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Stellungnahme:

30.04.2021

Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften

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I. Vorbemerkung

Mit dem vorliegenden Regierungsentwurf (nachfolgend Entwurf) soll der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten durch die Erweiterung der digitalen Zugangsmöglichkeiten zu den Gerichten ausgebaut werden: „Um das Potential und die Chancen, die die Digitalisierung für die Justiz bietet, noch besser als bisher zu nutzen, müssen alle Akteure möglichst umfassend und medienbruchfrei mit den Gerichten auf elektronischem Weg kommunizieren können.“ [1]

Der VID begrüßt diesen Ansatz[2]. Die Vorschläge sind aus insolvenzrechtlicher Perspektive jedoch unzureichend und dies nicht nur im Hinblick auf die Notwendigkeit, in Verfahren mit gesetzlich vorgesehenen Gläubigergremien und kollektiver Willensbildung eine Gesundheitsgefährdung der Beteiligten in Ansehung der aktuellen COVID-19-Pandemie auszuschließen.

Insbesondere weil gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter[3], Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben einen intensiven und teilweise umfangreichen Austausch mit den Gerichten führen, sollte sie die Möglichkeit erhalten, mit den Gerichten (und weiteren Verfahrensbeteiligten) auf elektronischem Weg umfassend und medienbruchfrei zu kommunizieren.

Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der anhaltenden Tendenz der Übertragung hoheitlicher Aufgaben vom Insolvenzgericht auf den Insolvenzverwalter, die zu einer (erheblichen)

Entlastung für die öffentliche Hand geführt hat (§§ 8 Abs. 3[4], 174, 175 InsO).

 

II. Im Einzelnen

1. § 173 Abs. 2 ZPO-E

Mit § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E haben Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments zu eröffnen.

Der Entwurf nimmt, trotz der bereits am Referentenentwurf geäußerten Kritik[5], Insolvenzverwalter, Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren nicht in die Aufzählung des §  173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E auf. Dies verwundert umso mehr, als es sich nicht nur um gerichtlich bestellte Amtsträger handelt, sondern auch die an die Insolvenzgerichte zu übermittelnden Dokumente in vielen Verfahren einen erheblichen Umfang haben können und die absolute Zahl der Verfahren durchaus hoch ist.

Die wörtliche Aufnahme in den Kreis der in § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E genannten Personen wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Entwurf (nun[6]) auch „sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kannumfasst.

Auch wenn gemäß § 4 Satz 1 InsO für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend gelten, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, ist die Bezeichnung „am Prozess beteiligte Personen“ insoweit nicht eindeutig, als dass es sich beim Insolvenzverfahren um ein Verfahren und nicht um einen (Zivil-)Prozess handelt. So spricht die Begründung ausdrücklich von „in professioneller Hinsicht am Zivilprozess beteiligte[n] Person[en], Vereinigung[en] oder Organisation[en]“[7].

Zum anderen wird in der Begründung ausgeführt, dass die Regelung darauf abziele, „Personen (…), die aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren, in den elektronischen Rechtsverkehr einzubinden[8]. In der beispielhaften Aufzählung, auf welche Personen die Regelung abzielt, werden jedoch weder Insolvenzverwalter und

Sachwalter, noch Restrukturierungsbeauftragte oder Sanierungsmoderatoren genannt. Demgegenüber werden Berufsgruppen wie bspw. Rentenberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer und Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen, explizit aufgeführt.[9]

Insolvenzverwalterinnen und -verwalter finden sich in der Entwurfsbegründung lediglich im Zusammenhang mit der Durchführung der Erstidentifizierung im SAFE-Verzeichnis[10] und bei der Einrichtung des eBO[11].

Ebenso ist die Regelung des § 173 Abs. 4 ZPO-E nicht geeignet, aus insolvenzrechtlicher Perspektive praxistaugliche Lösungen zu schaffen.

So regelt § 173 Abs. 4 Satz 1-3 ZPO-E: „An andere als die in Absatz 2 Genannten kann ein elektronisches Dokument elektronisch nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben. Die Zustimmung gilt mit der Einreichung eines elektronischen Dokuments im jeweiligen Verfahren auf einem sicheren Übermittlungsweg als erteilt. Andere als natürliche Personen können die Zustimmung auch allgemein erteilen.“

Zum einen handelt es sich um eine bloße „Kann“- Bestimmung. Zum anderen gilt selbst für den Fall der Zustimmungsfiktion aufgrund der Einreichung eines elektronischen Dokuments eine solche Zustimmung stets nur für das jeweilige Verfahren. Eine allgemeine Zustimmung nach § 173 Abs. 4 Satz 3 ZPO-E kommt nicht in Betracht, da die Amtsträger in Insolvenzverfahren und Restrukturierungssachen in Persona bestellt werden.

