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EU-Richtlinienentwurf über präventive Restrukturierungsrahmen: Änderungsvorschläge
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EU-Richtlinienentwurf über präventive Restrukturierungsrahmen: Stellungnahme von Axel W. Bierbach
Der VID unterstützt das in dem Richtlinienvorschlag formulierte Ziel, die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu erleichtern und zu fördern und Unternehmer zu entschulden. Der VID hat zu dem Richtlinienvorschlag eine umfassende Stellungnahme[1] verfasst und die Stellungnahmen der Industrie und der Kreditwirtschaft ausgewertet. Es bestehen zu nahezu sämtlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Details des Richtlinienvorschlags aus Sicht der Wirtschaftsverbände z. T. erhebliche Bedenken. Die wichtigsten Einwände aus diesen Stellungnahmen sind nachfolgend zusammengefasst.
1. Keine Beschränkung auf Finanzgläubiger
Das Ziel des Richtlinienentwurfes, hoch verschuldete aber überlebensfähige Unternehmen zu entschulden und NPLs abzubauen, kann durch die Schaffung eines auf Finanzverbindlichkeiten begrenztes, möglichst unbürokratisches und effizientes, nicht alle Gläubiger betreffendes außergerichtliches Restrukturierungsverfahren erreicht werden. Zur Vermeidung von volkswirtschaftlich schädlichen Implikationen ist es notwendig, das Restrukturierungsverfahren auf Finanzgläubiger zu beschränken.[2] Bei Fokussierung auf die wirtschaftlich maßgeblichen Finanzgläubiger kann die Umsetzung eines europaeinheitlichen Restrukturierungsverfahrens gelingen. Dies ist bei Erfassung aller Gläubigerarten durch das Verfahren hingegen ausgeschlossen, da die divergierenden Rechtsregeln der Mitgliedstaaten auch unterschiedliche Rechtspositionen der Beteiligten schaffen, die ein harmonisiertes europäisches Verfahren behindern. Viele der im Folgenden aufgezeigten Schwachpunkte des Entwurfes, insbesondere bei der Gefährdung von Lieferanten und anderer Gläubiger, könnten beseitigt und der immense Änderungsbedarf im nationalen Wirtschaftsrecht (Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht) könnte weitgehend vermieden werden, wenn die Wirkungen des Verfahrens auf Finanzkreditgläubiger beschränkt würden.
2. Kreditverteuerung insbesondere für KMU
Der Richtlinienvorschlag steht im Widerspruch zum, auf europäischer Verordnung beruhendem, Bankenaufsichtsrecht. Eine Forderung ist gemäß Art. 178 Abs. 1 b) CRR als ausgefallen anzusehen, wenn der Schuldner mehr als 90 Tage in Verzug ist.[3] Sicherheiten werden nach dem europäischen Bankenaufsichtsrecht nicht mehr als risikoentlastend anerkannt, wenn das Kreditinstitut nicht (mehr) das Recht hat, die als Sicherheit zur Verfügung gestellten Vermögenswerte zeitnah zu liquidieren (Art. 194 Abs. 4 CRR).
Begibt sich ein Unternehmen in das Restrukturierungsverfahren gemäß Richtlinienvorschlag wird es in aller Regel bereits in Verzug mit Kreditraten sein. Sehr kurz nach Anordnung des Moratoriums gemäß Art. 6 und Art. 7 des Richtlinienvorschlags wären die Kreditverbindlichkeiten schon als non-performing loan im Sinne der CRR einzustufen.[4] Der Richtlinienvorschlag fördert deshalb in erheblichem Umfang das Entstehen ausgefallener Kreditforderungen im Sinne von Art. 178 Abs. 1 b) CRR.[5]
Er erhöht auch den Druck auf das regulatorische Eigenkapital der Kreditinstitute. Kreditsicherheiten würden entwertet.[6] Diese Risiken müssten die Kreditinstitute bereits bei der Vergabe von Krediten berücksichtigen. Kredite würden teurer. Unternehmensgründungen insbesondere kleinerer und mittlerer Unternehmen, die der Richtlinienvorschlag maßgeblich stützen will,[7] werden erschwert.[8]
Das erhöhte Ausfallrisiko würde neben der Verteuerung der Kredite dazu führen, dass sich Unternehmensfinanzierungen strukturell von kleineren auf größere Kreditinstitute verlagern. Wegen des erhöhten Risikos, mit Krediten auszufallen, müssten Kreditinstitute schon bei Vertragsabschluss noch intensiver Kundendaten erheben und auswerten (Data-Mining). Kleinere Kreditinstitute werden die damit verbundene Verteuerung nicht tragen können und müssten sich von vielen überwiegend regionalen Kunden trennen. In der Krise eines Kunden wären die kleineren Kreditinstitute wegen des geschilderten Drucks auf ihr regulatorisches Eigenkapital schneller zum Verkauf der NPL an vielfach unregulierte Finanzmarktteilnehmer gezwungen.
3. Hohe Gefahr von Folgeinsolvenzen
Die mögliche und in der Praxis zu erwartende Einbeziehung sämtlicher Gläubiger in das geplante Moratorium gefährdet Lieferantengläubiger. Auf der Grundlage der in der Europäischen Union vorherrschenden Zahlungsziele von mittlerweile häufig 90 oder gar 180 Tagen würden zahlreiche Unternehmen, insbesondere in Lieferketten, durch das betriebene Restrukturierungsverfahren eines Abnehmers in ein eigenes Restrukturierungsverfahren gezwungen.[9]
Eine Aussetzung von Durchsetzungsmaßnahmen (Moratorium) verpflichtet gemäß Art. 6 und Art. 7 des Richtlinienvorschlags die Lieferanten, zu unveränderten Bedingungen, mithin zu denselben Zahlungszielen, weiter zu liefern. Nutzt das restrukturierende Unternehmen diese Regelung, entstehen Verlängerungen der Zahlungsziele. Strategisch gut beratene Unternehmen würden am Ende einer Zahlungszielperiode das Restrukturierungsverfahren beginnen, um dann nochmals die gleiche Zeitlang Lieferungen zu erhalten. Das Risiko des Zahlungsausfalls tragen dann die gemäß Moratorium lieferverpflichteten wesentlichen[10] Lieferanten. Die mit dem Moratorium gesperrten Forderungen kann der Lieferant bei seiner eigenen Unternehmensfinanzierung nicht mehr als Sicherheit nutzen. Banken und Factorer würden diese nicht mehr als vollwertige Sicherheit akzeptieren. Hinreichende liquide Mittel sind in Branchen mit sehr geringen Margen wie der Industrie um die Autozulieferung oder der Lebensmittelindustrie nicht verfügbar, ebenso wenig jedoch in nahezu fast allen Bereichen der kleinen und mittleren Unternehmen auch anderer Branchen. Diese, ausschließlich zugunsten des schuldnerischen Unternehmens wirkende, Benachteiligung der Gläubiger, insbesondere der Lieferanten, ist nicht verhältnismäßig.[11] Außerdem ist zu befürchten, dass die besser informierten und in der Verhandlungsposition stärkeren Finanzgläubiger versuchen werden, sich zu Lasten der Lieferanten und anderen Gläubiger hinsichtlich der Sanierungsbeiträge besser zu stellen. Lieferanten und Arbeitnehmer können oft nicht den Vertragspartner wechseln, weshalb ihnen Zugeständnisse leicht abgepresst werden können.
Im Falle des Scheiterns einer Restrukturierung ist das Ausfallrisiko der vom Moratorium betroffenen Gläubiger wesentlich erhöht. Das notwendige Vertrauen der Gläubiger und eine deutliche Verringerung des Ausfallrisikos kann nur durch einen unabhängigen, gerichtlich bestellten Dritten geschaffen werden, der auch schon bei der auf einen oder mehrere Gläubiger beschränkten Aussetzung von Durchsetzungsmaßnahmen bestellt werden müsste.[12]
4. Massive Gläubigerbenachteiligung
Die Restrukturierungskultur und das Insolvenzrecht vieler Staaten Europas zeichnen sich durch ein fein abgestimmtes System der ausgleichenden Interessen zwischen den beteiligten Arbeitnehmern, Gläubigern, Schuldnern, Anteilseignern und Lieferanten aus. Auch die Risiken müssen in einem funktionierenden Markt ausgewogen verteilt sein. Ohne ein ernsthaftes Insolvenzrisiko wird sich die Wirtschaftsmoral verschlechtern. Unternehmer können wesentlich höhere Risiken eingehen, leveraged buy outs werden noch teurer und die Zahlungsmoral wird sich verschlechtern. Die Suspendierung von Insolvenzantragspflichten provoziert Missbrauch. All dies gefährdet das Vertrauen der Marktteilnehmer in funktionierende Märkte. Der Richtlinienvorschlag sieht nahezu ausschließlich Regeln zum Schutz der Interessen schuldnerischer Unternehmen vor. Er gefährdet insbesondere mit den folgenden Punkten den notwendigen Interessenausgleich der Beteiligten:
- Es gibt keine klar definierten Zugangsvoraussetzungen, bis zu welchem Stadium der Unternehmenskrise ein Unternehmen das sehr schuldnerfreundliche Verfahren noch nutzen darf.[13] Eine Abgrenzung zur materiellen Insolvenz fehlt. Dies ermöglicht die Nutzung des Verfahrens auch bei unmittelbar bevorstehender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und gefährdet die betroffenen Gläubiger.
Gläubiger, insbesondere Lieferanten und Arbeitnehmer, aber auch die Märkte insgesamt müssen vor einem vermeintlich restrukturierenden, tatsächlich bereits materiell insolventen Unternehmen geschützt werden. Es wird deshalb der durch unabhängige Dritte geprüfte Nachweis einer noch wenigstens sechs Monate bestehenden Zahlungsfähigkeit als Eintrittsvoraussetzung gefordert.[14]
- Es findet während des Restrukturierungsverfahrens keine Forderungsprüfung statt. Mögliche Manipulationen zulasten der Gläubiger werden hierdurch begünstigt. Allein das in der Praxis auch bei kleinen und mittleren Unternehmen sehr häufig vorkommende Darlehen von „Family & Friends“ einschließlich verbundener Unternehmen kann bereits geeignet sein, die maßgebliche Forderungssumme zu erreichen, um die übrigen Gläubiger zu überstimmen.[15] Das materiell-rechtliche Bestehen dieser aber auch anderer bilanzierter Forderungen ist oft höchst fraglich und streitig. Insbesondere Kleingläubiger können sich nicht vor Manipulation schützen.
- Der Entwurf überlässt es den Mitgliedsstaaten, ob der Schuldner während des Moratoriums nach dem Richtlinienvorschlag einen Insolvenzantrag stellen muss, sollte ein Insolvenzgrund eintreten (Art. 7 Abs. 1 und 3). Die Gläubiger können während eines alle Gläubiger umfassenden Moratoriums keinen Insolvenzantrag stellen (Art. 7 Abs. 2). Die Gläubiger können das Restrukturierungsverfahren nicht durch eigene Anträge verhindern, beenden oder beeinflussen.[16] Es fehlt eine Überwachung des Schuldners durch eine von Schuldner und Gläubigern unabhängige Person, der das Vertrauen der Gläubiger genießt. Auch ein Gremium für die Interessenvertretung der Gläubiger sollte vorgesehen werden.
- Das Votum für einen Restrukturierungsplan ist nach dem Richtlinienvorschlag auf 75 % begrenzt (Art. 9 Abs. 4). Es ist keine Kopfmehrheit, sondern nur eine Summenmehrheit vorgesehen. Eine Gruppenminorität kann eine Gruppenmajorität überstimmen (Art. 11 Abs. 1 b). Dies führt zu der Gefahr einer Beherrschung derartiger Abstimmungsverfahren durch Finanzinvestoren ohne strategische Interessen. Es setzt auch einen falschen Anreiz zur Manipulation von Forderungen oder zur “Erfindung“ von Forderungen (etwa durch „Family & Friends“ oder verbundene Unternehmen) um eine bestimmte Mehrheit zu erreichen.
- Der Richtlinienvorschlag sieht in Art. 17 vor, während des Moratoriums schuldnerische Maßnahmen zu schützen, indem alle geschäftsüblichen Zahlungen des schuldnerischen Unternehmens, Veräußerung einzelner Vermögenswerte und Kapitalumwandlungen in einem gegebenenfalls nachfolgenden Insolvenzverfahren, und damit zulasten dieser Gläubiger, grundsätzlich von Nichtigkeit, Insolvenzanfechtung, Haftung und Strafbarkeit ausgenommen sind. Dies lädt zu Missbrauch ein. Das Restrukturierungsverfahren kann so zur Aushöhlung einer späteren Insolvenzmasse genutzt werden.
5. Kein Marktaustritt trotz dauerhafter Verluste
Krisenursachen sind in der Regel leistungswirtschaftlicher Art. In der Regel sind es Fehler des Managements die zu Strategie- und Ertragskrisen führen. Auf Dauer erfolglose und verlustreiche Unternehmen müssen zum Erhalt einer gesunden Volkswirtschaft entweder die Chance erhalten in einer Insolvenz an erfolgreichere Unternehmer verkauft zu werden oder aus dem Markt auszuscheiden (Marktschutz). Wird eine unausweichliche Insolvenz durch Restrukturierungen nur verzögert, sinken die Chancen zum Erhalt des rettbaren Unternehmens oder Teilen davon rapide. Lieferanten und Kunden aber auch die wesentlichen Mitarbeiter verlieren das Vertrauen und wenden sich ab. In der dann folgenden Insolvenz werden die Chancen zum Unternehmenserhalt oder Unternehmensverkauf deutlich schlechter.
6. Fehlende Legitimation
Sämtliche Stellungnahmen zum Richtlinienvorschlag seitens der Unternehmensverbände, der Gewerkschaften, der Industrieverbände und der Kreditwirtschaft weisen auf keinerlei spezifisch signifikanten Zusammenhang der unterschiedlichen Insolvenzregeln und einer fehlenden Investitionsmotivation von Marktteilnehmern hin.[17] Vielmehr beruhen Investitionsentscheidungen und damit der freie Kapitalverkehr nach der jahrzehntelangen, fundierten Erfahrung dieser Verbände auf der Analyse
- der Markt- und Wettbewerbssituation in den jeweiligen Mitgliedstaaten,
- deren Infrastruktur,
- deren Steuerrecht,
- deren Gesellschaftsrecht und
- deren Arbeitsrecht.
Die Sanierungsbedingungen im Fall des unternehmerischen Scheiterns haben für eine Investitionsentscheidung hingegen – wenn überhaupt – nur eine marginale Bedeutung. [18]
[1] http://www.vid.de/stellungnahmen/stellungnahme-des-vid-zum-vorschlag-fuer-eine-richtlinie-des-europaeischen-parlaments-und-des-rates-ueber-praeventive-restrukturierungsrahmen-die-zweite-chance-und-massnahmen-zur-steigerung-der-effiz/.
