VID-Stellunganhme zum Entwurf einer Checkliste für Restrukturierungspläne nach § 16 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)

 

A. Einleitung

§ 16 StaRUG setzt die Vorgaben aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ((EU) 2019/1023) um[1]. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie[2] regelt, dass die Mitgliedstaaten „online eine umfassende, an die Bedürfnisse von KMU angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne zur Verfügung [stellen]. Die Checkliste enthält praktische Leitlinien dazu, wie der Restrukturierungsplan nach nationalem Recht zu erstellen ist. (…)“

Der Erwägungsgrund 17 der Richtlinie führt dazu aus:

„Den Unternehmen, vor allem KMU, die 99 % aller Unternehmen in der Union ausmachen, dürfte ein kohärenterer Ansatz auf Unionsebene zugutekommen. KMU werden eher liquidiert als restrukturiert, da sie unverhältnismäßig höhere Kosten zu tragen haben als größere Unternehmen. KMU — insbesondere, wenn sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden — verfügen häufig nicht über die erforderlichen Mittel, um die hohen Restrukturierungskosten zu tragen und die effizienteren Restrukturierungsverfahren, die nur in einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, zu nutzen. Um solchen Schuldnern bei einer kostengünstigen Restrukturierung zu helfen, sollten umfassende Checklisten für Restrukturierungspläne, die an die Bedürfnisse und Besonderheiten von KMU angepasst sind, auf nationaler Ebene entwickelt und online zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten Frühwarnsysteme eingerichtet werden, die Schuldner warnen, wenn Handeln dringend erforderlich ist, unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel, die KMU für die Einstellung von Fachleuten zur Verfügung stehen.“[3]

Gemäß § 16 StaRUG macht das „Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (…) eine Checkliste für Restrukturierungspläne bekannt, welche an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasst ist. Die Checkliste wird auf der Internetseite www.bmjv.bund.de veröffentlicht.“

Anforderungen an Mindestinhalte eines Restrukturierungsplans sind bereits in § 5 S. 2 StaRUG vorgesehen. Danach enthält der Restrukturierungsplan neben den sich aus den §§ 5 bis 15 StaRUG ergebenden, mindestens die nach der Anlage[4] zum StaRUG erforderlichen Angaben.

Der vorliegende Entwurf führt in Bezug auf Zielsetzung und Verwendung der Checkliste aus, dass damit dem Auftrag aus § 16 StaRUG nachgekommen wird eine auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnittene Hilfestellung für die Konzipierung und Erstellung von Restrukturierungsplänen nach §§  5  ff. StaRUG bekanntzugeben.“

An diesen Bedürfnissen ist der vorliegende Entwurf zu messen.

 

B. Im Einzelnen

Der Begriff „Checkliste“ lässt zunächst eine Arbeitshilfe erwarten, mit Hilfe derer bei komplexen Vorgängen sichergestellt werden soll, dass nichts übersehen, bzw. vergessen wird. So handelt es sich bei einer Checkliste in der Regel entweder um einen Fragenkatalog mit einer Sammlung von Fragen zu einem definierten Thema oder um eine Prüfliste mit abzuhakenden Kriterien.

Der vorgelegte Entwurf entspricht dem nur, soweit es um die Gliederung (Seite 1 bis 3) geht. Die erläuternden „Weitergehende[n] Informationen“ erfüllen diese Funktion nur eingeschränkt.

Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Materie nicht für eine Checkliste eignet oder der Entwurf die herkömmliche Funktion einer Checkliste nicht erfüllt.

Diesbezüglich erlauben wir uns eine grundlegende Anmerkung (I.), eine Ergänzung der Gliederung (II.)  sowie verschiedene Anmerkungen zur Ausgestaltung des Entwurfs (III.).

 

I. Grundlegende Anmerkung

Die Entwurfsverfasser formulieren zu Recht, dass die Vielfalt der denkbaren Plangestaltungen es nicht zulasse, ein Formular zu schaffen, das

  • einerseits allen denkbaren Gestaltungen und
  • zugleich seiner Funktion, dem Nutzer Orientierung zu geben, gerecht wird.

Folglich sei die Checkliste auch kein Formular, sondern allein als Orientierungshilfe zu verstehen. Diese Zielstellung wird gefährdet, wenn

  • Formulierungen dominieren, die an den Gesetzestext, die Gesetzesmaterialien oder die Erwägungsgründe erinnern,
  • der Gesetzestext teilweise wörtlich wiedergegeben[5] wird und
  • wenn umfangreiche Passagen faktisch wiederholt[6]

Wünschenswert und funktionsgerecht wäre die Abkehr vom durchgehenden Fließtext hin zu einer aussagekräftigen Zusammenfassung in Stichpunkten.

Veranschaulicht am Beispiel des Gliederungspunktes der „Auswahl der Planbetroffenen“ (S. 12 f.) könnte die entsprechende Passage wie folgt geändert werden:

„Wurden die Planbetroffenen sachgerecht ausgewählt?

Eine sachgerechte Auswahl liegt vor, wenn:

                   ☐         die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden,

                ☐         die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint.

z.B. wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden oder die Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben.

ODER

                   ☐         mit Ausnahme der in § 4 genannten Forderungen sämtliche Forderungen einbezogen werden.

Gibt es Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften oder Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden?

☐         nein

☐         ja   (Bitte benennen Sie in diesem Fall die Nichteinbezogenen und erläutern die  Gründe für       

die  unterbliebene Einbeziehung. Eine Beschreibung unter Bezugnahme auf Kategorien gleichartiger Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten genügt, wenn dadurch die Überprüfung der sachgerechten Abgrenzung nach § 8 nicht erschwert wird.)“

 

Das Ziel, sämtliche Anforderungen anzusprechen, die sich den gesetzlichen Bestimmungen entnehmen lassen, würde sich hierdurch genauso erfüllen lassen. Allerdings zugunsten einer höheren Verständlichkeit auf dem Niveau einer Checkliste, wenn auch auf Kosten der Motive. Die Darstellung derselben ist jedoch verzichtbar und ohnehin zu recherchieren, wenn die Anpassung eines „Standards“ auf eine „Maßanfertigung“ ansteht.

 

II. Ergänzung der Gliederung

Der darstellende Teil sollte wie folgt ergänzt werden (kursiv fett): 

 „Unternehmens- und krisenbezogene Angaben

                   ☐        Wirtschaftliche Situation des Schuldners und Krisenanalyse

Beschreibung der Überwachung der Fortbestandsgefährdung, der Gegenmaß-

   nahmen und der Mitteilungspflichten gegenüber Überwachungsorganen

                   ☐        Angaben zur Vermögenslage des Schuldners

Darlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit

                                                                 Finanzplan der nächsten 24 Monate

                                                                 Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in den Monaten 13-24

                                                                 Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in den Monaten 0-12

                                                                                          Vermögen zu Liquidationswerten deckt Verbindlichkeiten

Bei Durchführung des Restrukturierungsverfahrens ist die insolvenzrechtliche  Überschuldung beseitigt“

 

Begründung:

Die Checkliste sollte insbesondere zwei „Schlüsselkriterien“ des StaRUG aufgreifen. Einerseits die Krisenfrüherkennung und die damit verbundenen Pflichten des Geschäftsleiters, andererseits die Zugangsvoraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Dies kann und muss gerade auch den kleinen und mittleren Unternehmen, die mit der Checkliste angesprochen werden sollen, vor Augen geführt werden. Fehlen diese Punkte, könnten diese bei der Beschäftigung mit der Sanierungsalternative unter Umständen gedanklich „übersprungen“ werden. Dies muss unbedingt vermieden werden. Die Sanierung durch das StaRUG steht nur Unternehmen zur Verfügung, die noch nicht zahlungsunfähig und noch nicht überschuldet sind.

 

III. Ausgestaltung des Entwurfs

1. Schuldnerbezogene Anmerkungen (S. 5 ff.) 

  • Vertretungsberechtigung:
    Mit Rücksicht auf die Sanierungssituation bei Vorlage des Insolvenzplans sollten nicht nur Angaben zur gesetzlichen Vertretungsberechtigung erfolgen, sondern auch Hinweise auf die Existenz von Generalhandlungsvollmachten, (Krisen-) Interimsmanager („CRO“) und Verträge mit Sanierungsberatern.
  • Registergericht:
    Neben der Angabe des Registergerichts zur Überprüfung der Zuständigkeit sollten Angaben zum Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeiten („COMI“) verpflichtend sein. Sinnvoll erscheint zusätzlich ein Verweis auf S. 9 zu den Sanierungsplänen bei Gruppen.

2. Verfahrensbezogene Anmerkungen

  • Sanierungsgutachten:
    Verpflichtend sollte der Hinweis auf existierende Sanierungsgutachten oder Gutachten zur Bestätigung der positiven Fortbestehensprognose sein.
  • Bestellung Restrukturierungsgutachter, Anordnung Stabilisierungsanordnung, etc.:
    Entsprechende Angaben sollten weder „Soll“-Angaben sein, noch sollte der „Muss“- Charakter von der Erheblichkeit für die (Gestaltungs-) Wirkungen des Restrukturierungsplans abhängen.

 3. Wirtschaftliche Situation (S. 7 ff.) 

  • Die Heranziehung der „einschlägigen Rechnungslegungsposten (Umsätze, Aufwendungen und Kosten, Erträge)“ sollte konkretisiert werden: Was ist gemeint? (Betriebswirtschaftliche Auswertung, Gewinn- und Verlustrechnung, etc.)

4. Angaben zur Vermögenslage des Schuldners (S. 8 ff.) 

  • Die wichtigste Angabe („einschließlich einer Bewertung“) wird eher beiläufig genannt und bleibt interpretationsbedürftig. Die Definition der Bilanz als Ausgangspunkt für die Aufstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ist zu begrüßen. Der Hinweis auf die Notwendigkeit von Wertanpassungen sollte mit Hinweis auf die Aufdeckung stiller Reserven und Lasten sowie die Differenzierung zwischen Fortführungs- und Liquidationsprämisse konkretisiert werden. Die Angabe von Liquidationswerten sollte auch dann als Pflichtangabe gefordert werden, wenn nach § 6 Abs. 2 StaRUG die Fortführung beabsichtigt ist.
  • Eine Bezugnahme auf §§ 151 Abs. 1 u. 2, 153 InsO könnte die Konkretisierung vereinfachen.
  • Die Aufstellung eines Vermögensverzeichnisses zum „Zeitpunkt der Planvorlage“ ist praktisch nicht umsetzbar. Hilfreich wären konkrete Angaben, z.B. Vormonat, „nicht älter als ein Quartal“.

5. Restrukturierungsbezogene Angaben (S. 10 ff.) 

  • Beschreibung der Maßnahmen zur Bewältigung der Krise:
    Wünschenswert wäre ein vorgelagerter Hinweis auf die Krisenfrüherkennung in §1 StaRUG: „Zum besseren Verständnis der planbasierten Maßnahmen hat der Restrukturierungsplan verpflichten Angabe darüber zu enthalten, ob
  • geeignete Gegenmaßnahmen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG bereits ergriffen wurden und
  • hierüber an die Überwachungsorgane Bericht erstattet worden ist.

    Dies würde die Bedeutung des § 1 StaRUG erhöhen und dieser gerecht werden. Die Darstellung vor den planbasierten Maßnahmen würde sich logisch einfügen und den Wertschöpfungsprozess der Sanierung besser abbilden.

  • Gffls. Maßnahmen außerhalb des Restrukturierungsplans:
    Sinnvoll erscheint die Aufnahme von § 62 StaRUG und die Pflichtangabe, ob die Maßnahmen den Charakter einer Planbedingung haben.

6. Vergleichsrechnung zu den Befriedigungsaussichten mit und ohne den Restrukturierungsplan (S. 14 f.) 

  • Der Passus beschränkt sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes. Der inhaltliche (Mehr-) Wert bleibt insoweit fraglich.
  • Wohlwissend um die Komplexität der Vergleichsrechnung als das „Herzstück“ eines Restrukturierungsplans erscheinen Stichworte denkbar:
    • So könnten die „Angaben zur Vermögenslage des Schuldners“ (vgl. S. 8 f.) zur Grundlage der Vergleichsrechnung erklärt werden.
    • Darstellung der Liquidationswerte als Pflichtangabe
    • Begründete Definition eines Vergleichsmaßstabes
    • Vorlage geeigneter Nachweise zur Aussichtslosigkeit des Verkaufs und der Fortführung

7. Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte und ggfs. (sonstige) gesellschaftsrechtliche Maßnahmen 

  • In Anlehnung an Best Practice bei Insolvenzplänen sollte eine Angabe zur erfolgten / versuchten Vorabstimmung mit dem Registergericht erfolgen.

8. Vermögensübersicht für Zeitpunkt der Wirksamkeit des Restrukturierungsplans 

  • Sinnvoll erscheint eine inhaltliche Verknüpfung mit den Angaben zur Vermögenslage des Schuldners (S. 8 ff.).
  • Im besten Fall identische Darstellung und nur abweichender Stichtag (Wirksamkeit statt Vorlage des Restrukturierungsplans).

 

C. Fazit

Mit Blick auf die sehr hohe Zahl insolventer Kleinstunternehmen, die sich auch in der Insolvenzstatistik niederschlägt, bleibt der Nutzwert des mit dem StaRUG vorgelegten Restrukturierungsverfahrens zweifelhaft. Der vorgelegte Entwurf einer Checkliste kann diesen grundlegenden Befund nicht verbessern. Er ist erkennbar auch nicht von der Intention geprägt, durch ausführliche Erläuterungen eine „amtliche Kommentierung“ unbestimmter oder neuer Rechtsbegriffe zu liefern, die mit dem StaRUG formuliert wurden.

Um zumindest einige Anhaltspunkte zu bieten, die über den Gesetzestext hinausgehen, sollte jedoch erwogen werden, die konstituierenden Merkmale von abstrakt geschilderten Antragsvoraussetzungen aufzuzählen.  Zu diesem Zweck könnte im Einzelfall auch auf die Erwägungsgründe der dem StaRUG zu- grundliegenden Richtlinie zurückgegriffen werden, die dem Rechtsanwender in Kleinstverfahren eher selten zur Verfügung stehen werden. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie fordert „klare, aktuelle, prägnante und nutzerfreundliche Informationen über die zur Verfügung stehenden präventiven Restrukturierungsverfahren“.

Dazu könnte es gehören, im Rahmen einer Checkliste auch den modularen Charakter des Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG stärker zu betonen.

Ebenso sinnvoll wäre zu Beginn eine Aufzählung der nach § 4 StaRUG ausgenommenen Rechtsverhältnisse, jeweils erläutert durch einige Beispielsfälle, sowie ein Hinweis auf die ausschließende Wirkung früherer Restrukturierungen (§  33 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG).

 

 

Berlin, 10.03.2022

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[1] Vgl. Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) BT-Drs. 19/24181, S. 121.

[2] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1023

[3] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019, S. L 172/21.

[4] https://www.gesetze-im-internet.de/starug/anlage.html.

[5] z.B. zu § 2 Abs. 2 StaRUG, vgl. S. 10 f. des Entwurfs; zu § 8 Satz 2 StaRUG, vgl. S. 12 f. des Entwurfs; zu § 9 Abs. 1 StaRUG,

  vgl. S. 13.

[6] z. B. zur Gruppenbildung, vgl. S. 13 und 15 des Entwurfs.

VID-Stellungnahme zum RefE einer eWpRV

 

§§ 15 und 23 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere[1] (eWpG) sehen vor, dass in einer gemeinsamen Rechtsverordnung von BMJ(V) und BMF nähere Vorgaben zur Ausgestaltung elektronischer Wertpapierregister (zentrale Register und Kryptowertpapierregister)[2] festgelegt werden können. Der vorliegende Verordnungsentwurf[3] (nachfolgend: Entwurf) konkretisiert diese Anforderungen.

Die nachfolgende Stellungnahme zeigt die insolvenzrechtlichen Implikationen des Entwurfs sowie den daraus resultierenden Handlungsbedarf auf.

 

 A. Einleitung

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubigers eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird (vgl. § 1 InsO).

Um das Vermögen des Schuldners verwerten zu können, ermittelt der Insolvenzverwalter zunächst die Vermögenswerte und nimmt sie in Besitz und Verwaltung (§ 148 InsO). Das Insolvenzverfahren erfasst dabei das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).[4] Ausnahmen regelt § 36 InsO.

Der Gesetzgeber hatte den Insolvenzfall[5] bei der Einführung elektronischer Wertpapiere durchaus vor Augen. So führte die Gesetzesbegründung zum eWpG aus:

„Um den Berechtigten elektronischer Wertpapiere den gleichen umfassenden Schutz zukommen zu lassen wie Eigentümern verbriefter Wertpapiere, sollen elektronische Wertpapiere als Sachen gelten. Damit wird ein umfassender Eigentumsschutz insbesondere in Fällen von Insolvenz und Zwangsvollstreckung sichergestellt“. [6] „Diese Fiktion“, so die Begründung weiter, „ist notwendig, weil nur eine neue Begebungsmodalität eingeführt, die Rechtsnatur des Wertpapiers aber gerade nicht geändert werden soll. Denn der Rechtsverkehr vertraut nicht zuletzt im Insolvenzfall auf die dinglichen Rechtswirkungen, die er bislang von Wertpapieren kannte. Diese Rechtswirkungen haben sich bewährt. Kraft der Fiktion werden sie vollumfänglich für elektronische Wertpapiere gelten.“[7]

Was ein elektronisches Wertpapier ist, regelt § 2 eWpG. So wird ein elektronisches Wertpapier dadurch begeben, dass der Emittent an Stelle der Ausstellung einer Wertpapierurkunde eine Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister (§ 4 Absatz 1) bewirkt. Ein Kryptowertpapier ist ein elektronisches Wertpapier, das in ein Kryptowertpapierregister eingetragen ist (§ 4 Abs. 3 eWpG). Kryptowertpapiere wurden damit gesetzestechnisch nicht den Kryptowerten nach § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG, sondern den elektronischen Wertpapieren des eWpG angegliedert.[8]

Auch wenn elektronische Wertpapiere des Schuldners zur Insolvenzmasse gehören[9], ergeben sich für den Insolvenzverwalter in der Praxis Schwierigkeiten. So sind in § 97 InsO zwar Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und in § 98 InsO Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung dieser Pflichten geregelt, jedoch kann ohne Mitwirkung des Schuldners regelmäßig nur schwer ermittelt werden „ob, bei welchem Verwahrer und in welchem Umfang elektronische Wertpapiere vorhanden sind.“[10] Anders als bei dem Kryptoverwahrgeschäft[11] nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG, soll die Kryptowertpapierregisterführung gerade der Zuordnung digitaler Wertpapiere dienen, ohne auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen zu sein.

Die im Entwurf vorgeschlagenen Regelungen zur Ausgestaltung elektronischer Wertpapierregister sind im Hinblick auf den Insolvenzfall dennoch unzureichend.

 

B. Im Einzelnen

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 eWpRV-E gewährleistet die registerführende Stelle, dass Teilnehmer die sie betreffenden Registerangaben jederzeit abrufen können.[12]

§ 2 eWpRV-E (Teilnehmer)

§ 2 Absatz 1 des Entwurfes regelt, wer Teilnehmer eines elektronischen Wertpapierregisters ist. Teilnehmer sind danach der Emittent (Nr. 1), der Inhaber (Nr. 2) sowie diejenigen Personen zugunsten derer eine Verfügungsbeschränkung (Nr. 3) eingetragen ist, bzw. Dritte, für die ein Recht in einem elektronischen Wertpapierregister (Nr. 4) eingetragen ist.

Berechtigte, d.h. diejenigen die gemäß § 3 Abs. 2 eWpG das Recht aus einem Wertpapier innehaben, wurden in § 2 Abs. 1 eWpRV-E a nicht aufgenommen.[13]  Jedoch regelt § 10 Abs. 2 eWpRV-E, dass ein Berechtigter stets ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 10 Abs. 2 eWpG zum Abruf der ihn betreffenden Registerangaben hat.

Wer Teilnehmer i.S.d. § 2 Absatz 1 Nr. 3 eWpRV-E ist, definiert der Entwurf wie folgt: „jede bestimmte Person, zugunsten derer in einem elektronischen Wertpapierregister eine Verfügungsbeschränkung gemäß § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere eingetragen ist […]“.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass Personen, zugunsten derer im elektronischen Wertpapierregister gemäß § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 eWpG eine Verfügungsbeschränkung eingetragen ist, (…) also nur dann Teilnehmer [sind], wenn diese als konkrete Person eingetragen sind. Andernfalls sind diese Personen auf das Einsichtsrecht gemäß § 10 Absatz 2 eWpG bei berechtigtem Interesse verwiesen.“[14]

Im Hinblick auf die in § 13 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 eWpG[15] genannten eingetragenen Verfügungsbeschränkungen gab der federführende Finanzausschuss in seiner damaligen Be-schlussempfehlung vom 05.05.2021 an:

„(…) Durch die Änderung in Nummer 1 wird der zuvor verwendete Begriff der Verfügungshindernisse durch die Formulierung der Verfügungsbeschränkungen zugunsten einer bestimmten Person ersetzt. (…) Die Formulierung ist insoweit an die ähnlich lautende Formulierung in § 892 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angelehnt. Erfasst werden daher nur sogenannte relative Verfügungsbeschränkungen wie beispielsweise aufgrund (….) insolvenzrechtlicher Verfügungsbeschränkungen aus § 81 Absatz 1 Satz 2 und § 91 Absatz 2 der Insolvenzordnung sowie aufgrund von § 938 Absatz 2 der Zivilprozessordnung. Insoweit kann auf die zu § 892 Absatz 1 Satz 2 BGB in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Einordnung und Eintragungsfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen im Grundbuch zurückgegriffen werden, soweit sich nicht aus den Besonderheiten der elektronischen Wertpapierregister etwas Abweichendes ergibt. Nach Nummer 1 sind daher in der Regel solche Verfügungsbeschränkungen eintragungsfähig und für die registerführenden Stellen damit eintragungspflichtig, die auch im Grundbuch nach § 892 Absatz 1 Satz 2 BGB eintragungsfähig wären, sofern ihr Anwendungsbereich sich nicht nur auf Grundstücke bzw. Rechte daran beschränkt. Im Übrigen ist die Eintragungsfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen im Sinne von Absatz 2 Nummer 1 nach dem jeweils maßgeblichen Recht zu beurteilen. (…)[16]

Der Insolvenzverwalter ist danach Teilnehmer i.S.d. § 2 Absatz 1 Nr. 3 eWpRV-E, wenn zu seinen Gunsten in einem elektronischen Wertpapierregister eine Verfügungsbeschränkung gemäß § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über elektronische Wertpapiere eingetragen ist.