Um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern sowie Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderatoren auszuschließen, ist daher eine entsprechende Ergänzung des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E dringend angezeigt.

 

2. § 173 Abs. 3 und 4 ZPO-E

a) Zustellungen im Auftrag des Gerichts

§ 173 Abs. 3 ZPO-E sieht vor, dass die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten[12] durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen wird, „das an das Gericht zu übermitteln ist. Für die Übermittlung ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden. Stellt das Gericht keinen strukturierten Datensatz zur Verfügung, so ist dem Gericht das elektronische Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.“

Unklar bleibt, ob die vom Insolvenzverwalter (§ 8 Abs. 3 InsO), bzw. vom Restrukturierungsbeauftragten (76 Abs. 6 StaRUG) im Auftrag des Gerichts durchzuführenden Zustellungen, die nach § 173 Abs. 3 ZPO-E auch an Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts[13] elektronisch nur über einen sicheren Übermittlungsweg erfolgen sollen, durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das auftraggebende Gericht bestätigt werden müssen.

Wäre dies der Fall, könnte der Insolvenzverwalter den Empfang nur über den Umweg einer Nachfrage bei Gericht kontrollieren: Der Zustellungsnachweis gem. § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO, den der Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO und der Restrukturierungsbeauftragte gem. § 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG unverzüglich zu den Gerichtsakten reichen soll, wäre im Fall der elektronischen Zustellung gem. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E nur durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu führen.

 

b) Zustellungsnachweis

Im Fall einer Zustellung durch beauftragte Insolvenzverwalter schließt sich die Frage an, in welcher Form dem Gericht die Zustellung nachzuweisen ist. Der Aktenvermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird hier regelmäßig nicht genügen, weil eine Aufgabe zur Post nicht erfolgt ist.

Zum Zustellungsnachweis ergeben sich weitere Fragen:

Nachdem die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen wird (§ 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E), stellt sich Frage, wie die elektronische Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten (§ 173 Abs. 4 ZPO-E) nachzuweisen ist.

Sah der Referentenentwurf dazu noch vor, dass die Zustellung in diesen Fällen durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen wird (vgl. § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO-Ref-E), wurde die Regelung im vorliegenden Entwurf gestrichen.

Jedoch findet sich in § 174 Abs. 4 Satz 4 ZPO-E (noch immer[14]), dass ein elektronisches Dokument am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach als zugestellt gilt.

Zur in § 174 Abs. 4 Satz 4 ZPO-E genannten automatisierten Eingangsbestätigung führt die Begründung aus:

„Absatz 4 Satz 4 regelt in Abweichung von der bisherigen Rechtslage den Nachweis der Zustellung an andere als die in Absatz 2 genannten Verfahrensbeteiligten. Anders als bei den in Absatz 2 Genannten, die kraft Amtes ein besonderes Maß an Vertrauenswürdigkeit genießen, soll der Nachweis der Zustellung hier nicht von einem willentlichen Akt wie der Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses abhängig gemacht werden. Zugleich sollen die Vorteile der Nutzung elektronischer Übermittlungswege ausgeschöpft werden, indem die ohnehin eingehende automatische Eingangsbestätigung zum Nachweis des Zugangs genutzt werden soll. Nutzen die Gerichte oder Staatsanwaltschaften die sicheren Übermittlungswege als Rückkanal, um elektronische Dokumente zu übermitteln, wird im Zeitpunkt der Speicherung des Dokuments auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Empfängers eine automatische Eingangsbestätigung an das Gericht oder den jeweiligen Absender erteilt. Diese gibt präzise an, wann das elektronische Dokument an das besondere Postfach übermittelt und dort gespeichert, also empfangen wurde.“[15]

Da somit nicht auszuschließen ist, dass die elektronische Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten (weiterhin) durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen werden soll, machen wir auf Folgendes aufmerksam:

In Insolvenzverfahren wird die nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E für solche Zustellungen notwendige Zustimmung der Empfänger insbesondere dort eingeholt werden, wo die Zustellungskosten wegen der hohen – oftmals vier-, zum Teil auch sechsstelligen – Zahl von beteiligten Gläubigern ansonsten unvertretbar hoch ausfallen würden.

Die Frage des Nachweises der elektronischen Zustellung an andere als die in Absatz 2 Genannten hat insofern erhebliche Bedeutung.