[2] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 f., S. 21 f., Erwägungsgrund (2); vgl. Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 f.; ebenfalls für die Beschränkung auf Finanzgläubiger: Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 zu Art. 4 a. E.; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 1; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 Pkt. 13.
[3] Kapitaladäquanzverordnung/Capital Requirement Regulation: Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (EU) Nr. 575/2013 v. 26.06.2013.
[4] Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f., für eine dementsprechende Anpassung des europäischen Bankenaufsichtsrechts.
[5] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7, Pkt. 1. c).
[6] Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 17 Pkt. II. 4.1.4.
[7] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (13) sowie Fact sheet der DG Justice vom Mai 2017, S.2.
[8] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 17 zu Art. 19-20.
[9] Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 6 Pkt. 3. a), weist auf die Gefahr von Folgeinsolvenzen hin.
[10] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Art. 7 Abs. 4.
[11] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 13 zu Art. 7 Abs. 4-5.
[12] Vgl. hierzu den Vermerk des Ratsvorsitzenden in Consil-ST 9316/17, S. 4.
[13] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (17).
[14] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 16, zu Pkt. 4. a) bb); Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f.; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 (für 12 Monate); Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8 Pkt. 12.
[15] Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 7, verweist zudem auf die „sehr niedrigschwellig ausgestaltete Möglichkeit der Überstimmung dissertierender Gläubigergruppen“ gemäß Richtlinienvorschlag; zumal die absolute priority rule (Art. 2 Nr. 10 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 c des Richtlinienvorschlags) den Schutz gleichrangiger Gläubiger nach einem Vorbild wie § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht sicherstellt, obschon diese Gläubiger verfassungsrechtlich mehr Schutz bedürfen als in der Insolvenz, da deren Forderungen wegen der frühen Phase der wirtschaftlichen Schwierigkeiten werthaltiger sind.
[16] Gegen die Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und -rechten: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 29 f. zu Pkt. 8. a); Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f. zu Art. 7 Abs. 1-2; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. 22; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. II. 3.4.; Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5; Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 Pkt. 5; Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD) v. 27.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 4; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 f.; Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 Pkt. 3. b); Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 6 und 7; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 zu Art. 7.
[17] Vgl. nur: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5, zu Pkt. 1; Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 2.1.; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 3; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 4 Pkt. II. 1; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; auch die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie der Universität Leeds verweist auf keine belastbaren empirischen Zusammenhänge: Study on a new approach to business failure and insolvency – Comparative legal analysis of the Member States‘ relevant provisions and practices/Tender No. JUST/2014/JCOO/PR/CIVI/0075, S. 23 ff.
[18] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 Pkt. 2.1.
Directive (EU) on Preventive Restructuring: Opinion of Axel W. Bierbach
VID supports the draft proposal’s aim to promote and facilitate the financial reorganization of enterprises and a residual debt discharge for entrepreneurs which have run into difficulties. It has therefore submitted a comprehensive statement[1] and evaluated the respective statements of the German Industry and Banking sector. Nearly every detail of the draft proposal has generated objections and drawn criticism from German business associations. This summary collects the strongest of these objections.
1. No restriction to financial creditors
The draft proposal’s aim to promote restructuring of viable enterprises and reduce non-performing loans can be achieved by creating unbureaucratic and efficient procedures which are limited to the restructuring of financial obligations and liabilities. In order to prevent negative effects on a macroeconomic as well as a microeconomic scale their personal scope should be restricted to financial creditors.[2] The definition given in Art. 2 sec. 2 of the draft proposal hints in this direction by stating that “restructuring” means changing the composition, conditions, or structure of a debtor’s assets and liabilities or any other part of the debtor’s capital structure, including share capital, or a combination of those elements. Only by further concentrating the proposals focus on financial creditors will it be possible to establish a European restructuring framework without major contradictions stemming from various national differences in related areas of law. Most complications listed below stemming either from the threat to creditors’ rights or the implicated need to amend national tax, labour or company laws could be avoided by this restricted approach.
2. Increase in credit costs for SME´s in particular
The draft proposal is contradictory to recent European legislation concerning capital requirements in the banking sector. A loan is considered non-performing or defaulting in accordance with Art. 178 sec. 1 b) CRR if the obligor is past due more than 90 days on any material credit obligation.[3] According to Art. 194 sec. 4 CRR Institutions (a credit institution or an investment firm) may recognize funded credit protection in the calculation of the effect of credit risk mitigation only where the lending institution has the right to liquidate or retain, in a timely manner, the assets from which the protection derives in the event of the default, insolvency or bankruptcy — or other credit event set out in the transaction documentation — of the obligor and, where applicable, of the custodian holding the collateral.
Entering the proposed restructuring procedure will often mean, that the affected company has not met its credit obligations in the recent past or will not be able to in the near future. Default therefore occurs within a short period of time after initiating a restructuring procedure.[4] If the company tries to prevent losing its credit, a stay of enforcement actions according to Art. 6 and 7 of the draft proposal seems inevitable which in turn will quickly lead to a default status of subjected loans. By extending the stay of enforcement actions to 120 days (Art. 6 sec. 4) the draft proposal therefore promotes the accrual of non-performing loans.[5]
As a consequence, capital requirements will tighten considerably. Credit protection will lose its value.[6] These risks will force consideration as early as the contracting stage, subsequently rising credit costs especially for SME’s[7] and entrepreneurs.[8]
Higher risks of default as well as rising credit costs will steer business towards larger banks since smaller institutions will not be able to shoulder the structural and regulatory costs of supporting their client base. Taking into account higher risks of credit defaults institutions will have to rely more heavily on data mining and other forms of credit risk mitigation. Wherever these means are not affordable, early termination of contracts or selling of loans will be inevitable, further weakening the market position of smaller institutions within their regional client base. Starting or restarting a small or medium size business — which the draft proposal tries to facilitate — will become more cumbersome.
3. Knock-on restructurings and insolvencies
The most likely application of the proposed stay of enforcement actions to all creditors threatens the viability of suppliers. Most supply chains in Europe work on credit-terms which allow for an average respite of at least 30 to 60 days. An average respite of 90 or even 180 days has become the norm especially within longer industry supply chains. Considering a stay of enforcement actions according to Art. 6 and 7 of the draft proposal this will lead to suppliers confronting the need to start a restructuring procedure of their own in order to prevent insolvency.[9]
This chain reaction seems inevitable wherever restructuring debtors initiate the stay of enforcement actions and force their suppliers to carry on in accordance to existing terms of payment. Clever strategies will include the maximization of payment targets and time the initiation of proceedings accordingly. The risk of default will add to the difficulties of suppliers[10] and ensure knock-on insolvencies wherever capital and earnings cannot cover the losses. Suspended claims could not be used as adequate collateral in the suppliers own corporate financing. Banks and factoring companies would not accept them as such. With liquidity being generally in short supply business sectors as automotive suppliers or food producers as well as nearly all SME’s would suffer disproportionally.[11] Better informed and positioned financial creditors would try to take advantage of weaker suppliers and minimize their contributions to restructuring. Suppliers as well as employees are often restricted in choosing their contractual partners leaving them vulnerable to any attempted extortion of concessions.
Any failed attempt of restructuring will massively enhance the default risk of creditors. Reducing default risks and enhancing the confidence of creditors can only be achieved by appointing an independent third party as early as the first individual stay of enforcement is ordered.[12]
4. Massive discrimination of creditors
Restructuring and Insolvency procedures of many EU member states provide a counterbalanced system taking into account the interests of workers, creditors, debtors, equity holders and suppliers. Credit risk has to be distributed in a balanced way to ensure functioning markets and prevent moral hazard. Without the risk of insolvency entrepreneurs will take higher risks, leveraged buyouts will become even more overloaded and payment behaviour will deteriorate. Suspending the obligation to file for insolvency provokes abuse and erodes trust in market participants. The draft proposal in contrast provides almost exclusively for the interests of debtors. Especially the following points put the balance of interest between stakeholders into question:
- The draft proposal does not define sufficient entry requirements for debtors initiating a restructuring procedure.[13] There is no clear differentiation of restructuring and insolvency procedures. This enables debtors to initiate restructuring proceedings shortly before or even after becoming insolvent and thereby endangering creditors’ claims. Creditors, especially suppliers and employees, need to be protected from actually insolvent, but seemingly restructuring companies. Debtors should therefore be obliged to provide objective evidence of sufficient liquidity reaching out at least six months in order to prevent insolvent debtors from entering restructuring procedures.[14]
- The proposed restructuring procedure does not verify claims made or purported to made by individual creditors. This leaves a wide scope of manipulation for debtors. Loans made or purported to be made by “Friends and Family” are a common feature of small or medium size insolvencies. The legal existence of such claims is often very doubtful. Counted without verification they could have very detrimental consequences for real creditors when it comes to the adoption and confirmation of a restructuring plan with or without a cross-class cram-down (Art.9-11).[15] Small sum creditors in particular have no means to protect themselves against such an attempt at deception.
- According to the draft proposal insolvent debtors may be exempted from any obligation to file for insolvency during ongoing restructuring proceedings (Art. 7 sec.1). Creditors cannot request the opening of insolvency procedures (Art.7 sec. 2) while being prohibited from preventing, stopping or influencing the opening of the proposed restructuring procedure during which there is no provision to call for a creditor meeting or any other mechanism to control the debtor or retrieve information from him.[16] Supervision of the debtor is insufficient due to the absence of an administrator independent from the debtor and individual creditors and trusted by the creditors as a whole.
- The required majority to pass a restructuring plan shall be in any case not higher than 75% in the amount of claims or interests in each class (Art 9 sec. 4). Reaching this majority in only one of several classes may be sufficient to impose a cross-class cram-down on all dissenting creditors (Art. 11 sec. 1b). This leaves restructuring procedures open to domination by small groups of financial investors or strategies involving “Friends and Family” to take advantage of real creditors.
- The draft proposal formulates lengthy provisions (Art. 17) to safeguard the beneficiaries of transactions carried out by the debtor during a stay of enforcement actions. It excludes the judicial repeal of these actions during any insolvency procedure which might occur going forward. Avoidance actions, personal liability and even criminal prosecution would be prohibited disregarding any detrimental effects for the creditors.
5. Prolonging inevitable decline
The root cause of most corporate crises lies in poor economic performance. Nine times out of ten bad management decisions will either lead to a strategy crisis or a crisis of business performance. Permanently loss-making enterprises must change ownership or be forced to exit the market in order to protect viable companies. Wherever this exit is impeded by restructuring procedures which facilitate the existence of non-viable enterprises without changing the root cause of the crisis any chances of rescuing at least some parts of the company are diminishing very quickly. Suppliers as well as customers and employees will lose trust in the viability of the company. Rescuing or selling during a follow up insolvency will be severely impeded.
6. Overreaching assumptions
Almost all statements point to the fact that decision-making of cross-border investors in Europe is not determined by uncertainty over insolvency rules or the risk of lengthy or complex insolvency procedures.[17] Investment decisions are based on market and competition, infrastructure and the respective legal framework for doing business (tax law, labour law and company law). The influence of legal rules concerning restructuring or insolvency on investment decisions is only marginal in comparison.[18]
[1] http://www.vid.de/stellungnahmen/stellungnahme-des-vid-zum-vorschlag-fuer-eine-richtlinie-des-europaeischen-parlaments-und-des-rates-ueber-praeventive-restrukturierungsrahmen-die-zweite-chance-und-massnahmen-zur-steigerung-der-effiz/.
[2] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 f., S. 21 f., Erwägungsgrund (2); vgl. Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 f.; ebenfalls für die Beschränkung auf Finanzgläubiger: Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 zu Art. 4 a. E.; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 1; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 Pkt. 13.
[3] Kapitaladäquanzverordnung/Capital Requirement Regulation: Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (EU) Nr. 575/2013 v. 26.06.2013.
[4] Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f., für eine dementsprechende Anpassung des europäischen Bankenaufsichtsrechts.
[5] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7, Pkt. 1. c).
[6] Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 17 Pkt. II. 4.1.4.
[7] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (13) sowie Fact sheet der DG Justice vom Mai 2017, S.2.
[8] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 17 zu Art. 19-20.
[9] Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 6 Pkt. 3. a), weist auf die Gefahr von Folgeinsolvenzen hin.
[10] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Art. 7 Abs. 4.
[11] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 13 zu Art. 7 Abs. 4-5.
[12] Vgl. hierzu den Vermerk des Ratsvorsitzenden in Consil-ST 9316/17, S. 4.
[13] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (17).
[14] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 16, zu Pkt. 4. a) bb); Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f.; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 (für 12 Monate); Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8 Pkt. 12.
[15] Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 7, verweist zudem auf die „sehr niedrigschwellig ausgestaltete Möglichkeit der Überstimmung dissertierender Gläubigergruppen“ gemäß Richtlinienvorschlag; zumal die absolute priority rule (Art. 2 Nr. 10 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 c des Richtlinienvorschlags) den Schutz gleichrangiger Gläubiger nach einem Vorbild wie § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht sicherstellt, obschon diese Gläubiger verfassungsrechtlich mehr Schutz bedürfen als in der Insolvenz, da deren Forderungen wegen der frühen Phase der wirtschaftlichen Schwierigkeiten werthaltiger sind.
[16] Gegen die Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und -rechten: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 29 f. zu Pkt. 8. a); Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f. zu Art. 7 Abs. 1-2; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. 22; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. II. 3.4.; Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5; Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 Pkt. 5; Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD) v. 27.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 4; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 f.; Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 Pkt. 3. b); Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 6 und 7; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 zu Art. 7.
[17] Vgl. nur: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5, zu Pkt. 1; Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 2.1.; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 3; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 4 Pkt. II. 1; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; auch die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie der Universität Leeds verweist auf keine belastbaren empirischen Zusammenhänge: Study on a new approach to business failure and insolvency – Comparative legal analysis of the Member States‘ relevant provisions and practices/Tender No. JUST/2014/JCOO/PR/CIVI/0075, S. 23 ff.
[18] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 Pkt. 2.1.
Prise de position de Axel W. Bierbach, membre du directoire de l’association déclarée VID dans le cadre de l’audition dans la Commission du Parlement Européen du 20 juin 2017 relative à la proposition pour une DIRECTIVE DU PARLEMENT EUROPÉEN ET DU CONSEIL relative aux cadres de restructuration préventifs, à la deuxième chance et aux mesures pour l’augmentation de l’efficacité de procédures de restructuration, d’insolvabilité et de désendettement et pour la modification de la directive 2012/30/UE (COM (2016) 723 final)
L’association VID soutient l’objectif formulé dans la directive proposée consistant à faciliter et à favoriser la restructuration et l’assainissement d’entreprises en difficulté économique et à désendetter les entrepreneurs. La VID a rédigé une prise de position[1] globale sur la directive proposée et a évalué les prises de position de l’industrie et du secteur du crédit. Il y a en partie des doutes considérables concernant presque tous les détails économiques et juridiques de la directive proposée du point de vue des syndicats professionnels. Les objections les plus importantes résultant de ces prises de position sont résumées ci-après.
