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Stellungnahme:
10.03.2022
§ 16 StaRUG setzt die Vorgaben aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ((EU) 2019/1023) um[1]. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie[2] regelt, dass die Mitgliedstaaten „online eine umfassende, an die Bedürfnisse von KMU angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne zur Verfügung [stellen]. Die Checkliste enthält praktische Leitlinien dazu, wie der Restrukturierungsplan nach nationalem Recht zu erstellen ist. (…)“
Der Erwägungsgrund 17 der Richtlinie führt dazu aus:
„Den Unternehmen, vor allem KMU, die 99 % aller Unternehmen in der Union ausmachen, dürfte ein kohärenterer Ansatz auf Unionsebene zugutekommen. KMU werden eher liquidiert als restrukturiert, da sie unverhältnismäßig höhere Kosten zu tragen haben als größere Unternehmen. KMU — insbesondere, wenn sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden — verfügen häufig nicht über die erforderlichen Mittel, um die hohen Restrukturierungskosten zu tragen und die effizienteren Restrukturierungsverfahren, die nur in einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, zu nutzen. Um solchen Schuldnern bei einer kostengünstigen Restrukturierung zu helfen, sollten umfassende Checklisten für Restrukturierungspläne, die an die Bedürfnisse und Besonderheiten von KMU angepasst sind, auf nationaler Ebene entwickelt und online zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten Frühwarnsysteme eingerichtet werden, die Schuldner warnen, wenn Handeln dringend erforderlich ist, unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel, die KMU für die Einstellung von Fachleuten zur Verfügung stehen.“[3]
Gemäß § 16 StaRUG macht das „Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (…) eine Checkliste für Restrukturierungspläne bekannt, welche an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasst ist. Die Checkliste wird auf der Internetseite www.bmjv.bund.de veröffentlicht.“
Anforderungen an Mindestinhalte eines Restrukturierungsplans sind bereits in § 5 S. 2 StaRUG vorgesehen. Danach enthält der Restrukturierungsplan neben den sich aus den §§ 5 bis 15 StaRUG ergebenden, mindestens die nach der Anlage[4] zum StaRUG erforderlichen Angaben.
Der vorliegende Entwurf führt in Bezug auf Zielsetzung und Verwendung der Checkliste aus, dass damit dem Auftrag aus § 16 StaRUG nachgekommen wird „eine auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnittene Hilfestellung für die Konzipierung und Erstellung von Restrukturierungsplänen nach §§ 5 ff. StaRUG bekanntzugeben.“
An diesen Bedürfnissen ist der vorliegende Entwurf zu messen.
Der Begriff „Checkliste“ lässt zunächst eine Arbeitshilfe erwarten, mit Hilfe derer bei komplexen Vorgängen sichergestellt werden soll, dass nichts übersehen, bzw. vergessen wird. So handelt es sich bei einer Checkliste in der Regel entweder um einen Fragenkatalog mit einer Sammlung von Fragen zu einem definierten Thema oder um eine Prüfliste mit abzuhakenden Kriterien.
Der vorgelegte Entwurf entspricht dem nur, soweit es um die Gliederung (Seite 1 bis 3) geht. Die erläuternden „Weitergehende[n] Informationen“ erfüllen diese Funktion nur eingeschränkt.
Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Materie nicht für eine Checkliste eignet oder der Entwurf die herkömmliche Funktion einer Checkliste nicht erfüllt.
Diesbezüglich erlauben wir uns eine grundlegende Anmerkung (I.), eine Ergänzung der Gliederung (II.) sowie verschiedene Anmerkungen zur Ausgestaltung des Entwurfs (III.).
Die Entwurfsverfasser formulieren zu Recht, dass die Vielfalt der denkbaren Plangestaltungen es nicht zulasse, ein Formular zu schaffen, das
Folglich sei die Checkliste auch kein Formular, sondern allein als Orientierungshilfe zu verstehen. Diese Zielstellung wird gefährdet, wenn
Wünschenswert und funktionsgerecht wäre die Abkehr vom durchgehenden Fließtext hin zu einer aussagekräftigen Zusammenfassung in Stichpunkten.
Veranschaulicht am Beispiel des Gliederungspunktes der „Auswahl der Planbetroffenen“ (S. 12 f.) könnte die entsprechende Passage wie folgt geändert werden:
„Wurden die Planbetroffenen sachgerecht ausgewählt?
Eine sachgerechte Auswahl liegt vor, wenn:
☐ die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden,
☐ die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint.
z.B. wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden oder die Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben.
ODER
☐ mit Ausnahme der in § 4 genannten Forderungen sämtliche Forderungen einbezogen werden.
Gibt es Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften oder Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden?