Der Gesetzgeber hatte ausweislich der Gesetzesbegründung zum eWpG (nur) das eröffnete Insolvenzverfahren im Blick, d.h. den Zeitraum in dem das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (§ 80 InsO).

Jedoch kann das Insolvenzgericht bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).

Auch in diesen Fällen ist es notwendig, dass der vorläufige Insolvenzverwalter als Teilnehmer die betreffenden Registerangaben gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 eWpRV-E jederzeit abrufen kann.

Wer ergänzend zu § 2 Absatz 1 des Entwurfs Teilnehmer eines elektronischen Wertpapierregisters ist, regelt § 2 Absatz 2. Danach ist „Teilnehmer […] außerdem, wer aufgrund einer Vereinbarung mit der registerführenden Stelle Zugang zu den Funktionen des Registers erhält.

Die Entwurfsbegründung enthält – anders als nach dem Verordnungsentwurf Stand 1. Konsultation – den Hinweis, dass Teilnehmer nach Absatz 2 bspw. auch Insolvenzverwalter sein können und diesen ein eigener Zugang zum Register gewährt wird. Sie führt dazu aus: „ (…) Teilnehmer nach Absatz 2 können zum Beispiel die Eltern eines Kindes, Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker oder ein rechtsgeschäftlicher Vertreter sein, denen ein eigener Zugang zum Register gewährt wird. In diesen Fällen erscheint es gerechtfertigt, dass diese in den Genuss der an die Teilnehmereigenschaft geknüpften Rechtsfolgen kommen, wie zum Beispiel die in § 3 Absatz 2 eWpRV vorgesehene Zurverfügungstellung der Registerdokumentation. Das Einsichtsrecht dieser Personen nach § 10 Absatz 1 eWpG ist dabei, wie auch in § 10 Absatz 1 Satz 1 eWpRV klargesellt, auf die sie in ihrer entsprechenden Funktion oder Position betreffenden Registerangaben beschränkt. Unberührt bleibt die Möglichkeit dieser Personen, die Teilnehmerrechte der im Register selbst eingetragenen Personen im Rahmen ihres Rechtsverhältnisses zu diesen wahrzunehmen (zum Beispiel die Eltern als Vertreter ihres Kindes oder der organschaftliche Vertreter für eine juristische Person), oder gemäß § 10 Absatz 2 eWpG auf Grundlage eines etwaigen berechtigten Interesses Einsicht zu nehmen. (…)“[17]

 Wie relevant die Gewährleistung der registerführenden Stelle ist, dem Teilnehmer die ihn betreffenden Registerangaben jederzeit zur Verfügung zu stellen, zeigt auch § 14 Absatz 1 Satz 2 eWpG. Danach hat im Fall einer Verfügungsbeschränkung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 der Inhaber über seine Weisung hinaus der registerführenden Stelle zu versichern, dass die Zustimmung der durch die Verfügungsbeschränkungen begünstigten Personen zu der Änderung vorliegt.

Der sog. schwache, d.h. mit Zustimmungsvorbehalt versehene, vorläufige Insolvenzverwalter, zu dessen Gunsten keine Verfügungsbeschränkung im Register eingetragen werden kann, ist danach als Teilnehmer i.S.d. § 2 Absatz 2 des Entwurfes einzuordnen, wenn er aufgrund einer Vereinbarung mit der registerführenden Stelle Zugang zu den Funktionen des Registers erhält.

Welche weiteren Anforderungen an die Vereinbarung zwischen dem (Insolvenzverwalter als) Teilnehmer i.S.d. § 2 Absatz 2 eWpRV-E und der registerführenden Stelle, insbesondere auch im Hinblick auf den Zeitrahmen der Erstellung der Vereinbarung gestellt werden, formulieren der Entwurf und seine Begründung nicht. Ebenso ergibt sich aus dem Wortlaut des § 2 Absatz 2 eWpRV-E kein verpflichtender Anspruch des Teilnehmers gegen die registerführende Stelle auf Abschluss einer solchen Vereinbarung.

So führt die Entwurfsbegründung lediglich aus:

Was genau der dort genannte Zugang zu Funktionen des Registers umfasst, obliegt der Vereinbarung mit der registerführenden Stelle und wird von der konkreten Ausgestaltung des Registers abhängen und daher hier nicht weiter vorgegeben. Das Erfordernis einer solchen Vereinbarung mit der registerführenden Stelle schließt aus, dass Personen, die nur im Einzelfall eine Funktion des Registers nutzen oder eine Änderung des Registers herbeiführen können, unter den Teilnehmerbegriff fallen (zum Beispiel nur im Einzelfall nach § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 18 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eWpG Weisungsberechtigte).“[18]

Damit der (vorläufige) Insolvenzverwalter seinen Pflichten aus der Insolvenzordnung nachkommen kann, muss jedoch gewährleistet sein, dass er schnell und rechtssicher eine entsprechende Vereinbarung mit der registerführenden Stelle schließen kann und umfassenden Zugang zu den Registerangaben erhält.

  

C. Fazit

  1. Der Insolvenzverwalter, wie auch der vorläufige Insolvenzverwalter, sind als Teilnehmer eines elektronischen Wertpapierregisters einzuordnen.
  1. Im Insolvenzeröffnungsverfahren hat die registerführende Stelle umgehend mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine rechtssichere Vereinbarung zur Gewährung eines Zugangs zum Register abzuschließen.
    Die Gewährung des Zugangs darf, wie auch im eröffneten Verfahren, dabei nicht auf einzelne Funktionen des Registers beschränkt sein.

 

Berlin, 25.02.2022

 

Kontakt: Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
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[1] Gemäß § 2  Abs. 1 eWpG kann ein Wertpapier auch als elektronisches Wertpapier begeben werden.

[2] Elektronische Wertpapierregister i.S.d. § 4 Absatz 1 eWpG sind zentrale Register gemäß § 12 und Kryptowertpapierregister gemäß § 16.

[3] Referentenentwurf, Stand 2. Konsultation (14.01.2022).

[4] § 35 Abs. 1 InsO.

[5] Vgl. auch § 14 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2a) eWpG, wonach die registerführende Stelle Änderungen des Registerinhaltes auf Grund einer Weisung einer durch Gesetz berechtigten Person vornehmen darf. Die Gesetzesbegründung führte dazu aus: „Gesetzlich können andere Personen als der Inhaber des elektronisch begebenen Wertpapiers zu einer Änderung der Eintragung oder einer Umtragung befugt sein. Dabei ist etwa an die Eltern als gesetzliche Vertreter von Minderjährigen, organschaftliche Vertreter juristischer Personen oder den Insolvenzverwalter zu denken. Die ordnungsgemäße Weisung erfordert den Nachweis der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen gegenüber der registerführenden Stelle.“. Gesetzentwurf zum eWpG, BT-Drs. 19/26925, S. 58, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926925.pdf

[6] Gesetzesbegründung eWpG, BT-Drs. 19/26925, S. 29, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926925.pdf.

[7] Gesetzesbegründung eWpG, BT-Drs. 19/26925, S. 40 und § 2 Abs. 3 eWpG wonach ein elektronisches Wertpapier als Sache im Sinne des §  90 des BGB gilt.

[8] Siehe auch Skauradszun, Das Internationale Privatrecht der Kryptowerte, elektronischen Wertpapiere und Kryptowertpapiere, ZfPW 2022, 56 ff. (63).

[9] Schmittmann/Schmidt, Elektronische Wertpapiere und Kryptowährungen in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, DZWIR 2021, 648 ff. (651).

[10] Siehe Fn. 9.

[11] Zu Verwertungsschwierigkeiten von Kryptowährungen: d’Avoine/Hamacher, Kryptowährungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2022, 6 ff. (9).

[12] So regelt § 10 Abs. 1 eWpG, dass die registerführende Stelle sicherstellen muss, dass die Teilnehmer des elektronischen Wertpapierregisters elektronische Einsicht in das Register nehmen können.

[13] Dagegen sah die Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 eWpG noch vor: “Zum Teilnehmerkreis gehört zunächst jeder, der – je nach technischer Ausgestaltung des Registers – Inhaber, Berechtigter oder Betroffener (etwa der Emittent) eines im Register eingetragenen Wertpapiers ist. Diese Personen sollen ohne weiteres Einsicht nehmen können. Die weitere Bestimmung des Teilnehmerkreises bleibt einer untergesetzlichen Regelung im Rahmen der Verordnungsermächtigung vorbehalten“, vgl. Gesetzentwurf zum eWpG, BT-Drs. 19/26925, S. 51, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926925.pdf.

[14] Begründung Referentenentwurf, Stand 2. Konsultation (14.01.2022), S. 3.

[15] § 13 Abs. 2 eWpG regelt: Bei einer Einzeleintragung hat die registerführende Stelle sicherzustellen, dass das zentrale Register neben den Angaben nach Absatz 1 auch die folgenden Angaben über das eingetragene Wertpapier enthält:

  1. Verfügungsbeschränkungen zugunsten einer bestimmten Person und
  2. Rechte Dritter.

Die Bezeichnung des Inhabers nach Absatz 1 Nummer 6 kann bei einer Einzeleintragung auch durch Zuordnung einer eindeutigen Kennung erfolgen. Die registerführende Stelle hat auf Weisung eines nach § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Weisungsberechtigten zusätzlich Angaben zu sonstigen Verfügungsbeschränkungen sowie zur Geschäftsfähigkeit des Inhabers aufzunehmen.“

[16] Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren, Drucksache 19/29372, S. 53, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/293/1929372.pdf; für die Änderungen in § 17 Absatz 2 wurde auf die Begründung zu den insoweit gleichlautenden Änderungen in § 13 Absatz 2 verwiesen (vgl. S. 56).

[17] Begründung Referentenentwurf, Stand 2. Konsultation (14.01.2022), S. 3.

[18] Begründung Referentenentwurf, Stand 2. Konsultation (14.01.2022), S. 3.

 

VID-Stellungnahme zum Entwurf IDW ES 9 n.F. und IDW ES 11 n.F.

 
I. Entwurf einer Neufassung des IDW-Standards: Bescheinigungen nach § § 270d und 270a InsO (IDW ES 9 n. F. – Stand 12.01.2021)

 

  1. Rz. 6:

Beim Schutzschirmverfahren würdigt der Gutachter Insolvenzreife“.

Das Gesetz spricht positiv von drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und negativ von noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Der Begriff der Insolvenzreife wird in § 270d InsO nicht verwendet, weil er undifferenziert auf das Vorliegen eines oder mehrerer Insolvenzgründe abstellt. Er sollte deshalb an dieser Stelle nicht verwendet werden (vgl. demgegenüber die korrekte Beschreibung in Rz. 13).

 

  1. Rz. 8 ff.:

Insoweit sind für den Ersteller der Bescheinigung nach § 270a dieselben Anforderungen zugrunde zu legen, die nach § 270d InsO maßgebend sind.“

§ 270a InsO sieht keine Bescheinigung vor und formuliert auch – anders als bei §§ 270b a.F., 270d n.F. InsO – keine gesetzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Qualifikation des Erstellers der Eigenverwaltungsplanung. Im Gegenteil: § 270a InsO überlässt es ausdrücklich dem Schuldner, dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Planung beizulegen, ohne im Vergleich zu § 270d Abs. 1 InsO nähere Voraussetzungen an den Schuldner oder seine Berater im Hinblick auf deren Erfahrung im Insolvenz- und Sanierungssachen zu stellen.

Die Formulierung derartiger Anforderungen an den Ersteller der Eigenverwaltungsplanung ist im Hinblick auf deren Qualität ohne Frage hilfreich. Eine derartige „Bescheinigung“ steigert Aussagekraft und Verlässlichkeit einer eigenen Planung. Sie ist jedoch keine Eingangsvoraussetzung für die Eigenverwaltung ohne Schutzschirm und könnte Verfahrensbeteiligte zu der Annahme verleiten, die Eigenverwaltungsplanung sei ohne Sorgfalt oder nötige Professionalität (zum Beispiel durch die Einbindung eines insolvenzrechtlich ausgewiesenen Beraters, auf dessen Perspektive es letztlich ankommt) erstellt worden und daher inhaltlich nicht belastbar. Daher geht auch der Hinweis fehl, insoweit im Vorfeld eine Abstimmung mit dem Gericht herbeizuführen.

 

  1. Rz. 12:

 „Der Gutachter darf nach § 270d Abs. 1 InsO nicht zum vorläufigen Sachwalter bestellt werden.“

§ 270d Abs. 1 und 2 InsO befassen sich mit dem „Aussteller der Bescheinigung“; von einem Gutachter ist dort nicht die Rede. Es empfiehlt sich, die Terminologie zu benutzen, weil ansonsten Verwechslungsgefahr besteht mit dem üblicherweise als „Gutachter“ bezeichneten Sachverständigen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO, den das Gericht mit der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen beauftragt.

Die Inhabilität des Ausstellers der Bescheinigung für eine Bestellung zum vorläufigen Sachwalter ergibt sich aus § 270d Abs. 2 (nicht Abs. 1) InsO.

 

„Eine im Vorfeld der Antragstellung ausgeübte Tätigkeit des Gutachters für den Schuldner im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzepts nach IDW S 6 oder eines Grobkonzepts i.S. dieses IDW-Standards schließt eine Beauftragung als Gutachter nicht aus.“

Als Grobkonzept spricht der Entwurf (Rz. 30) den Teil einer gutachterlichen Stellungnahme an, in dem der Gutachter die Gründe darstellt, aus denen hervorgeht, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Zitat (a.a.O.): „Eine Sanierung ist dann nicht aussichtslos, wenn im Rahmen eines Grobkonzepts mindestens grundsätzliche Vorstellungen darüber vorliegen, wie die angestrebte Sanierung konzeptionell und finanziell erreicht werden kann.“ Werden diese Vorstellungen durch den Gutachter vor Antragstellung (mit-)formuliert, dann bleibt unklar, wie sichergestellt werden kann, dass er nicht den eigenen Bemühungen regelmäßig Erfolgsgeneigtheit und Schlüssigkeit bescheinigt. Gleiches gilt bei der Erstellung eines Sanierungskonzeptes nach IDW S 6, soweit dieses für die Beurteilung der Erfolgsaussichten herangezogen werden soll.

Ein gerichtlich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO bestellter Gutachter und (später) – auch vorläufiger – Sachwalter in einem Eigenverwaltungs-(Eröffnungs-)Verfahren wäre im Übrigen verpflichtet, gegenüber dem Insolvenzgericht eine derartige Vorbefassung anzuzeigen, da die Vorbefassung geeignet ist, den Anschein fehlender Unabhängigkeit, die bei der Entlohnung jedes Amtsträgers in einem Verfahren der Sanierung und Insolvenz erforderlich ist, zu wahren. Die Fälle von Inhabilität erschöpfen sich nicht in den durch § 138 InsO beschriebenen Konstellationen.

 

  1. Rz. 41:

„Das nach § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO darzulegende Durchführungskonzept zur Bewältigung der Insolvenz hat Art, Ausmaß und Ursachen der Krise aufzuzeigen (Analyse Krisenursachen). Darüber hinaus sind das Ziel der Eigenverwaltung und die hierfür erforderlichen Maßnahmen zu beschreiben.  Darstellungstiefe und Detailierungsgrad der Erläuterungen hängen von der Größe und den konkreten Verhältnissen des Unternehmens ab. Ein von einem Schuldner vorgelegtes, von einem Wirtschaftsprüfer bescheinigtes Grobkonzept nach Abschn. 3.1.3. wird die hier verlangten Maßstäbe erfüllen. Wird kein Schutzschirmverfahren angestrebt, sind die gleichen Maßstäbe, die für ein Grobkonzept der Sanierung gelten, anzuwenden.“

§ 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO spricht von einem „Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden.“ Die im Entwurf als Grobkonzept bezeichnete Darstellung soll dagegen grundsätzliche Vorstellungen darüber enthalten, wie die angestrebte Sanierung konzeptionell und finanziell erreicht werden kann und damit eine Beurteilung ihrer Erfolgsaussichten ermöglichen.

Mit dem Ziel der Eigenverwaltung und dem Erfolg einer angestrebten Sanierung sind zwei grundsätzlich verschiedene Darstellungsgegenstände angesprochen. Ziele einer Eigenverwaltung können auch der Verkauf des Unternehmens oder die Abwicklung des Rechtsträgers ohne Insolvenzplan sein. Wird sie mit dem Ziel der Sanierung beantragt, dann dient sie der Unterstützung geeigneter Maßnahmen wie etwa der Verhandlung mit Gläubigern.

Außerhalb eines Schutzschirmverfahrens kann das Ziel der Sanierung in Eigenverwaltung auch noch im Zustand der Zahlungsunfähigkeit angestrebt werden. Dieser Zustand macht jedoch aufgrund der mit ihm verbundenen gesteigerten Gefährdung von Gläubigerinteressen eine ausführlichere Darstellung notwendig. Eine lediglich nicht offensichtliche Aussichtslosigkeit der angestrebten Sanierung wird hier nicht mehr ausreichen. Die in § 270a InsO n.F. durchgeführten Präzisierungen der Voraussetzungen einer Eigenverwaltung sind erkennbar von diesem Gedanken geprägt und erweitern damit den Anwendungsbereich der Eigenverwaltung.

Die Zugangsvoraussetzungen werden hier auch zur Eigenverwaltung unzulässig verengt, wenn nur ein von einem Wirtschaftsprüfer bescheinigtes Grobkonzept ausreichen soll, obwohl § 270d Abs. 1 InsO ausdrücklich erweiternd von der „Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation“ spricht. § 270a Abs. 1 InsO sieht regelhaft die Vorlage der Eigenverwaltungsplanung durch den Schuldner vor. die Tragfähigkeit der Eigenverwaltung Planung wird daher ausschließlich nach ihrem Inhalt, und nicht nach einer besonderen Qualifikation ihres Verfassers beurteilt. Dabei steht das dem Schuldner frei, auf die Beratung oder Mitwirkung eines in Insolvenzverfahren erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder jeder sonstigen Person mit vergleichbarer Qualifikation hinzuweisen.

 

 

II. Entwurf einer Neufassung des IDW-Standards: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW ES 11 n. F.)

 

  1. Rz. 16, 42:

Woher kommen bei den Ausnahmefällen bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit die Planungszeiträume 3 bzw. 6 Monate im Anschluss an die 3-Wochen-Frist zur Beseitigung einer Liquiditätslücke von 10 % oder mehr “mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“?

 

  1. Rz. 17, 40:

„Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des Dreiwochenzeitraums dagegen weniger als 10 %, ist regelmäßig zunächst von Zahlungsstockung auszugehen. Dennoch ist in diesen Fällen ein Liquiditätsplan zu erstellen, aus dem sich die Weiterentwicklung der Liquiditätslücke ergibt. Zeigt sich daraus, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % betragen wird, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Ergibt sich am Ende des Dreiwochenzeitraums aus dieser Liquiditätsplanung, dass die Lücke kleiner als 10 % ist, lässt der BGH mehrere Interpretationen hinsichtlich der Frage zu, ob eine Liquiditätslücke von unter 10 % auf Dauer akzeptiert werden kann. Ökonomisch erscheint ein Unternehmen, das dauerhaft eine – auch nur geringfügige – Liquiditätslücke aufweist, weder erhaltungswürdig noch -fähig. Auch im Interesse des Verkehrsschutzes ist eine dauerhafte Unterdeckung bedenklich. Im Übrigen hat der Gesetzgeber vom Merkmal der Dauerhaftigkeit ausdrücklich Abstand genommen und wollte gerade eine über Wochen und Monate andauernde Zahlungsstockung vermeiden. Daher liegt Zahlungsunfähigkeit und keine Zahlungsstockung vor, wenn eine auch nur geringfügige Liquiditätslücke voraussichtlich nicht innerhalb von drei Monaten, in Ausnahmefällen längstens sechs Monaten, vollständig geschlossen werden kann.“

Laut BGH ist eine weitere zeitraumbezogene Liquiditätsprüfung nicht (mehr) erforderlich, wenn die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochen-Zeitraums geringer als 10 % ist. In diesem Fall verneint der BGH bereits Zahlungsunfähigkeit, ohne dass es auf eine weitere Prüfung, ob auch diese geringfügige (im Sinne der BGH-Rechtsprechung) Liquiditätslücke von <10 % demnächst (in der Regel innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten, in Ausnahmefällen längstens 6 Monaten) geschlossen werden kann. Aus Sicht der Praxis ist eine weitergehende Prüfung dahingehend, ob die zum Ende des Planungszeitraums weniger als 10 % betragende Liquiditätslücke sich in der Folge vergrößert und mehr als 10 % beträgt, nur erforderlich, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Die vorliegende Fassung suggeriert, eine derartige Prüfung habe stets stattzufinden. Liegen derartige konkrete Anhaltspunkte vor, kommt es darauf an, ob die Liquiditätslücke in einem an den Interessen der Gläubiger ausgerichteten angemessenen Zeitraum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch geschlossen werden kann und ist über den Zeitraum zu befinden, der dabei zugrunde zu legen ist.

 

  1. Rz. 25:

„Ergibt sich aus dem Finanzstatus, dass der Schuldner seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann, hat er ausgehend vom Finanzstatus am Stichtag zusätzlich die im Prognosezeitraum erwarteten Ein- und Auszahlungen in einer Liquiditätsplanung zu berücksichtigen. Zur Ermittlung der prozentualen Liquiditätslücke ist die Liquiditätslücke am Ende des Prognosezeitraums in Bezug zu setzen zu den fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu Beginn dieses Zeitraums.“

Die Rechtsprechung des BGH zur Liquiditätslücke zum Stichtag als Vomhundertsatz, also dem in Prozent ausgedrückten Verhältnis der liquiden Mittel zu den fälligen Verbindlichkeiten lässt die Ermittlung der Liquiditätslücke zum Ende des in der Regel 3-monatigen Planungszeitraums gerade offen. Theoretisch kämen mehrere Möglichkeiten in Betracht, das für die Feststellung von Zahlungsunfähigkeit in diesem Fall maßgebliche Verhältnis zu bestimmen (Verhältnis zu den Verbindlichkeiten oder zu den liquiden Mitteln jeweils zu Beginn oder zu Ende des Planungszeitraums).