1. Pas de limitation aux créanciers financiers
L’objectif du projet de directive consistant à désendetter les entreprises fortement endettées mais viables et à diminuer les NPL peut être réalisé par création d’une procédure de restructuration extrajudiciaire se limitant aux dettes financières, étant aussi non bureaucratique et efficace que possible et ne concernant pas tous les créanciers. Pour éviter des implications nuisibles au niveau de l’économie nationale, il est nécessaire de limiter la procédure de restructuration aux créanciers financiers.[2] La focalisation aux créanciers financiers déterminants pour l’économie permet la mise en œuvre d’une procédure de restructuration uniformisée au niveau européen. Par contre, cela n’est pas possible lorsque la procédure englobe tous les types de créancier, car les règles juridiques divergentes des Etats membres créent également différentes positions juridiques des parties concernées, ce qui met en danger une procédure européenne harmonisée. Un grand nombre des points faibles du projet désignés ci-après, notamment en cas de mise en danger des fournisseurs et d’autres créanciers, peuvent être éliminés et l’immense besoin de changement dans le droit économique national (droit de travail, droit des sociétés, droit fiscal) pourrait être largement évité en limitant les effets de la procédure aux créanciers financiers.
2. Enchérissement des crédits, notamment pour les PME
La directive proposée est contradictoire au droit de supervision bancaire reposant sur un règlement européen. Selon l’article 178 al. 1b) CRR [règlement sur les exigences de fonds propres], une créance est considérée comme irrécouvrable lorsque le débiteur est en retard de paiement de plus de 90 jours.[3] Selon le droit de supervision bancaire européen, les garanties ne sont plus reconnues comme instruments diminuant les risques lorsque l’établissement de crédit n’a (plus) le droit de liquider à bref délai les avoirs patrimoniaux mis à disposition (Art. 194 Abs. 4 CRR).
Si une entreprise entame une procédure de restructuration selon la directive proposée, elle est en règle générale déjà en retard de paiement avec les mensualités de crédit. Juste après l’ordonnance du moratoire selon l’art. 6 et l’art. 7 de la directive proposée, les dettes de crédit devraient déjà être classées comme non-performing loan dans le sens du CRR.[4] Pour cette raison, la directive proposée favorise considérablement la formation des créances de crédit irrécouvrables dans le sens de l’art. 178 al. 1 b) CCR.[5]
Elle augmente également la pression sur les fonds propres réglementaires des établissements de crédit. Il y aurait une dévalorisation des garanties de crédit.[6] Les établissements de crédit devraient tenir compte de ces risques déjà lors de l’octroi des crédits. Les crédits s’enchériraient. Les fondations d’entreprises, notamment des petites et moyennes entreprises que la directive proposée vise à soutenir considérablement[7] seront aggravées.[8]
Outre l’enchérissement des crédits, le risque de crédit accru aurait comme conséquence que les financements des entreprises passeraient structurellement de petits établissements de crédit aux établissements de crédit plus grands. En raison du risque accru de crédits irrécouvrables, les établissements de crédit seraient obligés de recueillir et d’évaluer plus intensément les données des clients déjà au moment de la signature du contrat (exploration de données). Les établissements de crédit plus petits ne pourront pas supporter l’enchérissement y associé et devraient se séparer de beaucoup de clients majoritairement régionaux. Lorsqu’un client est en crise, les établissements de crédit plus petits seraient plus rapidement contraints de vendre les NPL à des opérateurs sur le marché financier souvent non réglementés en raison de la pression précitée.
3. Risque élevé des effets de boule de neige
L’implication possible et attendue dans la pratique de tous les créanciers dans le moratoire prévu mettra en danger les créanciers fournisseurs. Sur la base des échéances prédominant dans l’Union Européenne de souvent 90, voir 180 jours, de nombreuses entreprises, notamment des chaînes d’approvisionnement, seraient contraintes de mettre en œuvre une procédure de restructuration au sein de leur propre entreprise en raison de la procédure de restructuration entreprise par un des leurs acheteurs.[9]
Une suspension de mesures d’exécution financières (moratoire) obligera les fournisseurs conformément à l’art. 6 et à l’art. 7 de la directive proposée de continuer leurs livraisons dans des conditions inchangées, et donc avec les mêmes échéances. Si l’entreprise en restructuration fait usage de ce règlement, les échéances seront prolongées. Les entreprises bénéficiant de bons conseils stratégiques engageraient la procédure de restructuration à la fin d’une période d’échéance pour recevoir des livraisons pour la même période. Ce risque du défaut de paiement sera donc assumé par les fournisseurs essentiels[10] soumis à l’obligation de livraison selon le moratoire. Le fournisseur n’est plus en mesure d’utiliser les créances bloquées par le moratoire comme garantie pour ses propres financements des entreprises. Les banques et affactureurs ne les accepteraient plus comme garantie à part entière. Des liquidités suffisantes ne sont pas disponibles dans les secteurs ayant des marges très faibles, tels que l’industrie de sous-traitance automobile ou l’industrie agro-alimentaire, mais pas non plus dans presque tous les domaines des petites et moyennes entreprises d’autres secteurs. Cette discrimination des créanciers, notamment des fournisseurs, qui produit ses effets exclusivement en faveur de l’entreprise débitrice, n’est pas adaptée aux circonstances.[11] De plus, il est à craindre que les créanciers financiers mieux informés et plus forts dans la position de négociation essayeront à améliorer leur position relative aux contributions d’assainissement par rapport aux fournisseurs et aux autres créanciers. Souvent, les fournisseurs et salariés ne sont pas en mesure de changer le cocontractant, raison pour laquelle il est facile de les contraindre de faire des concessions.
En cas d’échec d’une restructuration, le risque de crédit des créanciers concernés par le moratoire est sensiblement accru. La confiance nécessaire des créanciers et une diminution considérable du risque de crédit ne peut être établie que par un tiers indépendant nommé par le tribunal qui devrait déjà être nommé pour la suspension de mesures d’exécution financières limitée à un ou plusieurs créanciers.[12]
4. Fraude paulienne massive
La culture de la restructuration et la procédure collective de nombreux États européens se caractérisent par un système précis d‘intérêts compensateurs entre les employés, les créanciers, les débiteurs, les actionnaires et les fournisseurs intéressés. Même les risques doivent être répartis de façon équilibrée dans un marché qui fonctionne bien. Sans risque de faillite sérieux, l’économie morale se dégrade. Les entrepreneurs peuvent prendre des risques beaucoup plus élevés, les leveraged buy outs deviennent encore plus chers et la moralité de paiement se dégradera encore. Suspendre les obligations de déclarer faillite provoque des abus. Tout ceci porte atteinte à la confiance des acteurs du marché en des marchés sains. La directive proposée prévoit des règles presque exclusives pour la protection des intérêts des entrepreneurs débiteurs. Elle porte atteinte en particulier à travers les points suivants à l’équilibre des intérêts des parties intéressées:
- Les conditions d’accès ne sont pas claires quant à savoir jusqu’à quelle phase de la crise un entrepreneur peut utiliser la procédure, très favorable au débiteur.[13] Il manque une limitation à l’insolvabilité matérielle. Cela permet d’utiliser la procédure aussi en cas d’insolvabilité imminente ou déjà existante, et met en danger le créancier concerné. Les créanciers, en particulier les fournisseurs et les employés, mais aussi les marchés dans leur ensemble, doivent être protégés d’une entreprise prétendument en restructuration et dans les faits déjà matériellement insolvable. On exige donc comme condition préalable à l’entrée un justificatif de solvabilité valable encore six mois minimum et vérifié par un tiers indépendant.[14]
- Pendant la procédure de restructuration, les créances ne sont pas vérifiées. Cela favorise d’éventuelles manipulations au détriment des créanciers. Rien que les prêts de la famille et des amis, très courants dans la pratique même chez les entreprises petites et moyennes, y compris les sociétés affiliées, peuvent déjà permettre d‘atteindre la somme réclamée afin de mettre en minorité les créanciers restants.[15] L’existence matérielle et légale de ceux-ci, mais aussi d’autres créances, est souvent fragile et litigieuse. Les petits créanciers en particulier ne peuvent pas se protéger contre la manipulation.
- Le projet laisse aux États membres la décision de savoir si le débiteur doit ouvrir une procédure de faillite pendant le moratoire d’après la directive proposée, dans le cas où un motif d’insolvabilité doit être indiqué (Art. 7 al. 1 et 3). Pendant un moratoire qui concerne tous les créanciers, les créanciers ne peuvent pas lancer de procédure de faillite (Art. 7 al. 2). Les créanciers ne peuvent pas gêner, mettre fin ou influencer la procédure de restructuration à travers leurs propres requêtes.[16] Il faudrait qu’une surveillance des débiteurs soit mise en place à travers une personne indépendante des débiteurs et des créanciers et qui aurait la confiance des créanciers. Il faudrait également prévoir une commission pour représenter les intérêts des créanciers.
- Le vote pour un plan de restructuration est limité à 75% dans la directive proposée (Art. 9 al. 4). Il n’a pas été prévu une majorité en nombre mais une majorité en somme. Une minorité de groupe peut l’emporter face à une majorité de groupe (Art. 11 al. 1 b). Cela conduit au danger de voir ce type de procédure de vote dominée par les investisseurs financiers et d’autres intérêts stratégiques. Cela incité également à la manipulation des revendications ou à « l’invention » de revendications (à travers la famille et les amis ou d‘entreprises affiliées) afin d’atteindre une certaine majorité.
- La proposition de directive prévoit dans l‘Art. 17 de protéger les mesures débitrices pendant le moratoire de sorte que tous les paiements normaux de l’entreprise débitrice, la vente d’actifs uniques et les conversions en capital lors d’une éventuelle procédure de faillite soient exemptés en principe de nullité, responsabilité, procédures d’insolvabilité et poursuite pénale, au détriment de ces créanciers. C’est une incitation à l’abus. La procédure de restructuration peut ainsi être utilisée pour saper une future procédure de faillite.
5. Pas de sortie du marché malgré des pertes durables
Les crises ont en général pour origine les activités économiques. En général, des erreurs du management produisent des crises stratégiques et de liquidité. À long terme, pour parvenir à une économie saine, les entreprises qui ne réussissent pas et qui perdent de l’argent doivent soit bénéficier de la chance d’être vendues alors qu’elles sont en faillite à des entreprises qui marchent, soit quitter le marché (protection du marché). Si l‘insolvabilité est inévitable et ne peut être que ralentie par les restructurations, les chances de parvenir à créer une entreprise, ou des parties d’une entreprise, pouvant être sauvées chutent rapidement. Les fournisseurs, les clients et même les employés essentiels perdent confiance et se détournent. Lors de la procédure de faillite qui s’ensuit, les chances de sauver l’entreprise ou de la vendre s’amenuisent.
6. Légitimation absente
Du côté des associations commerciales, des syndicats, des associations industrielles et du secteur du crédit, l’ensemble des prises de position sur le projet de directive ne mettent en évidence aucune relation spécifique significative entre les règles régissant l’insolvabilité et l’absence de motivation pour investir chez les acteurs du marché.[17] Selon la longue et solide expérience de ces associations, les décisions d’investissement et ainsi la circulation libre des capitaux reposent plutôt sur l’analyse
- de la situation du marché et de la concurrence dans chaque État-membre,
- de leur infrastructure,
- de leur droit fiscal,
- de leur droit des sociétés et
- de leur droit de travail.
En revanche, les conditions de restructuration en cas de faillite n’ont qu’une importance marginale, si tel est le cas, pour une décision d’investissement. [18]
[1] http://www.vid.de/stellungnahmen/stellungnahme-des-vid-zum-vorschlag-fuer-eine-richtlinie-des-europaeischen-parlaments-und-des-rates-ueber-praeventive-restrukturierungsrahmen-die-zweite-chance-und-massnahmen-zur-steigerung-der-effiz/.
[2] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 f., S. 21 f., Erwägungsgrund (2); vgl. Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 f.; ebenfalls für die Beschränkung auf Finanzgläubiger: Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 zu Art. 4 a. E.; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 1; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 Pkt. 13.
[3] Kapitaladäquanzverordnung/Capital Requirement Regulation: Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (EU) Nr. 575/2013 v. 26.06.2013.
[4] Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f., für eine dementsprechende Anpassung des europäischen Bankenaufsichtsrechts.
[5] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7, Pkt. 1. c).
[6] Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 17 Pkt. II. 4.1.4.
[7] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (13) sowie Fact sheet der DG Justice vom Mai 2017, S.2.
[8] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 17 zu Art. 19-20.
[9] Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 6 Pkt. 3. a), weist auf die Gefahr von Folgeinsolvenzen hin.
[10] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Art. 7 Abs. 4.
[11] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 13 zu Art. 7 Abs. 4-5.
[12] Vgl. hierzu den Vermerk des Ratsvorsitzenden in Consil-ST 9316/17, S. 4.
[13] Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, Erwägungsgrund (17).
[14] Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 16, zu Pkt. 4. a) bb); Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins v. Februar 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f.; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 (für 12 Monate); Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8 Pkt. 12.
[15] Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 7, verweist zudem auf die „sehr niedrigschwellig ausgestaltete Möglichkeit der Überstimmung dissertierender Gläubigergruppen“ gemäß Richtlinienvorschlag; zumal die absolute priority rule (Art. 2 Nr. 10 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 c des Richtlinienvorschlags) den Schutz gleichrangiger Gläubiger nach einem Vorbild wie § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht sicherstellt, obschon diese Gläubiger verfassungsrechtlich mehr Schutz bedürfen als in der Insolvenz, da deren Forderungen wegen der frühen Phase der wirtschaftlichen Schwierigkeiten werthaltiger sind.
[16] Gegen die Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und -rechten: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 29 f. zu Pkt. 8. a); Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 12 f. zu Art. 7 Abs. 1-2; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. 22; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 14 Pkt. II. 3.4.; Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft v. 22.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 8; Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises v. 28.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer v. April 2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5; Stellungnahme des Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. (BAKinso) v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 2 Pkt. 5; Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e. V. (NIVD) v. 27.02.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 4; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 9 f.; Stellungnahme des Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) v. 15.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 Pkt. 3. b); Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 4 zu Art. 6 und 7; Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer v. 10.05.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 7 zu Art. 7.
[17] Vgl. nur: Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5, zu Pkt. 1; Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 f. Pkt. 2.1.; Stellungnahme des Deutschen Bundesrates v. 10.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3 Pkt. 3; Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft v. 29.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3, S. 4 Pkt. II. 1; Wirtschaftskammer Österreich (WKO) v. 31.01.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 3; auch die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie der Universität Leeds verweist auf keine belastbaren empirischen Zusammenhänge: Study on a new approach to business failure and insolvency – Comparative legal analysis of the Member States‘ relevant provisions and practices/Tender No. JUST/2014/JCOO/PR/CIVI/0075, S. 23 ff.
[18] Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand des Landes NRW v. 30.03.2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 final, S. 5 Pkt. 2.1.
Elektronische Rechtsverkehr-Verordnung (ERV): Referentenentwurf
A. Vorbemerkung
Der vorliegende Referentenentwurf einer Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (im Folgenden RefE) soll für Bürgerinnen und Bürger, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sonstige professionelle Prozessteilnehmer sowie Behörden einheitliche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten der Länder und des Bundes in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sowie mit den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern schaffen.
