Einsicht in die Akte begehren. So prüft das Gericht bei der physischen Akteneinsicht vor Ort neben der Gläubigereigenschaft die Identität des Einsichtsbegehrenden durch Kontrolle eines entsprechenden Ausweisdokuments.

Auch bei der elektronischen Akteneinsicht ist eine Identitätsprüfung des Einsichtsbegehrenden notwendig.

So ist für die Anmeldung beim elektronischen Akteneinsichtsportal die Verwendung eines Benutzernamens und eines Kennwortes notwendig.[26] Zwei sog. SAFE-Verzeichnisdienste stehen dem Anmelder dabei (bislang[27]) zur Verfügung: Zum einen der SAFE-Verzeichnisdienst der Justiz (EGVP-Postfächer der Justiz, beBPos und eBOs), zum anderen der SAFE-Verzeichnisdienst der Bundesrechtsanwaltskammer (beA-Postfächer).[28]

Um sicher elektronisch kommunizieren zu können, geht der Nutzung dieser elektronischen Postfächer regelmäßig eine Identitätsprüfung voraus.[29]

Eine solche Identitätsprüfung geht dem Zugang zum eGIS, das nicht in den elektronischen Rechtsverkehr eingebunden ist, jedoch gerade nicht voraus.[30]

So hat der Gesetzgeber für den Zugang zum eGIS lediglich die Ermittlung der Gläubigerstellung vorgesehen, für die sogar ein Abgleich mit den Buchhaltungsunterlagen des Schuldners ausreichen soll.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nun in § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E vorgesehen ist, dass der Insolvenzverwalter den Nutzungsberechtigten die vor den Zugang erforderlichen Daten nach Eingang der Forderungsanmeldung oder der Zustimmung zur elektronischen Zustellung unverzüglich zur Verfügung zu stellen hat. Ausweislich § 28 Abs. 4 InsO-E handelt es sich bei einer solchen Zustimmung lediglich um eine „Kann-Bestimmung“.

Der Zugang zum eGIS unterliegt damit deutlich geringeren Anforderungen als die (elektronische) Akteneinsicht.[31] Dieser Umstand ist unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch:

D.h. je enger die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen ist, umso größer kann der Umfang der Informationen im eGIS sein. Umgekehrt muss der Informationsumfang geringer ausfallen, je weniger eng die Zugangsvoraussetzungen geprüft werden.

Bedeutsam wird dies bei der Frage, welche Unterlagen und darin befindliche personenbezogene Daten in das eGIS einzustellen sind bzw. eingestellt werden können.

 

bb) Einzustellende Dokumente

§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E nennt – wie auch die aktuelle Regelung – drei Arten von einzustellenden Dokumenten:

  • alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts,
  • alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und
  • alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen

Der Gesetzgeber hat mit dem SanInsFoG eine Auswahl der im eGIS verfügbar zu machenden Dokumente getroffen.

Folgt man der Begründung des vorliegenden Entwurfes sollen Gläubiger (jedoch) Zugriff auf sämtliche relevanten Verfahrensinformationen erhalten[32].

Aus datenschutzrechtlicher Sicht sollten nur diejenigen Dokumente bereitgestellt werden, die vom Wortlaut des § 5 Abs. 5 InsO eindeutig umfasst sind.

Zu den einzustellenden Dokumenten stellen sich in der Praxis schon heute eine Vielzahl von Fragen:

(1) Entscheidungen der Gläubigerorgane

Nicht vom Wortlaut umfasst sind Entscheidungen der Gläubigerorgane.[33] Dies wurde in der Literatur bereits kritisiert.[34]

Für eine Einstellung der Entscheidungen der Gläubigerorgane sprechen der Sinn und Zweck des eGIS. Wenn das System dazu dienen soll, die Gläubiger zu informieren, dann sollte auch der einzelne Gläubiger nachvollziehen können, was die Gläubigermehrheit beschlossen hat.

Gegen eine Einstellung spricht, dass Entscheidungen der Gläubigerorgane explizit nicht vom Wortlaut des § 5 Abs. 5 InsO erfasst sind und auch Entscheidungen der Gläubigerversammlung selbst nicht veröffentlicht werden.

Lüdtke[35]folgend sollte eine Einstellung ins eGIS mithin (nur dann) erfolgen, soweit die Entscheidungen der Gläubigerorgane – beschränkt auf die der Gläubigerversammlung – in Berichten, bzw. in gerichtlichen Protokollen festgehalten sind.

An dieser Stelle wäre eine gesetzliche Klarstellung hilfreich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Gläubigern mit dem eGIS „ein zentraler Zugangspunkt für den Zugriff auf sämtliche relevante Verfahrensinformationen zur Verfügung gestellt wird“[36].

 

(2) Entscheidungen des Insolvenzgerichts

Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO handelt es sich bei gerichtlichen Entscheidungen um Urteile, Beschlüsse und Verfügungen. Da das Insolvenzgericht lediglich durch Beschluss und Verfügung entscheidet, sind diese beiden Arten der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

Dem Wortlaut nach sind damit vom Gericht gefertigte Protokolle nicht einstellungspflichtig. Unproblematisch, so Heyer/Blankenburg, ist die Einstellung ins eGIS jedoch, „soweit sich in dem Protokoll selbst Entscheidungen in Form von direkt verkündeten Beschlüssen finden. Dann kann die Entscheidung nur mittels Protokolls des Gerichts eingestellt werden.[37]

Die von Heyer/Blankenburg vertretene Auffassung, dass auch Protokolle eingestellt werden, die keine Entscheidungen des Insolvenzgerichts beinhalten, ist im Hinblick darauf, dass Entscheidungen häufig nur im Zusammenhang mit dem Protokoll verständlich werden aus Gläubigersicht nachvollziehbar, aus datenschutzrechtlichen Erwägungen aber jedenfalls problematisch, wenn das Protokoll personenbezogene Daten enthält. In diesem Fall sollte eine – mangels Verpflichtung überobligatorische – Einstellung nur mit entsprechenden Schwärzungen erfolgen.

 

Beschlüsse

Nachdem grundsätzlich alle Beschlüsse einstellungspflichtig sind, stellt sich die Frage nach dem zeitlichen Rahmen.

Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass der Eröffnungsbeschluss[38] von § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO („alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts“) ausgenommen ist, weil zu diesem Zeitpunkt kein Gläubiger eine Forderung angemeldet haben kann,[39] ist abzulehnen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeitpunkt des eGIS-Zugangs den Umfang der einzustellenden Unterlagen beschränkt.

Heyer/Blankenburg führen dazu zu Recht aus: Eine solche Einschränkung kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Es wäre auch widersinnig, gerade den Eröffnungsbeschluss nicht einzustellen, der die Grundlage des Verfahrens bildet. Auch der Sinn und Zweck des GIS sprechen gegen eine entsprechende Einschränkung. Die Gläubiger sollen umfassend informiert werden. (…) Folglich sind sämtliche Beschlüsse des Gerichts, die bisher in dem Verfahren ergangen sind und noch bis [zu] seinem Ende ergehen werden, einzustellen. Beschlüsse, die vor Errichtung des GIS ergangen sind, müssen direkt zu Beginn mit eingestellt werden. Dies betrifft sämtliche Beschlüsse des Eröffnungsverfahrens sowie den Eröffnungsbeschluss.“ [40]

Die zeitliche Grenze am anderen Ende des Verfahrens bildet dessen Aufhebung bzw. Einstellung. Eine nach Ende des Verwalteramts nachwirkende Pflicht bedürfte einer ausdrücklichen Regelung.

 

Sonderfall: Vergütungsbeschlüsse

Für Vergütungsbeschlüsse stellt sich die Frage, ob sie (lediglich) in der Form im eGIS einzustellen sind, in der sie im Insolvenzportal[41] veröffentlicht werden oder vollständig unter Angabe aller Beträge.

Zur Veröffentlichung im Insolvenzportal regelt § 64 Abs. 2 InsO: „Der Beschluss ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.“

Für Vergütungsbeschlüsse hat der Gesetzgeber mithin eine Sonderregelung geschaffen, wonach der vollständige Beschluss nur in der Geschäftsstelle des Gerichts eingesehen werden kann.