Der Entwurf leitet aus BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16 (Rz. 62), ab, dass der Vomhundertsatz gebildet wird aus dem Verhältnis der offenen Verbindlichkeiten am Ende des Planungszeitraums zu den Verbindlichkeiten zu Beginn dieses Zeitraums. Dies trifft sichtlich nicht zu. Im BGH-Urteil vom 19.12.2017 – II ZR 88/16, Rz. 62, werden die Verbindlichkeiten zum Ende des Planungszeitraums zu den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren liquiden Mitteln ins Verhältnis gesetzt.[1] Dies wird zwar in der Entscheidung des BGH nicht näher begründet, ist jedoch zutreffend, da die Finanzplanung im Anschluss an den Stichtag die Veränderung des Verhältnisses liquider Mittel zu fälligen Verbindlichkeiten in Zahlen zeigen soll. Anderenfalls würden dieselben betriebswirtschaftlichen Kategorien unterschiedlich behandelt und Verhältniszahlen der unterschiedlichen Ausgangsgrößen gebildet, welche damit nicht mehr vergleichbar wären.

 

  1. Rz. 58 ff.:

„5.3 Fortbestehensprognose“

Bei der Prüfung der Fortbestehensprognose, die Kern einer Zahlungsfähigkeitsprognose über den relevanten Prognosezeitraum ist, ist wie vorstehend unter II. 3. ausgeführt zu verfahren.

 

 

Berlin, den 16.06.2021

 

Kontakt:

Michael Bremen und Torsten Gutmann

Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Straße 13/14
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de

 

[1] Zitat Rz. 62: „Nach den Angaben des Kl. beliefen sich die am Stichtag vorhandenen verfügbaren und bis einschließlich 22.12.2008 tatsächlich eingegangenen Mittel auf insgesamt 4.517.454,43 Euro. (…) Dem standen nach dem Vortrag des Kl. am Stichtag fällige Verbindlichkeiten iHv 3.517.265,91 Euro sowie bis zum 22.12.2008 fällig gewordene und eingeforderte weitere Verbindlichkeiten iHv 2.946.239,11 Euro, insgesamt mithin Verbindlichkeiten iHv 6.463.505,02 Euro gegenüber. Damit bestand eine Liquiditätslücke iHv 1.146.050,60 Euro und der Liquiditätsdeckungsgrad betrug nur 69,89 %.“

Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften

I. Vorbemerkung

Mit dem vorliegenden Regierungsentwurf (nachfolgend Entwurf) soll der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten durch die Erweiterung der digitalen Zugangsmöglichkeiten zu den Gerichten ausgebaut werden: „Um das Potential und die Chancen, die die Digitalisierung für die Justiz bietet, noch besser als bisher zu nutzen, müssen alle Akteure möglichst umfassend und medienbruchfrei mit den Gerichten auf elektronischem Weg kommunizieren können.“ [1]

Der VID begrüßt diesen Ansatz[2]. Die Vorschläge sind aus insolvenzrechtlicher Perspektive jedoch unzureichend und dies nicht nur im Hinblick auf die Notwendigkeit, in Verfahren mit gesetzlich vorgesehenen Gläubigergremien und kollektiver Willensbildung eine Gesundheitsgefährdung der Beteiligten in Ansehung der aktuellen COVID-19-Pandemie auszuschließen.

Insbesondere weil gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter[3], Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben einen intensiven und teilweise umfangreichen Austausch mit den Gerichten führen, sollte sie die Möglichkeit erhalten, mit den Gerichten (und weiteren Verfahrensbeteiligten) auf elektronischem Weg umfassend und medienbruchfrei zu kommunizieren.

Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der anhaltenden Tendenz der Übertragung hoheitlicher Aufgaben vom Insolvenzgericht auf den Insolvenzverwalter, die zu einer (erheblichen)

Entlastung für die öffentliche Hand geführt hat (§§ 8 Abs. 3[4], 174, 175 InsO).

 

II. Im Einzelnen

1. § 173 Abs. 2 ZPO-E

Mit § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E haben Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments zu eröffnen.

Der Entwurf nimmt, trotz der bereits am Referentenentwurf geäußerten Kritik[5], Insolvenzverwalter, Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren nicht in die Aufzählung des §  173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E auf. Dies verwundert umso mehr, als es sich nicht nur um gerichtlich bestellte Amtsträger handelt, sondern auch die an die Insolvenzgerichte zu übermittelnden Dokumente in vielen Verfahren einen erheblichen Umfang haben können und die absolute Zahl der Verfahren durchaus hoch ist.

Die wörtliche Aufnahme in den Kreis der in § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E genannten Personen wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Entwurf (nun[6]) auch „sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kannumfasst.

Auch wenn gemäß § 4 Satz 1 InsO für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend gelten, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, ist die Bezeichnung „am Prozess beteiligte Personen“ insoweit nicht eindeutig, als dass es sich beim Insolvenzverfahren um ein Verfahren und nicht um einen (Zivil-)Prozess handelt. So spricht die Begründung ausdrücklich von „in professioneller Hinsicht am Zivilprozess beteiligte[n] Person[en], Vereinigung[en] oder Organisation[en]“[7].

Zum anderen wird in der Begründung ausgeführt, dass die Regelung darauf abziele, „Personen (…), die aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren, in den elektronischen Rechtsverkehr einzubinden[8]. In der beispielhaften Aufzählung, auf welche Personen die Regelung abzielt, werden jedoch weder Insolvenzverwalter und

Sachwalter, noch Restrukturierungsbeauftragte oder Sanierungsmoderatoren genannt. Demgegenüber werden Berufsgruppen wie bspw. Rentenberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer und Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen, explizit aufgeführt.[9]

Insolvenzverwalterinnen und -verwalter finden sich in der Entwurfsbegründung lediglich im Zusammenhang mit der Durchführung der Erstidentifizierung im SAFE-Verzeichnis[10] und bei der Einrichtung des eBO[11].

Ebenso ist die Regelung des § 173 Abs. 4 ZPO-E nicht geeignet, aus insolvenzrechtlicher Perspektive praxistaugliche Lösungen zu schaffen.

So regelt § 173 Abs. 4 Satz 1-3 ZPO-E: „An andere als die in Absatz 2 Genannten kann ein elektronisches Dokument elektronisch nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben. Die Zustimmung gilt mit der Einreichung eines elektronischen Dokuments im jeweiligen Verfahren auf einem sicheren Übermittlungsweg als erteilt. Andere als natürliche Personen können die Zustimmung auch allgemein erteilen.“

Zum einen handelt es sich um eine bloße „Kann“- Bestimmung. Zum anderen gilt selbst für den Fall der Zustimmungsfiktion aufgrund der Einreichung eines elektronischen Dokuments eine solche Zustimmung stets nur für das jeweilige Verfahren. Eine allgemeine Zustimmung nach § 173 Abs. 4 Satz 3 ZPO-E kommt nicht in Betracht, da die Amtsträger in Insolvenzverfahren und Restrukturierungssachen in Persona bestellt werden.

Um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern sowie Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderatoren auszuschließen, ist daher eine entsprechende Ergänzung des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E dringend angezeigt.

 

2. § 173 Abs. 3 und 4 ZPO-E

a) Zustellungen im Auftrag des Gerichts

§ 173 Abs. 3 ZPO-E sieht vor, dass die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten[12] durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen wird, „das an das Gericht zu übermitteln ist. Für die Übermittlung ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden. Stellt das Gericht keinen strukturierten Datensatz zur Verfügung, so ist dem Gericht das elektronische Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.“

Unklar bleibt, ob die vom Insolvenzverwalter (§ 8 Abs. 3 InsO), bzw. vom Restrukturierungsbeauftragten (76 Abs. 6 StaRUG) im Auftrag des Gerichts durchzuführenden Zustellungen, die nach § 173 Abs. 3 ZPO-E auch an Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts[13] elektronisch nur über einen sicheren Übermittlungsweg erfolgen sollen, durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das auftraggebende Gericht bestätigt werden müssen.

Wäre dies der Fall, könnte der Insolvenzverwalter den Empfang nur über den Umweg einer Nachfrage bei Gericht kontrollieren: Der Zustellungsnachweis gem. § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO, den der Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO und der Restrukturierungsbeauftragte gem. § 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG unverzüglich zu den Gerichtsakten reichen soll, wäre im Fall der elektronischen Zustellung gem. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E nur durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu führen.

 

b) Zustellungsnachweis

Im Fall einer Zustellung durch beauftragte Insolvenzverwalter schließt sich die Frage an, in welcher Form dem Gericht die Zustellung nachzuweisen ist. Der Aktenvermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird hier regelmäßig nicht genügen, weil eine Aufgabe zur Post nicht erfolgt ist.

Zum Zustellungsnachweis ergeben sich weitere Fragen:

Nachdem die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen wird (§ 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E), stellt sich Frage, wie die elektronische Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten (§ 173 Abs. 4 ZPO-E) nachzuweisen ist.

Sah der Referentenentwurf dazu noch vor, dass die Zustellung in diesen Fällen durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen wird (vgl. § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO-Ref-E), wurde die Regelung im vorliegenden Entwurf gestrichen.

Jedoch findet sich in § 174 Abs. 4 Satz 4 ZPO-E (noch immer[14]), dass ein elektronisches Dokument am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach als zugestellt gilt.

Zur in § 174 Abs. 4 Satz 4 ZPO-E genannten automatisierten Eingangsbestätigung führt die Begründung aus:

„Absatz 4 Satz 4 regelt in Abweichung von der bisherigen Rechtslage den Nachweis der Zustellung an andere als die in Absatz 2 genannten Verfahrensbeteiligten. Anders als bei den in Absatz 2 Genannten, die kraft Amtes ein besonderes Maß an Vertrauenswürdigkeit genießen, soll der Nachweis der Zustellung hier nicht von einem willentlichen Akt wie der Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses abhängig gemacht werden. Zugleich sollen die Vorteile der Nutzung elektronischer Übermittlungswege ausgeschöpft werden, indem die ohnehin eingehende automatische Eingangsbestätigung zum Nachweis des Zugangs genutzt werden soll. Nutzen die Gerichte oder Staatsanwaltschaften die sicheren Übermittlungswege als Rückkanal, um elektronische Dokumente zu übermitteln, wird im Zeitpunkt der Speicherung des Dokuments auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Empfängers eine automatische Eingangsbestätigung an das Gericht oder den jeweiligen Absender erteilt. Diese gibt präzise an, wann das elektronische Dokument an das besondere Postfach übermittelt und dort gespeichert, also empfangen wurde.“[15]

Da somit nicht auszuschließen ist, dass die elektronische Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten (weiterhin) durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen werden soll, machen wir auf Folgendes aufmerksam:

In Insolvenzverfahren wird die nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E für solche Zustellungen notwendige Zustimmung der Empfänger insbesondere dort eingeholt werden, wo die Zustellungskosten wegen der hohen – oftmals vier-, zum Teil auch sechsstelligen – Zahl von beteiligten Gläubigern ansonsten unvertretbar hoch ausfallen würden.

Die Frage des Nachweises der elektronischen Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten hat insofern erhebliche Bedeutung.

Die Gesetzesbegründung enthält jedoch zum einen keine Ausführungen dazu, ob eine Zustimmung nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E zurückgenommen werden kann, insbesondere wenn kein Fall des § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO-E vorliegt.[16]

 

3. §§ 10 Abs. 1 ERVV-E, 13 ERVV-E

An die unter Ziff. 2a) und b) geschilderten Fragen bei Zustellungen durch Insolvenzverwalter und Restrukturierungsbeauftragte im Auftrag des Gerichts schließt sich eine weitere Frage an.

Nach § 10 Abs. 1 ERVV-E können natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden, das den Maßgaben der Nr. 1-5 entsprechen muss.

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf ausgeführt, führt die Beschränkung der Zustellung elektronischer Dokumente auf einen sicheren Übermittlungsweg (§ 173 Abs. 1 ZPO-E) bei anderen als den in § 173 Abs. 2 ZPO-E genannten Empfängern ausweislich § 13 ERVV RefE nicht zu der Verpflichtung, zur Ermöglichung einer solchen Zustellung ausschließlich ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach einzurichten, wenn sie am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen wollen.

Dies wirft bei einer gerichtlichen Zustellung die Frage auf, ob und wie die in § 13 ERRV-E formulierten Maßgaben überprüft werden müssen. Nutzen Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte die Möglichkeit der Zustellung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg und stellen sie dabei auch an Empfänger zu, die nicht in § 173 Abs. 2 ZPO-E genannt werden, dann kann dies, abgesehen von § 130a Abs. 4 Nr. 1 (DE-Mail-Konto), nur über die in Kapitel 4 der ERVV-E genannten Wege geschehen.

Für das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach sieht § 11 ERVV-E eine Prüfung und Freischaltung durch Landesbehörden vor. Hier wird der zustellende Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte auf diese Prüfung vertrauen können.

Gemäß § 13 Abs. 1 ERVV-E kann zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg der Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes (OZG) genutzt werden. Dies ist jedoch (nur) unter der Voraussetzung möglich, dass bei diesem Postfach- und Versanddienst die in § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV genannten Maßgaben erfüllt sind.

Die Begründung (S. 44) führt dazu aus:

„Absatz 1 bestimmt, wie der sichere Übermittlungsweg über den Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 OZG ausgestaltet werden muss. Vorgesehen ist, dass für die Nutzung als sicheren Übermittlungsweg grundsätzlich dieselben Identifizierungsmittel genutzt werden können wie im Falle des § 11 Absatz 2 Nummer 1 bis 2. Die elektronische Kommunikation über den Postfach- und Versanddienst erfüllt aber auch dann die Kriterien eines sicheren Übermittlungsweges, wenn (gegebenenfalls auch nur übergangsweise) nur eines dieser Identifizierungsmittel nach § 11 Absatz 2 Nummer 1 bis 2 angeboten wird. Die Authentisierung erfolgt entsprechend § 11 Absatz 3. Die Eintragung des Nutzerkontos in den SAFE-Verzeichnisdienst ist nicht obligatorisch, kann aber erfolgen. Der Nutzer legt ein Nutzerkonto unter Verwendung eines zugelassenen Identifizierungsmittels an. Er meldet sich mit einem zugelassenen Authentisierungsmittel an seinem Nutzerkonto an. Er wählt zuvor oder anschließend einen Empfänger (Gericht oder Staatsanwaltschaft) aus, gibt bestimmte Metadaten an (mindestens die nach § 2 Absatz 3 ERVV geforderten Daten) und lädt ein oder mehrere Dokumente hoch. Am Ende startet er die Übertragung. Er erhält eine Bestätigung über den erfolgreichen Versand. Die Vertraulichkeit der Übertragung der Daten und Dokumente muss für den gesamten Übertragungsprozess auf einem Niveau gewährleistet sein, das dem des EGVP entspricht. Dies gilt insbesondere auch für den Übergang zwischen dem Nutzerkonto und der nachgelagerten EGVP-Infrastruktur.

Für die Kommunikation der Justiz mit Inhabern von Nutzerkonten sind zwei Konstellationen zu beachten:

Der Nutzer hat über sein Konto einen Eintrag im SAFE-Verzeichnisdienst veranlasst und das Nutzerkonto verfügt über ein Postfach. Dies ist anhand der Eintragung im Verzeichnisdienst erkennbar. In diesem Fall kann die Justiz ihn adressieren. Es gelten die Ausführungen zu § 11 Absatz 3. Sofern eine Zustellung nach § 173 ZPO-E erfolgen soll, muss der Nutzer seine Zustimmung zur Übermittlung elektronischer Dokumente erteilt haben.

Wenn der Nutzer nicht im Verzeichnisdienst eingetragen ist, kann er nur in solchen Verfahren (rück)adressiert werden, in denen er initiativ eine elektronische Einreichung vorgenommen hat. Nur dann sind der Justiz seine Adressierungsparameter bekannt. Sein Nutzerkonto muss für diesen Fall über ein Postfach verfügen.“

Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter können, insbesondere bei höheren Nutzerzahlen, regelmäßig schon aus Zeitgründen die § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV genannten Maßgaben nicht in jedem Einzelfall überprüfen.

Dieser Umstand könnte die Nutzung der Möglichkeit zur Zustellung elektronischer Dokumente, die durch die Maßgaben der §§ 10 und 11 ERVV-E bereits eng gefasst ist, in der Praxis zusätzlich einschränken.

 

4. § 10 Abs. 2 ERVV-E

Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ERVV-E muss das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden und zu adressieren.

Mit der oben zu § 173 Abs. 2 ZPO-E empfohlenen Ergänzung sollten an dieser Stelle auch die Insolvenzverwalter, Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragten ergänzend aufgeführt werden.

 

5. § 174 InsO

Im Hinblick auf das Ziel einer möglichst umfassenden und medienbruchfreien Kommunikation mit den Gerichten auf elektronischem Weg soll an dieser Stelle[18] auf die jüngst durch Art. 5 des SanInsFoG[19] reformierte Fassung des § 174 Abs. 4 InsO aufmerksam gemacht werden. Dabei handelt es sich um ein Paradebeispiel einer unvollständigen Umsetzung des vorgenannten Ziels.

So regelt § 174 (Anmeldung der Forderungen):

„(…)

(4) Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt hat. Als Urkunde im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 kann in diesem Fall auch eine elektronische Rechnung übermittelt werden. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts sind Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen.“

 

a) § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO

Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO sind bei Forderungsanmeldungen auf Verlangen des Insolvenzgerichts Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen. Die Gesetzesbegründung führt zu dieser Änderung aus:

Die Soll-Vorschrift, wonach auch bei einer von dem Insolvenzverwalter zugelassenen elektronischen Forderungsanmeldung generell Urkunden in Papierform nachgereicht werden sollen, entfällt. Nunmehr können bei einer elektronischen Forderungsanmeldung auch die Nachweisurkunden in elektronischer Form übermittelt werden. Eine Einsendung von Originalen, Abschriften in Papierform oder Ausdrucken ist nur noch nach gesonderter Aufforderung durch den Insolvenzverwalter oder durch das Insolvenzgericht erforderlich. Zudem wird klargestellt, dass eine elektronische Rechnung nach der E-Rechnungsverordnung zu den Urkunden im Sinne des § 174 Absatz 1 Satz 2 zählt, aus denen sich die Forderung ergibt.“[20]

Damit führt bereits die elektronische Erstellung der Insolvenztabelle weiterhin zu Medienbrüchen, wenn das Insolvenzgericht Ausdrucke, Abschriften oder Originale verlangt. Kann der Insolvenzverwalter ein solches Verlangen nicht ausschließen, wird er ebenfalls im Rahmen der Forderungsanmeldung auf einer Einreichung bestehen und damit die elektronische Forderungsanmeldung de facto und oftmals pauschal ausschließen. Originaltitel werden auch weiterhin zwingend vorzulegen sein, um das Titelprivileg des § 179 Abs. 2 InsO zu erhalten.

§ 174 InsO bleibt damit hinter dem Grundsatz des § 130a Abs. 1 ZPO zurück, nach dem vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe des § 130a Abs. 2-6 ZPO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können.

Die Regelung des § 174 InsO ist daher auch in ihrer neuen Fassung ein unzureichender Schritt auf dem Weg zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Vor diesem Hintergrund sollten weitere Schritte zur Reform zeitnah geprüft werden, um die notwendige Entwicklung nicht durch unnötige Vorbehalte zu belasten.
 

b) § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO

Die Forderungsanmeldung kann nach § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen. Da eine Übermittlung keine Zustellung im Sinne des § 173 Abs. 1 ZPO-E ist, bestehen bisher Unklarheiten bezüglich des (sicheren) Übermittlungswegs.

Die somit weiter offene Frage einer sicheren Identifizierung der Anmelder wird in der aktuellen Kommentarliteratur sehr unterschiedlich beantwortet. Das Meinungsspektrum reicht von § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz) über § 130a ZPO (ggf. mit Wahlrecht des Verwalters) bis zu einfacher E-Mail-Anmeldung, ggf. mit dem Hinweis, dass der Aussteller zweifelsfrei feststellbar sein müsse (aber ohne Hinweis, welche Anforderungen an die Identifikation zu stellen sind, wer sie zu prüfen hat und ggf. mit welchen Folgen).

Eine klarstellende Ergänzung des § 174 Abs. 4 InsO, evtl. durch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 ERVV-E, ist deshalb dringend geboten.

 

6. Bundeseinheitliche Praxis

Im Übrigen ist darauf zu achten, dass die Umsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bundesweit nach einheitlichen Verwaltungsvorgaben erfolgt. So ist bereits jetzt zu beobachten, dass im Anwendungsbereich des beA unterschiedliche Anforderungen der einzelnen Bundesländer bestehen; so bspw. an die Anzahl der Signaturen bei Schriftsätzen mit mehreren Anlagen, bzw. die Anforderung einzelner Gerichte wonach das eingescannte bekannte Papierempfangsbekenntnis ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und zurückgesandt werden muss und eine elektronische Empfangsbestätigung nicht akzeptiert wird.  Dies führt schon jetzt zu einem Flickenteppich beim elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten.

 

III. Fazit

Da Unternehmensinsolvenzverfahren schon in mittleren Unternehmensgrößen sehr hohe Beteiligtenzahlen aufweisen können und sich der Anwendungsbereich des elektronischen Rechtsverkehrs geradezu aufdrängt, sollten die beschriebenen Lücken im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt geschlossen werden.

 

 

Berlin, den 30.04.2021

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[1] Begründung des RegE, S. 1.

[2] Der VID hat bereits 2018 unter dem Stichwort „Insolvenzverfahren 4.0“ auf das Erfordernis einer Digitalisierung von Insolvenzverfahren hingewiesen und konkrete Vorschläge gemacht, die in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit, des Justiz- und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen und der Insolvenzrichter erarbeitet wurden. (https://www.vid.de/initiativen/eckpunktepapier-insolvenzverfahren-4-0/.)

[3] Da zum Insolvenzverwalter grundsätzlich eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen ist (§ 56 I InsO), können Berufsträger nicht nur Rechtsanwälte, sondern regelmäßig auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Diplom-Wirtschaftsjuristen oder Diplom-Kaufleute sein. Nicht alle in Deutschland bestellten Insolvenzverwalter verfügen damit über einen Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach.