Das Ziel des Entwurfes, einheitliche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten zu schaffen, wird vom VID nachdrücklich unterstützt. Dies umso mehr, als dass der VID eine Initiative zu einem „Insolvenzverfahren 4.0“ ins Leben gerufen hat, deren Arbeitsgruppe Teilnehmer aus Ministerien auf Landesebene sowie aus verschiedenen öffentlich-rechtlichen Institutionen angehören.
Bereits heute enthält die Insolvenzordnung Regelungen zur maschinellen, bzw. elektronischen Verarbeitung, bzw. Übermittlung zwischen Verfahrensbeteiligten und Dritten; so u. a. zur maschinellen Herstellung und Bearbeitung von Tabellen und Verzeichnissen (§ 5 Abs. 4 InsO), zur öffentliche Bekanntmachung im Internet (§ 9 InsO), zur Forderungsanmeldung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments (§ 174 Abs. 4 InsO) sowie zur unverzüglichen elektronischen Übermittlung der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis an das Vollstreckungsgericht (§ 303a Satz 3 InsO).
Den vorgenannten Regelungen ist jedoch gemeinsam, dass es sich dabei um wenige Einzelregelungen handelt, die auch nur zum Teil die relevante Übermittlung von Informationen zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter betreffen. In der insolvenzrechtlichen Praxis erinnert derzeit vieles eher an die Zeit der Konkursordnung, so bspw. die postalische Übersendung von Berichten an das Insolvenzgericht [1] oder die massenhafte Übersendung der Forderungsanmeldungen.
Eine einheitliche, länderübergreifende und zukunftsorientierte Regelung für die elektronische Kommunikation von Insolvenzverwaltern mit den zuständigen Insolvenzgerichten ist daher zu begrüßen. Dies auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Tendenz der Übertragung hoheitlicher Aufgaben vom Insolvenzgericht auf den Insolvenzverwalter, die zu einer erheblichen Entlastung für die öffentliche Hand geführt hat (§§ 8 Abs. 3, 174, 175 InsO) und den zahlreichen (gesetzlichen) Aufklärungs-, Informations-, Auskunfts-, Prüfungs-, Überwachungs- und Tätigkeitspflichten des Insolvenzverwalters (z. B. §§ 58 Abs. 1 Satz 2, 85 Abs. 1 Satz 1, 129 ff, 148 Abs. 1, 156 Abs. 1 Satz 1, 159, 174 Abs. 1 Satz 1, 175 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 1), insbesondere gegenüber dem Insolvenzgericht.
Das Insolvenzverfahren, das als gerichtlich beaufsichtigtes Gesamtvollstreckungsverfahren ausgestaltet ist, profitiert mithin in besonderem Maße von Erleichterungen, die durch einheitliche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten geschaffen werden. Dies insbesondere bei Insolvenzverfahren über das Vermögen von Unternehmen, in denen innerhalb kürzester Zeit die Interessen aller Beteiligten, regelmäßig Lieferanten, Dienstleister, Banken und Arbeitnehmer zu wahren sind. Die Digitalisierung des Verfahrens verhindert aus Sicht des VID nicht nur Medienbrüche, sondern kann gleichsam zu kürzeren Verfahrenslaufzeiten und besseren Quoten für die Gläubiger beitragen.
B. Im Einzelnen
Die Regelungen der Verordnung gelten nach § 1 Abs. 1 RefE für die Übermittlung elektronischer Dokumente gemäß § 130a ZPO, § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO und § 52a FGO. Die Verordnung soll insbesondere den elektronischen Zugang zu allen Gerichten der Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit der Länder und des Bundes vereinheitlichen. Über § 4 InsO finden die Vorschriften der Verordnung für die Insolvenzgerichte ebenso entsprechende Anwendung wie in Verfahren nach dem in § 869 ZPO in Bezug genommenen Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. (Begründung zu § 1 Abs. 1 RefE, S. 10-11)
I. Kommunikation zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht
1. Notwendigkeit einheitlicher Regelungen für den Berufsstand der Insolvenzverwalter
Der vorliegende RefE spricht von der Schaffung technischer Rahmenbedingungen für Bürgerinnen und Bürger, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sonstige professionelle Prozessteilnehmer sowie Behörden.
Da zum Insolvenzverwalter jedoch grundsätzlich eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen ist (§ 56 I InsO), können Berufsträger nicht nur Rechtsanwälte, sondern regelmäßig auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Diplom-Wirtschafts-juristen oder Diplom-Kaufleute sein. Nicht alle in Deutschland bestellten Insolvenzverwalter verfügen damit über einen Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach, das bspw. eine automatisierte Erstellung und Übermittlung eines strukturierten Datensatzes vorsehen wird (siehe Begründung zu § 2 Abs. 2 RefE, S. 12).
Eine Definition der sog. sonstigen professionellen Prozessteilnehmer findet sich in der Verordnung nicht. Lediglich in der Begründung zu § 2 Abs. 2 RefE findet sich auf Seite 12 der Hinweis auf „die professionellen Prozessbeteiligten wie die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (…)“, die grundsätzlich verpflichtet werden, einen strukturierten Datensatz einzureichen.
Das Ziel der Verordnung, einheitliche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten der Länder und des Bundes in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten zu schaffen, kann jedoch nur erreicht werden, wenn auch für nichtanwaltliche Insolvenzverwalter, die als sog. sonstige professionelle Prozessteilnehmer einzuordnen sind, rechtzeitig die notwendigen technischen Rahmenbedingungen für die Übermittlung elektronischer Dokumente an die (Insolvenz-)gerichte geschaffen werden.
Bislang erfolgte die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Insolvenzgerichte – sofern diese daran teilnehmen – mittels Elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP), unabhängig davon, ob es sich bei den Insolvenzverwaltern um anwaltliche Berufsträger handelte oder nicht.
Am 01.01.2018 wird der EGVP-Classic-Client (EGVP-Installer) jedoch endgültig abgeschaltet und durch einen Nachfolgeclient, der nur der Verwaltung bereits empfangener Nachrichten dient und für den kein Support geleistet wird, ersetzt. Das bedeutet, dass Rechtsanwälte sodann (ausschließlich) das besondere Anwaltspostfach (beA) nutzen. Für Nutzer, die weder Rechtsanwalt noch Notar sind, d. h. die nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter werden zwar die Infrastrukturkomponenten für die Kommunikation per EGVP (die Postfächer und die Eintragungen im Verzeichnisdienst SAFE) weiterhin unverändert zur Verfügung gestellt, die Bereitstellungen einer Sende-und Empfangskomponente (EGVP-Classic-Client-Software) aber künftig den Softwareherstellern überlassen. Als mögliche Optionen kommen die Nutzung eines für den OSCI-gestützten elektronischen Rechtsverkehr registrierten Drittproduktes, die Nutzung einer eigenentwickelten EGVP-Sende- und Empfangskomponente, die Integration der EGVP-Enterprise in die Fachsoftware sowie die Bereitstellung einer spezifischen Lösung durch die zuständigen Rechenzentren oder Fachsoftwarehersteller in Betracht.[2]
Die nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter sind damit in Bezug auf die Bereitstellung einer Sende- und Empfangskomponente künftig regelmäßig auf private Dienstleister angewiesen. Dieser Umstand begegnet erheblichen grundrechtrechtlichen und europarechtlichen[3] Bedenken. So muss grundsätzlich der staatliche Auftraggeber Wege zur Verfügung stellen, um eine Berufsausübung auch der nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter zu gewährleisten. Eine Verlagerung dieser staatlichen Aufgabe auf private Dritte birgt die Gefahr, dass in der künftigen Praxis die für die Bearbeitung der – zum Teil äußerst komplexen – Insolvenzverfahren notwendigen technischen Voraussetzungen nicht, nicht rechtzeitig bzw. nur sehr kostenintensiv zur Verfügung stehen. Dies sollte unabhängig davon gelten, dass eine Nutzungspflicht zum elektronischen Rechtsverkehr erst ab 01.01.2022 – und dies auch nur für die Angehörigen des anwaltlichen Berufsstandes – besteht.[4]
Ergänzend besteht im Hinblick auf die ab 25. Mai 2018 maßgebliche europäische Datenschutzgrundverordnung die Befürchtung, dass ohne datenschutzrechtlich konforme Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr (insbesondere) für nichtanwaltliche Insolvenzverwalter erhebliche Bußgelder drohen (können).
2. Weitere technische Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs
a) Anforderungen an elektronische Dokumente (§ 2 RefE)
aa) Dateiformate (§ 2 Abs. 1 RefE)
§ 2 Abs. 1 RefE regelt, dass das elektronische Dokument entweder in durchsuchbarer, druckbarer und kopierbarer Form im PDF-Format (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 RefE) oder wenn bildliche Darstellungen im Dateiformat PDF nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, im Dateiformat TIFF (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 RefE) zu übermitteln ist. Die in § 2 Abs. 1 RefE als bezeichneten Dateiformate sind grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Vorsorglich soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass das vom AG Aachen für Regelinsolvenzverfahren seit dem 1.4.2011 erfolgreich praktizierte Pilotprojekt „ForStaB – Fortgeschriebener Standardisierter Zwischenbericht“[5], das auf eine Anwendung in ganz Nordrhein-Westfalen abzielt, ggf. mit den Inhalten des RefE kollidiert. Ziel des Pilotprojekts ist die Qualitätssicherung in Insolvenzsachen und das Bestreben, die Verfahrensabläufe im allseitigen Interesse zu optimieren. So handelt es sich beim ForStaB um eine standardisierte Form eines (Zwischen-)Berichts, der die Entwicklung der zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandenen Aktiva unter Berücksichtigung von Drittrechten sowie Zu- und Abschreibungen darstellt. Kernstück des ForStaB ist eine standardisierte Excelliste, die neben der Übertragung im Bericht zusätzlich elektronisch von Seiten der Verwalter an die Gerichte übermittelt werden soll. Dort erfolgt eine automatische Verschlagwortung und digitale Zuordnung zu den Verfahren. [6]
Das Insolvenzgericht Köln hat in einer Verwalterbesprechung am 14.3.2017, an der über 100 in Köln gelistete Insolvenzverwalter teilgenommen haben, seine aktualisierten „Kölner Leitlinien zur Zusammenarbeit mit dem Insolvenzgericht“ vorgestellt. Wesentliche Neuerung der Leitlinien war die flächendeckende Einführung des ForStaB.[7]
Dieser fortgeschriebene standardisierte Zwischenbericht bringt jedoch nur dann den erhofften Effizienzgewinn und die erhoffte Transparenz im Verfahren, wenn ein Versionsvergleich von (Excel-)Dateien möglich ist. Das durchsuchbare PDF muss daher künftig so gestaltet sein, dass es einen solchen Versionsvergleich ermöglicht.
Ergänzend sei auch darauf hingewiesen, dass an vielen Gerichten schon heute Tabellendaten in elektronischer Form übermittelt werden, die nach diesseitiger Kenntnis nicht ausschließlich als PDF formatiert sind.[8]
bb) Beifügung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes (XML)
Gemäß § 2 Abs. 2 RefE soll dem elektronischen Element ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz beigefügt werden, der die automatisierte Erfassung bestimmter Grunddaten durch die Gerichte und im weiteren Verfahren die Zuordnung des elektronischen Dokuments zu einem (bereits anhängigen) Gerichtsverfahren ermöglicht. Ein solcher Datensatz ist grundsätzlich stets beizufügen (siehe Begründung zu § 2 Abs. 2 RefE, S. 12). Ein ausnahmsweises Absehen von der Übermittlung einzelner oder aller Angaben ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände möglich. Solche besonderen Umstände können etwa vorliegen, wenn die Daten bei eilbedürftigen Vorgängen nicht rechtzeitig in Erfahrung gebracht werden können (Begründung zu § 2 Abs. 2 RefE, S. 12). Hier stellt sich die Frage, ob durch den eigenverwaltenden Schuldner (§§ 270 ff. InsO) stets die Übermittlung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes (neben der Einhaltung von Anforderungen an zulässige Dateiformate, Höchstgrenzen für die Anzahl und das Volumen elektronischer Dokumente sowie zulässige physische Datenträger) leistbar ist. Der Schuldner ist insoweit auch gehalten, (regelmäßig) die Bekanntmachungen zu den technischen Anforderungen im Bundesanzeiger oder auf der Internetseite www.justiz.de gem. § 5 RefE zu verfolgen. Bereits heute kommt es in der insolvenzrechtlichen Praxis beim eigenverwaltenden Schuldner u. a. bei der Vorlage von Verzeichnissen, der insolvenzrechtlichen Buchhaltung, der Insolvenzgeldvorfinanzierung und Weiterem zu Verzögerungen und Fehlern, die im Ergebnis oft dazu führen, dass der Sachwalter gebeten wird, diese Aufgaben für den Schuldner zu übernehmen. Eine Mitwirkung des Sachwalters bei der Kommunikation des Schuldners mit dem Insolvenzgericht ist in den Aufgaben des Sachwalters (§§ 274 Abs. 2 und 3, 275 InsO) gerade nicht vorgesehen.
b) Überschreitung von Höchstgrenzen (§ 3 RefE)
§ 3 RefE regelt für den Fall, dass die nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 RefE bekannt gemachten Höchstgrenzen für die Anzahl oder das Volumen elektronischer Dokumente nicht eingehalten werden können[9], dass die Übermittlung als Schriftsatz nach den allgemeinen Vorschriften erfolgen kann (möglichst unter Beifügung der Anlagen auf einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 RefE bekanntgemachten zulässigen physischen Datenträger).
Es ist sicherzustellen, dass die Leistungsfähigkeit der IT-Systeme künftig so angepasst wird, dass Medienbrüche aufgrund großer Dateivolumina, die zur Verringerung der Bearbeitungsgeschwindigkeit führen und unnötige Fehler erzeugen können, verhindert werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass anwaltliche Insolvenzverwalter gemäß § 130d Satz 1 ZPO und den entsprechenden Vorschriften für die Fachgerichte in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung verpflichtet sind, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument einzureichen.
c) Übermittlung elektronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur (§ 4 RefE)
Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 sieht neben dem Versehen des elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur sichere Übermittlungswege vor, auf denen die Einreichung einfach signierter elektronischer Dokumente erfolgen kann. Zur Frage, auf welchen Übermittlungswegen die qualifiziert elektronisch signierten Dokumente eingereicht werden können, enthält § 4 Absatz 1 RefE nun eine abschließende Regelung (siehe Begründung zu § 4 RefE, S. 13). So können diese auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 RefE) oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete EGVP (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 RefE) übermittelt werden.
