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Stellungnahme:

13.01.2021

Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

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I. Vorbemerkung

Der vorliegende Referentenentwurf (im Folgenden: RefE) betont zurecht, dass die Digitalisierung und der mit ihr einhergehende digitale Wandel die Lebenswirklichkeiten der Gesellschaft tiefgreifend verändert haben. Dieser Wandel ist durch die gegenwärtige COVID-19-Pandemie beschleunigt worden. In besonderer Weise betrifft er auch Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren, weil hier nicht nur Aspekte der Verfahrenseffizienz angesprochen sind, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit besteht, in Verfahren mit gesetzlich geforderten Gläubigergremien und kollektiver Willensbildung eine Gesundheitsgefährdung der Beteiligten auszuschließen.

Der VID hat bereits zu einem frühen Zeitpunkt unter dem Stichwort „Insolvenzverfahren 4.0[1] auf das Erfordernis einer Digitalisierung von Insolvenzverfahren hingewiesen. Er hat diesen Hinweis mit konkreten Vorschlägen ergänzt, die in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit, des Justiz- und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen und der Insolvenzrichter erarbeitet wurden.

Die jüngst erfolgte Umsetzung der Richtlinie EU 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz (ABl.L 127 vom 26.6.2019, S. 18) durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3256 ff.) hat leider nur unzureichende Schritte unternommen, um diesem Erfordernis gerecht zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, wenn der RefE betont, dass zur besseren Nutzung des Potentials und der Chancen einer Digitalisierung für die Justiz alle Akteure möglichst umfassend und medienbruchfrei mit den Gerichten auf elektronischem Weg kommunizieren können sollten.

Notwendig ist hier aber der Hinweis, dass die Chance einer umfassenden und medienbruchfreien Kommunikation gerade in Kollektivverfahren auch für gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter, Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren eröffnet werden muss, die schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben einen intensiven und teilweise umfangreichen Austausch mit den Gerichten führen.

Die jüngst durch Art. 5 des SanInsFoG reformierte Fassung des § 174 Abs. 4 InsO ist ein Beispiel für die unvollständige Umsetzung einer möglichst umfassenden und medienbruchfreien elektronischen Kommunikation mit den Gerichten. Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO sind bei Forderungsanmeldungen weiterhin auf Verlangen des Insolvenzgerichts Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen. Der Regierungsentwurf des SanInsFoG (S. 235) führt zu dieser Änderung aus:

„Die Soll-Vorschrift, wonach auch bei einer von dem Insolvenzverwalter zugelassenen elektronischen Forderungsanmeldung generell Urkunden in Papierform nachgereicht werden sollen, entfällt. Nunmehr können bei einer elektronischen Forderungsanmeldung auch die Nachweisurkunden in elektronischer Form übermittelt werden. Eine Einsendung von Originalen, Abschriften in Papierform oder Ausdrucken ist nur noch nach gesonderter Aufforderung durch den Insolvenzverwalter oder durch das Insolvenzgericht erforderlich. Zudem wird klargestellt, dass eine elektronische Rechnung nach der E-Rechnungsverordnung zu den Urkunden im Sinne des § 174 Absatz 1 Satz 2 zählt, aus denen sich die Forderung ergibt.“

Damit führt bereits die elektronische Erstellung der Insolvenztabelle weiterhin zu Medienbrüchen, wenn das Insolvenzgericht Ausdrucke, Abschriften oder Originale verlangt. Kann der Insolvenzverwalter ein solches Verlangen nicht ausschließen, wird er ebenfalls im Rahmen der Forderungsanmeldung auf einer Einreichung bestehen und damit die elektronische Forderungsanmeldung de facto und oftmals pauschal ausschließen. Originaltitel werden auch weiterhin zwingend vorzulegen sein, um das Titelprivileg des § 179 Abs. 2 InsO zu erhalten.

§ 174 InsO bleibt damit hinter dem Grundsatz des § 130a Abs. 1 ZPO zurück, nach dem vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe des § 130a Abs. 2-6 ZPO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können. Die Regelung des § 174 InsO ist daher auch in ihrer neuen Fassung ein unzureichender Schritt auf dem Weg zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Vor diesem Hintergrund sollten weitere Schritte zur Reform zeitnah geprüft werden, um die notwendige Entwicklung nicht durch unnötige Vorbehalte zu belasten.