[4] Zum Restrukturierungsbeauftragten vgl. § 76 Abs. 6 StaRUG.

[5] VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 13.01.2021, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2021/01/VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zum-Ausbau-d.-elektronischen-Rechtsverkehrs-mit-den-Gerichten.pdf .

[6] Der Referentenentwurf sprach an dieser Stelle noch von sonstigen Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.

[7] Begründung des RegE, S. 34.

[8] Begründung des RegE, S. 34.

[9]  Auch der Hinweis in der Entwurfsbegründung, wonach die Aufzählung nicht abschließend sei, ist nicht ausreichend, um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern sowie Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderatoren auszuschließen.

[10] Begründung des RegE, S. 27 und ordnet sie dort offenbar in die Gruppe der anderen Verfahrensbeteiligten (wie Sachverständigen und Berufsbetreuern) ein, die nicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges verpflichtet sein sollen.

[11] Begründung des RegE, S. 22.

[12] D.h. Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E), sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 173 Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E).

[13] Vgl. § 173 Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E.

[14] Im Referentenentwurf: § 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO-E.

[15] Begründung des RegE, S. 36.

[16] Auch kann der Postfachinhaber gemäß § 12 Abs. 2 ERVV-E jederzeit die Löschung seines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs veranlassen.

[17] Bereits die Gesetzesbegründung zu § 130a Abs. 5 ZPO führte aus: „Satz 2 bestimmt, dass dem Absender zum Nachweis des Zugangs eine automatisierte Eingangsbestätigung zu erteilen ist. Diese ist gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 des De-Mail- Gesetzes in der De-Mail-Infrastruktur vorgesehen. Eine automatisierte Eingangsbestätigung ist als Standard auch für andere sichere Übermittlungswege vorzusehen. Hierdurch soll der Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit erlangen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind“. (Unterstreichung hinzugefügt) Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drs. 17/12634, S. 26, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/126/1712634.pdf.

[18] Gleichlautende Kritik wurde bereits in der Stellungnahme zum Referentenentwurf angebracht, vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 13.01.2021, S. 2, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2021/01/VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zum-Ausbau-d.-elektronischen-Rechtsverkehrs-mit-den-Gerichten.pdf .

[19] Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020.

[20] Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) BT-Drs.19/24181, S. 199.

RegE des MoPeG

 

I. Vorbemerkung

Vor dem Hintergrund der Komplexität des Gesetzesvorhabens beschränkt sich die nachfolgende Stellungnahme auf einzelne insolvenzrechtliche Implikationen des Regierungsentwurfs (nachfolgend Entwurf).

 

II. Im Einzelnen

1. Artikel 1 – Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches

a) Sitz und Registrierung

aa) § 706 BGB-E (Sitz der Gesellschaft)

§ 706 BGB-E führt regelungstechnisch jeweils die Legaldefinition des Verwaltungs- und des Vertragssitzes in das Gesetz ein und ermöglicht in der Sache unter bestimmten Voraussetzungen die Trennung des Verwaltungssitzes vom Vertragssitz, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat hat[1]:

Sitz der Gesellschaft ist der Ort, an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz). Ist die Gesellschaft im Gesellschaftsregister eingetragen und haben die Gesellschafter einen Ort im Inland als Sitz vereinbart (Vertragssitz), so ist abweichend von Satz 1 dieser Ort Sitz der Gesellschaft“.

Die Begründung führt dazu u.a. aus, dass die Sitzwahl angesichts der Bedeutung des Sitzes etwa in Bezug auf die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (§§ 3, 4 InsO) einer verlässlichen Grundlage bedarf.[2]

Nach Inkrafttreten des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) regelt §  3 InsO n.F:

„(1) Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.

(2) Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes in Anspruch genommen, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war.

(3) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.“

Zur örtlichen Zuständigkeit des in § 3 Abs. 2 InsO angesprochenen Restrukturierungsgerichts regelt §  35 StaRUG:

„Örtlich zuständig ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.“

Auch die internationale insolvenzgerichtliche Zuständigkeit richtet sich gemäß Art.  3 Abs.  1, 2 EuInsVO nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, wenn dieser vom Sitz abweicht.

Es sollte deshalb zumindest in der Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass die Zuständigkeitsregelungen der §§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und § 35 StaRUG von der Regelung des § 706 BGB-E nicht verdrängt werden.

Eine solche Klarstellung empfiehlt sich nicht nur vor dem Hintergrund, dass § 706 BGB-E den Verwaltungssitz als den Ort definiert, „an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden“, während § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und § 35 StaRUG im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gerichts vom „Mittelpunkt einer  (selbständigen) wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners“ sprechen. Da § 707 Abs. 1 BGB-E vorsieht, dass die Gesellschafter die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung im Gesellschaftsregister anmelden können, ist eine Klarstellung auch für den Fall hilfreich, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die (noch) nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist, einen vom bisherigen Verwaltungssitz abweichenden Sitz zur Erst-Eintragung in das Register am Ort des gewünschten Gerichts anmeldet. Ein auf diese Weise mögliches „forum shopping“ würde einen entsprechenden Missbrauch motivieren.

Zudem muss auch für betroffene Gläubiger klar sein, an welchem Gericht Fremdanträge zu stellen sind.

 

bb) § 707a BGB-E (Inhalt und Wirkungen der Eintragung im Gesellschaftsregister)

§ 707a Abs. 2 BGB-E sieht vor, dass die Gesellschaft mit der Eintragung verpflichtet ist, als Namenszusatz die Bezeichnungen „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. „Wenn in einer eingetragenen Gesellschaft keine natürliche Person als Gesellschafter haftet, muss der Name eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.“

Der VID begrüßt die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Führung des Namenszusatzes. Damit ist sogleich erkennbar, dass über eine Gesellschaft Informationen im Register abrufbar sind. Der Nutzen des Registers für die Gläubiger der GbR ist ungleich höher, wenn sie Kenntnis von ihren Informationsmöglichkeiten haben.

 

b) Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten

Als Konsequenz des neu eingeführten § 15b InsO wurde der noch im Referentenentwurf vorgesehene § 722 BGB-E (Zahlungsverbot bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung; Haftungsfolgen) folgerichtig gestrichen.[3]

 

c) Ausscheiden eines Gesellschafters

§ 723 BGB-E (Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters; Zeitpunkt des Ausscheidens)

§ 723 Absatz 1 Nr. 1 bis 4 BGB-E wandelt alle bisher in §§ 723, 725, 727, und 728 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 736 Absatz 1 BGB geregelten Auflösungsgründe, die in der Person des Gesellschafters begründet sind, zu Ausscheidensgründen um.[4]

So regelt § 723 BGB-E:

„(1) Folgende Gründe führen zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft, sofern der Gesellschaftsvertrag für diese Fälle nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht:

  1. Tod des Gesellschafters;
  2. Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter;
  3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters;
  4. Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Privatgläubiger des Gesellschafters;
  5. Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters vereinbart werden.

(3) Der Gesellschafter scheidet mit Eintritt des ihn betreffenden Ausscheidensgrundes aus, im Fall der Kündigung der Mitgliedschaft aber nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist und im Fall der Ausschließung aus wichtigem Grund nicht vor Mitteilung des betreffenden Beschlusses an den auszuschließenden Gesellschafter.“

„Hinsichtlich der Kündigung ist“, so die Entwurfsbegründung, „daher in Zukunft zu unterscheiden, ob sich diese auf die Mitgliedschaft bezieht oder auf die Gesellschaft. Nur die auf die Mitgliedschaft bezogene Kündigung eines Gesellschafters oder seines Pfändungspfandgläubigers führt zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters (§§ 725 und 726 BGB-E), während die Kündigung der Gesellschaft die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat (§ 731 BGB-E). § 723 Absatz 1 Nummer 5 BGB-E regelt als weiteren Ausscheidensgrund die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund. Das setzt nach dem geltenden § 737 Satz 1 BGB noch eine entsprechende Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag voraus.

Abweichend von der Formulierung in § 131 Absatz 3 Satz 1 HGB („mangels abweichender vertraglicher Vereinbarung“) wird klargestellt, dass die vorgenannten Ausscheidensgründe alternativ zur Auflösung der Gesellschaft stehen („sofern der Gesellschaftsvertrag nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht“). Damit bleibt einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung, die vorsieht, dass die Gesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters oder bei Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters mit dem betroffenen Gesellschafter fortbesteht, die Wirksamkeit versagt. Dies ist zum Schutz des Gesellschaftergläubigers erforderlich, um ihm bei Ausscheiden oder Auflösung einen Zugriff auf das Abfindungs- oder das Liquidationsguthaben zu ermöglichen. [5]

Sofern der Gesellschaftsvertrag keine Auflösung vorsieht, soll mithin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters zu dessen Ausscheiden führen.

Wir verweisen an dieser Stelle auf die bereits zum Referentenentwurf geäußerte Kritik:

Neben den Alternativen Ausscheiden des Gesellschafters und Auflösung der Gesellschaft kann damit keine gesellschaftsvertragliche Regelung mehr getroffen werden, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters dessen Verbleib in der Gesellschaft vorsieht. Damit wird künftig die Eigensanierung einer GmbH & Co. KG im Simultaninsolvenzverfahren unter Erhalt der Struktur in aller Regel unmöglich. Denn mit dem Insolvenzantrag der KG tritt praktisch immer auch bei der Komplementärs-GmbH Insolvenzreife ein. Scheidet die GmbH mit Eröffnung des eigenen Insolvenzverfahrens zwangsläufig aus der KG aus und fällt damit der einzige persönlich haftende Gesellschafter weg, führt dies zur liquidationslosen Auflösung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge des oder der Kommanditisten.[6] Bislang ermöglicht die in § 131 Abs. 3 Satz 1 HGB enthaltene Öffnung für vertragliche Abweichungen von der Ausscheidensfolge die strukturerhaltende Sanierung einer GmbH & Co. KG trotz Simultaninsolvenz von KG und Komplementärs-GmbH. Eine Aufgabe dieser Möglichkeit hätte mit Blick auf die Verbreitung dieser Gesellschaftsform erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Sanierungsfähigkeit.

 Ungeklärt bleibt bei der geplanten Neuregelung weiter, was geschehen soll, wenn bei einem Gesellschafter, der keine natürliche Person ist, ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird. Es würde sich anbieten, die Löschung im Handelsregister ausdrücklich dem Tod einer natürlichen Person gleichzustellen.“ [7]

Jedenfalls in der Begründung sollte zudem klargestellt werden, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ in § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E definiert werden soll. Dies empfiehlt sich nicht nur vor dem Hintergrund des Art. 2 Nr. 4 EuInsVO, sondern auch im Hinblick auf die Einführung des unter Ziff. II. 1. a) aa) erwähnten Restrukturierungsrahmens durch das StaRUG. Sobald die für 2022 vorgesehene Aufnahme der öffentlichen Restrukturierungssachen gemäß den §§  84 ff. StaRUG in den Anhang A der EuInsVO erfolgt, sind diese „Insolvenzverfahren“ i.S.d. Art.  2 Nr.  4 EuInsVO. Für Restrukturierungssachen nach dem StaRUG können aber die gesellschaftsrechtlich an ein „Insolvenzverfahren“ geknüpften Folgen nicht gewollt sein. Die Problematik stellt sich nicht nur für Verfahren nach deutschem Recht, sondern insbesondere auch für ausländische Verfahren, die aufgrund ihrer Aufnahme in Anhang A der EuInsVO unionsrechtlich als „Insolvenzverfahren“ definiert sind, inhaltlich aber vorinsolvenzliche Restrukturierungsinstrumente darstellen, die denen des StaRUG mehr entsprechen als dem deutschen Insolvenzverfahren.

 

d) Auflösung der Gesellschaft

aa) § 729 BGB-E (Auflösungsgründe)

§ 729 Abs. 1 Nr. 2 BGB-E sieht vor, dass die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aufgelöst wird.

Nach § 729 Abs. 3 BGB-E wird eine Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, ferner aufgelöst:

1. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;

  1. durch die Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere rechtsfähige Personengesellschaft gehört, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Gesellschaft nicht mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, aufgelöst wird, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Der geplante § 31 Nr. 2 InsO-E regelt jedoch, dass bei im Gesellschaftsregister eingetragenen Schuldnern das Insolvenzgericht dem Registergericht im Fall der Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse eine Ausfertigung des abweisenden Beschlusses übermittelt, wenn der Schuldner eine rechtsfähige Personengesellschaft ist, die durch Abweisung mangels Masse aufgelöst wird.

Dies führt dazu, dass die Mitteilungspflichten des Insolvenz- an das Registergericht im Hinblick auf eingetragene Gesellschaften mit und ohne eine natürliche Person als Gesellschafter divergieren und damit fehleranfällig sind.

Der Umstand der Abweisung des Antrages mangels Masse dürfte für die Gläubiger der Gesellschaft jedoch regelmäßig auch in den Fällen, in denen ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, von Bedeutung und daher eintragungswürdig sein.

Eine Klarstellung, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ in § 729 Abs. 1 Nr. 2 BGB-E definiert werden soll, wäre auch an dieser Stelle hilfreich.

 

bb) § 730 BGB-E (Auflösung bei Tod oder Insolvenz eines Gesellschafters)

730 BGB-E fasst den auf § 727 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 728 Abs. 2 Satz 2 BGB verteilten Normenbestand zusammen und enthält Regelungen, die bei Auflösung der Gesellschaft durch Tod eines Gesellschafters oder durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einen geordneten Übergang von der werbenden zur abzuwickelnden Gesellschaft gewährleisten sollen[8]:

„(1) Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, hat der Erbe des verstorbenen Gesellschafters den anderen Gesellschaftern dessen Tod unverzüglich anzuzeigen. Wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist, hat der Erbe außerdem die laufenden Geschäfte fortzuführen, bis die anderen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweitig Fürsorge treffen können. Abweichend von § 736b Absatz 1 gilt für die einstweilige Fortführung der laufenden Geschäften die dem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als fortbestehend. Die anderen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der laufenden Geschäfte berechtigt und verpflichtet.

(2) Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend, wenn im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird.“

Auch wenn der Entwurf die Möglichkeit der Eigenverwaltung an dieser Stelle nicht anspricht: Sollte die Norm dahingehend zu verstehen sein, dass auch der eigenverwaltende Gesellschafter in Insolvenz von der Notgeschäftsführung ausgeschlossen sein soll, wäre eine Klarstellung in der Entwurfsbegründung wünschenswert.

So führt diese zu § 730 Abs. 2 BGB-E lediglich aus:

„Absatz 2 übernimmt im Wesentlichen den geltenden § 728 Absatz 2 Satz 2 BGB. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Gesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters aufgelöst wird, begründet die Vorschrift das gegenüber § 736c Absatz 2 BGB-E vorrangige Pflichtrecht der anderen Gesellschafter zur Notgeschäftsführung. Danach sind die anderen Gesellschafter, soweit ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis übertragen ist, für eine Übergangszeit bei Gefahr für das Gesellschaftsvermögen zur Fortführung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet. Im Umkehrschluss aus der Verweisung auf § 730 Absatz 1 Satz 4 BGB-E folgt, dass dem Insolvenzverwalter diese Befugnis auch dann nicht zusteht, wenn dem Gesellschafter-Schuldner nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis übertragen war.“ [9]

Zudem wäre eine Klarstellung, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ in § 730 Abs. 2 BGB-E definiert werden soll, auch hier hilfreich.

 

cc) § 734 BGB-E (Fortsetzung der Gesellschaft)

§ 734 BGB-E befasst sich mit der Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft. Hieran kann, so die Entwurfsbegründung, ein Interesse bestehen, um die in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte zu erhalten.[10]

§ 734 Abs. 1 BGB-E sieht dazu vor, dass die Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft deren Fortsetzung beschließen können, sobald der Auflösungsgrund beseitigt ist.

Die Begründung führt zu Abs. 1 aus:

„Absatz 1 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine aufgelöste Gesellschaft fortgesetzt werden kann. Dazu muss erstens die Gesellschaft aufgelöst, aber noch nicht vollbeendet sein. Zweitens muss der Auflösungsgrund beseitigt sein. (…) Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, muss das Insolvenzverfahren zum Beispiel nach § 213 InsO eingestellt oder nach §§ 217 ff. InsO aufgehoben sein; in diesem Fall bewirken die insolvenzrechtlichen Vorschriften, dass die Fortsetzung der Gesellschaft nicht den Interessen Dritter entgegensteht.“

Der Entwurf unterstellt, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften (stets) bewirken, dass die Fortsetzung der Gesellschaft nicht den Interessen Dritter entgegensteht. Am Beispiel der in den §§ 217 ff. InsO enthalten die Regelungen zum Insolvenzplan soll aufgezeigt werden, dass dies zwar in der Regel der Fall ist, jedoch nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden kann; wir verweisen dazu auf das Beispiel in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf:

„So besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps neue Gesellschafter hinzukommen. Die (Neu-) Gesellschafter können dann die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, so dass sich das Vertragsrisiko der Gläubiger im Hinblick auf die neuen Gesellschafter verändert. Während die Altgläubiger durch den Insolvenzplan Kenntnis von den Änderungen der Gesellschafterstruktur erlangen (können), ist dies bei den Neugläubigern jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist.“[11]

 

e) Nicht rechtsfähige Gesellschaft

§ 740a BGB-E (Beendigung der Gesellschaft)

§ 740a BGB-E regelt anstelle der Liquidation die Beendigung der nicht rechtsfähigen Gesellschaft, da diese mangels eigenen Vermögens liquidationslos erlischt.[12]

So endet die nicht rechtsfähige Gesellschaft u.a. gemäß § 740a Abs. 1 Nr. 5 BGB-E durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters.

Die Begründung führt zu Abs. 1 aus:

„(…) Da die nicht rechtsfähige Gesellschaft über kein eigenes Vermögen verfügt und es auch kein gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Gesellschafter gibt, greift der Beendigungsgrund des § 740a Absatz 1 Nummer 6 BGB-E[13] daher nur Platz, wenn nach Beendigung verteilungsfähiges Vermögen zum Beispiel in Gestalt schuldrechtlich gebundener Bruchteilsrechte an einzelnen Vermögensgegenständen oder in Gestalt einzelner treuhänderisch verwalteter Vermögensgegenstände existiert. Die Beendigung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters stellt dann sicher, dass der Auseinandersetzungsanspruch der Insolvenzmasse zur Verfügung steht.“[14]

Eine automatische Beendigung schneidet indes die Möglichkeit ab, die Gesellschaft – ggf. temporär – unter Beteiligung des Insolvenzverwalters weiterzuführen. Dies kann im Interesse aller Gesellschafter liegen, die durch eine Ausschlussmöglichkeit hinreichend geschützt wären. Die automatische Beendigung sollte insbesondere angesichts der Möglichkeit nicht erfolgen, dass der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters dessen selbstständige Tätigkeit durch Erklärung nach §  35 Abs. 2 InsO freigibt und der Gesellschaftsvertrag keine Auflösung der Gesellschaft für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters vorsieht.

Dies zeigt das bereits in der Stellungnahme zum Referentenentwurf angebrachte Beispiel einer selbstständigen Zahnärztin, die Gesellschafterin einer Innengesellschaft zum Zweck gemeinsamer Praxisnutzung ist.

„In deren Insolvenz ergeben sich Schwierigkeiten bei der weiteren Ausübung der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit, wenn durch das gesetzliche Ende der Innengesellschaft die weitere Nutzung der gemeinsamen Praxisräume nicht durchgängig möglich ist. Im schlimmsten Fall muss die Schuldnerin neue Praxisräume suchen, was im laufenden Insolvenzverfahren schwierig sein dürfte. Ein zwingendes Ende der Innengesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters ist daher nicht in jedem Fall interessengerecht.“[15]

 

2. Artikel 35 – Änderungen der Insolvenzordnung

Die Ausführungen zu § 31 Nr. 2 InsO-E finden sich wegen des Sachzusammenhangs bei § 729 Abs. 3 BGB-E.

 

 

3. Artikel 49 – Änderungen des Handelsgesetzbuches

§ 107 HGB-E (Kleingewerbliche, vermögensverwaltende oder freiberufliche Gesellschaft; Statuswechsel)

Der Entwurf sieht als wesentliche inhaltliche Neuerung vor, dass Personenhandelsgesellschaften auch für die Ausübung Freier Berufe geöffnet werden sollen (vgl. § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-E).[16]

„Für den Begriff des Freien Berufs kann auf die Legaldefinition in § 1 Absatz 2 PartGG zurückgegriffen werden. Die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft zur Ausübung Freier Berufe steht unter dem Vorbehalt der Erlaubnis durch das anwendbare Berufsrecht. Wegen der Verweisung des § 161 Absatz 2 HGB-E gilt die neue Regelung auch für eine Kommanditgesellschaft.“[17] so die Entwurfsbegründung.

„Durch die durch die neue Vorschrift geschaffene Möglichkeit, Freie Berufe – im Rahmen berufsrechtlicher Zulässigkeit – insbesondere in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft und Compagnie Kommanditgesellschaft auszuüben, kann die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft weiter beschränkt werden, als dies bislang in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung der Fall ist. Denn zum einen lässt sich die Haftung dort nur bezogen auf Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung beschränken, zum Weiteren steht die Haftungsbeschränkung unter dem Vorbehalt, dass die Partnerschaftsgesellschaft eine zu diesem Zweck gesetzlich vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält (§ 8 Absatz 4 PartGG). Diese dient dem Schutz der Patienten, Mandanten, Kunden und sonstigen Auftraggeber der Partnerschaftsgesellschaft und ist regelmäßig in den berufsrechtlichen Bestimmungen enthalten.“, so die Begründung weiter.

Auch wenn es gute Gründe dafür gibt, es dem jeweiligen Berufsrecht zu überlassen, ob es die Eintragung zulässt oder nicht, führt dies dazu, dass sich einzelne Berufe damit von Haftungsrisiken befreien können und andere nicht. Dies ist jedenfalls dann nicht nachvollziehbar, wenn die Risikostruktur/Gefährdung durch mangelhafte Leistung für die beteiligten Mandanten/Kunden vergleichbar ist. Insoweit wird auch an dieser Stelle die bereits zum Referentenentwurf geäußerte Kritik[18] aufrechterhalten.