Auch wenn die Möglichkeit der Einsicht in die elektronische Akte das Aufsuchen der Geschäftsstelle grundsätzlich entbehrlich machen soll, hat der Gesetzgeber die Besonderheit bewusst beibehalten, dass der vollständige Vergütungsbeschluss nur im Gericht eingesehen werden kann.[42]

So sah der Regierungsentwurf[43] zum SanInsFoG in § 64 Abs. 2 InsO-E eine explizite Regelung zum GIS vor:

„a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Der Beschluss ist dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Es ist sofort öffentlich bekanntzumachen, dass der Beschluss ergangen ist und dass er in der Geschäftsstelle eingesehen werden und über das Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters nach § 5 Absatz 5 abgerufen werden kann, sofern ein solches für das Verfahren genutzt wird.

b) Dem Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

Abweichend von § 569 Absatz 1 der Zivilprozessordnung beträgt die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde vier Wochen. Sie beginnt mit der öffentlichen Bekanntmachung nach Absatz 2 Satz 2. Ist der Verwalter zur Unterhaltung eines Gläubigerinformationssystems nach § 5 Absatz 5 Satz 2 verpflichtet oder nutzt er ein solches für das Verfahren, beginnt die Beschwerdefrist nicht vor der Bereitstellung des Beschlusses in diesem System.“

Die vorgeschlagene Änderung des § 64 InsO wurde jedoch vom Rechtsauschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung vom 15.12.2020[44] gestrichen. Der Gesetzgeber lehnte mithin einen Gleichlauf der Akteneinsicht in der Geschäftsstelle mit dem elektronischen Gläubigerinformationssystem ab. Da der vollständige Beschluss weiterhin nur in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann, ist der Vergütungsbeschluss im eGIS lediglich in der Fassung einzustellen, wie er im Insolvenzportal veröffentlicht wurde.[45] Im nun folgenden Regierungsentwurf wäre hier eine entsprechende Klarstellung notwendig.

 

Verfügungen

Zunächst ist zwischen verfahrensleitenden und sonstigen Verfügungen zu unterscheiden.[46] Blankenburg[47]grenzt insoweit ein, dass lediglich verfahrensleitende Verfügungen (z.B. Terminierung, Vermerke) einstellungspflichtig sind, nicht hingegen gerichtsinterne Verfügungen, wie bspw. die Eröffnungsverfügung oder die Gewährung von Akteneinsicht. Maßgeblich ist, ob die Verfügungen für die Gläubiger relevante Entscheidungen darstellen, wie bspw. die vorgenannte Terminsbestimmung.[48]

Im Hinblick auf Verfügungen des Insolvenzgerichts ist zu beachten, dass dem Insolvenzverwalter nicht zwangsläufig alle Verfügungen des Insolvenzgerichts vorliegen. In das eGIS kann der Verwalter daher von vornherein nur die Verfügungen einstellen, die ihm das Gericht tatsächlich übermittelt.

 

Entscheidungen der (Rechtsmittel-)Gerichte

Heyer/Blankenburg gehen davon aus, dass sonstige Entscheidungen, wie etwa Beschwerdeentscheidungen oder Urteile in Anfechtungsprozessen, in das eGIS eingestellt werden können, aber nicht müssen.[49] Sie stellen im Hinblick auf Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte darauf ab, dass Gläubiger hinreichend über den Stand des Verfahrens informiert werden, was nicht gewährleistet wäre, „wenn eine ggf. im Beschwerdeverfahren aufgehobene Entscheidungen des Insolvenzgerichts ohne Einschränkung abrufbar wäre“.[50]

Diese Ansicht überzeugt im Hinblick auf Beschwerdeentscheidungen. Auch wenn der Gesetzeswortlaut nur von Entscheidungen des Insolvenzgerichts spricht, ist an dieser Stelle auf den Informationszweck des eGIS abzustellen. Finden sich die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte nicht im eGIS, gehen Gläubiger ggf. fälschlicherweise davon aus, dass eine aufgehobene Entscheidung des Insolvenzgerichts (noch) Bestand hat. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und wird durch die in § 85 Abs. 3 StaRUG-E vorgesehene Regelung gestützt. Eine entsprechende Klarstellung wäre auch hier sinnvoll.

Demgegenüber besteht kein Anlass, in das eGIS auch gerichtliche Entscheidungen aus Verfahren einzustellen, die anlässlich des Insolvenzverfahrens an anderen Gerichten als dem Insolvenzgericht geführt werden, also z.B. Urteile in Anfechtungsprozessen.

Im Hinblick auf die Frage, was von der Bezeichnung „alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts“ umfasst ist, besteht insoweit Klarstellungsbedarf.

 

Einsichtsrecht des Gerichts

Die oben erwähnte weite Auslegung des Nachweisbereichs bei Entscheidungen des Gerichts lässt ein bisher in § 5 Abs. 5 InsO-E nicht ausdrücklich[51] vorgesehenes Einsichtsrecht des Gerichts geboten erscheinen[52]. Nur auf diese Weise kann das Gericht überprüfen, ob Insolvenzverwalter ihrer Nachweispflicht regelgerecht nachkommen.

 
(3) An das Insolvenzgericht übersandte Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen

Der Gesetzeswortlaut spricht von an das Insolvenzgericht[53] übersandten Berichten.

Unter „Berichte“ dürften fallen: Berichte gemäß § 156 InsO[54], Sachstands[55]-/ Zwischenberichte[56], Vermögensübersichten[57], Verzeichnisse der Massegegenstände[58], Schlussberichte[59] sowie Sonderberichte auf Anforderung der Gläubigerversammlung[60].

Der Wortlaut der Norm bezieht sich jedoch (lediglich) auf „Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen“.

 

Verzeichnisse

Es wird vertreten, dass auch Verzeichnisse als Teil des Berichtswesens verstanden werden.[61]

Gegen eine Subsumtion der Verzeichnisse unter „Berichte“ spricht, dass Verzeichnisse nur in bestimmten Situationen zur Niederlegung in der Geschäftsstelle bei Gericht (§§ 154, 175, 188 InsO) und nicht im Zusammenhang mit den turnusgemäßen Sachstandberichten bei Gericht eingereicht werden müssen.[62]

Da jeder einsichtsberechtigte Gläubiger mit personenbezogenen Daten in den Verzeichnissen enthalten ist, betreffen diese im Übrigen gerade „nicht ausschließlich“, sondern lediglich „auch“ die Forderungen anderer Gläubiger.[63]

Aus datenschutzrechtlicher Sicht (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) und aufgrund des Umstands, dass – anders als bei der (elektronischen) Akteneinsicht – nicht per se eine Identifizierung des einsichtbegehrenden Gläubigers erfolgt, dürfte deshalb eine enge Auslegung geboten sein.[64] Dies sollte ebenfalls im Regierungsentwurf klargestellt werden.

Nicht unter Berichte fallen deshalb:

  • Tabelle[65]
  • Gutachten[66]
  • Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO)[67], bzw. das in §§ 197 Abs. 1 Nr. 2,  205 und 292 Abs. 1 S. 2 InsO bezeichnete Schlussverzeichnis
  • Gläubigerverzeichnis nach § 152 InsO[68]
  • Schlussrechnung gemäß § 66 Abs. 1 InsO[69]
  • Schlussrechnung mit allen Belegen[70], gerichtlichem Prüfungsvermerk und den Bemerkungen des Gläubigerausschusses[71]
  • Berichte von Kassenprüfern[72]
(4) die eigenen Forderungen betreffende Unterlagen der Gläubiger

Zu den „die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen“ zählen insbesondere die Prüfungsunterlagen des Insolvenzverwalters und das Ergebnis der Forderungsprüfung, nicht aber interne Vermerke des Verwalters.

Dem Anmelder muss die Möglichkeit gegeben werden, zu prüfen, ob seine angemeldete Forderung mit dem korrekten Betrag, dem richtigen Forderungsgrund und dem Prüfungsvermerk entsprechend des Rangs in der Insolvenztabelle richtig erfasst ist.[73] Den jeweiligen Gläubigern sind nach dem Prüfungstermin die Informationen bzw. Unterlagen zugänglich zu machen, aus denen sich ergibt, ob und in welcher Höhe Forderungen festgestellt wurden, sowie ggf. produzierte Unterlagen zur Begründung, warum Forderungen nicht festgestellt wurden. Den Feststellungsvermerk und etwaige Widersprüche anderer Beteiligter kann der Gläubiger indes verbindlich nur anhand der vom Gericht geführten Tabelle sehen.

Weiterführende Unterlagen, wie z.B. Berichtigungen, Widerspruchsrücknahmen der Bestreitenden sowie Rücknahmen von Forderungsteilbeträgen[74] sind entsprechend für den jeweiligen Gläubiger hochzuladen, sofern sie die Forderung des Gläubigers betreffen.[75]

 

Vom Gläubiger selbst eingereichte Unterlagen

Streitig ist zudem, wie mit Unterlagen zu verfahren ist, die dem Gläubiger selbst bereits vorliegen bzw. die er selbst eingereicht hat, z.B. Forderungsanmeldung, Rücknahme, Korrespondenz mit dem Verwalter.