 

II. § 173 ZPO RefE

Mit § 173 Abs. 2 ZPO RefE soll die Einrichtung des in Abs. 1 der Vorschrift geforderten sicheren Übermittlungswegs für Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige Personen verpflichtend werden, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.

Mit Rücksicht auf die Zahl der Insolvenzverfahren und den Umfang der dort an Insolvenzgerichte zu übermittelnden Dokumente überrascht die fehlende ausdrückliche Erwähnung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern, für die nur über die Verweisungsnorm des § 4 InsO angenommen werden kann, dass sie zum Kreis derjenigen Personen gehören, „bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.“ Eine entsprechende Ergänzung des § 173 Abs. 2 ZPO RefE ist geboten, um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern auszuschließen, die auch von der Begründung des RefE nicht beseitigt werden. Diese Begründung (S. 23) erwähnt Insolvenzverwalter lediglich im Zusammenhang mit dem SAFE-Verzeichnis der Justiz und ordnet sie offenbar in die Gruppe der anderen Verfahrensbeteiligten ein, die nicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges verpflichtet sein sollen.

Unklar bleibt auch, ob die nach § 8 Abs. 3 InsO vom Insolvenzverwalter sowie neu nach § 76 Abs. 6 StaRUG vom Restrukturierungsbeauftragten im Auftrag des Gerichts durchzuführenden Zustellungen, die nach § 173 Abs. 3 ZPO RefE auch an Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts elektronisch nur über einen sicheren Übermittlungsweg erfolgen sollen, durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das Gericht bestätigt werden müssen. Wäre dies der Fall, dann könnte der Insolvenzverwalter den Empfang nur über den Umweg einer Nachfrage bei Gericht kontrollieren. Der Zustellungsnachweis gem. § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO, den der Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 InsO (§ 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG für den Restrukturierungsbeauftragten) unverzüglich zu den Gerichtsakten reichen soll, wäre im Fall der elektronischen Zustellung gem. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO RefE nur durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu führen.

Wird ein elektronisches Dokument gem. § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE auch an andere als die in Abs. 2 Genannten zugestellt, soll dies nach § 173 Abs. 4 Satz 2 ZPO RefE durch eine automatisierte Empfangsbestätigung nachgewiesen werden.

In Insolvenzverfahren wird die nach § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE für solche Zustellungen notwendige Zustimmung der Empfänger insbesondere dort eingeholt werden, wo die Zustellungskosten wegen der hohen – oftmals vier-, zum Teil auch sechsstelligen – Zahl von beteiligten Gläubigern ansonsten unvertretbar hoch ausfallen würden.

Die Form der automatisierten Empfangsbestätigung wird in § 173 Abs. 4 ZPO RefE aber nicht näher definiert. Auch in der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung (im Folgenden: ERVV) findet sich bislang, ebenso wenig wie in den nun vorgeschlagenen Änderungen der ERVV, eine gesetzliche Definition. Die in gängigen E-Mail-Programmen eröffnete Möglichkeit der Anforderung einer sog. Message Disposition Notification (MDN) durch den Absender, die von der Begründung des RefE (S. 29) als „ohnehin eingehende automatische Eingangsbestätigung“ bezeichnet wird, erreicht nur den Absender. Sie bedarf auch einer Aktivierung im Programm des Empfängers, die nicht notwendig mit der Zustimmung gem. § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO RefE verbunden wird. Im Fall einer Zustellung durch beauftragte Insolvenzverwalter (s.o.) schließt sich die Frage an, in welcher Form dem Gericht die Zustellung nachzuweisen ist. Der Aktenvermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird hier regelmäßig nicht genügen, weil eine Aufgabe zur Post nicht erfolgt ist.