Die Gesetzesbegründung enthält jedoch zum einen keine Ausführungen dazu, ob eine Zustimmung nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E zurückgenommen werden kann, insbesondere wenn kein Fall des § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO-E vorliegt.[16]

 

3. §§ 10 Abs. 1 ERVV-E, 13 ERVV-E

An die unter Ziff. 2a) und b) geschilderten Fragen bei Zustellungen durch Insolvenzverwalter und Restrukturierungsbeauftragte im Auftrag des Gerichts schließt sich eine weitere Frage an.

Nach § 10 Abs. 1 ERVV-E können natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden, das den Maßgaben der Nr. 1-5 entsprechen muss.

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf ausgeführt, führt die Beschränkung der Zustellung elektronischer Dokumente auf einen sicheren Übermittlungsweg (§ 173 Abs. 1 ZPO-E) bei anderen als den in § 173 Abs. 2 ZPO-E genannten Empfängern ausweislich § 13 ERVV RefE nicht zu der Verpflichtung, zur Ermöglichung einer solchen Zustellung ausschließlich ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach einzurichten, wenn sie am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen wollen.

Dies wirft bei einer gerichtlichen Zustellung die Frage auf, ob und wie die in § 13 ERRV-E formulierten Maßgaben überprüft werden müssen. Nutzen Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte die Möglichkeit der Zustellung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg und stellen sie dabei auch an Empfänger zu, die nicht in § 173 Abs. 2 ZPO-E genannt werden, dann kann dies, abgesehen von § 130a Abs. 4 Nr. 1 (DE-Mail-Konto), nur über die in Kapitel 4 der ERVV-E genannten Wege geschehen.

Für das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach sieht § 11 ERVV-E eine Prüfung und Freischaltung durch Landesbehörden vor. Hier wird der zustellende Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte auf diese Prüfung vertrauen können.

Gemäß § 13 Abs. 1 ERVV-E kann zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg der Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes (OZG) genutzt werden. Dies ist jedoch (nur) unter der Voraussetzung möglich, dass bei diesem Postfach- und Versanddienst die in § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV genannten Maßgaben erfüllt sind.

Die Begründung (S. 44) führt dazu aus:

„Absatz 1 bestimmt, wie der sichere Übermittlungsweg über den Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 OZG ausgestaltet werden muss. Vorgesehen ist, dass für die Nutzung als sicheren Übermittlungsweg grundsätzlich dieselben Identifizierungsmittel genutzt werden können wie im Falle des § 11 Absatz 2 Nummer 1 bis 2. Die elektronische Kommunikation über den Postfach- und Versanddienst erfüllt aber auch dann die Kriterien eines sicheren Übermittlungsweges, wenn (gegebenenfalls auch nur übergangsweise) nur eines dieser Identifizierungsmittel nach § 11 Absatz 2 Nummer 1 bis 2 angeboten wird. Die Authentisierung erfolgt entsprechend § 11 Absatz 3. Die Eintragung des Nutzerkontos in den SAFE-Verzeichnisdienst ist nicht obligatorisch, kann aber erfolgen. Der Nutzer legt ein Nutzerkonto unter Verwendung eines zugelassenen Identifizierungsmittels an. Er meldet sich mit einem zugelassenen Authentisierungsmittel an seinem Nutzerkonto an. Er wählt zuvor oder anschließend einen Empfänger (Gericht oder Staatsanwaltschaft) aus, gibt bestimmte Metadaten an (mindestens die nach § 2 Absatz 3 ERVV geforderten Daten) und lädt ein oder mehrere Dokumente hoch. Am Ende startet er die Übertragung. Er erhält eine Bestätigung über den erfolgreichen Versand. Die Vertraulichkeit der Übertragung der Daten und Dokumente muss für den gesamten Übertragungsprozess auf einem Niveau gewährleistet sein, das dem des EGVP entspricht. Dies gilt insbesondere auch für den Übergang zwischen dem Nutzerkonto und der nachgelagerten EGVP-Infrastruktur.

Für die Kommunikation der Justiz mit Inhabern von Nutzerkonten sind zwei Konstellationen zu beachten:

Der Nutzer hat über sein Konto einen Eintrag im SAFE-Verzeichnisdienst veranlasst und das Nutzerkonto verfügt über ein Postfach. Dies ist anhand der Eintragung im Verzeichnisdienst erkennbar. In diesem Fall kann die Justiz ihn adressieren. Es gelten die Ausführungen zu § 11 Absatz 3. Sofern eine Zustellung nach § 173 ZPO-E erfolgen soll, muss der Nutzer seine Zustimmung zur Übermittlung elektronischer Dokumente erteilt haben.