Im Hinblick auf nichtanwaltliche Insolvenzverwalter wird bezüglich des EGVP (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 RefE) auf die Problematik der künftigen Bereitstellung einer Sende- und Empfangskomponente (EGVP-Classic-Client-Software) durch (private) Softwarehersteller und die Ausführungen unter Ziff. B. I. 1 verwiesen. In Bezug auf die Übersendung eines elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sog. sicheren Übermittlungsweg i. S. d. § 130 a Abs. 4 ZPO (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) dürfte für den nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter lediglich die Übermittlung mittels De-Mail i. S. d. § 130 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) in Betracht kommen. Auch in diesem Fall ist der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter zur Ausübung seiner ihm vom Gericht übertragenen Aufgaben auf die Dienstleistung privater Dritter angewiesen, um regelkonform auf elektronischem Weg mit dem Gericht zu kommunizieren. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. B. I. 1 verwiesen. Im Hinblick auf die Nutzung von De-Mail-Konten bestehen neben datenschutzrechtlichen, auch weitere Bedenken, wie bspw. zu dem Umstand, dass es für akkreditierte De-Mail Anbieter keine staatlichen Vorgaben zur Preisgestaltung gibt[10] oder dass für den Fall, dass der Anbieter den Geschäftsbetrieb einstellt, dieser lediglich verpflichtet ist, die De-Mail-Konten für den Nutzer für einen Zeitraum von drei Monaten abrufbar zu halten[11]. Da § 4 Abs. 2 RefE zudem künftig ausschließt, dass mehrere elektronische Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden, hilft insoweit auch der Hinweis in der Begründung (zu § 4 Abs. 2 RefE, S. 14) nicht weiter, wonach „andere professionelle Prozessbeteiligte“ ab 01.01.2018 die gleichzeitige Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur auf sicheren Übermittlungswegen (De-Mail) vornehmen können.
2. Kommunikation zwischen Insolvenzverwalter und sonstigen Verfahrensbeteiligten
Da die (gesetzlichen) Aufgaben des Insolvenzverwalters, die dieser für das Gericht übernimmt, regelmäßig in der Bestellungsurkunde konkret festgelegt sind, stellt sich die Frage, ob Insolvenzverwalter im Hinblick auf die Kommunikation mit den weiteren Verfahrensbeteiligten, d. h. Schuldner, Gläubigern und Dritten künftig „wie ein Gericht“ kommuniziert. Daran schließt sich die Frage an, ob die vorgenannten Verfahrensbeteiligten bei der elektronischen Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter denselben Anforderungen wie bei der Kommunikation mit dem Gericht, insb. im Hinblick auf Signatur und Übermittlungsweg, unterliegen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass durch den Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs die abzuwickelnden Kommunikationsmengen auch in Insolvenzverfahren um ein Vielfaches ansteigen werden. Die im VID organisierten professionellen Insolvenzverwalter übernehmen dabei schon heute eine erhebliche Filterfunktion für die Gerichte, insb. in sog. Massenverfahren.
Insolvenzverwaltern, die als „verlängerte Werkbank“ des Gerichts tätig werden, müssen daher zwingend die technischen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um den Anforderungen an künftige Entwicklungen gerecht zu werden.
In der Begründung des RefE zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (S. 12) wird explizit ausgeführt, dass die technischen Anforderungen an die elektronischen Dokumente dazu dienen sollen, die elektronische Weiterverarbeitung durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie weitere Verfahrensbeteiligte zu erleichtern. Die in § 2 RefE geregelten (technischen) Anforderungen an elektronische Elemente können nur jedoch dann fruchtbar gemacht werden, wenn Medienbrüche verhindert werden. Beispielhaft sei dazu auf den postalischen Versand der Forderungsanmeldung an die Gläubiger verwiesen. Bei einem einzigen Großverfahren wie bspw. im Falle des Billigstromanbieters Teldafax mit einer halben Million Gläubiger wurden dabei allein rund fünf Millionen Seiten verschickt.[12] Diese in Papierform eingereichten Anträge werden dann in der Verwalterkanzlei wiederum digital erfasst. Dies ist nicht nur mit einem enormen organisatorischen Aufwand verbunden, sondern belastet – zum Nachteil der Gläubiger – die Verfahrenskosten.
3. Besonderes elektronisches Behördenpostfach
Der VID begrüßt, dass das besondere elektronische Behördenpostfach künftig nicht nur für die Kommunikation der Behörden mit den Gerichten genutzt wird, sondern die Verordnung die Kommunikation zwischen Behörden und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten über das besondere elektronische Behördenpostfach künftig nicht ausschließt. (Begründung RefE zu § 6, S. 16) Der Hinweis in der Begründung ist jedoch insoweit unzureichend, als dass die Nutzung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs selbstverständlich auch den sonstigen professionellen Prozessteilnehmern (wie nichtanwaltlichen Insolvenzverwaltern) ermöglicht werden sollte.
C. Fazit
Im Kontext der vorgestellten Verordnung regen wir die Prüfung folgender Punkte an:
- Die Berufsausübung nichtanwaltlicher Insolvenzverwalter darf nicht durch Hemmnisse bei der elektronischen Kommunikation mit den Insolvenzgerichten erschwert werden.
- Die Gewährleistung einer reibungslosen elektronischen Kommunikation der Insolvenzverwalter mit den Insolvenzgerichten ist Aufgabe des Gesetzgebers, der sich zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der (auch nichtanwaltlichen) Insolvenzverwalter bedient. Ein Verweis auf kostenpflichtige Dienstleistungen privater Unternehmen ist unzureichend.
- Die Modernisierung des Verfahrens hin zu einem „Insolvenzverfahren 4.0“[13] ist nur dann möglich, wenn einheitliche Lösungen für alle gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter sichergestellt sind.
[1] Siehe auch: Handelsblatt vom 19. Juli 2016, Nr. 137, „Wie zu Zeiten von 1877“, Interview mit Dr. Christoph Niering.
[2] <http://www.egvp.de/> (Stand: 10.05.2017).
[3] Vgl. bereits Oliver Sabel/Klaus Wimmer in ZIP 2008, 2097 ff., Die Auswirkungen der europäischen Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters.
[4] Vgl. Art. 26 (7) des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 10.10.2013.
[5] Vgl. Nicole Langer / Winfried Bausch in ZInsO 2011, 1287–1292, Die fortschreibende Rechnungslegung im Rahmen standardisierter Gutachten und Zwischenberichte.
[6] <http://bak-inso.de/index.php?option=com_kunena&func=view&catid=2&id=55&Itemid=0> (Stand 10.05.2017).
[7] ZInsO 2017, 637–642, Kölner Leitlinien zur Zusammenarbeit mit dem Insolvenzgericht.
[8] Vgl. Kölner Leitlinien zur Zusammenarbeit mit dem Insolvenzgericht, a.a.O., die unter „II. Insolvenztabelle, Ziff. 1 und 2“ keine ausdrückliche Formatvorgabe für elektr. Tabellendaten vorsehen.
[9] Vgl. Begründung zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 ERV RefE, wonach beim EGVP aktuell gleichzeitig bis zu 100 Dokumente mit einem Gesamtvolumen von 30 Megabyte eingereicht werden können.
[10] Information der Abteilung IT des Bundesministerium des Innern im Auftrag des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik zur De-Mail (22. Wie viel kostet der De-Mail-Versand?) unter <http://www.cio.bund.de/Web/DE/Innovative-Vorhaben/De-Mail/Haeufig-gestellte-Fragen/haeufig_gestellte_fragen_node.html#doc4623430bodyText20> (Stand: 10.05.2017).
[11] Information der Abteilung IT des Bundesministerium des Innern im Auftrag des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik zur De-Mail (28. Was passiert, wenn ich den Anbieter wechseln möchte oder mein Anbieter den Geschäftsbetrieb einstellt?) unter <http://www.cio.bund.de/Web/DE/Innovative-Vorhaben/De-Mail/Haeufig-gestellte-Fragen/haeufig_gestellte_fragen_node.html#doc4623430bodyText20> (Stand: 10.05.2017).
[12] Siehe Handelsblatt vom 19. Juli 2016, Nr. 137, „Wie zu Zeiten von 1877“, Interview mit Dr. Christoph Niering.
[13] Christoph Niering in INDat Report 04_2016, Insolvenzverfahren 4.0 – Plan oder Phrase?
JVEG: Vergütungsregelungen für Sachverständige
Die im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (nachfolgend JVEG) geregelten Vergütungssätze für Leistungen der von Gerichten und von Staatsanwaltschaften herangezogenen Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer regelt § 9 JVEG.
9 Abs. 1 JVEG sieht dazu die Eingruppierung der Sachverständigenleistungen in 13 Honorargruppen sowie drei weiteren medizinisch/psychologischen Honorargruppen vor. Die jeweiligen Honorargruppen des § 9 Abs. 1 JVEG werden mit ihren Stundenhonoraren in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG den einzelnen Sachgebietsbezeichnungen zugeordnet. Die vorgenannten Vergütungssätze wurden zuletzt mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (nachfolgend KostRMoG) der Marktentwicklung angepasst. Im Mittelpunkt der Anpassung stand dabei die Anlage 1 zu § 9 JVEG.
Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit der Frage, ob seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG bezüglich der in der Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1) zum JVEG festgelegten Sachgebietsübersicht aus insolvenzrechtlicher Sicht Anpassungsbedarf besteht.
1. Der insolvenzrechtliche Sachverständige
Bei jährlich rund 21.500 Unternehmensinsolvenzen[1] werden regelmäßig Sachverständige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO bestellt.
Die in Insolvenzverfahren bestellten Sachverständigen gehören damit zur Gruppe der häufig bestellten Sachverständigen in Deutschland. Die Anzahl der gerichtlichen Sachverständigengutachten in Zivil-, Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichten sowie in FamFG-Verfahren wird auf jährlich 300.000 geschätzt, davon 30.000 in Zivil-, Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsverfahren sowie 270.000 in FamFG-Verfahren zzgl. weiterer 95.000 Gutachten in sozialgerichtlichen Verfahren, insgesamt mithin 395.000 Sachverständigengutachten pro Jahr (BR-Drs. 438/15: Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 3).
2. Die bisherige Vergütung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen
Bereits 2003 wurde zum Entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes seitens der Gerichte mit Verwunderung festgestellt, dass die Tätigkeit des Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren in die Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG nicht aufgenommen wurde, obwohl es sich quantitativ „um die häufigste Tätigkeit von Sachverständigen in einem Gerichtsverfahren“ handelt (Schmerbach in ZinsO 2003, 882 ff.).
Der insolvenzrechtliche Sachverständige ist auch nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG nicht in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG berücksichtigt, so dass es an einer eigenen Honorargruppe für den Sachverständigen in Insolvenzsachen weiterhin fehlt. Dieser Zustand ist dringend reformbedürftig.
Im Rahmen der Bestellung von insolvenzrechtlichen Sachverständigen durch die Gerichte ist zwischen dem sog. isolierten Sachverständigen und dem Sachverständigen, der zugleich als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, zu differenzieren:
a) vorläufiger Insolvenzverwalter-Sachverständiger
Für den vorläufigen Insolvenzverwalter-Sachverständigen findet sich in § 9 Abs. 2 JVEG lediglich nachfolgende Regelung:
„Beauftragt das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Insolvenzordnung, auch in Verbindung mit § 22 Absatz 2 der Insolvenzordnung), beträgt das Honorar in diesem Fall abweichend von Absatz 1 für jede Stunde 80 Euro.“ Dies entspricht der Honorargruppe 4.
Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes zum 2. KostRMoG (BT-Drs. 17/11471 (neu) vom 14.11.2012) geht der Gesetzgeber nach wie vor davon aus, „dass es sich bei der Sachverständigentätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters um eine Sachverständigentätigkeit eigener Art handelt, für die es keine Marktpreise gibt und die nicht einem Sachgebiet im Sinne des § 9 Abs. 1 JVEG zugeordnet werden kann (Bundestagsdrucksache 15/2487 S. 139). Mit der Regelung sollte der besonderen Situation des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechnung getragen werden, der zusätzlich seine Vergütung für die Insolvenzverwaltertätigkeit erhält.“
Der Gesetzgeber hat nach der vorgenannten Gesetzbegründung jedenfalls erkannt, dass es sich bei der Sachverständigentätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters um eine Sachverständigentätigkeit eigener Art handelt. Er hat es im Rahmen der o.g. Reform zur Modernisierung des Kostenrechts jedoch versäumt, ein eigenes Sachgebiet für Insolvenzgutachten in der Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1) JVEG zu schaffen und die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalter-Sachverständigen den tatsächlichen Gegebenheiten ausreichend anzupassen.
b) isolierter Sachverständiger
Eine gesonderte Regelung für den sog. isolierten Sachverständigen wurde auch mit Inkrafttreten des 2. KostRMoG weder in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG, noch sonst in § 9 JVEG vorgesehen.
Hinsichtlich der Vergütung desselben war „nach herrschenden Meinung auch § 9 Abs. 2 JVEG a.F. auf den isolierten Sachverständigen nicht anzuwenden, sondern ausschließlich § 9 Abs. 1 Satz 3 und 4 a.F. (…). Somit war die Tätigkeit des gerichtlich beauftragten Sachverständigen nach billigem Ermessen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG unter Berücksichtigung der in diesem Bereich allgemein erzielbaren Stundensätze einer Honorarstufe zuzuordnen. Auch die gesetzliche Neufassung [durch das 2. KostRMoG] hat hieran nichts geändert, sodass die Vergütung des isolierten Sachverständigen in Insolvenzangelegenheiten nach billigem Ermessen durch die Gerichte festzulegen ist“ (Lorenz in Lorenz/Klanke, InsVV-GKK-RVG, 2. Auflage 2014, § 11 InsVV, Rn. 147).
Zwar hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des 2. KostRMoG (BT-Drs. 17/11471 (neu) vom 14.11.2012 ausgeführt: „Im Fall einer isolierten Gutachtertätigkeit soll sich das Honorar jedoch ausschließlich nach Abs. 1 [des § 9 JVEG] bemessen. Dies wird zukünftig regelmäßig ein Sachgebiet sein, dass in der neuen Sachgebietsliste unter Nummer 6 aufgeführt ist.“
Die Praxis zeigt jedoch, dass die Rechtsprechung vollkommen unterschiedliche Stundensätze zugesteht (ZinsO 2017, 403 f.):
- 75 € (LG Frankenthal, ZinsO 2016, 1388)
- 95 € (AG Darmstadt, NZI 2014, 164; OLG Frankfurt/M., Az. 26 W 52/14, Beschl. v. 02.2015)
- 105 € (AG Stuttgart, NZI 2014, 227 m. Anm. Keller)
- 115 € (OLG Karlsruhe, ZinsO 2016, 355)
Die Erfahrungen der Mitglieder des VID zeigen auch, dass eine Vielzahl von Gerichten bereits im Vorfeld der Vergütungsfestsetzung signalisiert, dass Stundensätze, die über 80-90 € hinausgehen, grundsätzlich nicht zugebilligt werden.