 

III. Fazit

  1. Der Entwurf enthält gegenüber dem Referentenentwurf aus insolvenzrechtlicher Sicht deutliche Verbesserungen.
  1. Er sollte jedoch an einigen wenigen Punkten nachgebessert werden, insbesondere um die Praxis nicht mit vermeidbaren Rechtsfragen zu belasten.

 

Berlin, den 08.04.2021

  

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[1] Vgl. Entwurfsbegründung S. 142.

[2] Vgl. Entwurfsbegründung S. 143.

[3] Es wurde jedoch verabsäumt, die Streichung auch in Entwurfsbegründung vollständig vorzunehmen. So findet sich auf S. 160 des Entwurfs: Deren zwingender Charakter muss sich vielmehr entweder aus dem Gesetzestext (zum Beispiel (…)) oder aus dem jeweiligen Normzweck (zum Beispiel § 722 BGB-E – Zahlungsverbot bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung; Haftungsfolgen oder § 726 BGB-E – Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters) ergeben.“

[4] Vgl. Entwurfsbegründung S. 197.

[5] Entwurfsbegründung S. 197.

[6] BGH 15.03.2004 – II ZR 247/01; 08.05.2014 – I ZR 217/12. Selbst die von K. Schmidt (MüKo-HGB, 4. Aufl., § 131 Rz. 76 m.w.N.) vertretene teleologische Reduktion dürfte nach der Entwurfsfassung nicht mehr vertretbar sein.

[7] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des MoPeG vom 21.12.2020, S. 6-7 (abrufbar unter: https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-RefE-des-MoPeG.pdf ).

[8] Entwurfsbegründung S. 207.

[9]  Entwurfsbegründung S. 208.

[10] Entwurfsbegründung S. 210.

[11] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des MoPeG vom 21.12.2020, S. 10 (abrufbar unter: https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-RefE-des-MoPeG.pdf ).

[12] Entwurfsbegründung S. 223.

[13] Meint wohl § 740a Abs. 1 Nr. 5 BGB-E.

[14] Entwurfsbegründung S. 223-224.

[15] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des MoPeG vom 21.12.2020, S. 10 (abrufbar unter: https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-RefE-des-MoPeG.pdf ).

[16] Vgl. Entwurfsbegründung S. 259.

[17] Entwurfsbegründung S. 264.

[18] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des MoPeG vom 21.12.2020, S. 12 (abrufbar unter: https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-RefE-des-MoPeG.pdf ).

 

 

RegE des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes

 

A. Vorbemerkung

Der vorliegende Regierungsentwurf (nachfolgend: Entwurf) des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes sieht – wie schon der Referentenentwurf – relevante Änderungen der Insolvenzordnung vor. Die nachfolgende Stellungnahme beschränkt sich auf die im Entwurf vorgesehenen Neuregelungen der §§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 98 Abs. 1a) InsO-E.

 

B. Im Einzelnen

 

I. § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E

Der Entwurf sieht vor, dass „im Fall einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung“ zur Insolvenzmasse gehören (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E). Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

„Durch die Neuregelung fallen zunächst alle Sachen, die für die Ausübung der schuldnerischen Erwerbstätigkeit oder die damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung benötigt werden, in die Insolvenzmasse. Hierdurch werden weitergehende Möglichkeiten für eine Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter geschaffen und die Befriedigungsaussichten für die Gläubiger verbessert. Der Insolvenzverwalter kann auch hinsichtlich der neu erfassten Sachen nach § 35 Absatz 2 und 3 InsO über die Freigabe einzelner Vermögensgegenstände zur Fortführung der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit entscheiden.“[1]

Trotz der Kritik aus Wissenschaft[2] und Praxis[3] an der geplanten Neuregelung unterscheidet sich § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E nur insoweit von der Fassung des Referentenentwurfs, als dass in der Entwurfsbegründung nun nicht mehr von einer „mögliche[n] Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter, sondern (nur noch) von einer „Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter“ gesprochen wird.

Wir wiederholen daher unsere bereits am Referentenentwurf geäußerte Kritik[4]:

„Die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E, wonach künftig alle Sachen dem Insolvenzbeschlag unterliegen sollen, die der Schuldner für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung benötigt, überrascht ebenso wie die Begründung.

Der Schuldnerschutz des Vollstreckungsrechts im Allgemeinen und des § 811 ZPO im Speziellen wird als Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20, 28 GG) sowie u.a. von Art. 1 GG („Würde des Menschen“) und Art. 2 GG („freie Entfaltung der Persönlichkeit“) verstanden.[5] Das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Gläubigerrecht auf zwangsweise Durchsetzung eines als bestehend festgestellten privaten Rechts im Rahmen gebotener Justizgewährung findet dort seine Grenze, wo Grundrechte des Schuldners existenziell betroffen sind.[6]

Mit der vorgesehenen Änderung würden alle beweglichen Sachen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens zum Schutz zentraler Grundrechte und der Existenz des Schuldners dem Gläubigerzugriff entzogen sind, der Verwertung im Insolvenzverfahren zugänglich. Der Insolvenzverwalter könnte sie nicht nur verwerten, sondern er müsste dies zur Meidung eigener Haftung auch tun, solange ein – wie auch immer geringer – Erlös zu erwarten ist, der über den Verwertungskosten liegt. Diese verfassungsrechtlich bedenkliche Änderung erstaunt umso mehr, als auch die Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO die Fortgeltung des bisher in § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geregelten Pfändungsschutzes zugunsten eines Schuldners gebietet, der seine selbstständige Tätigkeit auch nach Insolvenzeröffnung fortsetzen kann und will. Denn wenn es dem Schuldner, der Restschuldbefreiung erreichen will, obliegt, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann man ihm nicht die dafür notwendigen Arbeitsmittel entziehen.[7]

Die Neuregelung würde hiernach einen grundrechtsrelevanten Paradigmenwechsel darstellen, der sich für alle über die Insolvenzeröffnung hinaus selbstständig tätigen Schuldner potentiell existenzgefährdend auswirkt. Die Begründung geht darauf indes mit keinem Wort ein. Zur Rechtfertigung der Änderung wird lediglich auf die Schaffung weitergehender Möglichkeiten für eine Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter verwiesen sowie auf die Verbesserung der Befriedigungsaussichten für die Gläubiger. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Annahmen zutreffen, ist ihre Eignung für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs zweifelhaft. Zweifelhaft ist aber bereits die Richtigkeit der Annahmen:

Für die Fortführung der selbstständigen Tätigkeit eines Schuldners auf Rechnung der Insolvenzmasse ist unerheblich, ob die zu ihrer Ausübung benötigten Gegenstände dem Insolvenzbeschlag unterliegen oder nicht. Hierfür ist allein entscheidend, ob der Insolvenzverwalter die „Freigabe“-Erklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO abgibt.

Gibt der Insolvenzverwalter die Erklärung ab, scheitert die Fortführung durch den Schuldner auf eigene Rechnung unter Leistung der Kompensationszahlungen nach den §§ 35 Abs. 2, 295 Abs. 2 InsO [a.F., 295a Abs. 1 Satz 1 InsO n.F.][8] nach aktueller Rechtslage jedenfalls nicht daran, dass er keinen Zugriff mehr auf die zur Fortsetzung erforderlichen Gegenstände hat. Denn die erforderlichen Gegenstände unterliegen von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag[9] und stehen dem Schuldner daher weiter zur Verfügung. Nur Gegenstände, die nicht dem aktuellen Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterliegen, daher aber auch nicht i.S.d. Vorschrift erforderlich für die Erwerbstätigkeit sein können, bleiben in der Insolvenzmasse, weil sie von der Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO nicht berührt werden.[10]

Die Änderung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E ließe somit die Möglichkeit einer Betriebsfortführung auf Rechnung der Insolvenzmasse unberührt und brächte für diese Konstellation keinen Vorteil, würde aber die Fortführung durch den Schuldner nach einer „Freigabe“ gemäß § 35 Abs. 2 InsO erschweren, weil die hierfür erforderlichen Gegenstände in der Insolvenzmasse bleiben. Der Insolvenzverwalter müsste sie individuell aus dem Insolvenzbeschlag freigeben, was er haftungsfrei nur dürfte, wenn dem Schuldner eine Ablösungszahlung möglich ist, die einem Drittvergleich standhält. Ausgehend von den üblicherweise niedrigen Werten der erforderlichen sächlichen Betriebsmittel Kleinselbstständiger, die bislang noch nicht einmal gesondert nach § 151 InsO erfasst und bewertet werden müssen, ergäbe sich in aller Regel nur ein unwirtschaftlicher Zusatzaufwand.

Eine Gesetzesänderung mit diesem Effekt verwundert auch im Hinblick auf die Erleichterung des Neustarts für insolvente UnternehmerInnen, die durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 ermöglicht werden soll. (…) Eine durchaus massive Erschwerung des Neustarts durch den vorgesehenen § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E stünde dem sonstigen Trend diametral entgegen.

Somit bleiben von den zur Rechtfertigung der Änderung genannten Gründen als potentielle Vorteile gegenüber der aktuellen Rechtslage nur die Erleichterung einer Betriebsveräußerung und die Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Die Möglichkeit einer Betriebsveräußerung im Bereich selbstständig tätiger Schuldner dürfte allerdings den Ausnahmefall darstellen, wenn hierfür die Veräußerung der (bislang) nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenstände erforderlich ist. Denn bei Kleinselbstständigen ist der Betrieb in aller Regel an die Person des Schuldners gebunden und soweit dies nicht der Fall ist und es überhaupt Interessenten für einen Betriebserwerb gibt, werden die nach §  811 Abs. 1 Nr. 5 unpfändbaren Gegenstände in der weit überwiegenden Zahl der Verfahren nicht von so erheblichem Wert sein, dass der Betriebserwerber sie nicht anderweitig beschaffen oder ersetzen könnte.

Damit beschränkt sich der Vorteil der Gesetzesänderung auf die potentielle Verbesserung der Gläubigerbefriedigung durch die Realisierung des Werts der bis Insolvenzeröffnung unpfändbaren Gegenstände. Handelt es sich um Gegenstände von erheblichem Wert, besteht allerdings schon nach jetziger Rechtslage die Möglichkeit einer Austauschpfändung nach § 811a ZPO.[11] Bei Gegenständen, die wegen Geringwertigkeit keiner Austauschpfändung zugänglich sind, stehen neben dem unwirtschaftlichen Verwertungsaufwand auch absehbare Auseinandersetzungen mit Schuldnern in Aussicht, die um ihre Existenzgrundlagen kämpfen werden. Hinzu käme z.B. bei Fahrzeugen, die bislang nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar und damit nicht massebefangen sind, künftig bis zur etwaigen Freigabe eine Belastung der Insolvenzmasse mindestens mit der Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit.[12] Ein entsprechendes Risiko für die Insolvenzmasse bestünde insbesondere auch im Fall eines nicht kooperativen selbstständig tätigen Schuldners, wenn sich die Ermittlungen, die für die Entscheidung über eine Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO notwendig sind, über einen längeren Zeitraum hinziehen und der Insolvenzverwalter ggf. noch gar keine Kenntnis von allen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E massezugehörigen und potentiell massebelastenden Gegenständen hat, die er für eine (echte) Freigabe konkret benennen muss.

Zusammengefasst ist die vorgesehene Änderung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E somit verfassungsrechtlich bedenklich, ohne dass die zur Begründung der Änderung angestellten Erwartungen durchwegs realistisch sein dürften. Zu erwarten wäre vielmehr vorrangig ein wirtschaftlich nicht gerechtfertigter Mehraufwand.“

Auch Ahrens weist (noch zum Referentenentwurf) zu Recht darauf hin, dass die geplante Neuregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E in geradezu entgegengesetzter Zielrichtung zum (zwischenzeitlich in Kraft getretenen) Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens[13] und den darin enthaltenen Sonderregelungen für Selbstständige steht.[14] „Inhaltlich verblüfft es ein wenig, wie zwei Gesetze mit nahezu konträren Zielrichtungen praktisch zeitgleich verabschiedet bzw. vorgeschlagen werden. Dies gilt umso mehr, als beide Reformen vom gleichen Ministerium federführend verantwortet wurden. Man mag sich hierbei keinen bewussten Plan vorstellen, mit dem über die vorgeschlagene Novellierung der Massevorschriften der an anderer Stelle verbesserte Schutz für Selbständige unterlaufen werden soll.“[15]

 

II. § 98 Abs. 1a) (neu) InsO-E

Mit § 98 Abs. 1a) InsO-E erhält das Insolvenzgericht künftig die Möglichkeit, Drittauskünfte nach § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E einzuholen (Erhebung bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sowie Erhebung beim Kraftfahrt-Bundesamt).

Der VID begrüßt – wie schon beim Referentenentwurf – die zusätzlichen Ermittlungsmöglichkeiten des Insolvenzgerichts, insbesondere in den Fällen, in denen der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach § 97 InsO[16] nicht nachkommt (§ 98 Abs. 1a) Nr. 2 InsO-E).

Dass die vorgesehene Abfrage durch das Insolvenzgericht aus Effizienzgründen gegenüber der Einschaltung von Gerichtsvollziehern zur Einholung der Auskünfte als vorzugswürdig erachtet wird[17] wurde durch die Einfügung „an Stelle des Gerichtsvollziehers“ in § 98 Abs. 1a) Satz 1 InsO-E nochmals bekräftigt.

Auch wurde die Kritik am Referentenentwurf (dort § 98 Abs. 1a) Nr. 4 InsO-E) zur Einholung von Drittauskünften für den Fall, dass „dies aus anderen Gründen erforderlich erscheint“, aufgenommen. So konkretisiert § 98 Abs. 1a) Nr. 3 InsO-E nun (zumindest), dass „dies aus anderen Gründen zur Erreichung der Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich erscheint“.

Die Begründung führt dazu aus:

„Zweck des Insolvenzverfahrens ist es, die Vermögenslage des Schuldners zu bereinigen. Hierzu ist insbesondere erforderlich, die der Beschlagnahmewirkung des Insolvenzverfahrens unterliegenden Gegenstände ausfindig zu machen und für Zwecke der Gläubigerbefriedigung nutzbar zu machen.“[18]

Der hier genannte Zweck des Insolvenzverfahrens umfasst nicht ganz dessen in § 1 InsO genannte Ziele. Die Ermittlung und Verwertung des pfändbaren Schuldnervermögens ist aber zutreffend zur Erreichung des Insolvenzzwecks der bestmöglichen gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung erforderlich.

 

Fazit:

Die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E ist weiterhin abzulehnen. Sie ist verfassungsrechtlich bedenklich und lässt keine Vorteile erwarten, die den mit ihr verbundenen Mehraufwand rechtfertigen würden.

  

Berlin, 25.03.2021

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[1] Entwurfsbegründung, S. 37 f.

[2] Vgl. Ahrens in NZI 3/2021, 57 ff. (65 ff.).

[3] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-Referentenentwurf-des-Gerichtsvollzieherschutzgesetzes.pdf.

[4] Nachfolgender Auszug (kursiv) aus der VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes, S. 2-4, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2020/12/VID-Stellungnahme-zum-Referentenentwurf-des-Gerichtsvollzieherschutzgesetzes.pdf.

[5] Gruber in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 811 Rz. 2 m.w.N.

[6] Gruber in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 811 Rz. 3 m.w.N.

[7] Jaeger/Henckel, InsO, § 36 Rz. 4.

[8]  Klammerzusatz nachträglich eingefügt.

[9]  BFH 08.09.2011 – II R 54/10 Rz. 18.

[10] BFH 08.09.2011 – II R 54/10 Rz. 18; BGH 21.02.2019 – IX ZR 246/17 Rz. 20 f. Kritisch hierzu und für einen weitergehenden Übergang von Anlage- und Umlaufvermögen Ries, in: HK-InsO, 10. Aufl., § 35 Rz. 71 und 82 mit Fn. 236 m.w.N.

[11] Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 5. Aufl., § 36 Rz. 9 m.w.N.

[12] BFH 08.09.2011 – II R 54/10.

[13] Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22. Dezember 2020, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I Nr. 67, ausgegeben zu Bonn am 30. Dezember 2020.

[14] Vgl. Ahrens in NZI 3/2021, 57.

[15] Vgl. Ahrens in NZI 3/2021, 65 f. mit ausführlicher Kritik am RefE des GvSchG.

[16] An dieser Stelle darf jedoch auch daran erinnert werden, dass eine fehlende Auskunft und Mitwirkung des Schuldners nicht zwingend auf obstruierendem Verhalten des Schuldners beruhen muss. Ebenso kommt der Verlust notwendiger Unterlagen bspw. durch Umzug, Trennung, Wasserschaden etc. in Betracht.

[17] Entwurfsbegründung, S. 38.

[18] Entwurfsbegründung, S. 38.

 

Stellungnahme von Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des VID e.V., im Rahmen der Sachverständigenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 25.01.2021 zu den vorgeschlagenen Änderungen des COVInsAG zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Verlängerung des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen

 

Vorbemerkung

Mit den kurzfristig vorgestellten Erweiterungen des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (im Folgenden: COVInsAG), die in Ergänzung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 diskutiert werden, sind erneut weitreichende Veränderungen des Insolvenzrechts zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie verbunden.

Die Entwicklung des COVInsAG ist seit seiner bereits stark beschleunigten Einführung geprägt von kurzfristig vorgestellten Veränderungen. Diese Veränderungen haben insbesondere im Bereich der Insolvenzantragspflichten eine Rechtslage geschaffen, die für die meisten Antragspflichtigen ohne rechtliche Beratung kaum mehr zu durchschauen ist. Durch verkürzte Darstellungen in der öffentlichen Berichterstattung ist zudem der weit verbreitete Eindruck entstanden, dass der Pandemiegesetzgeber die Insolvenzantragspflichten für alle Unternehmen ausgesetzt habe, obwohl der Umfang dieser Aussetzungen und der Kreis der von ihnen erfassten Unternehmen im Verlauf der Änderungen des COVInsAG immer enger gefasst wurde:

Mit Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 wurden die Insolvenzantragspflichten durch § 1 Satz 1 COVInsAG zunächst bis zum 30.9.2020 ausgesetzt. Diese Aussetzung sollte nicht für solche Schuldner gelten, deren die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARSCoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruhte oder für die keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wurde vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhte und Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Mit Ablauf des 30.9.2020 wurde die Regelung des § 1 Satz 1 COVInsAG durch das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 25.9.2020 modifiziert. Nach dem neu eingefügten Abs. 2 sollte vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung nach Maßgabe des Absatzes 1 ausgesetzt bleiben, während die Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit wieder bestand.

Diese Rechtslage wurde zum Jahresende 2020 erneut verändert. Mit Art. 10 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 wurde § 1 Abs. 3 COVInsAG angefügt. Vom 1.1.2021 bis zum 31.1.2021 ist danach die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe des Absatzes 1 für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt Satz 1 auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

 

 

1. Weitere Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – § 1 Abs.3 COVInsAG

1.1. Die nun vorliegende Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht enthält erneut Änderungen des § 1 Abs. 3 COVInsAG (Änderungen unterstrichen gekennzeichnet):

Vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe des Absatzes 1 für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt Satz 1 auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

Mit diesen Änderungen soll die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags über einen Zeitraum von insgesamt vier Monaten auch für die Fälle der Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt werden. Dies soll aber nach dem unveränderten § 1 Abs. 3 Satz 3 1. Alt. COVInsAG nicht für solche Fälle gelten, bei denen offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht. Das Fehlen eines Antrags wäre sicher ein Fall, in dem die Aussichtslosigkeit offensichtlich wäre. Dieser Fall soll jedoch nach § 1 Abs.3 Satz 2 COVInsAG nicht die Wirkungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG ausschließen, wenn die fehlende Antragstellung innerhalb des vorgegebenen Zeitraums aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausbleibt.

Die Begründung des Regierungsentwurfs zum SanInsFoG (BT Drs.19/24181) führt zu dem erst in den Beratungen des Rechtsausschusses angefügten § 1 Abs. 3 COVInsAG nichts aus. Im Bericht des Rechtsausschusses vom 15.12.2020 (BT Drs. 19/25353, S. 15) wird aber zu § 1 Abs. 3 COVInsAG ausgeführt:

Infolge der jüngsten behördlichen Maßnahmen in Reaktion auf die Zunahme des Infektionsgeschehens ist es im Spätherbst wieder zu erheblichen Beeinträchtigungen des Wirtschaftsverkehrs und in der Folge zu Umsatzeinbrüchen in den hiervon besonders betroffenen Unternehmensbranchen gekommen. In Reaktion hierauf ist das Angebot staatlicher Hilfeleistungen nochmals ausgebaut worden (sog. „November- und Dezemberhilfen“). Die Bearbeitung der Anträge auf die Gewährung der beantragten Hilfen nimmt angesichts der Fülle der Anträge Zeit in Anspruch. Auszahlungen können sich damit bis zum Jahresende oder darüber hinaus verzögern. Daher soll die Antragspflicht für Unternehmen ausgesetzt werden, die staatliche Hilfeleistungen erwarten können. Voraussetzung ist, dass die Anträge im Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2020 gestellt sind. Soweit in diesem Zeitraum bei bereits aufgelegten Programmen aus rechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen oder tatsächlichen, insbesondere IT-technischen Gründen noch keine Anträge gestellt werden konnten, soll die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, welche nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen sind dem Zweck der Regelung entsprechend solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.

Die nun vorgeschlagene Änderung des § 1 Abs. 3 COVInsAG geht offenbar davon aus, dass rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe der genannten Art einer Antragstellung auch zwischen dem 1. und dem 28.02.2021 entgegenstehen könnten. In der vorgelegten Formulierungshilfe wird hierzu ausgeführt:

Die Bearbeitung der Anträge auf die Gewährung der beantragten Hilfen nimmt angesichts der Fülle der Anträge und der verfahrenstechnischen und beihilferechtlichen Voraussetzungen der Hilfsprogramme Zeit in Anspruch, so dass eine vollständige Auszahlung der staatlichen Hilfeleistung nicht unmittelbar möglich ist. Die Antragspflicht soll deshalb bis zum 30. April 2021 für Unternehmen ausgesetzt werden, die staatliche Hilfeleistungen aus den zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie aufgelegten Hilfsprogrammen erwarten können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Anträge im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 gestellt sind. Soweit in diesem Zeitraum aus rechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen oder tatsächlichen, insbesondere IT-technischen Gründen noch keine Anträge gestellt werden konnten, soll die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, welche nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen sind dem Zweck der Regelung entsprechend solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.