 

III. Kapitel 4 der ERVV RefE

Nach § 10 Abs. 1 ERVV RefE können natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige privatrechtliche Vereinigungen zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden, das den Maßgaben der Nr. 1-5 entsprechen muss. Die Beschränkung der Zustellung elektronischer Dokumente auf einen sicheren Übermittlungsweg (§ 173 Abs.1 ZPO RefE) führt bei anderen als den in § 173 Abs. 2 ZPO RefE genannten Empfängern ausweislich § 13 ERVV RefE aber nicht zu der Verpflichtung, zur Ermöglichung einer solchen Zustellung ausschließlich ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach einzurichten, wenn sie am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen wollen.

Dies wirft bei einer gerichtlichen Zustellung die Frage auf, ob und wie die in § 13 ERRV formulierten Maßgaben überprüft werden müssen. Nutzen Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter die Möglichkeit der Zustellung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg und stellen sie dabei auch an Empfänger zu, die nicht in § 173 Abs. 2 ZPO RefE genannt werden, dann kann dies nur über die in Kapitel 4 der ERVV RefE genannten Wege geschehen. Für das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach sieht § 11 ERVV RefE eine Prüfung und Freischaltung durch Landesbehörden vor. Hier wird der zustellende Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragte auf diese Prüfung vertrauen können.

Im Rahmen der Nutzung eines Postfach- und Versanddienstes eines Verwaltungsportals im Sinne des § 2 Abs. 2 des Onlinezugangsgesetzes sieht § 13 Abs. 1 Nr. 1-4 ERVV RefE jedoch eine Reihe von weiteren Maßgaben vor, die ein Insolvenzverwalter oder Restrukturierungsbeauftragter bei höheren Nutzerzahlen regelmäßig schon aus Zeitgründen nicht überprüfen kann. Dieser Umstand könnte in der Praxis die Nutzung der Möglichkeit zur Zustellung elektronischer Dokumente, die durch die Maßgaben der §§ 10 und 11 ERVV RefE bereits eng gefasst ist, zusätzlich einschränken.

Nach § 10 Abs. 2 ERVV RefE soll das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach über Suchfunktionen verfügen, die es ermöglichen, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden und zu adressieren. Mit der oben zu § 173 Abs. 2 ZPO RefE empfohlenen Ergänzung sollten an dieser Stelle auch die Insolvenzverwalter, Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragten ergänzend aufgeführt werden.

Die Forderungsanmeldung kann nach § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen (vgl. oben). Da eine Übermittlung keine Zustellung im Sinne des § 173 Abs. 1 ZPO RefE ist, bestehen bisher Unklarheiten bezüglich des (sicheren) Übermittlungswegs. Die somit weiter offene Frage einer sicheren Identifizierung der Anmelder wird in der aktuellen Kommentarliteratur sehr unterschiedlich beantwortet. Das Meinungsspektrum reicht von § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz) über § 130a ZPO (ggf. mit Wahlrecht des Verwalters) bis zu einfacher E-Mail-Anmeldung, ggf. mit dem Hinweis, dass der Aussteller zweifelsfrei feststellbar sein müsse (aber ohne Hinweis, welche Anforderungen an die Identifikation zu stellen sind, wer sie zu prüfen hat und ggf. mit welchen Folgen). Eine klarstellende Ergänzung des § 174 Abs. 4 InsO, evtl. durch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 ERVV RefE, ist deshalb dringend geboten.

 

Schlussbemerkung

Mit den Regelungsvorschlägen des RefE werden wichtige Voraussetzungen für eine weitere Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs geschaffen. Gerade in Insolvenzverfahren hat sich in den zurückliegenden Jahren gezeigt, dass Unternehmensinsolvenzen schon in mittleren Unternehmensgrößen sehr hohe Beteiligtenzahlen aufweisen können und sich damit als Anwendungsbereich des elektronischen Rechtsverkehrs geradezu aufdrängen. Die Lücke, die der RefE hinsichtlich dieser Verfahren aufweist, sollte deshalb im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt geschlossen werden.

 

Berlin, den 13.01.2021

 

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Straße 13/14
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de

 

[1] https://www.vid.de/initiativen/eckpunktepapier-insolvenzverfahren-4-0/.

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