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Stellungnahme:
22.01.2024
Mit dem Referentenentwurf[1] (nachfolgend Entwurf) soll der missbräuchlichen Ausübung des Eigentums an sog. Schrott- oder Problemimmobilien durch den Erwerb in der Zwangsversteigerung begegnet werden:
„Betroffene Gemeinden konnten in einigen Fällen beobachten, dass derartige Immobilien zu einem den Verkehrswert deutlich übersteigenden Wert ersteigert werden und der Ersteher nur die Sicherheitsleistung, anschließend jedoch nicht sein Gebot bezahlt hat. Da der Ersteher mit der Verkündung des Zuschlags Eigentümer der Immobilie wird, darf er jedoch ab dem Zeitpunkt des Zuschlags auch die Nutzungen aus der Immobilie ziehen, beispielsweise Mieten aus bestehenden Mietverhältnissen einziehen oder die Immobilie neu vermieten. Dadurch kann der Ersteher erhebliche Einnahmen generieren. In einigen dieser Fälle berichten betroffene Gemeinden von Überbelegung und Verwahrlosung der Immobilie, die auch mit zusätzlichen Problemen und Rechtsverstößen einhergehen können, wie zum Beispiel Lärm oder Vermüllung. Die Nutzung der Immobilie, ohne das Gebot zu zahlen, stellt sich in diesen Fällen daher als Missbrauch der erlangten Eigentümerstellung dar. Wird das Gebot nicht belegt, kommt es zwar in der Regel zu einer Wiederversteigerung. Da jedoch zwischen Zuschlag und neuem Versteigerungstermin regelmäßig mehrere Monate vergehen, kann der Ersteher in der Zwischenzeit erhebliche Einnahmen erzielen. Zugleich verschlechtert sich der Zustand der Immobilie weiter, bis dem Ersteher bei der Wiederversteigerung das Eigentum wieder entzogen wird. Diesem missbräuchlichen Erwerb soll durch den Entwurf entgegengewirkt werden.“[2]
Dem soll, bei geschätzt rund 30 Fällen deutschlandweit pro Jahr[3], durch die Einführung eines neuen § 94a ZVG-E begegnet werden.
Dieser sieht vor, der Gemeinde, in der das Grundstück liegt – unabhängig von den Voraussetzungen des § 94 ZVG und von sonstigen Voraussetzungen – das Recht einzuräumen, in einem Zwangsversteigerungsverfahren einen Antrag auf gerichtliche Verwaltung zu stellen.[4]
Mit dem in § 94a Abs. 3 ZVG-E enthaltenen Verweis auf § 94 Abs. 2 ZVG werden die Vorschriften über die Zwangsverwaltung hinsichtlich der Bestellung des Verwalters sowie dessen Rechte und Pflichten für anwendbar erklärt.[5] § 94a Abs. 4 ZVG-E regelt u.a. das Verhältnis der gerichtlichen Verwaltung zur Zwangsverwaltung.[6]
Die geplante Regelung des § 94a ZVG-E wirft eine Vielzahl an Fragen auf. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Frage des Anwendungsbereichs der Norm.
Nachdem der Titel („Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz“) und die im Entwurf geschilderte Problematik auf Schrott-, bzw. Problemimmobilien abstellen, lässt der Entwurf eine entsprechende Definition in § 94a ZVG-E vermissen.
So regelt § 94a Abs. 1 ZVG-E lediglich, dass „auf Antrag der Gemeinde, in der das Grundstück belegen ist, (…) dieses für Rechnung des Erstehers in gerichtliche Verwaltung zu nehmen [ist] (…)“, solange nicht die in § 94a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZVG-E genannten Bedingungen vorliegen.