Wenn der Nutzer nicht im Verzeichnisdienst eingetragen ist, kann er nur in solchen Verfahren (rück)adressiert werden, in denen er initiativ eine elektronische Einreichung vorgenommen hat. Nur dann sind der Justiz seine Adressierungsparameter bekannt. Sein Nutzerkonto muss für diesen Fall über ein Postfach verfügen.“

Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter können, insbesondere bei höheren Nutzerzahlen, regelmäßig schon aus Zeitgründen die § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV genannten Maßgaben nicht in jedem Einzelfall überprüfen.

Dieser Umstand könnte die Nutzung der Möglichkeit zur Zustellung elektronischer Dokumente, die durch die Maßgaben der §§ 10 und 11 ERVV-E bereits eng gefasst ist, in der Praxis zusätzlich einschränken.

 

4. § 10 Abs. 2 ERVV-E

Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ERVV-E muss das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden und zu adressieren.

Mit der oben zu § 173 Abs. 2 ZPO-E empfohlenen Ergänzung sollten an dieser Stelle auch die Insolvenzverwalter, Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragten ergänzend aufgeführt werden.

 

5. § 174 InsO

Im Hinblick auf das Ziel einer möglichst umfassenden und medienbruchfreien Kommunikation mit den Gerichten auf elektronischem Weg soll an dieser Stelle[18] auf die jüngst durch Art. 5 des SanInsFoG[19] reformierte Fassung des § 174 Abs. 4 InsO aufmerksam gemacht werden. Dabei handelt es sich um ein Paradebeispiel einer unvollständigen Umsetzung des vorgenannten Ziels.

So regelt § 174 (Anmeldung der Forderungen):

„(…)

(4) Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt hat. Als Urkunde im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 kann in diesem Fall auch eine elektronische Rechnung übermittelt werden. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts sind Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen.“

 

a) § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO

Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO sind bei Forderungsanmeldungen auf Verlangen des Insolvenzgerichts Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen. Die Gesetzesbegründung führt zu dieser Änderung aus:

Die Soll-Vorschrift, wonach auch bei einer von dem Insolvenzverwalter zugelassenen elektronischen Forderungsanmeldung generell Urkunden in Papierform nachgereicht werden sollen, entfällt. Nunmehr können bei einer elektronischen Forderungsanmeldung auch die Nachweisurkunden in elektronischer Form übermittelt werden. Eine Einsendung von Originalen, Abschriften in Papierform oder Ausdrucken ist nur noch nach gesonderter Aufforderung durch den Insolvenzverwalter oder durch das Insolvenzgericht erforderlich. Zudem wird klargestellt, dass eine elektronische Rechnung nach der E-Rechnungsverordnung zu den Urkunden im Sinne des § 174 Absatz 1 Satz 2 zählt, aus denen sich die Forderung ergibt.“[20]

Damit führt bereits die elektronische Erstellung der Insolvenztabelle weiterhin zu Medienbrüchen, wenn das Insolvenzgericht Ausdrucke, Abschriften oder Originale verlangt. Kann der Insolvenzverwalter ein solches Verlangen nicht ausschließen, wird er ebenfalls im Rahmen der Forderungsanmeldung auf einer Einreichung bestehen und damit die elektronische Forderungsanmeldung de facto und oftmals pauschal ausschließen. Originaltitel werden auch weiterhin zwingend vorzulegen sein, um das Titelprivileg des § 179 Abs. 2 InsO zu erhalten.

§ 174 InsO bleibt damit hinter dem Grundsatz des § 130a Abs. 1 ZPO zurück, nach dem vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe des § 130a Abs. 2-6 ZPO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können.

Die Regelung des § 174 InsO ist daher auch in ihrer neuen Fassung ein unzureichender Schritt auf dem Weg zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Vor diesem Hintergrund sollten weitere Schritte zur Reform zeitnah geprüft werden, um die notwendige Entwicklung nicht durch unnötige Vorbehalte zu belasten.
 

b) § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO

Die Forderungsanmeldung kann nach § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen. Da eine Übermittlung keine Zustellung im Sinne des § 173 Abs. 1 ZPO-E ist, bestehen bisher Unklarheiten bezüglich des (sicheren) Übermittlungswegs.

Die somit weiter offene Frage einer sicheren Identifizierung der Anmelder wird in der aktuellen Kommentarliteratur sehr unterschiedlich beantwortet. Das Meinungsspektrum reicht von § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz) über § 130a ZPO (ggf. mit Wahlrecht des Verwalters) bis zu einfacher E-Mail-Anmeldung, ggf. mit dem Hinweis, dass der Aussteller zweifelsfrei feststellbar sein müsse (aber ohne Hinweis, welche Anforderungen an die Identifikation zu stellen sind, wer sie zu prüfen hat und ggf. mit welchen Folgen).