☐ nein
☐ ja (Bitte benennen Sie in diesem Fall die Nichteinbezogenen und erläutern die Gründe für
die unterbliebene Einbeziehung. Eine Beschreibung unter Bezugnahme auf Kategorien gleichartiger Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten genügt, wenn dadurch die Überprüfung der sachgerechten Abgrenzung nach § 8 nicht erschwert wird.)“
Das Ziel, sämtliche Anforderungen anzusprechen, die sich den gesetzlichen Bestimmungen entnehmen lassen, würde sich hierdurch genauso erfüllen lassen. Allerdings zugunsten einer höheren Verständlichkeit auf dem Niveau einer Checkliste, wenn auch auf Kosten der Motive. Die Darstellung derselben ist jedoch verzichtbar und ohnehin zu recherchieren, wenn die Anpassung eines „Standards“ auf eine „Maßanfertigung“ ansteht.
Der darstellende Teil sollte wie folgt ergänzt werden (kursiv fett):
„Unternehmens- und krisenbezogene Angaben
☐ Wirtschaftliche Situation des Schuldners und Krisenanalyse
☐ Beschreibung der Überwachung der Fortbestandsgefährdung, der Gegenmaß-
nahmen und der Mitteilungspflichten gegenüber Überwachungsorganen
☐ Angaben zur Vermögenslage des Schuldners
☐ Darlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit
☐ Finanzplan der nächsten 24 Monate
☐ Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in den Monaten 13-24
☐ Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in den Monaten 0-12
☐ Vermögen zu Liquidationswerten deckt Verbindlichkeiten
☐ Bei Durchführung des Restrukturierungsverfahrens ist die insolvenzrechtliche Überschuldung beseitigt“
Begründung:
Die Checkliste sollte insbesondere zwei „Schlüsselkriterien“ des StaRUG aufgreifen. Einerseits die Krisenfrüherkennung und die damit verbundenen Pflichten des Geschäftsleiters, andererseits die Zugangsvoraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Dies kann und muss gerade auch den kleinen und mittleren Unternehmen, die mit der Checkliste angesprochen werden sollen, vor Augen geführt werden. Fehlen diese Punkte, könnten diese bei der Beschäftigung mit der Sanierungsalternative unter Umständen gedanklich „übersprungen“ werden. Dies muss unbedingt vermieden werden. Die Sanierung durch das StaRUG steht nur Unternehmen zur Verfügung, die noch nicht zahlungsunfähig und noch nicht überschuldet sind.
Mit Blick auf die sehr hohe Zahl insolventer Kleinstunternehmen, die sich auch in der Insolvenzstatistik niederschlägt, bleibt der Nutzwert des mit dem StaRUG vorgelegten Restrukturierungsverfahrens zweifelhaft. Der vorgelegte Entwurf einer Checkliste kann diesen grundlegenden Befund nicht verbessern. Er ist erkennbar auch nicht von der Intention geprägt, durch ausführliche Erläuterungen eine „amtliche Kommentierung“ unbestimmter oder neuer Rechtsbegriffe zu liefern, die mit dem StaRUG formuliert wurden.
Um zumindest einige Anhaltspunkte zu bieten, die über den Gesetzestext hinausgehen, sollte jedoch erwogen werden, die konstituierenden Merkmale von abstrakt geschilderten Antragsvoraussetzungen aufzuzählen. Zu diesem Zweck könnte im Einzelfall auch auf die Erwägungsgründe der dem StaRUG zu- grundliegenden Richtlinie zurückgegriffen werden, die dem Rechtsanwender in Kleinstverfahren eher selten zur Verfügung stehen werden. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie fordert „klare, aktuelle, prägnante und nutzerfreundliche Informationen über die zur Verfügung stehenden präventiven Restrukturierungsverfahren“.
Dazu könnte es gehören, im Rahmen einer Checkliste auch den modularen Charakter des Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG stärker zu betonen.
Ebenso sinnvoll wäre zu Beginn eine Aufzählung der nach § 4 StaRUG ausgenommenen Rechtsverhältnisse, jeweils erläutert durch einige Beispielsfälle, sowie ein Hinweis auf die ausschließende Wirkung früherer Restrukturierungen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG).
Berlin, 10.03.2022
Kontakt: Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Straße 13/14
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de
[1] Vgl. Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) BT-Drs. 19/24181, S. 121.
[2] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1023
[3] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019, S. L 172/21.
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/starug/anlage.html.
[5] z.B. zu § 2 Abs. 2 StaRUG, vgl. S. 10 f. des Entwurfs; zu § 8 Satz 2 StaRUG, vgl. S. 12 f. des Entwurfs; zu § 9 Abs. 1 StaRUG,
vgl. S. 13.
[6] z. B. zur Gruppenbildung, vgl. S. 13 und 15 des Entwurfs.