Bei der Entscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen wird auch nicht auf die konkrete Tätigkeit des isolierten Sachverständigen im Einzelfall, sondern – aufgrund des eingefügten Passus in § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG – auf die „Entscheidung über die Heranziehung“ abgestellt. Damit gemeint ist der Beweisbeschluss, der notwendigerweise allgemein gehalten ist. Er differenziert nicht danach, ob der Schuldner über einen laufenden Geschäftsbetrieb verfügt. (AG Göttingen, Beschl. v. 26.07.2016, 71 IN 23/16 EIN in: ZinsO 2017, 403 f.)
Die Frage, ob ein laufender Geschäftsbetrieb beim Schuldner vorhanden ist und wie sich dies auf die Vergütung des (isolierten) Sachverständigen auswirkt, wird durch Rechtsprechung und Literatur ebenfalls uneinheitlich beantwortet (90,00 €/h bei Begutachtungen, die sich auf ein nicht lebensfähiges Unternehmen beziehen (Graeber in Graeber/Graeber, InsVV, 2. Aufl. 2016, § 11, Rn. 197; während seitens des AG Göttingen darauf hingewiesen wird, dass sich nicht feststellen lasse, dass bei (gerade eingestelltem) Geschäftsbetrieb die qualitativen Anforderungen an den Sachverständigen geringer sind (AG Göttingen, Beschl. v. 26.07.2016, 71 IN 23/16 EIN in: ZinsO 2017, 403 f.) und mithin die Vergütung zu reduzieren ist). Die Praxis zeigt, dass es auf die Frage, ob ein Unternehmen den Betrieb bereits eingestellt hat oder nicht, nicht ankommen kann, da auch im Falle der Einstellung des Geschäftsbetriebes das vorhandene Vermögen aufzunehmen und zu bewerten ist.
Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG sowie die Begründung im o.g. Gesetzentwurf sind daher nicht geeignet, die – mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung – bestehenden Unsicherheiten bei der Vergütung des sog. isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen zu beseitigen.
3. Ergebnis
Es bedarf daher dringend einer eigenen Sachgebietsbezeichnung für Insolvenzgutachten.
Eine Unterscheidung zwischen dem sog. isolierten Sachverständigen und dem vorläufigen Insolvenzverwalter-Sachverständigen sollte (auch im Hinblick auf die Höhe der Vergütung) entfallen, da die Tätigkeitsbereiche des Sachverständigen und des vorläufigen Insolvenzverwalters nichts miteinander zu tun haben (vgl. BGH, Beschluss vom 18.06.2009, IX ZB 97/08). So übt der Sachverständige, der gleichzeitig als vorläufiger Verwalter bestellt wird, in seiner Eigenschaft als Verwalter regelmäßig sichernde und erhaltende, jedoch keine bewertende Tätigkeiten in Bezug auf das schuldnerische Vermögen aus.
Im Hinblick auf die Höhe der Vergütung des „Sachverständigen für Insolvenzgutachten“ ist ein einheitliches Honorar i.H.v. 125,00 € /h angemessen:
Sofern der vorläufige Insolvenzverwalter vom Gericht beauftragt wird, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 9 Abs. 2 JVEG), ist in einem ersten Schritt, wie auch im Rahmen der Beauftragung des sog. isolierten Sachverständigen von diesen festzustellen, ob und in welcher Höhe (freies) Schuldnervermögen vorhanden ist.
Ob ein Insolvenzgrund vorliegt, kann im Regelfall nur mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Methoden und Erkenntnisse ermittelt werden. (Mock in Uhlenbruck, InsO-KO, § 17, Rn. 10).
Konzeptionell knüpft der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) an eine Liquiditätsbilanz und der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) an eine Vermögensbilanz an. Der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO) setzt sich wiederum aus einem exekutorischen Element (rechnerische Überschuldung) und einem prognostischen Element (Fortführungsprognose) zusammen. Die Ermittlung der rechnerischen Überschuldung setzt zunächst die Ermittlung der tatsächlich zu berücksichtigenden Aktiva und Passiva voraus (Ansatz); anschließend ist zu ermitteln, mit welchem Wert diese zu berücksichtigenden Aktiva und Passiva anzusetzen sind (Bewertung) (Mock in Uhlenbruck, InsO-KO, § 19 Rn. 26, 39, 57).
Nichts anderes geschieht auch bei der Unternehmensbewertung im klassischen Sinn. So wird dort ebenfalls der Wert ganzer Unternehmen, bzw. Unternehmensanteilen unter Anwendung der dafür entwickelten gängigen Bewertungsverfahren ermittelt.
Eine grundsätzliche Orientierung an der Höhe der Vergütung für das Sachgebiet Ziff. 6.1 („Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und verlagerungsschäden“ – Honorargruppe 11 / 115,00 €/h) der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG ist daher angezeigt. Jedoch müssen die Kenntnisse des Sachverständigen für Insolvenzgutachten zu Ansatz und Bewertung des schuldnerischen Vermögens in der Insolvenz über den der klassischen Unternehmensbewertung hinausgehen[2] und sind deshalb bei der Vergütung gesondert zu berücksichtigen.
So ist bezüglich der Höhe der Vergütung eher die Anlehnung an Ziff. 6.2 („Kapitalanlagen und private Finanzplanung“ – Honorargruppe 13 / 125,00 €/h) geboten, weil im Rahmen des prognostischen Elements der Fortführungsprognose (wonach für eine positive insolvenzrechtliche Prognose die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum wahrscheinlicher sein muss als der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) Maßstab auch die vernünftige unternehmerische Liquiditätsplanung ist.
Die Tätigkeit des Sachverständigen für Insolvenzgutachten ist mithin eines der komplexesten Sachgebiete, das neben insolvenzrechtlichen Kenntnissen auch vertiefte Kenntnisse im Steuer-, Arbeits-, Handels- und Gesellschafts-, sowie im Immobilienrecht voraussetzt.
4. Zusammenfassung
a) Es bedarf dringend einer eigenen Sachgebietsbezeichnung für Insolvenzgutachten.
b) Die Unterscheidung zwischen dem sog. isolierten Sachverständigen und dem vorläufigen Insolvenzverwalter-Sachverständigen sollte im Hinblick auf die Höhe der Vergütung entfallen.
c) Das Honorar für die Vergütung der Erstellung von Insolvenzgutachten sollte einheitlich 125,00 €/h betragen.
[1] https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/03/PD17_092_52411.html
[2] So sind hinsichtlich der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen der IHK Frankfurt/Main für Sachverständige im Bereich Unternehmensbewertung lediglich Grundkenntnisse im Insolvenzrecht und diese auch nur dann, soweit sie für Bewertungen relevant oder für die Rechtsstellung des Sachverständigen von Bedeutung sind, gefordert (vgl. unter http://www.frankfurt-main.ihk.de/pdf/recht/1350.pdf).
Gesetzesentwurf gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen – Sachverständigenanhörung
A. Vorbemerkung
Mit dem hier durch den Bundesrat eingebrachten Änderungsvorschlag zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen soll der Bundesgesetzgeber auf den Beschluss des BFH (Großer Senat) vom 28.11.2016 (GrS 1/15) reagieren, mit dem der Große Senat des BFH einen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) verworfen und einen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung festgestellt hat.
Dieser Beschluss des BFH hat wegen seiner weitreichenden Folgen für die Sanierung von Unternehmen sofort ein starkes Echo in der Fachliteratur gefunden[1].
Dort wird nahezu einstimmig eine umgehende Reaktion des Gesetzgebers gefordert um auch weiterhin bei Forderungsverzichten im Rahmen von Unternehmenssanierungen eine anschließende Belastung der Unternehmen durch die Versteuerung von Sanierungs-gewinnen zu verhindern.
Diese Belastung hat Rechtsprechung und Gesetzgeber seit 1927 beschäftigt (vgl. BFH, a.a.O. Rz. 50ff.). Im Ergebnis war man dabei trotz unterschiedlicher Ansätze immer zu einer Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gekommen, die damit seit nunmehr 90 Jahren als feste Grundlage jeder Sanierungsplanung gelten konnte[2].
Insoweit konsequent stellt der BFH in seinem Beschluss vom 28.11.2016 auch nicht das Recht des Gesetzgebers zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen oder die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses als solches in Frage, sondern verwirft lediglich die formelle Umsetzung dieser Steuerbefreiung durch ein BMF-Schreiben. Die Konsequenzen einer verzögerten oder ausbleibenden gesetzlichen Regelung wären für laufende und künftige Sanierungsanstrengungen nichtsdestoweniger dramatisch[3]. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines allgemeinen Steuererlasses nach § 227 AO ist nicht zielführend, da er unkalkulierbare Investitionshindernisse enthält, welche sowohl eine Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens aber vor allem auch eine vorinsolvenzliche Sanierung nahezu unmöglich machen.
B. Praktische Auswirkungen
Die Bedeutung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen erschließt sich durch praktische Beispiele. Drei aktuelle, in der öffentlichen Diskussion stehende Verfahren sollen dies verdeutlichen:
Aktuell befindet sich die Wöhrl AG mit rund 34 Filialen und rund 2.000 Mitarbeitern im Insolvenzverfahren. Dieses Handelsunternehmen sollte über einen Insolvenzplan saniert werden. Erforderlich ist im Bereich der Handelsunternehmen die Sanierung mit einem Insolvenzplan und damit dem Erhalt des Rechtsträgers, da nach deutschem Recht nur so die Mietverträge als wesentliches Asset eines bundesweit tätigen Filialhändlers erhalten bzw. auf einen Investor übertragen werden können. Auch die Karstadt AG als bundesweit größtes Handelsunternehmen mit 28.000 Mitarbeitern und rund 80 Filialen wurde über einen Insolvenzplan unter Anwendung des Sanierungserlasses saniert. Mit Wegfall des Sanierungserlasses besteht nunmehr die Gefahr, dass ein filialbasiertes Handelsunternehmen zerschlagen und in einem nicht unerheblichen Umfang auch Arbeitsplätze verloren gehen werden, wie dies der aktuellen Berichterstattung der Wirtschaftspresse zu entnehmen ist.[4]
Ein weiteres Beispiel ist der Erhalt von Unternehmen, dessen Bestand an die Inhaberschaft von Lizenzen gebunden ist. Der Unterzeichner selbst ist derzeit vorläufiger Insolvenzverwalter eines im Bereich Aviation (Instandsetzung von Flugzeugen) europaweit tätigen Unternehmens mit rund 600 Mitarbeitern und 30 europäischen Standorten. Der Geschäftsbetrieb kann nur weitergeführt werden, wenn auch die verschiedensten nationalen, europäischen und auch amerikanischen Lizenzen und Zulassungen der Luftfahrtbehörden weiterhin Bestand haben. Auch hier ist ein Bestand dieser Lizenzen und behördlichen Genehmigungen nur über einen Insolvenzplan und damit den Erhalt des Rechtsträgers möglich. Ohne gesetzliche Klarstellung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns wird es kaum möglich sein, den Geschäftsbetrieb im Ganzen zu erhalten. Auch hier käme anderenfalls nur eine Zerschlagung der Unternehmensgruppe in Betracht. Damit besteht keine Möglichkeit mehr, die höheren Going-Konzern-Werte zu realisieren. Hierdurch werden unmittelbar die Gläubiger in ihren Rechten betroffen. Zudem wird auch ein vollständiger Erhalt aller Arbeitsplätze bei einer Zerschlagung kaum möglich sein.
Schließlich ist der Unterzeichner auch vorläufiger Insolvenzverwalter des ehemaligen Bundesligisten Alemannia Aachen GmbH. Die Spielberechtigung des Deutschen Fußballbundes und seiner nachgeordneten Sportverbände ist nicht übertragbar. Ein Erhalt der Spielklasse ist nur über ein Insolvenzplanverfahren und damit den Erhalt des Rechtsträgers möglich. § 6 der Spielerordnung des DFB reflektiert hierauf ausdrücklich mit der sogenannten „9-Punkte-Regelung“. Ohne gesetzliche Klarheit zum Sanierungsgewinn ist es in der Regel nicht möglich, Investoren oder aber auch Sponsoren für die zukünftige Unterstützung des Fußballvereins zu gewinnen. Hiervon sind nicht nur die Profimannschaften solcher Fußballvereine betroffen, sondern auch die Jugend- und Kindermannschaften. Prominente Beispiele für eine erfolgreiche Lösung solcher Insolvenzen über einen Insolvenzplan sind u. a. Fortuna Köln, Rot-Weiss Essen.
C. Einführung eines neuen § 3a Einkommensteuergesetz
Der Bundesrat empfiehlt zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen zu Artikel 1a – Änderung des Einkommensteuergesetztes durch Einfügung eines neuen § 3a folgende Regelungen:
„§ 3a Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen
(1) Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsgewinn) sind auf Antrag steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger erfolgt.
(2) Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Absatz 1 hat zur Folge, dass
- zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellte Verlustvorträge (insbesondere § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Absatz 4, § 15a, § 23 Absatz 3, § 8d des Körperschaftsteuergesetzes) zu Beginn des Veranlagungszeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns (Sanierungsjahr) entfallen und
- im Sanierungsjahr entstehende negative Einkünfte nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen und nicht in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden können.
(3) Werden die Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung gesondert festgestellt, ist auch die Höhe des Sanierungsgewinns nach Absatz 1 gesondert festzustellen. Der Antrag nach Absatz 1 ist auch in den Fällen des Satzes 1 durch den Steuerpflichtigen bei dem nach § 19 oder § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung zuständigen Finanzamt zu stellen; in Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a der Abgabenordnung ist keine einheitliche Antragstellung der Mitunternehmer erforderlich. Wurden Verlustvorträge ohne Berücksichtigung des Absatzes 2 Nummer 1 bereits festgestellt, ist der entsprechende Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.“
Mit diesem Vorschlag wird in Abs. 1 eine Übernahme der Regelungen unter Ziffer 3 und 4 des BMF Schreibens vom 27.3.2003 umgesetzt. Diese gesetzliche Umsetzung wurde in der Fachliteratur bereits seit längerem gefordert[5] und schafft eine notwendige und rechtssichere Basis für künftige Sanierungsvergleiche.
Die Umsetzung als Steuerbefreiung ist allerdings nicht selbstverständlich. Seit den 1920er Jahren war die Technik hier im Wandel: Betriebsfremder Vorgang, Abzug vom Einkommen, Richterrecht, sachliche Unbilligkeit, Steuerfreiheit (§ 3 Nr.66a EStG 1977) und zuletzt wieder sachliche Unbilligkeit (Sanierungserlass 2003). Durch die Technik der Steuerfreiheit ist der Weg zu § 3c EStG vorgezeichnet, der durch den Vorschlag erweitert wird. Danach dürfen Kosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sanierung nicht abgezogen werden. Das erhöht die Sanierungskosten zu Lasten der Gläubiger während der Fiskus entlastet wird.
Gleichzeitig fasst die in Abs. 1 gewählte Formulierung aber den Begriff des Sanierungsgewinns scheinbar enger als bisher. Diese Einschränkung ist sofort kritisiert worden[6] und vermag nicht zu überzeugen. Einem Forderungsverzicht wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte sollten schon zur Herstellung der Rechtssicherheit ebenfalls umfasst sein. Die ausdrückliche Erwähnung der bislang im BMF-Schreiben vom 27.3.2003 unter Ziffer 3 Satz 2 aufgeführten und nicht abschließenden Beispiele für einen Schuldenerlass wäre deshalb auch hier im Gesetzestext zu empfehlen um diese Einbeziehung deutlich zu machen.