1.2. Die Annahme, eine Antragstellung könnte auch noch im Februar 2021 durch rechtliche oder tatsächliche Hindernisse ausgeschlossen sein, führt zu der Frage, ob auch Hilfsanträge, die deshalb erst im März oder April 2021 gestellt werden, die Aussetzungswirkungen des § 1 Abs. 3 COVInsAG auslösen sollen.

Da eine vollständige Auszahlung der staatlichen Hilfeleistung nach den Worten der Formulierungshilfe zumindest derzeit nicht unmittelbar möglich ist, kann unterstellt werden, dass viele betroffene Antragsteller bereits zahlungsunfähig sind. Jeder weitere Monat mit laufenden Kosten vertieft diese Zahlungsunfähigkeit. Damit wird auch immer unwahrscheinlicher, dass eine Auszahlung der staatlichen Hilfeleistungen die Insolvenzreife der Betroffenen noch ändern könnte. Werden die sog. November- oder Dezemberhilfen erst im März oder gar im April 2021 beantragt, dann ist eine umgehende Auszahlung schon wegen der offenbar erheblichen Schwierigkeiten bei aktuell bereits gestellten Hilfsanträgen zweifelhaft. Ein erst Ende April gestellter Hilfsantrag könnte deshalb wohl kaum vor dem gesetzlich fixierten Ende der Aussetzung von Antragspflichten zu einer Auszahlung führen, die eine bereits eingetretenen Insolvenzreife beseitigen würde.

Nach dem Konzept des Formulierungsentwurfs soll die Ausnahme des § 1 Abs. 3 Satz 2 COVInsAG dennoch aufrecht erhalten bleiben. Dies impliziert entweder eine bereits mitgedachte weitere Verlängerung der Aussetzung von Insolvenzantragspflichten oder eine weitere Verschärfung der Bedingungen für staatliche Hilfeleistungen, die jedenfalls bei bestehender Insolvenzreife und Anträgen kurz vor dem Wiedereinsetzen von Antragspflichten nicht mehr zur (teilweisen) Auszahlung kommen sollten.

1.3. Ungeklärt bleibt zudem die Frage, ob eine bereits im Zeitraum zwischen dem 1.10.2020 und dem 31.12.2020 eingetretene Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit durch die Aussetzungen des § 1 Abs. 3 COVInsAG rückwirkend beseitigt wurde. Antragspflichtige, die in dieser Zeit trotz bestehender Antragspflicht in der Hoffnung auf weitere staatliche Hilfeleistungen keinen Antrag gestellt hatten, können für diese Missachtung einer Rechtspflicht nicht bessergestellt werden als rechtsreue Antragsteller.

Soweit also Schuldner, die in diesem Zeitraum pflichtgemäß Insolvenzantrag gestellt haben, bei Unterlassen ihres Insolvenzantrages von der Aussetzungswirkung des § 1 Abs. 3 COVInsAG erfasst worden wären, dürfen sie nun wegen ihrer vorangegangenen Rechtstreue nicht schlechter gestellt werden. Staatliche Hilfeleistungen sind für diesen Personenkreis aber nach einer Insolvenzantragstellung nun aufgrund der beihilferechtlichen Vorgaben rechtlich ausgeschlossen. Da eine Aussetzung der Antragspflichten und die Beantragung staatlicher Hilfeleistungen für sie zunächst eine Beendigung des beantragten Insolvenzverfahrens voraussetzen würde, müsste ihnen nun die umgehende Möglichkeit einer kostenfreien Rücknahme ihres Antrages eingeräumt werden. Eine Einschränkung dieser Möglichkeit wäre nur dort vorzusehen, wo eine Rücknahme und die anschließende Beantragung von staatlichen Hilfeleistungen nach dem Vorbehalt des § 1 Abs. 3 Satz 3 COVInsAG offensichtlich aussichtslos oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend wäre.

Alternativ wäre eine weiter einschränkende Ergänzung des § 1 Abs. 3 Satz 3 COVInsAG möglich, die eine Aussetzung von Antragspflichten für solche Schuldner ausschließt, bei denen die Antragspflicht am 1.1.2021 bereits entstanden und die dreiwöchige Antragsfrist des § 15a Abs.1 Satz 2 InsO zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Diese Einschränkung würde jedoch den Kreis der Schuldner, die von der Aussetzungswirkung des § 1 Abs. 3 COVInsAG erfasst wären, voraussichtlich stark eingrenzen. Viele Betroffene, die in der Zeit zwischen dem 1.10.2020 und dem 31.12.2020 keinen Insolvenzantrag gestellt haben, waren in diesem Zeitraum bereits zahlungsunfähig. Sie wären nun verpflichtet, einen Insolvenzantrag unverzüglich zu stellen und müssten diesen Schritt auch zur Vermeidung eigener Haftungsfolgen unternehmen, obwohl er ihren weiteren Zugang zu staatlichen Hilfeleistungen ausschließen würde.

 

Verlängerung des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen

2.1. Mit der Ergänzung des § 2 Abs. 1 COVInsAG durch einen neuen Absatz 5 soll eine gesetzliche Fiktion zugunsten von Zahlungen geschaffen werden, die bis zum 31.03.2022 „auf Forderungen aufgrund von im Aussetzungszeitraum gewährten Stundungen“ geleistet werden.

Die hier gewählte Formulierung ist missverständlich. Die Forderungen auf die gezahlt wird, finden ihren Rechtsgrund nicht in der Stundungsvereinbarung, sondern in den vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen, die zu ihrer Entstehung geführt haben.

Die Formulierung

„gelten die bis zum … erfolgten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von im Aussetzungszeitraum gewährten Stundungen als nicht gläubigerbenachteiligend…“

sollte deshalb durch

„Zahlungen, die bis zum … nach Maßgabe einer im Aussetzungszeitraum getroffenen Stundungsvereinbarung erfolgten, gelten als nicht gläubigerbenachteiligend…“

ersetzt werden.

2.2. Durch die vorgeschlagene gesetzliche Fiktion soll die Gläubigerbenachteiligung bei den erfassten Zahlungen ausgeschlossen und damit eine Insolvenzanfechtung nach den §§ 130 bis 146 InsO insgesamt verhindert werden. Dieser sehr weit gefasste Ausschluss von Insolvenzanfechtungen stößt auf erhebliche rechtliche Bedenken.

Die Formulierungshilfe führt zum Ziel dieses erneut sehr weitreichenden Eingriffs in das Insolvenzanfechtungsrecht aus:

Das Ziel der Neuregelung besteht darin, Gläubiger, die einem infolge der COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Not geratenen Schuldner durch eine Stundung entgegengekommen sind und damit einen Beitrag dazu geleistet haben, die aufgrund der staatlichen Hilfsprogramme bestehenden Sanierungsaussichten nicht zu vereiteln, nicht gerade wegen der Zahlungserleichterung einem erhöhten Anfechtungsrisiko auszusetzen.

Nach dem Wortlaut des vorgeschlagenen § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 COVInsAG soll jedoch auch der bislang in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG formulierte Vorbehalt („… dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind…“) entfallen.

Die weite Formulierung des vorgeschlagenen § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG erfasst alle Zahlungen auf gestundete Forderungen unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und unabhängig vom Rechtsgrund der Forderung. Zahlungen auf gestundete Gesellschafterdarlehen sollen ebenso erfasst sein wie Zahlungen auf gestundete Steuerverbindlichkeiten. In beiden Fällen wird man von einer umfassenden Kenntnis der Umstände auf Seiten der Zahlungsempfänger ausgehen können. Dies gilt im Besonderen für die Eignung von Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Der bislang in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG formulierte Vorbehalt sollte deshalb auch im Rahmen des vorgeschlagenen § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVinsAG beibehalten werden.

2.3. Mit der zeitlichen Erweiterung der vorgeschlagenen Regelung bis zum 31.03.2022 wird die Verdrängung des Insolvenzanfechtungsrechts in einem Umfang ausgeweitet, der über das voraussichtliche Ende der pandemiebedingten Beschränkungen des Wirtschaftslebens weit hinausweist. Damit kommt es zu einer faktischen Privilegierung insbesondere öffentlicher Gläubiger (Fiskus und Sozialversicherungsträger), die während der COVID-19-Pandemie im großen Umfang Stundungen gewährt haben. Dieser Umstand überrascht, weil die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag 2018 vor dem Hintergrund früherer Diskussionen über das Insolvenzanfechtungsrecht eine Schaffung von neuen Fiskusprivilegien ausdrücklich abgelehnt hatten.

Bis zum Herbst 2021 werden voraussichtlich die unmittelbaren Einschränkungen des Wirtschaftslebens beendet sein. Auch die Ausreichung staatlicher Hilfeleistungen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit wird bis dahin abgeschlossen sein. Die Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit soll nach der vorgeschlagenen Fassung des § 1 Abs. 3 COVInsAG (s.o.) bereits ab dem 1.5.2021 wiedereinsetzen. Trotzdem sollen noch bis zum 31. März 2022 erfolgende Zahlungen auf gestundete Forderungen von der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG erfasst werden.

Diese Zahlungen werden somit zumindest teilweise in einem Zeitraum erfolgen, in dem eine Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit wieder besteht und zu einer steigenden Zahl von Eigenanträgen führen kann. Fremdanträge betroffener Gläubiger sind dagegen schon seit dem 1.7.2020 wieder ohne Einschränkungen möglich. Die öffentlichen Gläubiger, die ansonsten aufgrund ihrer besseren Informations- und Vollstreckungsmöglichkeiten einen prozentual hohen Anteil der Fremdanträge stellen, haben von dieser Möglichkeit aber bislang kaum Gebrauch gemacht. Sie wären deshalb nun in besonderer Weise durch Insolvenzanfechtungen gefährdet.

Die hier angelegte Privilegierung öffentlicher Gläubiger sollte nicht umgesetzt werden. Werden nach dem 1.5.2021 Zahlungen auf gestundete Forderungen geleistet, dann sollte durch die staatlichen Hilfeleistungen sichergestellt sein, dass sie von zahlungsfähigen Schuldnern geleistet werden. Das Anfechtungsrisiko darf spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht einseitig auf Gläubigergruppen abgewälzt werden, die (wie etwa Lieferanten) wegen ihrer eigenen angespannten wirtschaftlichen Situation weniger Stundungen gewähren konnten.

2.4. Die vorgeschlagene Regelung des § 2 Abs.1 Nr. 5 Satz 2 COVInsAG begegnet erheblichen Bedenken. Sie erstreckt die Wirkungen von § 2 Abs.1 Nr. 5 Satz 1 COVInsAG auf Forderungen, deren Stundung bis zum 28.2.2021 vereinbart wird. Der an gleicher Stelle vorgenommene Bezug auf das Wiederaufleben der Insolvenzantragspflicht lässt vermuten, dass hier das nun gem. § 1 Abs.3 COVInsAG erst zum 1.5.2021 vorgesehene Wiederaufleben der Antragspflichten noch nicht berücksichtigt wurde.

Die in der Begründung der Formulierungshilfe angesprochene Rückwirkung soll nach dem Wortlaut des § 2 Abs.1 Nr. 5 Satz 2 COVInsAG Stundungsvereinbarungen erfassen, die vor dem 28.2.2021 abgeschlossen wurden. Gleichzeitig nimmt jedoch § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 COVInsAG auf den Aussetzungszeitraum des § 1 Abs. 3 COVInsAG Bezug, der nun in der vorgeschlagenen Fassung (s.o.) bis zum 30.4.2021 ausgedehnt werden soll und erfasst damit Stundungsvereinbarungen, die zwischen dem 1.1.2021 und dem 30.4.2021 abgeschlossen werden.

Dieses offensichtlich redaktionelle Versehen indiziert, dass alle Zahlungen auf Forderungen vom Schutz des § 2 Abs. 5 COVInsAG erfasst werden sollen, die zwischen dem 1.1. und dem 30.4.2021 gestundet werden.

Damit wären auch Zahlungen insolvenzanfechtungsfest, die ggfl. nach einer vollständigen Ausreichung der beantragten staatlichen Hilfeleistungen und der dadurch beabsichtigten Wiederherstellung und Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit erfolgen. Wäre ein solche Wiederherstellung und Sicherstellung nicht gewährleistet, dann wäre nach dem Wortlaut des § 1 Abs.3 Satz 3 COVInsAG kein Raum für eine Aussetzung und damit für die Wirkung des § 2 Abs. 5 COVInsAG.

Es ist widersprüchlich, für die o.g. Zahlungen einen absoluten Schutz vor späteren Insolvenzanfechtungen zu errichten und gleichzeitig die uneingeschränkte Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit zur Voraussetzung dieses Schutzes zu machen.

2.5. Die vorgeschlagene Streichung von § 2 Abs.1 Nr. 4e COVInsAG wirft die Frage auf, ob die dort angesprochenen Zahlungserleichterungen nun durch den Begriff der Stundung ersetzt werden sollen. Die Begründung des Formulierungshilfe lautet, dass mit einer Stundung regelmäßig auch eine ratierliche Zahlungsvereinbarung einhergehe, die über einen längeren Zeitraum gewährt wird und ebenfalls von der Regelung umfasst sei. Tilgungsaussetzungen konnten bisher unter den Sammelbegriff der Zahlungserleichterung gefasst werden, wären aber bei einer künftigen gesetzlichen Fixierung auf den Begriff der Stundung zumindest klarstellungsbedürftig.

2.6. Durch eine vorgeschlagene weitere Ergänzung des § 2 Abs. 2 COVInsAG soll der neue § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG auch für Unternehmen gelten, die keiner Antragspflicht unterliegen, sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind. Hier ist auf die Ausführungen oben unter 2.4. zu verweisen.

 

Schlussbemerkung

Die vorgeschlagenen Regelungen zu einer weiteren Aussetzung von Insolvenzantragspflichten folgen dem in § 1 Abs.3 COVInsAG angelegten Grundsatz. Dieser Grundsatz, der bei Aussicht auf hinreichende staatliche Hilfeleistung eine temporäre Aussetzung von Antragspflichten vorsieht, ist im Sinne der Vermeidung unnötiger Insolvenzverfahren zu begrüßen. Die Regelungen sollten aber an den oben aufgezeigten Stellen nochmals überarbeitet werden.

Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollte zudem ein besonderes Augenmerk auf die öffentliche Kommunikation der nun erneut komplizierteren Rechtslage gelegt werden. Die Frage nach der eigenen Antragspflicht wurde im Lauf der aktuellen COVID-19-Pandemie über mehrere Stationen der Gesetzgebung hinweg immer mehr zu einer Denksportaufgabe für die Betroffenen. Der Wandel von gesetzlichen Voraussetzungen und Bedingungen wird bis in die nun vorgelegten Formulierungshilfen hinein von begrifflichen Veränderungen begleitet, die eine Orientierung weiter erschweren.

Bei den vorgeschlagenen Regelungen zur Verlängerung des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sind neben redaktionellen auch inhaltliche Korrekturen geboten, die einer ungleichmäßigen Verteilung von Insolvenzanfechtungsrisiken entgegenwirken sollten. Ein neues Fiskusprivileg, dem der Koalitionsvertrag 2018 bereits eine Absage erteilt hatte, sollte auch in der Pandemiegesetzgebung nicht eingeführt werden.

Berlin, den 25.01.2021

Kontakt:
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Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

 

I. Vorbemerkung

Der vorliegende Referentenentwurf (im Folgenden: RefE) betont zurecht, dass die Digitalisierung und der mit ihr einhergehende digitale Wandel die Lebenswirklichkeiten der Gesellschaft tiefgreifend verändert haben. Dieser Wandel ist durch die gegenwärtige COVID-19-Pandemie beschleunigt worden. In besonderer Weise betrifft er auch Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren, weil hier nicht nur Aspekte der Verfahrenseffizienz angesprochen sind, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit besteht, in Verfahren mit gesetzlich geforderten Gläubigergremien und kollektiver Willensbildung eine Gesundheitsgefährdung der Beteiligten auszuschließen.

Der VID hat bereits zu einem frühen Zeitpunkt unter dem Stichwort „Insolvenzverfahren 4.0[1] auf das Erfordernis einer Digitalisierung von Insolvenzverfahren hingewiesen. Er hat diesen Hinweis mit konkreten Vorschlägen ergänzt, die in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit, des Justiz- und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen und der Insolvenzrichter erarbeitet wurden.

Die jüngst erfolgte Umsetzung der Richtlinie EU 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz (ABl.L 127 vom 26.6.2019, S. 18) durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3256 ff.) hat leider nur unzureichende Schritte unternommen, um diesem Erfordernis gerecht zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, wenn der RefE betont, dass zur besseren Nutzung des Potentials und der Chancen einer Digitalisierung für die Justiz alle Akteure möglichst umfassend und medienbruchfrei mit den Gerichten auf elektronischem Weg kommunizieren können sollten.

Notwendig ist hier aber der Hinweis, dass die Chance einer umfassenden und medienbruchfreien Kommunikation gerade in Kollektivverfahren auch für gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter, Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren eröffnet werden muss, die schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben einen intensiven und teilweise umfangreichen Austausch mit den Gerichten führen.

Die jüngst durch Art. 5 des SanInsFoG reformierte Fassung des § 174 Abs. 4 InsO ist ein Beispiel für die unvollständige Umsetzung einer möglichst umfassenden und medienbruchfreien elektronischen Kommunikation mit den Gerichten. Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO sind bei Forderungsanmeldungen weiterhin auf Verlangen des Insolvenzgerichts Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen. Der Regierungsentwurf des SanInsFoG (S. 235) führt zu dieser Änderung aus:

„Die Soll-Vorschrift, wonach auch bei einer von dem Insolvenzverwalter zugelassenen elektronischen Forderungsanmeldung generell Urkunden in Papierform nachgereicht werden sollen, entfällt. Nunmehr können bei einer elektronischen Forderungsanmeldung auch die Nachweisurkunden in elektronischer Form übermittelt werden. Eine Einsendung von Originalen, Abschriften in Papierform oder Ausdrucken ist nur noch nach gesonderter Aufforderung durch den Insolvenzverwalter oder durch das Insolvenzgericht erforderlich. Zudem wird klargestellt, dass eine elektronische Rechnung nach der E-Rechnungsverordnung zu den Urkunden im Sinne des § 174 Absatz 1 Satz 2 zählt, aus denen sich die Forderung ergibt.“

Damit führt bereits die elektronische Erstellung der Insolvenztabelle weiterhin zu Medienbrüchen, wenn das Insolvenzgericht Ausdrucke, Abschriften oder Originale verlangt. Kann der Insolvenzverwalter ein solches Verlangen nicht ausschließen, wird er ebenfalls im Rahmen der Forderungsanmeldung auf einer Einreichung bestehen und damit die elektronische Forderungsanmeldung de facto und oftmals pauschal ausschließen. Originaltitel werden auch weiterhin zwingend vorzulegen sein, um das Titelprivileg des § 179 Abs. 2 InsO zu erhalten.

§ 174 InsO bleibt damit hinter dem Grundsatz des § 130a Abs. 1 ZPO zurück, nach dem vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe des § 130a Abs. 2-6 ZPO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können. Die Regelung des § 174 InsO ist daher auch in ihrer neuen Fassung ein unzureichender Schritt auf dem Weg zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Vor diesem Hintergrund sollten weitere Schritte zur Reform zeitnah geprüft werden, um die notwendige Entwicklung nicht durch unnötige Vorbehalte zu belasten.

 

II. § 173 ZPO RefE

Mit § 173 Abs. 2 ZPO RefE soll die Einrichtung des in Abs. 1 der Vorschrift geforderten sicheren Übermittlungswegs für Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige Personen verpflichtend werden, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.

Mit Rücksicht auf die Zahl der Insolvenzverfahren und den Umfang der dort an Insolvenzgerichte zu übermittelnden Dokumente überrascht die fehlende ausdrückliche Erwähnung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern, für die nur über die Verweisungsnorm des § 4 InsO angenommen werden kann, dass sie zum Kreis derjenigen Personen gehören, „bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.“ Eine entsprechende Ergänzung des § 173 Abs. 2 ZPO RefE ist geboten, um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern auszuschließen, die auch von der Begründung des RefE nicht beseitigt werden. Diese Begründung (S. 23) erwähnt Insolvenzverwalter lediglich im Zusammenhang mit dem SAFE-Verzeichnis der Justiz und ordnet sie offenbar in die Gruppe der anderen Verfahrensbeteiligten ein, die nicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges verpflichtet sein sollen.

Unklar bleibt auch, ob die nach § 8 Abs. 3 InsO vom Insolvenzverwalter sowie neu nach § 76 Abs. 6 StaRUG vom Restrukturierungsbeauftragten im Auftrag des Gerichts durchzuführenden Zustellungen, die nach § 173 Abs. 3 ZPO RefE auch an Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts elektronisch nur über einen sicheren Übermittlungsweg erfolgen sollen, durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das Gericht bestätigt werden müssen. Wäre dies der Fall, dann könnte der Insolvenzverwalter den Empfang nur über den Umweg einer Nachfrage bei Gericht kontrollieren. Der Zustellungsnachweis gem. § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO, den der Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 InsO (§ 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG für den Restrukturierungsbeauftragten) unverzüglich zu den Gerichtsakten reichen soll, wäre im Fall der elektronischen Zustellung gem. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO RefE nur durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu führen.

Wird ein elektronisches Dokument gem. § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE auch an andere als die in Abs. 2 Genannten zugestellt, soll dies nach § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO RefE durch eine automatisierte Empfangsbestätigung nachgewiesen werden.

In Insolvenzverfahren wird die nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE für solche Zustellungen notwendige Zustimmung der Empfänger insbesondere dort eingeholt werden, wo die Zustellungskosten wegen der hohen – oftmals vier-, zum Teil auch sechsstelligen – Zahl von beteiligten Gläubigern ansonsten unvertretbar hoch ausfallen würden.