Für eine Einstellung auch der vom Gläubiger selbst eingereichten Unterlagen spricht der Wortlaut der Norm („alle“ Unterlagen). Dagegen[76] lässt sich jedoch anführen, dass das eGIS der Information der Gläubiger dient und es bei den eigenen Unterlagen des Gläubigers an einem tatsächlichen Informationsbedürfnis und -gehalt fehlt.[77] Zudem kann auch im Zivilprozess eine Partei nicht die Vorlage eigener Unterlagen durch den Gegner verlangen. Der Verwalter ist nicht die „Sekretärin“ des Gläubigers und nicht verpflichtet, Unterlagen des Gläubigers für diesen kostenfrei zu digitalisieren.[78]

Aus diesen Gründen sind auch Prozessunterlagen zu teilweise bestrittenen Forderungen eines Gläubigers nicht im eGIS einzustellen, da sie dem betreffenden Gläubiger bereits vorliegen.

 

cc) elektronischer Abruf von Dokumenten

Im Hinblick auf die technischen Anforderungen an das eGIS spricht der Entwurf lediglich davon, dass die in § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E genannten Dokumente in einem gängigen Dateiformat zum Abruf zur Verfügung gestellt werden müssen[79]. Weitere technische Anforderungen sieht der Entwurf nicht vor.

Er enthält, wie bislang, auch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung der Systeme.

Zu Recht verweist Kollbach auf die erheblichen Nachteile des von den Justizverwaltungen eingeschlagenen Weges, der als führendes Archivsystem eine PDF-Ablage statt Strukturdaten vorsieht.[80] Anders handhaben dies dagegen die Insolvenzgerichte in NRW und Niedersachsen, die bereits seit Jahrzehnten eine auf Strukturdaten ausgerichtete Gerichtssoftware einsetzen.[81]

Mangels weiterer Anhaltspunkte des Gesetzgebers zum „gängigen Dateiformat“[82] sowie des Umstandes, dass das eGIS bislang nicht in den elektronischen Rechtsverkehr eingebunden ist, dürfte sich (derzeit noch) zum Abruf die Einstellung von Dokumenten im PDF-Format[83] empfehlen.

 

e) § 5 Abs. 5 Satz 2 InsO-E (Zugänglichmachung weiterer Dokumente)

§ 5 Abs. 5 Satz 2 InsO-E sieht vor, dass

Über das Gläubigerinformationssystem (…) auch die der Zustellung nach § 8 Absatz 3 unterliegenden Dokumente zugänglich sein [müssen].

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

„Neu hinzu kommt die Möglichkeit, über das Gläubigerinformationssystem auch diejenigen Dokumente abrufen zu können, die der Insolvenzverwalter im Auftrag des Gerichts nach § 8 Absatz 3 InsO zustellt. Diese Dokumente werden in vielen Fällen identisch sein mit den Entscheidungen des Gerichts, die ohnehin nach § 5 Absatz 5 Satz 1 InsO zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen sind; die ergänzende Bereitstellung mit Kenntlichmachung als der Zustellung unterliegendes Dokument ermöglicht allerdings einen informatorischen Überblick über die durchgeführten Zustellungen des Insolvenzverwalters, wobei ausschlaggebend für die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen allein die Zustellung nach § 8 Absatz 3 InsO ist. Auf diese Weise wird der Gläubiger in die Lage versetzt, das Gläubigerinformationssystem als einheitliches Portal zur Informationsgewinnung über alle das Verfahren betreffenden Dokumente und Verfahrensschritte zu nutzen.“[84]

Damit zeigt sich, dass eine ergänzende Bereitstellung mit Kenntlichmachung als der Zustellung unterliegendes Dokument erfolgen soll und diese Dokumente nicht in allen Fällen mit Dokumenten, die nach § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO ohnehin zum elektronischen Abruf zur Verfügung zu stellen sind, identisch sind.

An dieser Stelle wird zur Umsetzung der geplanten Regelung weiterer technischer und personeller Aufwand notwendig. Zum einen muss zunächst (händisch) geprüft werden, welche Dokumente ergänzend einzustellen sind, zum anderen muss die geplante Kenntlichmachung technisch umgesetzt werden.

 

Exkurs: Digitalisierung von Dokumenten

Auch geht der Entwurf offenbar davon aus, dass dem Insolvenzverwalter sämtliche Dokumente bereits in elektronischer Form vorliegen. So finden sich keinerlei Hinweise zu Aufwand und Kosten für die Digitalisierung von in Papierform zugegangenen Dokumenten.

Neben dem für Scanarbeiten einzusetzendem Personal ist auch die Vorhaltung und Wartung von Geräten notwendig, die neben einer ausreichend großen Dokumentenzufuhr über eine schnelle Scangeschwindigkeit und die Möglichkeit des Scannens auch anderer Objekte[85] verfügen. Ebenso ist die Vorhaltung entsprechender Speicherkapazitäten erforderlich. Dieser Personal- und Kostenaufwand findet in anderen Regelwerken bereits Berücksichtigung (z.B. § 7 Abs. 3 JVEG, bzw. Nr. 32002 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichts- und Notarkostengesetz).

Für den Fall von Überführungsverpflichtungen des Insolvenzverwalters ist zugleich eine angemessene Regelung zum Kostenersatz zu treffen.

Inwieweit im Übrigen ein Mehrwert entsteht, wenn den Gläubigern bereits zugestellte Dokumente zusätzlich zum Abruf zur Verfügung gestellt werden, erscheint fraglich. Grundsätzlich dürfte eine Einstellung (nur) dann Sinn machen, wenn sich damit eine anderweitige Übermittlung erübrigt, was hier nicht vorgesehen ist.

 

f) § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E (Zugangsdaten)

§ 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E regelt:

Der Insolvenzverwalter hat den Nutzungsberechtigten die für den Zugang erforderlichen Daten nach Eingang der Forderungsanmeldung oder der Zustimmung zur elektronischen Zustellung unverzüglich zur Verfügung zu stellen.“

 

aa) Nutzungsberechtigte

Weshalb die Bezeichnung der „Einsichtsberechtigten“ nunmehr durch den Begriff der „Nutzungsberechtigten“ ersetzt wurde, ergibt sich aus der Entwurfsbegründung nicht.

Vor dem Hintergrund, dass auch andere Regelungswerke, wie bspw. das Telekommunikationsgesetz, die Begrifflichkeit des Nutzungsberechtigten verwenden, wäre eine Klarstellung hilfreich.

 

bb) Übermittlung der Zugangsdaten

Ist bislang in § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO lediglich geregelt, dass der Verwalter den Einsichtsberechtigten die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung stellt, erfolgt mit dem Entwurf nun eine zeitliche Konkretisierung, bzw. die Angabe einer Alternative („nach Eingang der Forderungsanmeldung oder der Zustimmung zur elektronischen Zustellung“).

Die Frage wann (und auf welchem Weg) der Insolvenzverwalter den Insolvenzgläubigern die Zugangsdaten für das eGIS zu übermitteln hat, ist bislang eng mit der oben beschriebenen Ermittlung der Gläubigerstellung verbunden.

 

(1) Bisherige Vorgehensweise

Bislang kamen unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht, wobei neben rechtlichen Erwägungen Praktikabilität und Handhabbarkeit wesentliche Kriterien für die Gestaltung des Zugangs sind:

Variante 1:

Die Zugangsdaten werden an alle Adressaten bereits mit der Aufforderung zur Forderunganmeldung versandt und zugleich wird erläutert, unter welchen Umständen eine Freischaltung erfolgt.

Variante 2:

Die Zugangsdaten werden individuell erst nach Freischaltung des Zugangs versandt. Diesem geht die (Teil-)Feststellung zur Tabelle bzw. die Klärung der Gläubigerstellung in Fällen eines vollständigen Bestreitens voraus.

Variante 3:

Nach Abwägung aller Argumente dürfte zugunsten der Praktikabilität bislang die erste Alternative vorzugswürdig sein, wonach die Zugangsdaten an alle Adressaten bereits mit der Aufforderung zur Forderungsanmeldung versandt werden und zugleich erläutert wird, unter welchen Umständen eine Freischaltung zum eGIS erfolgt.

 

(2) Künftige Anforderungen

Bemerkenswert ist, dass der Entwurf das Zurverfügungstellen von Zugangsdaten durch den Insolvenzverwalter in § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO-E nicht mehr zwingend von einer Forderungsanmeldung abhängig macht.

So reicht nach dem Wortlaut die Zustimmung zur elektronischen Zustellung aus, um die Zugangsdaten zu erhalten. Ob der „Nutzungsberechtigte“ zum Zeitpunkt der Zustimmung zur elektronischen Zustellung tatsächlich Insolvenzgläubiger i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E ist, ist (noch) völlig offen. Hier besteht damit in höherem Maße als bislang die Gefahr, dass sich Unberechtigte Zugang zu Informationen und personenbezogenen Daten im eGIS verschaffen.

Auch im Hinblick auf die zeitliche Konkretisierung der zur Verfügungstellung von Zugangsdaten zeigt die unter (1) geschilderte Darstellung der bisherigen Vorgehensweise, dass der Eingang (irgend-)einer Forderungsanmeldung (noch) keine verlässliche Angabe darüber zulässt, ob es sich (tatsächlich) um einen Insolvenzgläubiger i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E handelt.

