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Stellungnahme:

28.03.2017

Gesetzesentwurf gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen – Sachverständigenanhörung

Stellungnahme von Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID), im Rahmen der Sachverständigenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 29.03.2017 zum Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen (Drucksache 18/11233)

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Einführung eines neuen Artikels 1a – Weitere Änderung des Einkommensteuergesetzes durch Einfügung eines neuen § 3a (Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen) und

Einführung eines neuen Artikels 1b – Weitere Änderung des Gewerbesteuergesetzes durch Einführung eines neuen § 3a (Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen)

 

A. Vorbemerkung

Mit dem hier durch den Bundesrat eingebrachten Änderungsvorschlag zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen soll der Bundesgesetzgeber auf den Beschluss des BFH (Großer Senat) vom 28.11.2016 (GrS 1/15) reagieren, mit dem der Große Senat des BFH einen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) verworfen und einen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung festgestellt hat.

Dieser Beschluss des BFH hat wegen seiner weitreichenden Folgen für die Sanierung von Unternehmen sofort ein starkes Echo in der Fachliteratur gefunden[1].

Dort wird nahezu einstimmig eine umgehende Reaktion des Gesetzgebers gefordert um auch weiterhin bei Forderungsverzichten im Rahmen von Unternehmenssanierungen eine anschließende Belastung der Unternehmen durch die Versteuerung von Sanierungs-gewinnen zu verhindern.

Diese Belastung hat Rechtsprechung und Gesetzgeber seit 1927 beschäftigt (vgl. BFH, a.a.O. Rz. 50ff.). Im Ergebnis war man dabei trotz unterschiedlicher Ansätze immer zu einer Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gekommen, die damit seit nunmehr 90 Jahren als feste Grundlage jeder Sanierungsplanung gelten konnte[2].

Insoweit konsequent stellt der BFH in seinem Beschluss vom 28.11.2016 auch nicht das Recht des Gesetzgebers zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen oder die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses als solches in Frage, sondern verwirft lediglich die formelle Umsetzung dieser Steuerbefreiung durch ein BMF-Schreiben. Die Konsequenzen einer verzögerten oder ausbleibenden gesetzlichen Regelung wären für laufende und künftige Sanierungsanstrengungen nichtsdestoweniger dramatisch[3]. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines allgemeinen Steuererlasses nach § 227 AO ist nicht zielführend, da er unkalkulierbare Investitionshindernisse enthält, welche sowohl eine Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens aber vor allem auch eine vorinsolvenzliche Sanierung nahezu unmöglich machen.

 

B. Praktische Auswirkungen

Die Bedeutung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen erschließt sich durch praktische Beispiele. Drei aktuelle, in der öffentlichen Diskussion stehende Verfahren sollen dies verdeutlichen:

Aktuell befindet sich die Wöhrl AG mit rund 34 Filialen und rund 2.000 Mitarbeitern im Insolvenzverfahren. Dieses Handelsunternehmen sollte über einen Insolvenzplan saniert werden. Erforderlich ist im Bereich der Handelsunternehmen die Sanierung mit einem Insolvenzplan und damit dem Erhalt des Rechtsträgers, da nach deutschem Recht nur so die Mietverträge als wesentliches Asset eines bundesweit tätigen Filialhändlers erhalten bzw. auf einen Investor übertragen werden können. Auch die Karstadt AG als bundesweit größtes Handelsunternehmen mit 28.000 Mitarbeitern und rund 80 Filialen wurde über einen Insolvenzplan unter Anwendung des Sanierungserlasses saniert. Mit Wegfall des Sanierungserlasses besteht nunmehr die Gefahr, dass ein filialbasiertes Handelsunternehmen zerschlagen und in einem nicht unerheblichen Umfang auch Arbeitsplätze verloren gehen werden, wie dies der aktuellen Berichterstattung der Wirtschaftspresse zu entnehmen ist.[4]

Ein weiteres Beispiel ist der Erhalt von Unternehmen, dessen Bestand an die Inhaberschaft von Lizenzen gebunden ist. Der Unterzeichner selbst ist derzeit vorläufiger Insolvenzverwalter eines im Bereich Aviation (Instandsetzung von Flugzeugen) europaweit tätigen Unternehmens mit rund 600 Mitarbeitern und 30 europäischen Standorten. Der Geschäftsbetrieb kann nur weitergeführt werden, wenn auch die verschiedensten nationalen, europäischen und auch amerikanischen Lizenzen und Zulassungen der Luftfahrtbehörden weiterhin Bestand haben. Auch hier ist ein Bestand dieser Lizenzen und behördlichen Genehmigungen nur über einen Insolvenzplan und damit den Erhalt des Rechtsträgers möglich. Ohne gesetzliche Klarstellung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns wird es kaum möglich sein, den Geschäftsbetrieb im Ganzen zu erhalten. Auch hier käme anderenfalls nur eine Zerschlagung der Unternehmensgruppe in Betracht. Damit besteht keine Möglichkeit mehr, die höheren Going-Konzern-Werte zu realisieren. Hierdurch werden unmittelbar die Gläubiger in ihren Rechten betroffen. Zudem wird auch ein vollständiger Erhalt aller Arbeitsplätze bei einer Zerschlagung kaum möglich sein.