Ein Ausschluss einer betrieblichen Veranlassung der Forderungsverzichte und damit eines Sanierungsgewinns soll nach der Begründung des Vorschlags auch dann vorliegen, wenn diese nahezu ausschließlich durch Gesellschafter ausgesprochen werden (a.a.O. S. 12). Werden Unternehmen durch persönlich aufgenommene und an das Unternehmen weitergereichte Darlehen finanziert, wie dies etwa bei Neugründungen im wissenschaftsnahen Umfeld häufiger der Fall ist, wird die vorgeschlagene Gestaltung eine Sanierung solcher Unternehmen regelmäßig massiv behindern oder sogar unmöglich machen. Reichen die Verlustvorträge nicht oder greift die Mindestbesteuerung (dann entsteht ein Sanierungsgewinn trotz ausreichender Verlustvorträge), so wäre der übersteigende Sanierungsgewinn steuerpflichtig.
Mit Blick auf die Formulierung des neuen § 3a Abs.1 EStG fällt auch die Beschränkung auf die unternehmensbezogene Sanierung auf, die im Gegensatz zur bisher geltenden Rechtslage nach dem o.g. BMF-Schreiben die unternehmerbezogene Sanierung ebenso für eine Privilegierung ausschließt wie die Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen[7].
Diese Beschränkung überzeugt ebenfalls nicht. Zwar war schon nach dem o.g. BMF-Schreiben (Ziffer 2 Satz 2) keine begünstigte Sanierung anzunehmen, soweit die Schulden erlassen wurden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Ein Schuldenerlass kann jedoch auch bei natürlichen Personen (die deshalb in Ziffer 1 Satz 1 des o.g. BMF-Schreibens ausdrücklich erwähnt sind) die Unternehmensträgerschaft erhalten. Die Fähigkeit zur Unternehmensträgerschaft wird hier zutreffend nicht von einer bestimmten rechtlichen Form (juristische Person) abhängig gemacht. Ihr Erhalt sollte deshalb auch bei natürlichen Personen steuerlich begünstigt werden. Dies könnte wiederum durch eine textliche Anknüpfung an das o.g. BMF-Schreiben umgesetzt werden, in der die Ausnahmen aus Ziffer 2 Satz 2 (s.o.) übernommen werden und im Übrigen die Regelung des o.g. BMF-Schreibens erhalten bleibt.
Klarstellungsbedürftig erscheint weiter, ob in Abs. 1 wegen der Erwähnung von Betriebsvermögensmehrungen und Betriebseinnahmen nur der Betriebsvermögensvergleich oder auch die Einnahmeüberschussrechnung erfasst sein soll. Ebenfalls eindeutig (und verneinend) geklärt werden sollte die Frage, ob ein Schuldenerlass zu Sanierungszwecken der Schenkungssteuer unterliegen könnte.
Abs. 2 enthält eine wesentliche Verschärfung der bisherigen Rechtslage. Anders als der Sanierungserlass sieht er einen Verlust der Verlustvorträge vor, die nach der Verrechnung mit dem Sanierungsgewinn verbleiben. In der Begründung (a.a.O. S. 13) wird lediglich erwähnt, dass die Anwendung des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 (BStBl. I S. 240) gezeigt habe, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach Verrechnung des Sanierungsgewinns mit negativen Einkünften und Verlustvorträgen – unbeschadet von Ausgleichs- und Abzugsbeschränkungen – eine zu stundende und zu erlassende Steuer auf den Sanierungsgewinn verblieben sei.
Dies lässt sich aus der Praxis nicht bestätigen. In zahlreichen (insbes. mittleren und größeren) Fällen ergibt der Saldo nach Verrechnung von Sanierungsgewinnen mit Verlustvorträgen einen Verlustrest, der dem sanierten Unternehmen auch weiterhin zur Verfügung stehen sollte. Dies ist jedenfalls für die häufigen Fälle, in denen Neugesellschafter als Investoren in das zu sanierende oder sanierte Unternehmen eintreten wollen, von erheblicher Bedeutung. Der vorliegende Gesetzesvorschlag wird solche Investorenlösungen behindern. Er hebt zudem die gerade erst eingeführte Entschärfung durch § 8d KStG wieder auf, der durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften[8] vom 20.12.2016 eingefügt wurde und am 1.1.2017 in Kraft getreten ist[9].
D. Einfügung eines neuen § 3c Abs. 4 Einkommensteuergesetz
Weiterhin schlägt der Bundesrat die Einfügung eines neuen § 3c Abs. 4 Einkommensteuer-gesetz mit folgendem Wortlaut vor:
„(4) Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn im Sinne des § 3a in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum der Sanierungsgewinn entsteht, nicht abgezogen werden. § 3a Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend. Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben ohne Berücksichtigung des Satzes 1 bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung nach § 180 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung zugrunde gelegt, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.“
Mit dieser Regelung wird der bereits angesprochenen Umsetzung als Steuerbefreiung Rechnung getragen. Zur Frage des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs führt die Begründung (S. 14) aus:
„Betriebsvermögensminderungen und Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn stehen, sind insbesondere Zahlungen auf Besserungsscheine und Sanierungskosten. Zu den Sanierungskosten zählen dabei alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erlangung von Sanierungsbeiträgen der Gläubiger dienen (z. B. Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung). Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen tatsächlich zu einer entsprechenden Betriebsvermögensmehrung führen. So sind beispielsweise die Kosten für Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern auch dann vollumfänglich als Sanierungskosten zu beurteilen, wenn es tatsächlich nicht zu einem Vergleich mit allen Gläubigern kommt.“
Mit Blick auf die Zahlungen auf Besserungsscheine nimmt dieser Vorschlag die Regelung in Ziffer 5 des o.g. BMF-Schreibens auf. Eine Regelung zu den Sanierungskosten war dort jedoch nicht getroffen worden.
Es erscheint widersprüchlich, dass einerseits ein enger Begriff des Sanierungsgewinns (s.o.) festgeschrieben wird, der nur einen Schuldenerlass genügen lässt während andererseits alle Kosten, die auch bei weniger gravierenden Eingriffen in Gläubigerrechte entstehen können, dem strengen Abzugsverbot des neuen § 3c Abs. 4 EStG unterliegen sollen. Diese Entkoppelung führt zu dem Ergebnis, dass wirtschaftlich schonendere Maßnahmen für bestimmte Gläubiger, die oft mit einem hohen Verhandlungsaufwand verbunden sind, steuerlich „bestraft“ werden, weil sie sich nicht in einem Schuldenerlass niedergeschlagen haben.
Besondere Bedeutung erlangt dieser Vorschlag auch durch die gleichzeitig vorgeschlagenen Änderungen in § 52 EStG:
„a) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a angefügt: „(4a) § 3a ist in allen offenen Fällen anzuwenden.“
b) Dem Absatz 5 wird folgender Satz angefügt: „§ 3c Absatz 4 ist auch für Veranlagungszeiträume vor 2017 anzuwenden.“
Die Anwendung des vorgeschlagenen § 3c Abs. 4 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2017 führt zu einer rückwirkenden Abqualifizierung bereits aufgewendeter Sanierungskosten, die jedenfalls bei bereits bestandskräftigen Steuer- oder Feststellungsbescheiden verfassungsrechtlich bedenklich erscheint.
E. Beihilferechtliche Unbedenklichkeit der Neuregelung
In seinem Beschluss vom 28.11.2016 geht der BFH nur unter Rz. 150 auf das in der Fachliteratur intensiv diskutierte Problem der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit des Sanierungserlasses ein[10]. Er kommt dort zu dem Ergebnis, dass es wegen des erkannten Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keiner Stellungnahme des Großen Senats zu sich im Zusammenhang mit dem sog. Sanierungserlass stellenden beihilferechtlichen Fragen bedarf.
Die jüngere Literatur[11] geht demgegenüber mehrheitlich und zurecht davon aus, dass die Entwicklung des Sanierungserlasses auf einen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der Rechte von Gläubiger, Schuldner und Fiskus zurückzuführen ist. Sie kommt so dazu, dass der Sanierungserlass verfassungsrechtlich legitimiert ist, weil er mit seinen Kriterien Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des Schulderlasses und Sanierungsabsicht des Gläubigers eine Situation beschreibt, die zu einem verfassungsrechtlichen Ausgleich der Rechte von Gläubiger, Schuldner und Fiskus zwingt. Der Sanierungserlass ist danach auch beihilferechtlich gerechtfertigt, weil er kraft seiner verfassungsrechtlichen Legitimation zu den Grund- und Leitprinzipien des deutschen Steuersystems gehört und deshalb auch die weiteren Kriterien für die beihilferechtliche Rechtfertigung erfüllt[12].
F. Einführung eines neuen § 3a Gewerbesteuergesetz
Erstmalig soll die Steuerfreiheit nach dem Vorschlag des Bundesrates auch im Gewerbesteuerrecht Niederschlag finden, durch die Einführung eines neuen § 3a Gewerbesteuergesetz mit folgendem Wortlaut:
„§ 3a Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen
(1) Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsgewinn) sind auf Antrag von der Gewerbesteuer befreit, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger erfolgt. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung hat zur Folge, dass
- der zum Ende des vorangegangenen Erhebungszeitraums festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust (§ 10a) zu Beginn des Erhebungszeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns (Sanierungsjahr) entfällt und
- ein Fehlbetrag des Sanierungsjahrs in folgenden Erhebungszeiträumen nicht vom maßgebenden Gewerbeertrag abgezogen werden kann.
(2) Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem von der Gewerbesteuer befreiten Sanierungsgewinn im Sinne von Absatz 1 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon in welchem Erhebungszeitraum der Sanierungsgewinn entsteht, nicht abgezogen werden. Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben ohne Berücksichtigung des Satzes 1 bereits einem Gewerbesteuermessbescheid zugrunde gelegt, ist der entsprechende Gewerbesteuermessbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Gewerbesteuermessbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.
(3) Hinzurechnungen nach § 8 und Kürzungen nach § 9 sind für die in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 genannten Beträge ausgeschlossen, wenn ein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wird.“
Die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Neuregelung der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen entspricht einem bereits seit längerer Zeit formulierten Wunsch der Praxis. Sie wird auch hier mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich begründet, der keine Beihilfe ist und den auch die Gemeinde als Hoheitsträger schuldet, der das Erhebungsrecht für die Gewerbesteuer zusteht[13].
Sie ist umso wichtiger, als die Zuständigkeit für die Gewerbesteuer auf Ebene der Kommunen liegt. Dies bedeutet gerade bei größeren Filialunternehmen etwa im Handelsbereich, dass im Sanierungsfall die Geschäftsführung bzw. der Insolvenzverwalter mit allen beteiligten Kommunen die Frage des Sanierungsgewinnes im Einzelfall besprechen muss. Eine zum Teil kaum lösbare Aufgabe allein schon in Hinblick auf die Anzahl der beteiligten Städte und Gemeinden. Zudem verhalten sich in der Regel gerade solche Kommunen sehr ablehnend gegenüber einer sanierungsfreundlichen Entscheidung zu der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, in deren Gebiet die Geschäftstätigkeit des sanierten Unternehmens gerade nicht fortgesetzt wird. Hierdurch wird die Sanierung selbst nicht nur finanziell belastet, sondern auf der kommunalen Ebene auch für eine große Ungleichbehandlung der Beteiligten gesorgt. Die jetzt vorgeschlagene Änderung schließt diese schon seit langem bemängelte Regelungslücke.
G. Fazit
Die schnelle Reaktion des Gesetzgebers ist zu begrüßen. Sie sollte zwingend an verschiedenen Stellen nachgebessert werden. Hier ist vor allem der u.U. sanierungsfeindliche Umgang mit Verlustvorträgen zu nennen. Eine beihilfenrechtliche Problematik ist mit der Neuregelung nicht verbunden. Ein Ausbleiben einer kurzfristigen gesetzlichen Regelung wird die Existenz auch größerer Unternehmen und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen nachhaltig gefährden. Die außergerichtliche Sanierung, aber auch die Sanierung über einen Insolvenzplan, werden durch ein Ausbleiben einer verlässlichen gesetzlichen Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes dramatisch erschwert, wenn nicht sogar im Einzelfall unmöglich gemacht.
In einem weiteren Schritt sollte der Gesetzgeber die nun eingetretene Situation zum Anlass nehmen, ein möglichst konsistentes System der Besteuerung in Insolvenz- und Sanierungsverfahren zu entwickeln. Anregungen dazu hat die sog. Seer-Kommission bereits vorgelegt[14]. Diese Anregungen wurden von einem breiten Expertenspektrum aus Finanz- und Zivilgerichtsbarkeit, Steuerverwaltung, Wissenschaft und Verbänden erarbeitet und stellen eine ausgewogene Minimallösung dar, der sich der Gesetzgeber anschließen sollte.
Berlin, den 28.03.2017
Dr. Christoph Niering
Vorsitzender des VID
[1] Vgl. u. A. Kahlert/Schmidt, ZIP 2017, 503ff.; Hölzle/Kahlert, ZIP 2017, 510ff.; Lautenbach/ Röll/ Völkner, BB 2017, 643 ff.; Urteilsanmerkung Willemsen, NZI 2017,172f.
[2] Zusammenfassend hierzu der Abschlussbericht der sog. Seer-Kommission zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht, ZIP 2014, Beilage zu Heft 42, S.10 f. m. w. N.
[3] Vgl. Kahlert/Schmidt, a.a.O. S.508 ff. mit entsprechenden Beispielsfällen sowie Willemsen, a.a.O.,S.172.
[4] Handelsblatt vom 20.03.2017 „Wöhrl-Rettungspaket wird neu aufgeschnürt“.
[5] Vgl. Kahlert, ZIP 2009, 643.
[6] Vgl. etwa den Kommentar von Naumann, BB 12.2017- Seite I
[7] Vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises zur Initiative des Bundesrates zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, das Steuer- und Gewerbesteuergesetz zu ändern vom 20.3.2017.
[8] BGBl I 2016,2998
[9] Vgl. hierzu auch den Hinweis bei Willemsen, a.a.O.,S.172
[10] Vgl. Kahlert, ZIP 2016, 2107 ff.; ähnlich zuvor bereits Seer, FR 2014, 721. jeweils m. w. N.
[11] Zusammenfassend Kahlert a.a.O. S. 2110f.
[12] Kahlert, a.a.O. S. 2114
[13] Vgl. Kahlert, a.a.O. S. 2114 m. w. N.