Vor dem Hintergrund drohender Maßnahmen seitens der Datenschutzbehörden besteht an dieser Stelle dringender Nachbesserungsbedarf.

 

cc) Zustimmung zur elektronischen Zustellung

Zu den Einzelheiten der Zustimmung zur elektronischen Zustellung siehe unter Ziff. B. I. 3.
(§ 28 Abs. 4 InsO-E (Eröffnungsbeschluss)).

 

2. § 8 Abs. 3 InsO-E (Elektronische Zustellungen)

§ 8 Abs. 3 InsO soll wie folgt ergänzt werden:

„Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter beauftragen, die Zustellungen nach Absatz 1 durchzuführen. Zur Durchführung der Zustellung und zur Erfassung in den Akten kann er sich Dritter, insbesondere auch eigenen Personals, bedienen. Die Zustellung kann auch elektronisch nach Maßgabe des § 173 der Zivilprozessordnung erfolgen; in diesem Fall sind die Dokumente zugleich auch zum Abruf im elektronischen Gläubigerinformationssystem (§ 5 Absatz 5) zur Verfügung zu stellen. Der Insolvenzverwalter hat die von ihm nach § 184 Abs. 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung angefertigten Vermerke unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen. Im Fall des Satzes 3 hat er die Zustellnachweise unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen.“

Die Klarstellung, dass auch Insolvenzverwalter die Möglichkeit haben, Zustellungen im Auftrag des Insolvenzgerichts elektronisch nach § 173 ZPO vorzunehmen, „kann“ – so die Entwurfsbegründung – „dazu beitragen, den Versendungsaufwand zu reduzieren und die Zustellungsadressaten unmittelbar zu erreichen. Voraussetzung für die elektronische Zustellung an nicht in professioneller Eigenschaft am Verfahren beteiligten Personen, Vereinigungen und Organisationen ist allerdings eine Zustimmung zu dieser Zustellungsvariante nach Maßgabe des § 173 Absatz 4 ZPO.“[86]

 

a) Übermittlungsweg des Insolvenzverwalters

§ 173 Abs. 1 ZPO regelt, dass ein elektronisches Dokument elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg zugestellt werden darf. Einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments haben derzeit, so Absatz 2 Satz 1, Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater (Nr. 1) sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (Nr. 2) zu eröffnen.

„Sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, sollen einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen.“ (Abs. 2 Satz 2).

Was sichere Übermittlungswege i.S.d. § 173 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind, regelt § 130a Abs. 4 ZPO.

Danach käme für anwaltliche Insolvenzverwalter sowohl eine Übermittlung via beA als auch eBO in Betracht, für nichtanwaltliche Insolvenzverwalter eine solche via eBO.

Es stellt sich die Frage, ob der vom Gericht mit Zustellungen nach § 8 Abs. 1 InsO beauftragte Insolvenzverwalter im Hinblick auf elektronische Zustellungen auf einen bestimmten sicheren Übermittlungsweg beschränkt ist.

Dass diese Frage bedeutsam ist, zeigt der Streit um die Frage der Nutzungspflicht des  §  130d ZPO für den anwaltlichen Insolvenzverwalter[87] , die der BGH zumindest im Hinblick auf die Einlegung von Rechtsmitteln im Insolvenzverfahren (IX ZB 11/22 vom 24.11.2022) geklärt hat. In der Entscheidung wies der BGH jedoch auf Folgendes hin:

„Weil die genannten Bestimmungen in  §  5 Abs.  4 Satz  2 und Abs.  5 Satz  1 InsO  sowie in  §  174 Abs.  4 InsO  auch keine abschließende Regelung für den elektronischen Rechtsverkehr beinhalten, kommt eine entsprechende Anwendung von § 130d InsO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter in Betracht.[88]

Es bedarf mithin einer Klarstellung.

Mit einer elektronischen Zustellung via beA (aber auch eBO) verbinden sich zudem weitere Probleme:

Im Hinblick auf Insolvenzverfahren als Massenverfahren sind Zustellungen via beA extrem konfliktträchtig. Zum einen ist die hinter dem beA liegende EGVP-Infrastruktur, die auf dem OSCI-Protokoll aufsetzt, für größere Datenmengen ungeeignet. Derzeit sind Anzahl und Volumen elektronischer Dokumente auf (höchstens 1000 Dateien und) höchstens 200 Megabyte, bzw. effektiv auf 140-150 Megabyte[89], begrenzt (vgl. Ziff. 3 der 2. Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2022 vom 10. Februar 2022[90]). Mangels fehlender Versionierung ist die notwendige Volumenerweiterung technisch nicht in ausreichendem Maße möglich. Beim OSCI-Standard handelt es sich, mangels „handshaking“, um eine technische Sackgasse.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass (anwaltliche) Insolvenzverwalter, die ihr beA zum Zwecke der elektronischen Zustellung nutzen wollen, die Entscheidung des BGH vom 20.06.2023 (AZ 2 StR 39/23) zu beachten haben, wonach Rechtsanwälte ihre beA-Zugangsdaten nicht an Kanzleimitarbeiter weitergeben dürfen.

Sofern der Insolvenzverwalter die elektronischen Zustellungen nicht in persona via beA veranlasst, ist gemäß § 24 Abs. 2 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPN) für entsprechende Kanzleimitarbeiter zunächst ein diesen selbst zugeordnetes Zertifikat mit eigener PIN zu organisieren, was einen weiteren, nicht unerheblichen, administrativen Aufwand bedeutet.

 

b) Abruf im eGIS

Für den Fall der elektronischen Zustellung „sind die Dokumente zugleich auch zum Abruf im elektronischen Gläubigerinformationssystem (§ 5 Absatz 5) zur Verfügung zu stellen.“

Die Formulierung „zugleich“ wirft eine Reihe von Fragen auf, da sie eine Gleichzeitigkeit, bzw. Nähe zur elektronischen Zustellung impliziert. Daher soll zunächst kurz auf die gängigen technischen Gegebenheiten in den Kanzleien der Insolvenzverwalter eingegangen werden:

Die Systeme der Verwalterkanzleien sind – zum Schutz vor Hackerangriffen – üblicherweise von den elektronischen Gläubigerinformationssystemen getrennt. Welche Dokumente ins eGIS hochgeladen werden, muss manuell angesteuert werden.

Stellt der Insolvenzverwalter künftig Dokumente unter Verwendung der Schnittstellen seines Kanzleisystems auf einem sichereren Übermittlungsweg zu, ist dieser Vorgang mithin losgelöst vom Betrieb des eGIS zu betrachten, da es sich um zwei völlig verschiedene Kommunikationswege handelt.

Sofern der Insolvenzverwalter bspw. via beA elektronisch zugestellt hat, ist eine automatische Synchronisation (derzeit[91]) nicht möglich, da das beA nur über eine EGVP-Schnittstelle verfügt („closed shop“). D.h. die zuzustellenden/zugestellten Dokumente müssten ins beA und zusätzlich ins eGIS hochgeladen werden.

Daneben erfolgt eine Übermittlung via beA mehrstufig. D.h. die Nachricht geht zunächst beim Intermediär (Rechenzentrum) ein und wird von dort vom Empfänger (verpflichtend) abgeholt. Hierbei ist ein zeitlicher Versatz von bis zu einem Tag möglich.

Der Insolvenzverwalter müsste mithin individuell jede Zustellung dahingehend überwachen, wann der Empfänger die Nachricht abgerufen hat, um die jeweiligen Dokumente „zugleich“ ins eGIS einzupflegen. Die Bezeichnung „zugleich“ kann bereits aus technischen Gründen nicht im Hinblick auf eine zeitliche Identität verstanden werden.

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister von Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns zudem folgender Hinweis:

Bislang erfolgt die Synchronisation der Systeme der Verwalterkanzleien mit dem eGIS aus Kostengründen üblicherweise (nur) im Wochenrhythmus. Dabei wird das Wochenende bevorzugt, da die Synchronisation erhebliche Last auf den Servern verursacht. Eine tägliche Spiegelung der Systeme würde die Kosten für Personal und Technik erheblich erhöhen; insbesondere wären leistungsfähigere Server notwendig. Der zeitliche Rahmen, in dem programmseitig die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen wären, wurde mit minimal 1 bis 1,5 Jahren angegeben.

 

c) Vergütung

Bislang regelt § 4 Abs. 2 Satz 2 InsVV, dass für die Übertragung der Zustellungen im Sinne des  §  8 Abs.  3  InsO, Anlage 1 Nr. 9002 des Kostenverzeichnisses zum GKG entsprechend gilt.