Die Form der automatisierten Empfangsbestätigung wird in § 173 Abs. 4 ZPO RefE aber nicht näher definiert. Auch in der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung (im Folgenden: ERVV) findet sich bislang, ebenso wenig wie in den nun vorgeschlagenen Änderungen der ERVV, eine gesetzliche Definition. Die in gängigen E-Mail-Programmen eröffnete Möglichkeit der Anforderung einer sog. Message Disposition Notification (MDN) durch den Absender, die von der Begründung des RefE (S. 29) als „ohnehin eingehende automatische Eingangsbestätigung“ bezeichnet wird, erreicht nur den Absender. Sie bedarf auch einer Aktivierung im Programm des Empfängers, die nicht notwendig mit der Zustimmung gem. § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE verbunden wird. Im Fall einer Zustellung durch beauftragte Insolvenzverwalter (s.o.) schließt sich die Frage an, in welcher Form dem Gericht die Zustellung nachzuweisen ist. Der Aktenvermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird hier regelmäßig nicht genügen, weil eine Aufgabe zur Post nicht erfolgt ist.

 

III. Kapitel 4 der ERVV RefE

Nach § 10 Abs. 1 ERVV RefE können natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige privatrechtliche Vereinigungen zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden, das den Maßgaben der Nr. 1-5 entsprechen muss. Die Beschränkung der Zustellung elektronischer Dokumente auf einen sicheren Übermittlungsweg (§ 173 Abs.1 ZPO RefE) führt bei anderen als den in § 173 Abs. 2 ZPO RefE genannten Empfängern ausweislich § 13 ERVV RefE aber nicht zu der Verpflichtung, zur Ermöglichung einer solchen Zustellung ausschließlich ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach einzurichten, wenn sie am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen wollen.

Dies wirft bei einer gerichtlichen Zustellung die Frage auf, ob und wie die in § 13 ERRV formulierten Maßgaben überprüft werden müssen. Nutzen Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter die Möglichkeit der Zustellung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg und stellen sie dabei auch an Empfänger zu, die nicht in § 173 Abs. 2 ZPO RefE genannt werden, dann kann dies nur über die in Kapitel 4 der ERVV RefE genannten Wege geschehen. Für das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach sieht § 11 ERVV RefE eine Prüfung und Freischaltung durch Landesbehörden vor. Hier wird der zustellende Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte auf diese Prüfung vertrauen können.

Im Rahmen der Nutzung eines Postfach- und Versanddienstes eines Verwaltungsportals im Sinne des § 2 Abs. 2 des Onlinezugangsgesetzes sieht § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV RefE jedoch eine Reihe von weiteren Maßgaben vor, die ein Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter bei höheren Nutzerzahlen regelmäßig schon aus Zeitgründen nicht überprüfen kann. Dieser Umstand könnte in der Praxis die Nutzung der Möglichkeit zur Zustellung elektronischer Dokumente, die durch die Maßgaben der §§ 10 und 11 ERVV RefE bereits eng gefasst ist, zusätzlich einschränken.

Nach § 10 Abs. 2 ERVV RefE soll das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach über Suchfunktionen verfügen, die es ermöglichen, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden und zu adressieren. Mit der oben zu § 173 Abs. 2 ZPO RefE empfohlenen Ergänzung sollten an dieser Stelle auch die Insolvenzverwalter, Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragten ergänzend aufgeführt werden.

Die Forderungsanmeldung kann nach § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen (vgl. oben). Da eine Übermittlung keine Zustellung im Sinne des § 173 Abs. 1 ZPO RefE ist, bestehen bisher Unklarheiten bezüglich des (sicheren) Übermittlungswegs. Die somit weiter offene Frage einer sicheren Identifizierung der Anmelder wird in der aktuellen Kommentarliteratur sehr unterschiedlich beantwortet. Das Meinungsspektrum reicht von § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz) über § 130a ZPO (ggf. mit Wahlrecht des Verwalters) bis zu einfacher E-Mail-Anmeldung, ggf. mit dem Hinweis, dass der Aussteller zweifelsfrei feststellbar sein müsse (aber ohne Hinweis, welche Anforderungen an die Identifikation zu stellen sind, wer sie zu prüfen hat und ggf. mit welchen Folgen). Eine klarstellende Ergänzung des § 174 Abs. 4 InsO, evtl. durch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 ERVV RefE, ist deshalb dringend geboten.

 

Schlussbemerkung

Mit den Regelungsvorschlägen des RefE werden wichtige Voraussetzungen für eine weitere Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs geschaffen. Gerade in Insolvenzverfahren hat sich in den zurückliegenden Jahren gezeigt, dass Unternehmensinsolvenzen schon in mittleren Unternehmensgrößen sehr hohe Beteiligtenzahlen aufweisen können und sich damit als Anwendungsbereich des elektronischen Rechtsverkehrs geradezu aufdrängen. Die Lücke, die der RefE hinsichtlich dieser Verfahren aufweist, sollte deshalb im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt geschlossen werden.

 

Berlin, den 13.01.2021

 

 

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[1] https://www.vid.de/initiativen/eckpunktepapier-insolvenzverfahren-4-0/.

Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)

 

I. Vorbemerkung

Zu Beginn der 19. Legislaturperiode verständigten sich die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD darauf, das Recht der Personengesellschaften zu modernisieren. Am 20.04.2020 veröffentlichte das BMJV das Arbeitsergebnis der 2018 eingesetzten Expertenkommission, den Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts.

Diesem folgte am 19.11.2020 der nun vorliegende Referentenentwurf. Die nachfolgende Stellungnahme beschränkt sich auf einzelne insolvenzrechtliche Implikationen des Entwurfs.

 

II. Im Einzelnen

1. Artikel 1 – Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches

a) § 706 BGB-E (Sitz der Gesellschaft)

§ 706 BGB-E sieht vor: „Sitz der Gesellschaft ist vorbehaltlich des Satzes 2 der Ort, an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz). Ist die Gesellschaft im Gesellschaftsregister eingetragen und haben die Gesellschafter einen Ort im Inland als Sitz vereinbart (Vertragssitz), so ist dieser Ort Sitz der Gesellschaft“.

In der Sache ermöglicht die Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen die Trennung des Verwaltungs- von dem Vertragssitz, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat hat.[1]

Das Sitzwahlrecht soll zwei Beschränkungen unterliegen. Die Begründung des Entwurfs führt dazu aus:

„Zum einen gilt es nur für den Fall, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Register eingetragen ist. Angesichts der Bedeutung des Sitzes etwa in Bezug auf die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 707 Absatz 1 BGB-E), des Prozessgerichts (§ 17 Absatz 1 Satz 2 ZPO) und des Insolvenzgerichts (§§ 3, 4 InsO) bedarf die Sitzwahl nämlich einer verlässlichen Grundlage (…). Der formlos mögliche Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft bietet im Vergleich zu der notariell zu beurkundenden Satzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft (§ 2 Absatz 1 Satz 1 GmbHG, § 23 Absatz 1 Satz 1 AktG) nur dann eine verlässliche Grundlage für die Sitzbestimmung, wenn die Angabe zum Sitz zur Eintragung in das Register angemeldet wird. In diesem Fall wird dem Registergericht der Sitz, auf den sich die Gesellschafter geeinigt haben, im Zuge der Anmeldung mitgeteilt (§ 707 Absatz 1 BGB-E). Dass diese Einigung dem tatsächlichen Willen der Gesellschafter entspricht, wird dadurch sichergestellt, dass sämtliche Gesellschafter die Anmeldung zu bewirken haben (§ 707 Absatz 4 Satz 1 BGB-E). Bezogen auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hängt das Sitzwahlrecht also davon ab, ob die Gesellschafter von ihrem Eintragungswahlrecht Gebrauch machen. Hierbei muss der Vertragssitz – der Wertung des § 4a GmbHG folgend – zwingend im Inland liegen. Dadurch soll die Gesellschaft fest in der deutschen Rechtsordnung „verankert“ werden. Ein ausländischer Vertragssitz würde hingegen die Durchsetzung des deutschen Gesellschaftsrechts durch deutsche Gerichte und Behörden erschweren oder gar verhindern (…).“[2]

Dass die Sitzwahl insbesondere im Hinblick auf das jeweils zuständige Insolvenzgericht und künftig auch das Restrukturierungsgericht[3] einer verlässlichen Grundlage bedarf, ist selbstverständlich. Es sollte deshalb klargestellt werden, dass die Zuständigkeitsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und des neuen § 35 StaRUG[4] von der Regelung des § 706 BGB-E nicht verdrängt wird.

Eine Klarstellung[5] ist insbesondere für den Fall hilfreich, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die (noch) nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist, einen vom bisherigen Verwaltungssitz abweichenden Sitz zur Erst-Eintragung in das Register am Ort des gewünschten Gerichts vornimmt.[6] Ein auf diese Weise mögliches „forum shopping“ würde einen entsprechenden Missbrauch motivieren.

Zudem muss auch für betroffene Gläubiger klar sein, an welchem Gericht Fremdanträge zu stellen sind.

 

b) Gesellschaftsregister

§ 707a BGB-E (Inhalt und Wirkungen der Eintragung)

§ 707a Abs. 1 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass die Eintragung „die in § 707 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, Nummer 2 und 3 genannten Angaben zu enthalten“ hat.

Bei den Angaben nach § 707 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2 und 3 BGB-E handelt es sich um den Namen der Gesellschaft, Angaben zu jedem Gesellschafter sowie die Angabe der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter.

Der Mauracher Entwurf[7] sah dagegen noch vor, dass die Eintragung neben den Namen der Gesellschaft auch Angaben zum Vertragssitz (§ 707 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BGB-E) und zur inländischen Anschrift der Gesellschaft (§ 707 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c BGB-E) zu enthalten hat.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese bei der Erstanmeldung und bei Änderungen (§ 707 Abs. 3 BGB-E) obligatorischen Angaben nach § 707a Abs. 1 Satz 1 BGB-E nun nicht mehr zur Eintragung kommen sollen, insbesondere weil die § 707a Abs. 1 BGB-E nach der Entwurfsbegründung nur klarstellend den Inhalt der Eintragung vorschreibt, der aus den in der Anmeldung enthaltenen Angaben besteht.[8] Vermutlich liegt nur ein Redaktionsversehen vor, das durch Streichung von „Buchstabe a“ in §  707a Abs. 1 Satz 1 BGB-E korrigiert werden sollte.

§ 707a Abs. 2 BGB-E sieht – anders als noch der Mauracher Entwurf[9] – vor, dass die Gesellschaft mit der Eintragung verpflichtet ist, als Namenszusatz die Bezeichnungen „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. „Wenn in einer eingetragenen Gesellschaft keine natürliche Person als Gesellschafter haftet, muss der Name eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.“

Der VID begrüßt die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Führung des Namenszusatzes. Damit ist sogleich erkennbar, dass über eine Gesellschaft Informationen im Register abrufbar sind. Der Nutzen des Registers für die Gläubiger der GbR ist ungleich höher, wenn sie Kenntnis von ihren Informationsmöglichkeiten haben.

  

c) Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten

§ 722 BGB-E (Zahlungsverbot bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung; Haftungsfolgen) regelt:

„(1) Nachdem bei einer Gesellschaft, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, dürfen die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft befugten Gesellschafter und die Liquidatoren für die Gesellschaft keine Zahlungen leisten. Ausgenommen davon sind Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Das Zahlungsverbot nach Satz 1 gilt entsprechend für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn zu den Gesellschaftern der Gesellschaft eine andere rechtsfähige Personengesellschaft gehört, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Wird entgegen § 15a Absatz 1 der Insolvenzordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht oder nicht rechtzeitig beantragt oder werden entgegen Absatz 1 Zahlungen geleistet, sind die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft befugten Gesellschafter und die Liquidatoren gegenüber der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist in den Fällen des Absatzes 1 streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, trifft sie die Beweislast. Der Ersatzanspruch nach Satz 1 kann durch Vereinbarung mit den Gesellschaftern weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, dass die Handlung auf einem Beschluss der Gesellschafter beruht. Satz 4 gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Der Ersatzanspruch nach Satz 1 verjährt in fünf Jahren.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn die organschaftlichen Vertreter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.“

Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollte auch an dieser Stelle dringend das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG)[10] Berücksichtigung finden, das am 17.12.2020 vom Bundestag verabschiedet wurde.

In dessen Art. 5 wurde mit der Neuregelung in §  15b InsO n.F. die Haftung insolvenzantragspflichtiger Mitglieder von Vertretungsorganen und Abwickler juristischer Personen für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife an zentraler Stelle zusammengeführt. Parallel wurden in Art. 14 bis 17 SanInsFoG die bisherigen Zahlungsverbots- und Haftungsregeln in den §§ 130a, 177a HGB, §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3, 116 Satz 1 AktG, §§ 64, 71 Abs. 4 GmbHG und § 99 GenG aufgehoben bzw. angepasst. Wenn mit § 722 BGB-E nun wieder eine gesonderte Regelung neben § 15b InsO n.F. geschaffen würde, stünde dies im Widerspruch zu der Vereinheitlichung des Haftungstatbestands.
Zudem weicht die Formulierung in § 722 Abs. 1 BGB-E zum Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung („…oder sich ihre Überschuldung ergeben hat“) von derjenigen in § 15b Abs. 1 InsO n.F. („… nach dem Eintritt […] der Überschuldung“) ab, was zu Auslegungsproblemen führt, welcher Zeitpunkt maßgeblich sein soll.

Vor diesem Hintergrund bietet sich an, von der gesonderten Zahlungsverbots- und Haftungsregelung in § 722 BGB-E abzusehen. Sollte dies nicht gewollt sein, ist zumindest eine Harmonisierung mit § 15b InsO n.F. geboten. Darüber hinaus sollte zumindest in der Gesetzesbegründung der Hinweis erfolgen, dass auch im Rahmen von § 722 BGB-E die Insolvenzantragstellung bei rechtshängiger Restrukturierungssache durch die Anzeige gemäß § 32 Abs. 3 StaRUG substituiert wird.

In § 32 Abs. 3 StaRUG („Pflichten des Schuldners“) ist vorgesehen:

Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ist der Schuldner verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Absatz 2 der Insolvenzordnung unverzüglich anzuzeigen. Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, für deren Verbindlichkeiten keine natürliche Person als unmittelbarer oder mittelbarer Gesellschafter haftet, steht der Zahlungsunfähigkeit eine Überschuldung im Sinne des § 19 Absatz 2 der Insolvenzordnung gleich.“

§ 42 StaRUG regelt, dass die Organe während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache zwar keine Insolvenzantragspflicht, aber eine Anzeigepflicht für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung haben. Nach § 42 Abs. 1 StaRUG substituiert die Anzeige die Stellung eines den Anforderungen des § 15a InsO genügenden Insolvenzantrags.

 

d) Ausscheiden eines Gesellschafters

§723 BGB-E (Gründe für das Ausscheiden; Zeitpunkt des Ausscheidens)

Ausweislich der Entwurfsbegründung soll der bisher im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltende Grundsatz der „Auflösung der Gesellschaft vor Ausscheiden eines Gesellschafters“ in den Grundsatz „Ausscheiden eines Gesellschafters vor Auflösung der Gesellschaft“ umgekehrt werden.[11]

So regelt § 723 BGB-E:

„(1) Folgende Gründe führen zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft, sofern der Gesellschaftsvertrag für diese Fälle nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht:

Tod des Gesellschafters;

  1. Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter;
  2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters;
  3. Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Privatgläubiger des Gesellschafters;
  4. Ausschließung aus wichtigem Grund.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters vereinbart werden.

(3) Der Gesellschafter scheidet mit Eintritt des ihn betreffenden Ausscheidensgrundes aus, im Fall der Kündigung der Mitgliedschaft aber nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist und im Fall der Ausschließung aus wichtigem Grund nicht vor Mitteilung des betreffenden Beschlusses an den auszuschließenden Gesellschafter.“

Sofern der Gesellschaftsvertrag keine Auflösung vorsieht, soll mithin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters zu dessen Ausscheiden führen. Neben den Alternativen Ausscheiden des Gesellschafters und Auflösung der Gesellschaft kann damit keine gesellschaftsvertragliche Regelung mehr getroffen werden, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters dessen Verbleib in der Gesellschaft vorsieht. Damit wird künftig die Eigensanierung einer GmbH & Co. KG im Simultaninsolvenzverfahren unter Erhalt der Struktur in aller Regel unmöglich. Denn mit dem Insolvenzantrag der KG tritt praktisch immer auch bei der Komplementärs-GmbH Insolvenzreife ein. Scheidet die GmbH mit Eröffnung des eigenen Insolvenzverfahrens zwangsläufig aus der KG aus und fällt damit der einzige persönlich haftende Gesellschafter weg, führt dies zur liquidationslosen Auflösung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge des oder der Kommanditisten.[12] Bislang ermöglicht die in § 131 Abs. 3 Satz 1 HGB enthaltene Öffnung für vertragliche Abweichungen von der Ausscheidensfolge die strukturerhaltende Sanierung einer GmbH & Co. KG trotz Simultaninsolvenz von KG und Komplementärs-GmbH. Eine Aufgabe dieser Möglichkeit hätte mit Blick auf die Verbreitung dieser Gesellschaftsform erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Sanierungsfähigkeit.

Ungeklärt bleibt bei der geplanten Neuregelung weiter, was geschehen soll, wenn bei einem Gesellschafter, der keine natürliche Person ist, ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird. Es würde sich anbieten, die Löschung im Handelsregister ausdrücklich dem Tod einer natürlichen Person gleichzustellen.

Zudem sollte jedenfalls in der Begründung klargestellt werden, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ definiert werden soll. Dies empfiehlt sich nicht nur vor dem Hintergrund des Art. 2 Nr. 4 EuInsVO, sondern auch im Hinblick auf die Einführung des unter Ziff. II. 1.c) beschriebenen Restrukturierungsverfahrens durch das kürzlich verabschiedete StaRUG.

 

e) Auflösung der Gesellschaft

 aa) § 729 BGB-E (Auflösungsgründe)

§ 729 BGB-E sieht vor:

„(1) Die Gesellschaft wird aufgelöst durch:

  1. Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen wurde;
  2. Erreichung oder Unmöglichwerden des Zwecks, zu dem sie gegründet wurde;
  3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft;
  4. Kündigung der Gesellschaft;
  5. Auflösungsbeschluss.

 (2) Eine Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, wird ferner aufgelöst:

  1.  mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
  2. durch die Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

 Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere rechtsfähige Personengesellschaft gehört, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

 (3) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe vereinbart werden.“

Die Gesellschaft wird nach § 729 Abs. 2 BGB-E mit der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, wenn kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 729 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E mit der Ausnahme des Abs. 2 Satz 2).

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Gesellschaft, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, nicht mit der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst ist, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist.

Dieser Umstand führt im Hinblick auf die Neufassung des § 31 InsO-E dazu, dass die Mitteilungspflichten des Insolvenz- an das Registergericht im Hinblick auf eingetragene Gesellschaften mit und ohne eine natürliche Person als Gesellschafter divergieren und damit auch fehleranfällig sind.

So regelt § 31 InsO-E, dass bei im Gesellschaftsregister eingetragenen Schuldnern das Insolvenzgericht dem Registergericht im Fall der Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse eine Ausfertigung des abweisenden Beschlusses übermittelt, wenn der Schuldner eine rechtsfähige Personengesellschaft ist, die durch Abweisung mangels Masse aufgelöst wird.

Der Umstand der Abweisung des Antrages mangels Masse dürfte für die Gläubiger der Gesellschaft jedoch regelmäßig auch in den Fällen, in denen ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, von Bedeutung und daher eintragungswürdig sein.

Eine Klarstellung, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ in § 729 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E definiert werden soll, wäre zudem auch an dieser Stelle hilfreich.

 

bb) 730 BGB-E (Auflösung bei Tod oder Insolvenz eines Gesellschafters)

§ 730 BGB-E regelt für den Fall der vertraglichen Absicherung die einstweilige Fortführung der laufenden Geschäfte bei Auflösung der Gesellschaft durch Tod oder Insolvenz des Gesellschafters:

„(1) Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, hat der Erbe des verstorbenen Gesellschafters den anderen Gesellschaftern dessen Tod unverzüglich anzuzeigen. Wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist, hat der Erbe außerdem die laufenden Geschäfte fortzuführen, bis die anderen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweitig Fürsorge treffen können. Abweichend von § 736b Absatz 1 gilt für die einstweilige Fortführung der laufenden Geschäften die dem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als fortbestehend. Die anderen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der laufenden Geschäfte berechtigt und verpflichtet.
(2) Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend, wenn im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird.“

Die Begründung des Entwurfs führt zu § 730 Abs. 2 BGB-E aus:

„Absatz 2 übernimmt im Wesentlichen den geltenden § 728 Absatz 2 Satz 2 BGB. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Gesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters aufgelöst wird, begründet die Vorschrift das gegenüber § 736c Absatz 2 BGB-E vorrangige Pflichtrecht der anderen Gesellschafter zur Notgeschäftsführung. Danach sind die anderen Gesellschafter, soweit ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis übertragen ist, für eine Übergangszeit bei Gefahr für das Gesellschaftsvermögen zur Fortführung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet. Im Umkehrschluss aus der Verweisung auf § 730 Absatz 1 Satz 4 BGB-E folgt, dass dem Insolvenzverwalter diese Befugnis auch dann nicht zusteht, wenn dem Gesellschafter-Schuldner nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis übertragen war.“[13]

Zunächst wäre eine Klarstellung, wie der Begriff „Insolvenzverfahren“ in § 730 Abs. 2 BGB-E definiert werden soll, auch hier hilfreich.

Auch wenn der Entwurf die Möglichkeit der Eigenverwaltung an dieser Stelle nicht anspricht: Sollte die Norm dahingehend zu verstehen sein, dass auch der eigenverwaltende Gesellschafter in Insolvenz von der Notgeschäftsführung ausgeschlossen sein soll , wäre eine Klarstellung in der Entwurfsbegründung wünschenswert.