[14] Vgl. oben Fn.2
Stellungnahme des VID zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (COM (2016) 723 final)
Nachfolgende Verbände und Institutionen haben ebenfalls eine deutschsprachige Stellungnahme abgegeben:
BAKinso – Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V – http://www.bakinso.de/
BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. – http://bdi.eu/
BDIU – Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. – http://inkasso.de/
BRAK – Bundesrechtsanwaltskammer – http://www.brak.de/
BStbK – Bundessteuerberaterkammer – https://www.bstbk.de/
Bundesrat (Beschluss) – http://www.bundesrat.de
Clearingstelle Mittelstand – http://clearingstelle-mittelstand.de/
DAV – Deutscher Anwaltverein e.V. – http://arge-insolvenzrecht.de/
DGB – http://www.dgb.de/
Die Deutsche Kreditwirtschaft – https://die-dk.de/
EIP
GDV- Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft – http://www.gdv.de/
Gravenbrucher Kreis – https://www.gravenbrucher-kreis.de/
NIVD – Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V. – http://www.nivd.de/
Wirtschaftskammer Österreich – https://www.wko.at/
ZDH – Zentralverband des Deutschen Handwerks – https://www.zdh.de/
Stellungnahme von Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID), aus Anlass des erweiterten Berichterstattergesprächs im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 17. Februar 2017 zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren
Der vorliegende Regierungsentwurf (im Folgenden RegE) zur Einpassung der Verordnung (EU) 2015/848 (im Folgenden: EuInsVO) in das deutsche Recht enthält eine Neuregelung der Vorschriften des § 13 Abs. 3 InsO-RegE und § 15a Abs. 4 InsO-RegE.
Zu den Regelungen des Entwurfs, die auch im Referentenentwurf dieses Gesetzes enthalten waren, hat der VID bereits umfangreich Stellung genommen. Auf diese Stellungnahme wird hier Bezug genommen: http://www.vid.de/stellungnahmen/stellungnahme-des-vid-zum-referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-durchfuehrung-der-verordnung-eu-2015848-ueber-insolvenzverfahren. Diese ist zudem im Anhang nochmals beigefügt.
Die oben genannten Regelungen, die im Referentenentwurf noch nicht enthalten waren, sind nun erstmalig Gegenstand der Stellungnahme.
A. Vorbemerkung
Die Anforderungen an die Angaben im Eröffnungsantrag sind durch das ESUG und die Änderungen im § 13 InsO i. V. m. § 22 a InsO erheblich gestiegen. Dies führt in der Praxis dazu, dass unvollständige Insolvenzanträge häufig vom Gericht als unzulässig zurückgewiesen werden. Bis zur Korrektur der Anträge vergehen oft mehrere Tage oder sogar Wochen.
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass zum Zeitpunkt der erstmaligen, unzulässigen Insolvenzantragstellung noch ein laufender Geschäftsbetrieb gegeben ist, im Zeitpunkt der überarbeiteten Antragstellung dann aber der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt ist. In einigen Fällen ist auch festzustellen, dass die Schuldner in Ermangelung hinreichender Sprach- oder Sachkenntnisse die Eigen-Insolvenzanträge nicht korrigieren und dann manchmal mit mehrmonatiger Verspätung Fremdanträge der Sozialversicherungsträger und Finanzämter eingehen.
Dies führt oftmals dazu, dass die Schuldner dann nicht mehr im Besitz ihrer Unterlagen sind und auch aus „dem Kopf“ keine Angaben mehr zum Betrieb und ihren Vermögensverhältnissen machen können oder wollen. Eine Vielzahl von Schuldnern hat mit dem Thema wegen der Frustration über den nicht zulässigen Insolvenzantrag auch abgeschlossen. Jedenfalls gestaltet sich die Ermittlung der Vermögensverhältnisse in diesen Fällen wesentlich schwieriger.
Der VID plädiert deshalb dafür gesetzlich vorzusehen, dass auch unvollständige Eigen-Anträge, die erkennbar den Willen einer Insolvenzeröffnung erkennen lassen, vom Gericht bearbeitet werden. Oftmals ist den Schuldnern mit Hilfe eines zu bestellenden Sachverständigen die Vervollständigung der Angaben möglich und es kann zeitnah eine sachkundige Person agieren. Für den Fall, dass auch in angemessener Frist der Schuldner nicht mit dem Sachverständigen kooperiert und auch diesem keine Unterlagen zur Verfügung stellt, gibt es bereits jetzt schon die Möglichkeit, den Insolvenzantrag dann noch als unzulässig zurück zu weisen, da dem Schuldner offensichtlich das Interesse an der Durchführung des Verfahrens fehlt.
B. Im Einzelnen
1. Artikel 2 – Änderung der Insolvenzordnung
1.1. § 13 Abs. 3 InsO-RegE
In Art. 2 des aktuellen Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren soll nun § 13 InsO durch einen neuen Absatz 3 ergänzt werden:
(3) Ist der Eröffnungsantrag unvollständig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller auf, das Fehlende innerhalb einer Frist von höchstens drei Wochen zu ergänzen. Handelt es sich um einen Eröffnungsantrag des Schuldners und ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft im Sinne des § 15a Absatz 1 Satz 2, so ist ihm die gerichtliche Aufforderung zuzustellen.“
Die Regelung erscheint sinnvoll. Sie greift die in der Vorbemerkung geschilderten Probleme und die gelebte Praxis vieler Insolvenzgerichte auf.
Darüber hinaus käme eine ergänzende Unterstützung der Antragsteller in Betracht, die auch auf bestimmte Konstellationen (Schuldner, die nicht dem Kriterium des § 13 Abs. 3 Satz 2 n.F. unterfallen) beschränkt werden könnte. Eine solche Unterstützung könnte im Auftrag des Gerichts an den bestellten Gutachter zur weiteren Sachaufklärung der durch den unvollständigen Insolvenzantrag nicht ausreichend dargelegten Antragsvoraussetzungen bestehen. Den in der Stellungnahme des Bundesrates (Drs. 654/16) geäußerten Bedenken gegenüber der Entwurfsfassung des § 13 Abs.3 InsO könnte durch eine differenzierte Unterstützung in der oben geschilderten Form begegnet werden.
Trotz der vom Bundesrat geäußerten Zweifel an der Erstreckung auf Gläubigeranträge sollte an der gesetzlichen Verankerung festgehalten werden. Die Gerichte finden zwar heute bereits mit relativ kurzen Fristen Wege zur schnellen Erledigung unzulässiger Gläubigeranträge. Die angesprochene Kritik könnte aber auch durch eine Verkürzung der Ergänzungsfrist für solche Anträge auf eine Woche aufgenommen werden. Ob dies dann besser in § 14 InsO statt in § 13 InsO anzusiedeln wäre, dürfte demgegenüber eine nachgeordnete Rolle spielen. Einer Verankerung in § 13 InsO, so wie sie die Entwurfsfassung vorsieht, könnte jedenfalls auch durch einen entsprechenden Verweis in § 14 Abs.2 InsO ergänzt werden.
Korrekturbedürftig erscheint die obligatorische Zustellung der Zwischenverfügung nach § 13 Abs. 3 Satz 2 InsO RegE.
Die Verfügung ist dem Schuldner zuzustellen – Normadressat des § 15a InsO ist aber der Organvertreter. Eine Zustellung an ihn erscheint deshalb folgerichtiger. Dies wiederum stünde aber im Widerspruch zum Verfahrensrecht. Denn der Organvertreter ist am Verfahren überhaupt nicht beteiligt, vielfach kennen die Gerichte dessen zustellungsfähige Anschrift auch nicht. Kein Geschäftsführer/Vorstand etc. ist verpflichtet, seine Privatanschrift mitzuteilen, (nur) damit ihm eine Zwischenverfügung, die inhaltlich die Gesellschaft betrifft, auch privat zugestellt werden kann. Sollte ein Verzicht auf die Zustellungsanordnung aus verfassungsrechtlichen Bedenken nicht in Frage kommen, wäre deshalb eine Ergänzung der in § 13 Abs.1 InsO geforderten Angaben um die zustellungsfähige Anschrift der Organvertreter sinnvoll.
Die weitergehende Digitalisierung der Insolvenzverfahren (Insolvenzverfahren 4.0[1]), wie sie zuletzt auch in Art. 28 der im November 2016 vorgeschlagenen „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU“ (COM (2016) 723 final) gefordert wird, sollte bei den Insolvenzanträgen mit bedacht werden.
In diesem Zusammenhang könnten elektronische Antragsmuster entscheidende Hilfestellungen bei der Antragstellung leisten, indem sie durch entsprechende Hinweistexte den notwendigen Inhalt von Insolvenzanträgen zugänglicher machen. Zudem kann die Möglichkeit zur Absendung des Formulars von der Ausfüllung wichtiger Felder abhängig gemacht werden.
Bereits heute finden sich Maßgaben für ein europaweit standardisiertes Formular zur Forderungsanmeldung in den Art. 55, 64 und 88 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. Bereits mit Nachricht des BMJV vom 27.04.2016 wurden die beteiligten Verbände auch um eine Stellungnahme zu dem Entwurf der Europäischen Kommission für Standardformulare nach den Artikeln 55 Abs. 1, 64 Abs. 2 der EuInsVO gebeten.
Der hier vorgelegte Entwurf sollte deshalb auch dazu genutzt werden, um weitere Erleichterungen dieses Verfahrenszugangs im deutschen Insolvenzrecht zu verankern und damit auf eine Modernisierung des Verfahrens hin zu einem Insolvenzverfahren 4.0 hinzuwirken. Im Fall der oben erwähnten Standardformulare für die Forderungsanmeldung nach Art. 55 Abs. 1 EuInsVO, deren Anwendung nach dem Wortlaut der Regelung auf ausländische Gläubiger in inländischen Verfahren begrenzt ist, drängt sich ein solcher Schritt schon zur Vermeidung einer sog. Inländerdiskriminierung in diesen Verfahren auf. Darüber hinaus sollte auch die Unterrichtungspflicht nach Art. 54 Abs.1 EuInsVO dazu Anlass geben, über einfachere Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation zwischen Verwaltern und (ausländischen) Gläubigern nachzudenken, die wegen der hier notwendigen Rechtssicherheit für alle Beteiligten gesetzlich verankert werden sollten.
Es bietet sich insoweit eine grundsätzliche Regelung in einem neu zu schaffenden § 5 Abs. 5 InsO an.
1.2. § 15 Abs. 4 InsO-RegE
Zudem wird auch § 15a Abs.4 InsO neu gefasst:
„(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
- nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
- nicht vollständig stellt und das Fehlende nicht oder nicht innerhalb von drei Wochen ab Zustellung der gerichtlichen Aufforderung nach § 13 Absatz 3 Satz 1 ergänzt.“
Diese Formulierung, die aktuell in den Kreisen der Insolvenzstrafrechtler[2] intensiv diskutiert wird, genügt möglicherweise noch nicht den Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit und Klarheit einer gesetzlichen Regelung. Ihrem Ziel nach ist sie aber zu begrüßen.
Ihre Umsetzung in der Praxis könnte problematisch werden. Dies gilt für die fehlende Harmonisierung mit den Zustellungsnormen § 8 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 InsO wie auch für die unterschiedlichen Fristen: § 13 Abs. 3 InsO RegE spricht von „höchstens drei Wochen“, § 15a Abs. 5 InsO RegE sieht starre drei Wochen vor. Im Einzelfall kann deshalb die gerichtliche Aufforderung zur Ergänzung nach § 13 Abs.3 InsO RegE eine kürzere Frist (z. B. zwei Wochen) vorsehen während eine Strafbarkeit erst an die Überschreitung der längeren Frist des § 15 a Abs. 5 InsO RegE (drei Wochen) anknüpft. Schon zur Wahrung der Straflosigkeit müsste deshalb trotz kürzerer Fristsetzung eine erst nach Fristablauf eingehende Ergänzung geprüft werden. Es empfiehlt sich deshalb eine feste Frist in beiden Fällen vorzusehen.
Alternativ wäre bedenkenswert, die Neuregelung unter Auslassung des § 13 InsO nur auf das Strafrecht zu begrenzen.
Diese Ergänzung des § 15a InsO könnte lauten:
„Die Strafbarkeit des nicht richtig gestellten Insolvenzantrags entfällt, wenn das Insolvenzverfahren aufgrund dieses Antrags eröffnet oder der Antrag mangels Masse, § 26 InsO, abgewiesen wird.“
oder, die Strafbarkeit noch weiter einschränkend:
„Der nicht richtig gestellte Insolvenzantrag ist nur dann strafbar, wenn der Antrag rechtskräftig als unzulässig abgewiesen wurde“.
Mit einer solchen Formulierung würde nicht in das Insolvenzverfahrensrecht eingegriffen, sondern nur das Strafrecht neu geregelt. Dem Willen des Gesetzgebers, den redlichen aber zunächst nachlässigen Antragsteller nicht zu bestrafen, wäre Rechnung getragen. Die möglicherweise erforderliche Zustellung ist jedenfalls mit Zustellung der Abweisungsentscheidung des Insolvenzgerichts veranlasst. Sie könnte mit einem obligatorischen Hinweis des Gerichts auf die Mängel des Antrages und die Folgen einer rechtskräftigen Abweisung verbunden werden. Dem Organvertreter steht dann die Möglichkeit offen, im Beschwerdeverfahren nachzubessern.
C. Ergänzende Anmerkungen
Insgesamt erscheint die aktuelle gesetzliche Regelung zur Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung diskussionsbedürftig. In dem bereits erwähnten Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom November 2016 wird in Art. 16 Abs. 3 gefordert:
„Die Geber von neuen Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen in einem Restrukturierungsprozess werden von der zivil-, verwaltungs- und strafrechtlichen Haftung im Zusammenhang mit einer späteren Insolvenz des Schuldners befreit, es sei denn, die Finanzierung wurde in betrügerischer Absicht oder bösgläubig gewährt.“
Diese Forderung schließt insbesondere auch die Teilnahme an einer Insolvenzverschleppung des Schuldners ein. Art. 18 dieses Richtlinienvorschlags verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Entwicklung weiterer Vorschriften zum Schutz der Gläubiger vor einer Insolvenzverschleppung: „Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften, um sicherzustellen, dass die Unternehmensleitung bei einer drohenden Insolvenz verpflichtet ist,
- a) sofort Schritte einzuleiten, um die Verluste für Gläubiger, Arbeitnehmer, Anteilseigner und sonstige Interessenträger zu minimieren;
- b) den Interessen der Gläubiger und sonstigen Interessenträger gebührend Rechnung zu tragen;
- c) angemessene Schritte einzuleiten, um eine Insolvenz abzuwenden;
- d) vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zu vermeiden, das die Rentabilität des Unternehmens gefährdet.“
Vor dem Hintergrund dieser europäisch induzierten Regelungsansätze erscheint eine erweiterte Diskussion über den Straftatbestand Insolvenzverschleppung und seine Verwirklichung geboten.
Berlin, den 16.02.2017
Dr. Christoph Niering
Vorsitzender
Anlage
[1] INDat-Report 04_2016, 14 ff; Handelsblatt vom 19.07.2016
[2] Dr. Hans Richter, ZinsO 2016, 2372-2375 vom 08.12.2016 „Strafbarkeitsbeschränkung beim Insolvenzantrag“.