Die in der Anlage 1 Nr. 9002 GKG geregelten Zustellungskosten, bei denen nach wie vor eine Klarstellung fehlt, ab welcher Anzahl von Zustellungen sie greift, und deren Anwendung durch eine disparate Rechtsprechung der Insolvenzgerichte gekennzeichnet ist, soll bislang den Aufwand einer Zustellung durch Aufgabe zur Post abgelten. Es ist aber nicht erkennbar, dass sie auch einen notwendigen Beitrag zur (Re-)Finanzierung einer IT-gestützten Zustellungsin-frastruktur umfasst. Dies ist aber erforderlich: dem Insolvenzverwalter wird regelmäßig eine gerichtliche Aufgabe mit der Übertragung der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und der Anmeldeunterlagen an die Insolvenzgläubiger übertragen.

Die Zustellungspauschale (Nr. 9002) i.H.v. 3,50 € je Zustellung wird für Zustellungen mit Zustellungsurkunde, Einschreiben gegen Rückschein oder durch Justizbedienstete nach § 168 Abs. 1 ZPO“ gewährt. 

Der Begriff der Zustellungsurkunde ist in § 182 ZPO definiert.

Es sollte daher dringend eine Klarstellung dahingehend erfolgen, in welcher Höhe die Vergütung im Falle einer elektronischen Zustellung durch den Insolvenzverwalter erfolgt.

 

d) Zustellnachweise

Der Entwurf sieht vor, dass der Insolvenzverwalter im Falle der elektronischen Zustellung die Zustellnachweise unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen hat (§ 8 Abs. 3 Satz 5 InsO-E).

Bislang reicht der Insolvenzverwalter über die postalischen Zustellungen sog. Zustell-Listen als Sammelnachweis ein.

Im Fall elektronischer Zustellungen via beA gibt es jedoch keine Sammelnachweise. Dies würde dazu führen, dass der Insolvenzverwalter (in größeren Insolvenzverfahren durchaus mehrere Tausend) Einzelnachweise einzureichen hätte. Die Übersendung aller Einzelzustellungsnachweise würde – gerade in Massenverfahren – zu einer sehr erheblichen Mehrbelastung nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch der Gerichte führen.[92]

Auch bei elektronischen Zustellungen sollte dringend die Möglichkeit von Sammelnachweisen eingeführt werden.

 

3. § 28 Abs. 4 InsO-E (Eröffnungsbeschluss)

Der Entwurf sieht vor, dass § 28 InsO der folgende Absatz 4 angefügt wird:

„Der Eröffnungsbeschluss hat den Hinweis darauf zu enthalten, dass Gläubiger, die elektronische Dokumente über sichere elektronische Übermittlungswege (§ 130a der Zivilprozessordnung) empfangen können, unter Angabe des über einen solchen Weg erreichbaren Postfachs ihre Zustimmung zu elektronischen Zustellungen erklären können.“

Nach dem Wortlaut ist danach die Zustimmung jedes (einzelnen) Gläubigers notwendig.[93]

In der Entwurfsbegründung findet sich – allerdings zur Änderung des § 8 Abs. 3 InsO-E – folgende Einschränkung:

„Voraussetzung für die elektronische Zustellung an nicht in professioneller Eigenschaft am Verfahren beteiligten Personen, Vereinigungen und Organisationen ist allerdings eine Zustimmung zu dieser Zustellungsvariante nach Maßgabe des § 173 Absatz 4 ZPO.“[94]

§ 173 Abs. 4 ZPO regelt, dass an „andere als die in Absatz 2 Genannten (…) ein elektronisches Dokument elektronisch nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben. Die Zustimmung gilt mit der Einreichung eines elektronischen Dokuments im jeweiligen Verfahren auf einem sicheren Übermittlungsweg als erteilt. Andere als natürliche Personen können die Zustimmung auch allgemein erteilen. (…)“ 

An dieser Stelle sollte dringend klargestellt werden, ob eine Zustimmung[95] zu elektronischen Zustellungen der in § 173 Abs. 2 ZPO genannten Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater, Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (Satz 1) sowie der sonstigen in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligten Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (Satz 2), entbehrlich ist.

In der Praxis kommen für den Insolvenzverwalter damit verschiedene Zustellkonstellationen in Betracht, die organisiert werden müssen. Zum einen – wie bisher – die postalische Zustellung, zum anderen die elektronische Zustellung. Dazu wäre vom Verwalter zunächst zu prüfen, bei welchem Gläubiger eine Zustimmung erforderlich ist bzw. ob diese entweder ausdrücklich oder über die Zustimmungsfiktion des § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO erteilt wurde.

Fraglich ist jedoch, wann und wem gegenüber die Zustimmung zu erklären ist (Gericht/Insolvenzverwalter). Sie bedarf ausweislich der Entwurfsbegründung „keiner bestimmten Form“ und kann „beispielsweise mit der Forderungsanmeldung nach § 174 InsO erfolgen“. Da die Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter erfolgt, spricht der Wortlaut der Entwurfsbegründung wohl dafür, dass die Zustimmung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären wäre.

Da keine bestimmte Form vorgegeben ist, dürfte mithin auch eine telefonische Zustimmung als ausreichend angesehen werden.

Auch an dieser Stelle ist dringend eine Klarstellung angezeigt.

Um die Digitalisierung von Insolvenzverfahren weiter zu fördern, sollte im Hinblick auf nicht professionelle Gläubiger die zügige Zustimmung zu einer elektronischen Zustellung gefördert werden. Erfolgt eine solche nicht zeitnah, wird die Praxis die Zustellung weiterhin postalisch vornehmen.

 

4. § 174 Abs. 4 InsO-E (Forderungsanmeldung)

Der Entwurf sieht vor, § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO wie folgt zu fassen:

„Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen; der Insolvenzverwalter kann den Übermittlungsweg sowie ein gängiges Dateiformat für die Anmeldung festlegen.“

„Die Neufassung des § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO“, so die Entwurfsbegründung, „dient der Umsetzung des Artikels 28 Buchstabe a der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Forderungsanmeldungen in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren künftig elektronisch erfolgen können. (…)

Das Angebot zur elektronischen Forderungsanmeldung soll mit der Neufassung des § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO verpflichtend werden.“[96]

Der Insolvenzverwalter wird damit verpflichtet, elektronische Forderungsanmeldungen entgegenzunehmen. Die Möglichkeit zur schriftlichen Forderungsanmeldung bleibt weiterhin möglich. So sollen Die Gläubiger (…) durch die Neuregelung nicht zur elektronischen Einreichung gezwungen werden.“ [97]

 

a) Übermittlungsweg

Da der Entwurf nur von einem Übermittlungsweg, nicht aber einem sicheren Übermittlungsweg (i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO) spricht, ist davon auszugehen, dass eine Identitätsprüfung des anmeldenden Gläubigers (auch künftig) nicht erfolgen muss (zu den datenschutzrechtlichen Folgen unter Ziff. B. I. 1. d) aa)).

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entwurfsbegründung:

„Welchen elektronischen Übermittlungsweg ein Gläubiger für die Anmeldung seiner Forderung nutzen kann, soll in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzverwalters gestellt werden. Schon heute sind alle gängigen Einreichungswege zulässig, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 174 Absatz 4 Satz 1 InsO zugestimmt hat.

Zu den allgemein anerkannten Übermittlungsformen gehören dann beispielsweise die Übermittlung der Forderungsanmeldung per PC-Fax, E-Mail, Messangerdiensten oder auch die Nutzung von Gläubigerinformationsdiensten mit elektronischen Eingabefunktionalitäten etwa über ein Kontaktformular.“[98]

Auch Erwägungsgrund 91 der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz führt (lediglich aus):

„(…)  Die Mitgliedstaaten sollten die konkreten elektronischen Kommunikationsmittel auswählen können. Beispiele solcher Kommunikationsmittel könnten ein eigens erstelltes System für die elektronische Übermittlung solcher Dokumente oder die Verwendung von E-Mail sein, ohne dass die Mitgliedstaaten daran gehindert werden, Elemente einzuführen, mit denen die Sicherheit der elektronischen Übermittlungen im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates ([99]) gewährleistet wird, beispielsweise elektronische Signaturen oder Vertrauensdienste, etwa Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben.“[100]

Da der Insolvenzverwalter den (einen) Übermittlungsweg selbst bestimmen kann, ist damit zugleich der Ausschluss anderer Übermittlungswege verbunden. Es sollte klargestellt werden, wie es sich dazu mit der Forderungsanmeldung auf sicheren Übermittlungswegen i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO verhält.[101]

Die mit dem Entwurf zum Ausdruck gebrachte Flexibilität beim Übermittlungsweg (ebenso wie bei der Festlegung des Dateiformates) führt leider dazu, dass eine bundeseinheitliche Handhabung in weite Ferne rückt.

 

b) gängiges Dateiformat

Zur Frage, was aus Sicht der Entwurfsverfasser als „gängiges Dateiformat“ zu verstehen ist, verhält sich die Begründung nicht.

Die elektronische Kommunikation mit Gerichten (und den für sie im Rahmen der Forderungsanmeldung tätigen Verwaltern) soll nach den erklärten Absichten des BMJ künftig stark erleichtert werden.

In einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 25.10.2023 wird dazu ausgeführt:

„Anträge oder Erklärungen von Mandantinnen und Mandanten können von der Anwaltschaft künftig als Scan an die Gerichte übermittelt werden. Zum elektronischen Einreichen von Schriftsätzen an das Gericht sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bereits seit 2022 verpflichtet. Soweit für eine Erklärung ihrer Mandanten allerdings verfahrensrechtlich die Schriftform angeordnet ist, müssen sie diese bislang in aller Regel in Papierform einreichen. Künftig soll es ausreichen, dass ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin beispielsweise den unterschriebenen Insolvenzantrag ihres Mandanten als eingescanntes Dokument an das Gericht übermittelt. Das erleichtert die Kommunikation sowohl für die Anwaltschaft als auch für Mandantinnen und Mandanten.“

Dies wurde im Entwurf aufgenommen. Dazu wird § 130a Abs. 3 ZPO-E der folgende Satz angefügt:

„Soll ein schriftlich einzureichender Antrag oder eine schriftlich einzureichende Erklärung einer Partei oder eines Dritten als elektronisches Dokument eingereicht werden, so kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung in ein elektronisches Dokument übertragen und durch den Bevollmächtigten, den Vertreter oder den Beistand nach Satz 1 übermittelt werden.“

Erfolgt die Forderungsanmeldung durch einen Rechtsanwalt mittels eingescannten Dokuments, würde die im Entwurf vorgeschlagene Festlegung der Dateiformate durch Insolvenzverwalter ins Leere gehen, weil er in jedem Fall das gescannte Dokument akzeptieren müsste.

Nach der Definition des § 130a Abs. 2 ZPO muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

Die naheliegende Frage, ob § 174 Abs. 4 Satz InsO-E diese grundsätzliche Maßgabe als lex specialis verdrängen soll, wird – soweit ersichtlich – im Entwurf nicht weiter erörtert. Hier, wie auch in der oben angesprochenen Frage eingescannter Dokumente, besteht Klarstellungsbedarf, der im Regierungsentwurf aufgegriffen werden sollte.

Der Einsatz einer Systemplattform nach dem Muster des belgischen Systems (s.o.) wäre auch hier eine erhebliche Vereinfachung. In einem solchen System könnte auch die Forderungsanmeldung bruchlos durch eine entsprechende Eingabemaske mit elektronischer Hilfefunktion (Hinweise zum richtigen und vollständigen Ausfüllen) unterstützt werden.

Für die weitere Vereinfachung des Verfahrens wäre der von Kollbach [102] vorgeschlagene Verzicht auf eine Übermittlung von Vertragsunterlagen an das Gericht bei unbestrittenen Forderungen und eine Übermittlung der Tabellendaten erst nach dem Prüftermin sinnvoll. Auf das bereits oben angeregte Einsichtsrecht der Gerichte in ein Gläubigerinformationssystem als Voraussetzung dieser Lösung wird an dieser Stelle nochmals hingewiesen.

 

II. Änderungen des StaRUG (Art. 38)

Die Änderungen des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG) dienen in ihrer Mehrzahl der Klarstellung und Präzisierung. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit von Restrukturierungsverfahren. Insbesondere die Anpassung von § 85 StaRUG ist zu begrüßen. Sie schafft Klarheit über den Umfang öffentlicher Bekanntmachungen und bietet in Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 sinnvolle Ergänzungen der bisherigen Regelung.

 

C. Fazit

Mit dem Entwurf verbindet sich ein weiterer Schritt hin zu der überfälligen Digitalisierung von Insolvenzverfahren. Gerade im Bereich dieser Kollektivverfahren macht sich die bislang nur zögerliche und bruchstückhafte Entwicklung digitaler Justizverfahren besonders negativ bemerkbar.

Der Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der EU – insbesondere mit dem nahen Belgien –

fällt ernüchternd aus. Dort hat man mit „RegSol“ ein über Sprach -und Kulturgrenzen hinweg stimmiges und vor allem benutzerfreundliches System aufgebaut, das bereits seit 2017 zu erheblichen Produktivitätsfortschritten geführt hat. Mit der neuesten Version wird auch ermöglicht, digitale Abstimmungen durchzuführen.

In Zeiten demographischer Nachwuchsprobleme erscheint es schwer verständlich, warum die deutsche Justiz bis heute an überholten oder wenig entwicklungsfähigen Konzepten[103] festhält, anstatt das belgische Vorbild aufzugreifen und damit auch die eigene Produktivität zu verbessern.

Die dadurch geschaffenen Folgeprobleme, die in dieser Stellungnahme aufgeführt sind, werden sich bei einem Festhalten an dieser Vorgehensweise voraussichtlich nicht verringern.

Bereits angekündigte Maßnahmen lassen vermuten, dass es zu weiteren Eingriffen des Gesetzgebers kommen wird. Die kurz gefasste Übergangsvorschrift des Entwurfs (Art. 37) löst zudem erheblichen Anpassungsdruck aus, der zu nochmals erhöhten Kosten führen wird.

Die im Zusammenhang mit digitalen Insolvenzverfahren bisher ungelösten Vergütungsfragen bei der Übertragung zentraler Aufgaben auf den Insolvenzverwalter dürfen nicht weiter zu Lasten der Berufsträger offenbleiben. Auch hier wäre eine Orientierung am belgischen Vorbild überlegenswert, das die Kosten in angemessener Höhe den Massen zuweist und damit auf alle Gläubiger verteilt.

 

 

Berlin, 28.11.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Bearbeitungsstand 05.09.2023, 11:49.

[2] Vgl. Entwurf, S. 1.

[3] Vgl. Entwurf, S. 30.

[4] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 55.

[5] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 56.

[6] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[7] Ausführlich zur Funktionsweise von „RegSol“ der Vortrag Ann de Jaeger am 09.11.2023 auf dem Deutschen Insolvenzverwalterkongress 2023 (Digitalisierung von Insolvenzverfahren: Das Beispiel RegSol).

[8] Vgl. VID-Stellungnahme zum RefE SanInsFoG, dort S. 78, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/10/VID-Stellungnahme-zum-RefE-SanInsFoG.pdf.

[9] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 39.

[10] Bspw. Blankenburg Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin; Lüdtke, ZVI 2021, 91 ff.; Heyer/Blankenburg, ZInsO 2022, 501 ff.; Madaus, BeckOK, InsO, § 5 Rn. 28 (Stand 15.10.2021); Rüther in Hamb-KO InsO, 9. Aufl. 2022, § 5, Rz. 50; Deppe/Radschuwait, InsbürO 2022, 340 ff.

[11] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 56.

[12] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 56.

[13] Auch eine Schwärzung von Dokumenten, die regelmäßig (eine Vielzahl) personenbezogene(r) Daten anderer Gläubiger enthalten, wäre zum einen mit einem erheblichen personellen Aufwand des Insolvenzverwalters, zum anderen mit einer Reduzierung des Informationsgehalts (ggf. bis auf Null) verbunden; zur Komplexität datenschutzrechtlicher Fragen sei auch auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Schwärzung von (personenbezogenen) Daten in Dokumenten verwiesen, so bspw. gegen eine Anonymisierung im Hinblick auf Beschlüsse, Heyer/Blankenburg a.a.O., S. 505; differenzierend Kollbach zur „Kürzung“ von Verwalterberichten in ZIP 2022, 201 f.

[14] Pressemitteilung Kontrolle der LfDI bewirkt Stopp unzulässiger Veröffentlichungen von personenbezogenen Insolvenzdaten“ vom 16.08.2022, abrufbar unter Kontrolle der LfDI bewirkt Stopp unzulässiger Veröffentlichungen von personenbezogenen Insolvenzdaten – Die Landesbeauftragte für Datenschutz (bremen.de).

[15] Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 192.

[16] Nach dem vorliegenden Entwurf wurde die Bezeichnung „Einsichtsberechtigte“ in „Nutzungsberechtigte“ geändert (§ 5 Absatz 5 Satz 3 InsO-E).

[17] Auf den Streit, ob Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht zur Tabelle angemeldet haben, als Beteiligte anzusehen sind, solange die Forderung noch angemeldet werden könnte (vgl. Rüther, a.a.O., § 4, Rz. 36) kommt es hier nicht an, da die Anmeldung vom Gesetzgeber als Grundvoraussetzung genannt ist.

[18] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506, die jedoch darauf verweisen, dass es im Hinblick auf die Zugriffsberechtigung auf das eGIS bei diesen Gläubigern zumeist an der fehlenden Anmeldung zur Tabelle scheitert; nachrangige Gläubiger erst ab Zulassung ihrer Forderungsanmeldung durch das Insolvenzgericht (§ 174 Abs. 3), so Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 52.

[19] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin sowie Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506; ebenso Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 52; a.A. Kollbach in ZIP 2022, 203.