Eine klarstellende Ergänzung des § 174 Abs. 4 InsO, evtl. durch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 ERVV-E, ist deshalb dringend geboten.

 

6. Bundeseinheitliche Praxis

Im Übrigen ist darauf zu achten, dass die Umsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bundesweit nach einheitlichen Verwaltungsvorgaben erfolgt. So ist bereits jetzt zu beobachten, dass im Anwendungsbereich des beA unterschiedliche Anforderungen der einzelnen Bundesländer bestehen; so bspw. an die Anzahl der Signaturen bei Schriftsätzen mit mehreren Anlagen, bzw. die Anforderung einzelner Gerichte wonach das eingescannte bekannte Papierempfangsbekenntnis ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und zurückgesandt werden muss und eine elektronische Empfangsbestätigung nicht akzeptiert wird.  Dies führt schon jetzt zu einem Flickenteppich beim elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten.

 

III. Fazit

Da Unternehmensinsolvenzverfahren schon in mittleren Unternehmensgrößen sehr hohe Beteiligtenzahlen aufweisen können und sich der Anwendungsbereich des elektronischen Rechtsverkehrs geradezu aufdrängt, sollten die beschriebenen Lücken im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt geschlossen werden.

 

 

Berlin, den 30.04.2021

Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Straße 13/14
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de

[1] Begründung des RegE, S. 1.

[2] Der VID hat bereits 2018 unter dem Stichwort „Insolvenzverfahren 4.0“ auf das Erfordernis einer Digitalisierung von Insolvenzverfahren hingewiesen und konkrete Vorschläge gemacht, die in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit, des Justiz- und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen und der Insolvenzrichter erarbeitet wurden. (https://www.vid.de/initiativen/eckpunktepapier-insolvenzverfahren-4-0/.)

[3] Da zum Insolvenzverwalter grundsätzlich eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen ist (§ 56 I InsO), können Berufsträger nicht nur Rechtsanwälte, sondern regelmäßig auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Diplom-Wirtschaftsjuristen oder Diplom-Kaufleute sein. Nicht alle in Deutschland bestellten Insolvenzverwalter verfügen damit über einen Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach.

[4] Zum Restrukturierungsbeauftragten vgl. § 76 Abs. 6 StaRUG.

[5] VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 13.01.2021, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2021/01/VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zum-Ausbau-d.-elektronischen-Rechtsverkehrs-mit-den-Gerichten.pdf .

[6] Der Referentenentwurf sprach an dieser Stelle noch von sonstigen Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.

[7] Begründung des RegE, S. 34.

[8] Begründung des RegE, S. 34.

[9]  Auch der Hinweis in der Entwurfsbegründung, wonach die Aufzählung nicht abschließend sei, ist nicht ausreichend, um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern sowie Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderatoren auszuschließen.

[10] Begründung des RegE, S. 27 und ordnet sie dort offenbar in die Gruppe der anderen Verfahrensbeteiligten (wie Sachverständigen und Berufsbetreuern) ein, die nicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges verpflichtet sein sollen.

[11] Begründung des RegE, S. 22.

[12] D.h. Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E), sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 173 Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E).

[13] Vgl. § 173 Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E.

[14] Im Referentenentwurf: § 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO-E.

[15] Begründung des RegE, S. 36.

[16] Auch kann der Postfachinhaber gemäß § 12 Abs. 2 ERVV-E jederzeit die Löschung seines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs veranlassen.

[17] Bereits die Gesetzesbegründung zu § 130a Abs. 5 ZPO führte aus: „Satz 2 bestimmt, dass dem Absender zum Nachweis des Zugangs eine automatisierte Eingangsbestätigung zu erteilen ist. Diese ist gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 des De-Mail- Gesetzes in der De-Mail-Infrastruktur vorgesehen. Eine automatisierte Eingangsbestätigung ist als Standard auch für andere sichere Übermittlungswege vorzusehen. Hierdurch soll der Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit erlangen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind“. (Unterstreichung hinzugefügt) Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drs. 17/12634, S. 26, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/126/1712634.pdf.

[18] Gleichlautende Kritik wurde bereits in der Stellungnahme zum Referentenentwurf angebracht, vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 13.01.2021, S. 2, abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2021/01/VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zum-Ausbau-d.-elektronischen-Rechtsverkehrs-mit-den-Gerichten.pdf .

[19] Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020.

[20] Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) BT-Drs.19/24181, S. 199.

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