 

cc) 734 BGB-E (Fortsetzung der Gesellschaft)

§ 734 BGB-E sieht vor:

„(1) Die Gesellschafter können nach Auflösung der Gesellschaft deren Fortsetzung beschließen, sobald der Auflösungsgrund beseitigt ist.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, muss der Beschluss über die Fortsetzung der Gesellschaft mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen gefasst werden.
(3) Ist die Gesellschaft vor ihrer Auflösung im Gesellschaftsregister eingetragen gewesen, ist die Fortsetzung von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anzumelden.“

In der Begründung wird zu Abs. 1 ausgeführt:

„Absatz 1 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine aufgelöste Gesellschaft fortgesetzt werden kann. Dazu muss erstens die Gesellschaft aufgelöst, aber noch nicht vollbeendet sein. Zweitens muss der Auflösungsgrund beseitigt sein. (…) Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, muss das Insolvenzverfahren zum Beispiel nach § 213 InsO eingestellt oder nach §§ 217 ff. InsO aufgehoben sein; in diesem Fall bewirken die insolvenzrechtlichen Vorschriften, dass die Fortsetzung der Gesellschaft nicht den Interessen Dritter entgegensteht. (…)“[14]

Der Entwurf unterstellt, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften (stets) bewirken, dass die Fortsetzung der Gesellschaft nicht den Interessen Dritter entgegensteht. Am Beispiel der in den §§ 217 ff. InsO enthalten die Regelungen zum Insolvenzplan soll aufgezeigt werden, dass dies zwar in der Regel der Fall ist, jedoch nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden kann.

So besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps neue Gesellschafter hinzukommen. Die (Neu-) Gesellschafter können dann die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, so dass sich das Vertragsrisiko der Gläubiger im Hinblick auf die neuen Gesellschafter verändert. Während die Altgläubiger durch den Insolvenzplan Kenntnis von den Änderungen der Gesellschafterstruktur erlangen (können), ist dies bei den Neugläubigern jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist.

 

f) Innengesellschaft

§ 740a BGB-E (Beendigung der Gesellschaft)

§ 740a BGB-E regelt anstelle der Liquidation die Beendigung der nicht rechtsfähigen Gesellschaft, da diese mangels eigenen Vermögens liquidationslos erlischt.[15]

So endet die Innengesellschaft nach § 740a Abs. 1 Nr. 6 BGB-E (auch) mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters.

Dies berücksichtigt jedoch nicht die Besonderheiten der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners (§ 35 Abs. 2 InsO), was das Beispiel einer selbstständigen Zahnärztin zeigt, die Gesellschafterin einer Innengesellschaft zum Zweck gemeinsamer Praxisnutzung ist. In deren Insolvenz ergeben sich Schwierigkeiten bei der weiteren Ausübung der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit, wenn durch das gesetzliche Ende der Innengesellschaft die weitere Nutzung der gemeinsamen Praxisräume nicht durchgängig möglich ist. Im schlimmsten Fall muss die Schuldnerin neue Praxisräume suchen, was im laufenden Insolvenzverfahren schwierig sein dürfte. Ein zwingendes Ende der Innengesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters ist daher nicht in jedem Fall interessengerecht.

Die Innengesellschaft sollte deshalb nicht automatisch gem. § 740a Abs. 1 Nr. 6 BGB-E enden, wenn der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters die selbstständige Tätigkeit des Schuldners freigegeben hat und der Gesellschaftsvertrag keine Auflösung der Gesellschaft für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters vorsieht.

 

2. Artikel 38 – Änderungen der Insolvenzordnung

Die Ausführungen zu § 31 InsO-E finden sich wegen des Sachzusammenhangs bei § 729 Abs. 2 BGB-E.

 

3. Artikel 51 – Änderungen des Handelsgesetzbuches

 

§ 107 HGB-E (Kleingewerbliche, vermögensverwaltende oder freiberufliche Gesellschaft; Statuswechsel)

§ 107 HGB-E sieht vor:

„(1) Eine Gesellschaft, deren Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 Absatz 2 Handelsgewerbe ist oder die nur eigenes Vermögen verwaltet, ist offene Handelsgesellschaft, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. Dies gilt auch für eine Gesellschaft, deren Zweck die gemeinsame Ausübung Freier Berufe durch ihre Gesellschafter ist, soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt.

 (2) Die Gesellschaft ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Eintragung nach den für die Eintragung einer offenen Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften herbeizuführen. Ist die Eintragung erfolgt, ist eine Fortsetzung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur im Wege eines Statuswechsels zulässig.

(3) Wird eine offene Handelsgesellschaft zur Eintragung in das Gesellschaftsregister angemeldet, trägt das Gericht ihre Fortsetzung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein, sofern nicht die Voraussetzung des § 1 Absatz 2 eingetreten ist. Im Übrigen findet § 707c Absatz 2 Satz 2 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.“

 Während der BGH für die bundesgesetzlich geregelten Berufe des Wirtschaftsprüfers und des Steuerberaters bereits die Berufsausübung in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen gebilligt hatte,[16] sieht der Entwurf als wesentliche inhaltliche Neuerung vor, dass Personenhandelsgesellschaften auch für die Ausübung Freier Berufe geöffnet werden (vgl. § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-E).[17]

„Die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft zur Ausübung Freier Berufe steht unter dem Vorbehalt der Erlaubnis durch das anwendbare Berufsrecht. Wegen der Verweisung des § 161 Absatz 2 HGB-E gilt die neue Regelung auch für eine Kommanditgesellschaft.“ [18] „Der nunmehr vorgesehene allgemeine berufsrechtliche Vorbehalt stellt sicher, dass die spezifischen Schutzbelange im Zusammenhang mit der Ausübung jedes Berufs von dem für die berufsrechtlichen Regelungen berufenen Landes- beziehungsweise Bundesgesetzgeber verfolgt werden können.“, so die Entwurfsbegründung.[19]

Auch wenn es gute Gründe dafür gibt, es dem jeweiligen Berufsrecht zu überlassen, ob es die Eintragung zulässt oder nicht, führt dies dazu, dass sich einzelne Berufe damit von Haftungsrisiken befreien können und andere nicht. Dies ist jedenfalls dann nicht nachvollziehbar, wenn die Risikostruktur/Gefährdung durch mangelhafte Leistung für die beteiligten Mandanten/Kunden vergleichbar ist.

 

III. Fazit

 

  1. Der Entwurf enthält gegenüber dem „Mauracher Entwurf“ aus insolvenzrechtlicher Sicht deutliche Verbesserungen.

 

  1. Er sollte jedoch an einigen wenigen Punkten nachgebessert werden, insbesondere um die Praxis nicht mit vermeidbaren Rechtsfragen zu belasten.

 

  1. Die Nachbesserungen sollten insbesondere die Regelungen des neu geschaffenen Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) berücksichtigen.

 

Berlin, den 21.12.2020

 

 

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[1] Vgl. Entwurfsbegründung S. 141.

[2] Vgl. Entwurfsbegründung S. 142.

[3] So regelt § 3 InsO zur örtlichen Zuständigkeit: „(1) Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. (2) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.“

Ähnlich nun auch § 35 StaRUG:Örtlich zuständig ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.“

[4] Vgl. BR-Drs. 762/20 vom 17.12.2020.

[5] Eine Klarstellung empfiehlt sich auch vor dem Hintergrund, dass § 706 BGB-E den Verwaltungssitz als den Ort definiert, „an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden“, während § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gerichts vom „Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners“ spricht.

[6] So sieht § 707 Abs. 1 BGB-E vor, dass die Gesellschafter die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung im Gesellschaftsregister anmelden können.

[7] dort ebenfalls § 707a Abs. 1 Satz 1 BGB-E.

[8] Vgl. Entwurfsbegründung S. 148.

[9] Der Mauracher Entwurf sah in § 707a Abs. 3 Satz 1 BGB-E ein bloßes Recht der Gesellschaft vor, mit der Eintragung in das Gesellschaftsregister den Namenszusatz zu führen.

[10] BR-Drs. 762/20 vom 17.12.2020.

[11] Entwurfsbegründung S. 194.

[12] BGH 15.03.2004 – II ZR 247/01; 08.05.2014 – I ZR 217/12. Selbst die von K. Schmidt (MüKo-HGB, 4. Aufl., § 131 Rz. 76 m.w.N.) vertretene teleologische Reduktion dürfte nach der Entwurfsfassung nicht mehr vertretbar sein.

[13] Entwurfsbegründung S. 206.

[14] Entwurfsbegründung S. 208.

[15] Entwurfsbegründung S. 221.

[16] Vgl. Entwurfsbegründung S. 260.

[17] Vgl. Entwurfsbegründung S. 256.

[18] Entwurfsbegründung S. 260.

[19] Entwurfsbegründung S. 260.

 

RefE des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes (GvSchuG)

 
A. Vorbemerkung

Der vorliegende Referentenentwurf[1] (nachfolgend: Entwurf) des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes sieht neben Änderungen der Zivilprozessordnung, des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie weiteren Folgeänderungen auch relevante Änderungen der Insolvenzordnung vor.

 

B. Änderung der Insolvenzordnung

Der Entwurf stellt dabei sowohl eine Neufassung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO, als auch eine Ergänzung des § 98 InsO in Aussicht.

 

I. § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E

Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E gehören im Fall einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Abs. 1 Nr. 1b) und Tiere nach § 811 Abs. 1 Nr. 8b) ZPO-E zur Insolvenzmasse. Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

„Durch die Neuregelung fallen zunächst alle Sachen, die für die Ausübung der schuldnerischen Erwerbstätigkeit oder die damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung benötigt werden, in die Insolvenzmasse. Hierdurch werden weitergehende Möglichkeiten für eine mögliche Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter geschaffen und die Befriedigungsaussichten für die Gläubiger verbessert. Der Insolvenzverwalter kann auch hinsichtlich der neu erfassten Sachen nach § 35 Absatz 2 und 3 InsO über die Freigabe einzelner Vermögensgegenstände zur Fortführung der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit entscheiden.“[2]

Die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E, wonach künftig alle Sachen dem Insolvenzbeschlag unterliegen sollen, die der Schulder für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung benötigt, überrascht ebenso wie die Begründung.

Der Schuldnerschutz des Vollstreckungsrechts im Allgemeinen und des § 811 ZPO im Speziellen wird als Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20, 28 GG) sowie u.a. von Art. 1 GG („Würde des Menschen“) und Art. 2 GG („freie Entfaltung der Persönlichkeit“) verstanden.[3] Das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Gläubigerrecht auf zwangsweise Durchsetzung eines als bestehend festgestellten privaten Rechts im Rahmen gebotener Justizgewährung findet dort seine Grenze, wo Grundrechte des Schuldners existenziell betroffen sind.[4]

Mit der vorgesehenen Änderung würden alle beweglichen Sachen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens zum Schutz zentraler Grundrechte und der Existenz des Schuldners dem Gläubigerzugriff entzogen sind, der Verwertung im Insolvenzverfahren zugänglich. Der Insolvenzverwalter könnte sie nicht nur verwerten, sondern er müsste dies zur Meidung eigener Haftung auch tun, solange ein – wie auch immer geringer – Erlös zu erwarten ist, der über den Verwertungskosten liegt. Diese verfassungsrechtlich bedenkliche Änderung erstaunt umso mehr, als auch die Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO die Fortgeltung des bisher in § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geregelten Pfändungsschutzes zugunsten eines Schuldners gebietet, der seine selbstständige Tätigkeit auch nach Insolvenzeröffnung fortsetzen kann und will. Denn wenn es dem Schuldner, der Restschuldbefreiung erreichen will, obliegt, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann man ihm nicht die dafür notwendigen Arbeitsmittel entziehen.[5]

Die Neuregelung würde hiernach einen grundrechtsrelevanten Paradigmenwechsel darstellen, der sich für alle über die Insolvenzeröffnung hinaus selbstständig tätigen Schuldner potentiell existenzgefährdend auswirkt. Die Begründung geht darauf indes mit keinem Wort ein. Zur Rechtfertigung der Änderung wird lediglich auf die Schaffung weitergehender Möglichkeiten für eine Fortführung oder Veräußerung eines schuldnerischen Betriebs durch den Insolvenzverwalter verwiesen sowie auf die Verbesserung der Befriedigungsaussichten für die Gläubiger. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Annahmen zutreffen, ist ihre Eignung für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs zweifelhaft. Zweifelhaft ist aber bereits die Richtigkeit der Annahmen:

Für die Fortführung der selbstständigen Tätigkeit eines Schuldners auf Rechnung der Insolvenzmasse ist unerheblich, ob die zu ihrer Ausübung benötigten Gegenstände dem Insolvenzbeschlag unterliegen oder nicht. Hierfür ist allein entscheidend, ob der Insolvenzverwalter die „Freigabe“-Erklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO abgibt.

Gibt der Insolvenzverwalter die Erklärung ab, scheitert die Fortführung durch den Schuldner auf eigene Rechnung unter Leistung der Kompensationszahlungen nach den §§ 35 Abs. 2, 295 Abs. 2 InsO nach aktueller Rechtslage jedenfalls nicht daran, dass er keinen Zugriff mehr auf die zur Fortsetzung erforderlichen Gegenstände hat. Denn die erforderlichen Gegenstände unterliegen von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag[6] und stehen dem Schuldner daher weiter zur Verfügung. Nur Gegenstände, die nicht dem aktuellen Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterliegen, daher aber auch nicht i.S.d. Vorschrift erforderlich für die Erwerbstätigkeit sein können, bleiben in der Insolvenzmasse, weil sie von der Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO nicht berührt werden.[7]

Die Änderung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E ließe somit die Möglichkeit einer Betriebsfortführung auf Rechnung der Insolvenzmasse unberührt und brächte für diese Konstellation keinen Vorteil, würde aber die Fortführung durch den Schuldner nach einer „Freigabe“ gemäß § 35 Abs. 2 InsO erschweren, weil die hierfür erforderlichen Gegenstände in der Insolvenzmasse bleiben. Der Insolvenzverwalter müsste sie individuell aus dem Insolvenzbeschlag freigeben, was er haftungsfrei nur dürfte, wenn dem Schuldner eine Ablösungszahlung möglich ist, die einem Drittvergleich standhält. Ausgehend von den üblicherweise niedrigen Werten der erforderlichen sächlichen Betriebsmittel Kleinselbstständiger, die bislang noch nicht einmal gesondert nach § 151 InsO erfasst und bewertet werden müssen, ergäbe sich in aller Regel nur ein unwirtschaftlicher Zusatzaufwand.

Eine Gesetzesänderung mit diesem Effekt verwundert auch im Hinblick auf die Erleichterung des Neustarts für insolvente UnternehmerInnen, die durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 ermöglicht werden soll. Gerade im Angesicht der aktuellen Pandemiefolgen hat der VID bereits im Rahmen einer Initiative („Neustart“ – Neuanfang ohne Altverbindlichkeiten und mit erleichtertem Insolvenzverfahren) vorgeschlagen, dass der Schuldner einen gesetzlichen Anspruch auf Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit innerhalb vorgegebener Frist, mit Wirksamwerden der Freigabe bei Fristablauf ohne Erklärung erhält, vergleichbar § 103 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO.[8] Eine durchaus massive Erschwerung des Neustarts durch den vorgesehenen § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E stünde dem sonstigen Trend diametral entgegen.

Somit bleiben von den zur Rechtfertigung der Änderung genannten Gründen als potentielle Vorteile gegenüber der aktuellen Rechtslage nur die Erleichterung einer Betriebsveräußerung und die Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Die Möglichkeit einer Betriebsveräußerung im Bereich selbstständig tätiger Schuldner dürfte allerdings den Ausnahmefall darstellen, wenn hierfür die Veräußerung der (bislang) nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenstände erforderlich ist. Denn bei Kleinselbstständigen ist der Betrieb in aller Regel an die Person des Schuldners gebunden und soweit dies nicht der Fall ist und es überhaupt Interessenten für einen Betriebserwerb gibt, werden die nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 unpfändbaren Gegenstände in der weit überwiegenden Zahl der Verfahren nicht von so erheblichem Wert sein, dass der Betriebserwerber sie nicht anderweitig beschaffen oder ersetzen könnte.

Damit beschränkt sich der Vorteil der Gesetzesänderung auf die potentielle Verbesserung der Gläubigerbefriedigung durch die Realisierung des Werts der bis Insolvenzeröffnung unpfändbaren Gegenstände. Handelt es sich um Gegenstände von erheblichem Wert, besteht allerdings schon nach jetziger Rechtslage die Möglichkeit einer Austauschpfändung nach § 811a ZPO.[9] Bei Gegenständen, die wegen Geringwertigkeit keiner Austauschpfändung zugänglich sind, stehen neben dem unwirtschaftlichen Verwertungsaufwand auch absehbare Auseinandersetzungen mit Schuldnern in Aussicht, die um ihre Existenzgrundlagen kämpfen werden. Hinzu käme z.B. bei Fahrzeugen, die bislang nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar und damit nicht massebefangen sind, künftig bis zur etwaigen Freigabe eine Belastung der Insolvenzmasse mindestens mit der Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit.[10] Ein entsprechendes Risiko für die Insolvenzmasse bestünde insbesondere auch im Fall eines nicht kooperativen selbstständig tätigen Schuldners, wenn sich die Ermittlungen, die für die Entscheidung über eine Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO notwendig sind, über einen längeren Zeitraum hinziehen und der Insolvenzverwalter ggf. noch gar keine Kenntnis von allen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E massezugehörigen und potentiell massebelastenden Gegenständen hat, die er für eine (echte) Freigabe konkret benennen muss.

Zusammengefasst ist die vorgesehene Änderung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E somit verfassungsrechtlich bedenklich, ohne dass die zur Begründung der Änderung angestellten Erwartungen durchwegs realistisch sein dürften. Zu erwarten wäre vielmehr vorrangig ein wirtschaftlich nicht gerechtfertigter Mehraufwand.

  

II. § 98 Abs. 1a) (neu) InsO-E

Mit der Einführung des § 98 Abs. 1a) InsO-E erhält das Insolvenzgericht künftig die Möglichkeit, Drittauskünfte nach § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E einzuholen (Erhebung bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, Erhebung beim Kraftfahrt-Bundesamt und Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern).

Der VID begrüßt die zusätzlichen Ermittlungsmöglichkeiten des Insolvenzgerichts nach § 98 Abs. 1a) InsO-E, insbesondere für Fälle, in denen der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach § 97 InsO[11] nicht nachkommt (§ 98 Abs. 1a Nr. 3 InsO-E).[12]

Ebenso wird begrüßt, dass die Entwurfsbegründung die Abfrage durch das Insolvenzgericht aus Effizienzgründen als vorzugswürdig erachtet gegenüber der Einschaltung von Gerichtsvollziehern zur Einholung der Auskünfte.[13]

Die unter § 98 Abs. 1a) Nr. 1 bis 3 InsO-E aufgestellten Voraussetzungen entsprechen dabei denjenigen des § 802l Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO-E.[14]

§ 98 Abs. 1a) Nr. 4 InsO-E sieht die Möglichkeit der Einholung von Drittauskünften nach § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E jedoch auch für den Fall vor, dass „dies aus anderen Gründen erforderlich erscheint“.

Die Begründung führt zur Frage der Erforderlichkeit lediglich aus:

„Bei § 98 Absatz 1a Nummer 4 InsO-E tritt als Voraussetzung für die Befugnis zur Einholung der Drittauskünfte im Insolvenzverfahren allerdings an die Stelle des Erfordernisses der nicht zu erwartenden vollständigen Befriedigung des Gläubigers das Erfordernis, dass die Einholung der Auskünfte erforderlich erscheint.“

Die Begründung enthält zur Frage, wann Erforderlichkeit vorliegt, kaum Anhaltspunkte und ist dringend zu konkretisieren.

So stellt sich bspw. bereits bei einem Stundungsantrag nach § 4a InsO die Frage, ob die Einholung von Auskünften nach § 802 l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E durch das Insolvenzgericht erforderlich ist.

Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO werden für den Fall, dass der Schuldner eine natürliche Person ist und einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken.

Zur Prüfung der Kostendeckung sollte das Gericht bereits aus Haftungsgründen die Möglichkeit erhalten, Auskünfte nach § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E einzuholen. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen Vermögensauskünfte des Schuldners unvollständig oder veraltet sind. Es empfiehlt sich hier eine gesetzliche Konkretisierung von § 98 Abs. 1a) Nr. 4 InsO-E durch Ergänzung eines entsprechenden Beispiels.

 

 

Fazit: 

  1. Die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO-E ist abzulehnen. Sie ist verfassungsrechtlich bedenklich und lässt keine Vorteile erwarten, die den mit ihr verbundenen Mehraufwand rechtfertigen würden.
  1. Die Einführung des § 98 Absatz 1a) InsO-E wird begrüßt, sollte jedoch im Hinblick auf die Auslegung des Merkmals der Erforderlichkeit des § 98 Abs. 1a) Nr. 4 InsO-E im weiteren Gesetzgebungsverfahren konkretisiert werden.

 

 

 

Berlin, 14.12.2020

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[1] Bearbeitungsstand 12.11.2020, 11:35 Uhr

[2] Entwurfsbegründung, S. 37.

[3] Gruber in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 811 Rz. 2 m.w.N.

[4] Gruber in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 811 Rz. 3 m.w.N.

[5] Jaeger/Henckel, InsO, § 36 Rz. 4.

[6] BFH 08.09.2011 – II R 54/10 Rz. 18.

[7] BFH 08.09.2011 – II R 54/10 Rz. 18; BGH 21.02.2019 – IX ZR 246/17 Rz. 20 f. Kritisch hierzu und für einen weitergehenden Übergang von Anlage- und Umlaufvermögen Ries, in: HK-InsO, 10. Aufl., § 35 Rz. 71 und 82 mit Fn. 236 m.w.N.

[8] Papier vom 16.06.2020 abrufbar unter  https://www.vid.de/initiativen/neustart-neuanfang-ohne-altverbindlichkeiten-und-mit-erleichtertem-insolvenzverfahren/#_ftn4

[9]  Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 5. Aufl., § 36 Rz. 9 m.w.N.

[10] BFH 08.09.2011 – II R 54/10.

[11] An dieser Stelle darf jedoch auch daran erinnert werden, dass eine fehlende Auskunft und Mitwirkung des Schuldners nicht zwingend  auf obstruierendem Verhalten des Schuldners beruhen muss. Ebenso kommt der Verlust notwendiger Unterlagen bspw. durch Umzug, Trennung, Wasserschaden etc. in Betracht.

[12] Zum bisherigen Meinungsstand der Beauftragung des Gerichtsvollziehers gem. § 802l ZPO bei obstruierenden Schuldnern im Insolvenzverfahren vgl. Büttner in InsbürO 2019, 365 ff.

[13] Entwurfsbegründung, S. 37.

[14] Entwurfsbegründung, S. 37.