[20] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin, sowie Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 506; a.A. Kollbach in ZIP 2022, 203.

[21] So auch Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenzverwalterkongresses 2021 in Berlin.

[22] Bei auch nur teilweiser Feststellung einer Forderung dürfte das Einsichtsrecht als Beteiligter bestehen (vgl. BGH 07.05.2020, IX ZB 56/19, Rz. 6), so dass der Zugang zum eGIS zu gewähren ist. (Nach Heyer/Blankenburg besteht eine Gläubigerstellung unstreitig dann, wenn zumindest ein Teil der Forderung anerkannt wurde (a.a.O. S. 507).

[23] Dies ist insb. in Fällen relevant, in denen die Forderung zwar dem Grunde nach besteht, vom Insolvenzverwalter jedoch wegen der geltend gemachten Höhe insgesamt bestritten wird, z.B. bei Schätzforderungen von Fiskus, Sozialversicherungsträgern oder der Agentur für Arbeit; auf diese Problematik hinweisend auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 507.

[24] Vgl. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S.192 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/241/1924181.pdf).

[25] Kollbach geht davon aus, dass elektr. Gläubigerinformationssysteme nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch die Gerichtsakten in Teilen abbilden, um mit der Neuregelung vor allem die Gerichte zu entlasten, während die Informationssysteme bis zur Einführung von § 5 Abs. 5 InsO „vor allem auf Forderungsanmeldung, Informationen über Prüfungsergebnisse (Anerkennung/Bestreiten, Quotenaussicht) und Termine ausgerichtet“ waren, vgl. ZInsO 2023, 723 ff. (725).

[26] Hilfe – Akteneinsichtsportal, dort unter Ziff. 2 und 3 (Das Gericht kann zudem (auch) eine temporäre Nutzer-ID für das Akteneinsichtsportal (Benutzername und Kennwort) anlegen, was mit Gewährung der Akteneinsicht erfolgt.).

[27] Stand 21.11.2023.

[28] Siehe Akteneinsichtsportal – Wählen Sie eine SAFE-Instanz.

[29] So hat bspw. beim eBO (besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach, § 10 ERVV) der Postfachinhaber gem. § 11 Abs. 2 ERVV im Rahmen der Identitätsfeststellung seinen Namen und seine Anschrift nachzuweisen, bspw. durch den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (Abs. 2 Nr. 1). Zum Registrierungsverfahren beim beA siehe auch die FAQs der Bundesnotarkammer (Zertifizierungsstelle)[29] zur beA-Karte ( FAQ_beA_180704.pdf (bnotk.de).)

[30] Zu den Voraussetzungen des Zuganges der Gläubiger zum elektronischen Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters ausführlich Radmann in NZI 19/2023, 749 ff.

[31] Vgl. auch Lüdtke, a.a.O., S. 92 der darauf verweist, dass die Missbrauchsanfälligkeit infolge versehentlicher Zugriffsgewährung an Nichtberechtigte deutlich höher ist als bei der Gewährung von Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle, wo eine fallbezogene individuelle Kontrolle durch das Gericht stattfindet.

[32] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 56.

[33] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 504 zu Beschlüssen der Gläubigerversammlung.

[34] Lüdtke, a.a.O., S. 92 f.: “Unverständlich ist, weshalb § 5 Abs. 5 InsO nur vorsieht, die Entscheidungen des Insolvenzgerichts in das System einzustellen, nicht aber auch die Entscheidungen der Gläubigerschaft, obgleich sie nach dem Grundsatz der Gläubigerautonomie über den Fortgang des Verfahrens und die bedeutsamsten Rechtshandlungen des Verwalters entscheiden sollen (§§ 157 ff. InsO). Daher sollten zumindest auch die gerichtlichen Protokolle der Gläubigerversammlungen zur Verfügung gestellt werden. Anders verhält es sich bei den Protokollen von Sitzungen des Gläubigerausschusses. Sie können nicht als „gerichtliche Entscheidung“ angesehen werden und sind aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des Ausschusses auch nicht gläubigeröffentlich.“; zu Protokollen von Gläubigerausschusssitzungen und deren Besonderheiten, wenn diese vertrauliche Informationen enthalten, siehe auch Kollbach in ZIP 2022, 201.

[35] a.a.O., S. 93.

[36] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 56.

[37] Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 505; für eine Einstellung von Protokollen, die gerichtliche Entscheidungen enthalten, die zur umfassenden Information der Gläubiger notwendig sind, vgl. auch Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342.

[38] Um den Streit, ob auch der Eröffnungsbeschluss einzustellen ist, einer Lösung zuzuführen, könnte § 5 Abs. 5 Satz 1 InsO-E wie folgt ergänzt werden: „alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts ab Eröffnung des Verfahrens“.

[39] Rüther, a.a.O. § 5, Rz. 54.

[40] Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 504.

[41] https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/.

[42] Zur Unterscheidung in der InsO zwischen öffentlicher Bekanntmachung und der Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle siehe auch Lüdtke, a.a.O., S. 92.

[43] Begr. RegE BT-Drucks. 19/24181 vom 09.11.2020, S. 59.

[44] BT-Drs. 19/25303, S. 93f.; die Streichung wurde im Bericht des Rechtsausschusses vom 16.12.2020 (BT-Drs. 19/25353, S. 13 f.) wie folgt begründet: „Der Ausschuss hat die Regelung zur Einschränkung der Veröffentlichung von Insolvenzverwaltervergütungsbeschlüssen überprüft. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Transparenz der mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Kosten gegenüber den Gläubigern von hoher Bedeutung ist. Denn das zentrale Ziel des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Insolvenzverwaltervergütung schmälern die Insolvenzmasse, die an die Insolvenzgläubiger verteilt werden kann. Der Zugang der Gläubiger zu den Informationen über die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung und die Möglichkeit, gegen fehlerhafte Vergütungsbeschlüsse ein Rechtsmittel einlegen, sollte daher nicht erschwert werden. Dies stellt die bisherige Fassung des § 64 InsO in der Auslegung durch den BGH sicher, wonach die Vergütungsbeschlüsse mit Ausnahme der festgesetzten Beträge im Wesentlichen vollständig zu veröffentlichen sind (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 – IX ZB 65/16). Bei ihr soll es bleiben.“

[45] Für eine Einstellung der (vollständigen) Vergütungsbeschlüsse Kollbach in ZIP 2022, 201; so auch Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505, die darauf abstellen, dass das GIS nur verfahrensbeteiligten Gläubigern zugänglich ist, die grds. ein Akteneinsichtsrecht gem. § 299 Abs. 1 ZPO haben – unterliegt die betroffene Entscheidung / der Beschluss der Akteneinsicht, ist eine Einstellung in vollem Wortlaut in das GIS angezeigt (Ausnahme: Beschluss wäre in einem Sonderband veröffentlicht); für eine Einstellung aller Beschlüsse die im Lauf des Verfahrens ergehen Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342.

[46] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 505.

[47] Blankenburg, Vortrag „Gläubigerinformation – Inhalte und Gestaltung“ am 04.11.2021 anlässlich des Deutschen Insolvenverwalterkongresses 2021 in Berlin.

[48] So auch Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 505.

[49] Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 504 f.; darüber hinausgehend Kollbach in ZIP 2022, 200: Es gibt aber auch Entscheidungen, die nicht vom Insolvenzgericht getroffen sind, aber gleichwohl in ein solches Informationssystem gehören. Dazu zählen beispielsweise Entscheidungen des Beschwerdegerichts, der Instanzgerichte (…) oder anderer Behörden und Gerichtszweige (Widerruf der Gewerbeerlaubnis, Entzug einer Kammerzulassung, Ordnungswidrigkeiten wegen fehlender Hinterlegung von Bilanzen, Bankrottdelikte, Hinterziehung von Sozialbeiträgen nach § 266a StGB).“

[50] Heyer/Blankenburg, a.a.O. S. 505.

[51] Auch wenn in der Begründung zum SanInsFoG zur Einführung des § 5 Abs. 5 InsO darauf hingewiesen wurde, dass auch dem Gericht eine Einsichtnahmemöglichkeit einzuräumen sei, ist eine gesetzliche Klarstellung insbesondere vor dem Hintergrund angezeigt, dass elektronische Gläubigerinformationssysteme mit dem Entwurf künftig in allen Insolvenzverfahren verpflichtend sein sollen.

[52] Jüngst ähnlich mit Verweis auf die hier gebotene Auslegung: Kollbach, ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen).

[53] Vgl. dazu Fn. 72.

[54] Ebenso Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55; Lüdtke, a.a.O. S. 93; Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505; Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342 (mit dem Hinweis auf ggf. individuelle Entscheidungen im Hinblick auf das jeweilige Verfahren).

[55] Ebenso Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55; Lüdtke a.a.O., S. 93; Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505; Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342 mit dem Hinweis auf ggf. individuelle Entscheidungen im Hinblick auf das jeweilige Verfahren.