Ausweislich der Entwurfsbegründung ist der Antrag der Gemeinde außer bezüglich der Lage der Immobilie an keine sonstigen Voraussetzungen gebunden[7]. Die Regelung setzt, so die Begründung, „insbesondere nicht voraus, dass das Gericht prüft und zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei der Immobilie um eine sogenannte Schrott- oder Problemimmobilie handelt. Spiegelbildlich enthält die Vorschrift auch keine Pflicht der Gemeinde, ihren Antrag gegenüber dem Gericht mit entsprechenden Ausführungen zu begründen.“[8]
Lediglich im Allgemeinen Teil der Begründung wird ausgeführt, dass als Schrott- oder Prob-lemimmobilien „umgangssprachlich Immobilien mit nicht vorhandenem Geldwert und fehlender Verwertungsmöglichkeit bezeichnet [werden]. Bei diesen Immobilien kann es zusätzlich zu erheblichen städtebaulichen Missständen kommen, die vom Eigentümer nicht behoben werden, häufig, weil sich dies aus dessen Sicht nicht lohnen würde oder der Eigentümer die erforderlichen finanziellen Mittel dafür nicht aufbringen kann.“[9]
Mangels gesetzlicher Definition von Schrott-, bzw. Problemimmobilien und einer nicht notwendig durchzuführenden Prüfung durch das Gericht ist nach dem Wortlaut der Norm davon auszugehen, dass ein solcher Antrag der Gemeinde künftig für alle im Gemeindegebiet gelegenen Grundstücke möglich ist.
Dies erstaunt insoweit, als dass die Gemeinde, anders als bei § 94 ZVG, nicht einmal Gläubigerin sein muss. Vielmehr verweist die Entwurfsbegründung explizit darauf, dass das Antragsrecht der Gemeinde nach § 94a ZVG-E auch dann besteht, „wenn die Gemeinde zwar auch Gläubigerin ist, die Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinde jedoch gezielt beglichen werden und diese dadurch kein Antragsrecht auf gerichtliche Verwaltung nach § 94 ZVG hat.“
Der Anwendungsbereich des § 94a ZVG-E erfasst nach seinem Wortlaut nicht nur sog.
Schrott-, bzw. Problemimmobilien. Diese Lücke bleibt unverständlich, da sie erhebliche Rechtsunsicherheit schafft. Die weitgehenden Interventionsrechte von Gemeinden ohne Gläubigerstellung sind zudem ein Systembruch, der angesichts der voraussichtlich sehr geringen Fallzahlen auch verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Berlin, 22.01.2024
Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de
[1] Referentenentwurf des BMJ, Stand 18.12.2023.
[2] Entwurfsbegründung, S. 1.
[3] Entwurfsbegründung zum Erfüllungsaufwand, S. 8: „Insgesamt gibt es pro Jahr 21389 Versteigerungsverfahren (…). Nur ein sehr kleiner Teil davon betrifft verwahrloste Immobilien, bei denen der Ersteher ein Gebot deutlich über Verkehrswert abgibt, sein Gebot jedoch nicht bezahlt und trotzdem Nutzungen aus der Immobilie zieht. Für die Berechnung des Erfüllungsaufwands wird davon ausgegangen, dass es deutschlandweit pro Jahr 30 Fälle dieser Art gibt, in denen ein Antrag für die Gemeinde nach bislang geltendem Recht nicht möglich war, künftig aber die gerichtliche Verwaltung beantragt, tatsächlich angeordnet und durchgeführt wird.“
[4] Entwurfsbegründung, S. 1.
[5] Entwurfsbegründung, S. 14.
[6] Entwurfsbegründung, S. 15: Der Regelung des § 94a Abs. 4 Nr. 1 ZVG-E „liegt zu Grunde, dass beide Arten der Verwaltung dem Eigentümer die Verwaltungsbefugnis entziehen und auf den Zwangsverwalter übertragen. Während die Überschüsse aus der Verwaltung des Grundstücks bei der gerichtlichen Verwaltung jedoch später an den Ersteher auszukehren sind, sind sie bei der Zwangsverwaltung auf die Forderungen der Gläubiger zu verteilen. Treffen beide Verfahren der Verwaltung zusammen, sind die Interessen von Gläubigern auf Befriedigung ihrer Forderung höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen der Gemeinde, die nicht auf Gläubigerbefriedigung gerichtet sind.“
[7] Zur Frage, wie mit Grundstücken umzugehen ist, die in mehreren Gemeinden liegen, siehe Entwurfsbegründung, S. 12.
[8] Entwurfsbegründung, S. 12.
[9] Entwurfsbegründung, S. 5.