[56] Zum Umgang mit Berichten in der Eigenverwaltung vgl. Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505, wonach die Berichte gemäß § 281 Abs. 2 InsO vom Schuldner dem Sachwalter zur Einstellung in das GIS zur Verfügung zu stellen sind und auch die Stellungnahme des Sachwalters gem. § 281 Abs. 2 Satz 2 InsO im GIS veröffentlicht werden sollte.

[57] A.A. Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[58] A.A. Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[59] Ebenso Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505; Deppe/Radschuwait, a.a.O. S. 342 mit dem Hinweis auf ggf. individuelle Entscheidungen im Hinblick auf das jeweilige Verfahren; bejahend zum Schlussbericht i.S.d. § 66 Abs. 1 InsO Lüdtke, a.a.O., S. 93.

[60] Ebenso Lüdtke, a.a.O. S. 93; Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[61] Vgl. etwa Voigt-Salus/Pape in Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl., Kapitel 22 Rn. 169 ff.

[62] Vgl. auch Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55: „Sieht das Gesetz vor, dass bestimmte Unterlagen für die Gläubiger zur Einsicht der Beteiligten ausgelegt werden (z.B. die Schlussrechnung mit allen Belegen, dem gerichtlichen Prüfungsvermerk und den Bemerkungen des Gläubigerausschusses, § 66 Abs. 2; das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht, §§ b151 ff., 154; das Verteilungsverzeichnis, § 188) sind diese nicht Gegenstand des elektronischen Gläubigerinformationssystems. Insoweit handelt es sich weder um eine >>Entscheidung<< des Insolvenzgerichts noch den eigentlichen Verwalter>>bericht<< (…), wonach Abs. 5 aus Gründen des Datenschutzes dahin gehend teleologisch zu reduzieren ist, dass keine Unterlagen Gegenstand des elektronischen Gläubigerinformationssystems sind, die nicht öffentlich bekannt gemacht, sondern lediglich zur Einsichtnahme ausgelegt werden.“

[63] Siehe auch Deppe/Radschuwait, a.a.O., S. 342: „Was sich der Gesetzgeber unter Berichten vorstellt, welche ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, bleibt der eigenen Phantasie überlassen, da die Insolvenzordnung derartige Berichte nicht vorsieht.“

[64] Der Insolvenzverwalter/Sachwalter steht als Verantwortlicher für die Datenverarbeitung, anders als das Gericht, unter Aufsicht der zuständigen Landesdatenschutzbehörde und ist bei Datenschutzverstößen Adressat etwaiger Bußgelder.

[65] Ebenso Heyer/Blankenburg, wonach die Tabelle in digitaler Form geführt wird und schon fraglich wäre, wie der Verwalter diese Information ins eGIS einstellen sollte, da ein Dokument in Form eines Tabellenauszuges noch gar nicht vorhanden wäre. Zu Recht weisen die Autoren darauf hin, dass ab dem Prüfungstermin die Tabelle bei Gericht zu führen ist, sodass die Erklärungen dort abzugeben sind und der Verwalter nicht ohne weiteres darauf zurückgreifen kann (a.a.O., S. 506). Für eine Tabellenniederlegung nur im Gläubigerinformationssystem Kollbach, ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen) mit Argumenten, die zurecht auf die bestehenden Lücken bei der Digitalisierung hinweisen.

[66] § 5 Abs. 5 InsO bezieht sich auf das eröffnete Insolvenzverfahren, während das Gutachten im Vorfeld für das Insolvenzgericht erstellt wurde; der Inhalt des Gutachtens findet ferner in den einstellungspflichtigen Berichten Berücksichtigung.

[67] Ebenso Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55 und Lüdtke, a.a.O., S. 93, a.A. Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505: „Nicht einzustellen sind Berichte, die ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen. Soweit daraus gefolgert wird, dass dieser Passus dazu dienen soll, die Verzeichnisse (…) von der Einstellungspflicht auszunehmen, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich dabei schon nicht um Berichte. Funktion kommt dem Passus vielmehr insoweit zu, als dass der Insolvenzverwalter prüfen muss, ob in den Unterlagen der Gläubiger aufgeführt wird, dem der Bericht zugänglich gemacht wird. Ein Bericht über die Prüfung nachgemeldeter Forderungen betrifft nur diese Gläubiger und ist nicht allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Für die Insolvenzverwalter hat dies die missliche Konsequenz, dass sie außerhalb der Hauptberichte jeweils individuell prüfen müssen, wer durch den Bericht betroffen ist (vgl. dazu auch Kollbach in ZIP 2022, 201).

[68] Ebenso Lüdtke, a.a.O., S. 93 und Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55, a.A. wohl Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505 (vgl. Fn. 67).

[69] A.A. Heyer/Blankenburg, a.a.O., S. 505.

[70] Ebenso Lüdtke, a.a.O., S. 93 und Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[71] Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 55.

[72] Da das Gesetz keine Einschränkungen hinsichtlich des Urhebers eines Berichts enthält, sind Berichte von Kassenprüfern an dieser Stelle zu behandeln.

[73] Im Einzelnen dazu auch Lüdtke, a.a.O., S. 93.

[74] Ebenso Lüdtke, a.a.O., S. 93.

[75] Heyer/Blankenburg sehen die Fallgruppe der die eigene Forderung betreffenden Unterlagen (sogar) als Auffangtatbestand für sämtliche Dokumente, die nicht bereits nach § 5 Abs. 5 Fallgruppe 2 den Gläubigern zur Verfügung gestellt werden (a.a.O., S. 506).

[76] Ablehnend auch Lüdtke, a.a.O., S. 93 und Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 56.

[77] So wohl auch Heyer/Blankenburg, die darauf verweisen, dass dem erheblichen Mehraufwand für den Verwalter kein Mehrwert des Gläubigers gegenübersteht, a.a.O., S. 506.

[78] Gegen eine Digitalisierungspflicht und die Übernahme einer zusätzlichen Archivierung von Unterlagen des Gläubigers auch Kollbach in ZIP 2022, 202; ebenso auch Kexel, in Graf-Schlicker, InsO-KO, 6. Aufl. 2022, § 5, Rz. 31 wonach der Insolvenzverwalter die eigenen Unterlagen des Gläubigers oder solche, die er ohnehin schon auf anderem Weg erhalten hat, nicht nochmals zusammenzustellen hat, bzw. auch nicht verpflichtet ist, solche ggf. noch eigens zu digitalisieren.

[79] Bislang geregelt in § 5 Abs. 5 Satz 1 (gängiges Dateiformat) und 2 (elektronischer Abruf) InsO.

[80] Kollbach in ZIP 2022, 203 f., der die elektronische Akte und das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als Rückschritt in der IT-Konzeption bezeichnet.

[81] Kollbach in ZIP 2022, 203 f.

[82] Für PDF als gängiges Dateiformat auch Rüther, a.a.O., § 5, Rz. 53.

[83] Offen bleibt, ob seitens der Entwurfsverfasser mit einem „gängigen Dateiformat“ auch fälschungssicher gemeint ist.

[84] Entwurfsbegründung, S. 56.

[85] wie bspw. Fotos.

[86] Entwurfsbegründung, S. 56.

[87] Gegen eine Nutzungspflicht zu Recht u.a. Kollbach in ZInsO 2022, 624 ff., für eine Nutzungspflicht u.a. Beth in ZInsO 2022, 750 ff.

[88] BGH IX ZB 11/22, Rz. 9.

[89] Bedingt durch die Umkodierung der Daten für den Transport.

[90] Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 ERVV.

[91] Hier müsste eine (technisch mögliche) Erweiterung des EGVP geschaffen werden.

[92] Dazu auch Kollbach, ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen).

[93] Vgl. auch Entwurfsbegründung, S. 34 f. („Soweit Gläubiger sich damit einverstanden erklären, wird der Weg für Zustellungen nach § 173 ZPO auch in dem Fall eröffnet, in dem der Verwalter mit der Zustellung nach § 8 Abs. 3 InsO beauftragt wird.“).

[94] Entwurfsbegründung, S. 56.

[95] Zum Aufwand institutioneller Gläubiger siehe Kollbach, ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen).

[96] Entwurfsbegründung, S. 57.

[97] Entwurfsbegründung, S. 58.

[98] Entwurfsbegründung, S. 58.

[99] Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).

[100] RICHTLINIE (EU) 2019/ 1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES – vom 20. Juni 2019 – über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs- , Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/ 1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) (europa.eu).

[101] Zum Streitstand der Frage einer etwaigen Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs bei der Forderungsanmeldung/Anmeldung über Gläubigerinformationssysteme Kollbach in ZInsO 2023, 723 ff. (727), der sich kritisch mit dem Beitrag von Deppe/Radschuwait, InsbürO 2022, 378 ff. auseinandersetzt.

[102] ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen).

[103] Vgl. Kollbach ZInsO 2023, Heft 51/52 (im Erscheinen).