Schließlich ist der Unterzeichner auch vorläufiger Insolvenzverwalter des ehemaligen Bundesligisten Alemannia Aachen GmbH. Die Spielberechtigung des Deutschen Fußballbundes und seiner nachgeordneten Sportverbände ist nicht übertragbar. Ein Erhalt der Spielklasse ist nur über ein Insolvenzplanverfahren und damit den Erhalt des Rechtsträgers möglich. § 6 der Spielerordnung des DFB reflektiert hierauf ausdrücklich mit der sogenannten „9-Punkte-Regelung“. Ohne gesetzliche Klarheit zum Sanierungsgewinn ist es in der Regel nicht möglich, Investoren oder aber auch Sponsoren für die zukünftige Unterstützung des Fußballvereins zu gewinnen. Hiervon sind nicht nur die Profimannschaften solcher Fußballvereine betroffen, sondern auch die Jugend- und Kindermannschaften. Prominente Beispiele für eine erfolgreiche Lösung solcher Insolvenzen über einen Insolvenzplan sind u. a. Fortuna Köln, Rot-Weiss Essen.

 

C. Einführung eines neuen § 3a Einkommensteuergesetz

Der Bundesrat empfiehlt zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen zu Artikel 1a – Änderung des Einkommensteuergesetztes durch Einfügung eines neuen § 3a folgende Regelungen:

„§ 3a Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen

(1) Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsgewinn) sind auf Antrag steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger erfolgt.

(2) Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Absatz 1 hat zur Folge, dass

  1. zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellte Verlustvorträge (insbesondere § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Absatz 4, § 15a, § 23 Absatz 3, § 8d des Körperschaftsteuergesetzes) zu Beginn des Veranlagungszeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns (Sanierungsjahr) entfallen und
  2. im Sanierungsjahr entstehende negative Einkünfte nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen und nicht in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden können.

(3) Werden die Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung gesondert festgestellt, ist auch die Höhe des Sanierungsgewinns nach Absatz 1 gesondert festzustellen. Der Antrag nach Absatz 1 ist auch in den Fällen des Satzes 1 durch den Steuerpflichtigen bei dem nach § 19 oder § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung zuständigen Finanzamt zu stellen; in Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a der Abgabenordnung ist keine einheitliche Antragstellung der Mitunternehmer erforderlich. Wurden Verlustvorträge ohne Berücksichtigung des Absatzes 2 Nummer 1 bereits festgestellt, ist der entsprechende Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.“

 Mit diesem Vorschlag wird in Abs. 1 eine Übernahme der Regelungen unter Ziffer 3 und 4 des BMF Schreibens vom 27.3.2003 umgesetzt. Diese gesetzliche Umsetzung wurde in der Fachliteratur bereits seit längerem gefordert[5] und schafft eine notwendige und rechtssichere Basis für künftige Sanierungsvergleiche.

Die Umsetzung als Steuerbefreiung ist allerdings nicht selbstverständlich. Seit den 1920er Jahren war die Technik hier im Wandel: Betriebsfremder Vorgang, Abzug vom Einkommen, Richterrecht, sachliche Unbilligkeit, Steuerfreiheit (§ 3 Nr.66a EStG 1977) und zuletzt wieder sachliche Unbilligkeit (Sanierungserlass 2003). Durch die Technik der Steuerfreiheit ist der Weg zu § 3c EStG vorgezeichnet, der durch den Vorschlag erweitert wird. Danach dürfen Kosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sanierung nicht abgezogen werden. Das erhöht die Sanierungskosten zu Lasten der Gläubiger während der Fiskus entlastet wird.

Gleichzeitig fasst die in Abs. 1 gewählte Formulierung aber den Begriff des Sanierungsgewinns scheinbar enger als bisher. Diese Einschränkung ist sofort kritisiert worden[6] und vermag nicht zu überzeugen. Einem Forderungsverzicht wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte sollten schon zur Herstellung der Rechtssicherheit ebenfalls umfasst sein. Die ausdrückliche Erwähnung der bislang im BMF-Schreiben vom 27.3.2003 unter Ziffer 3 Satz 2 aufgeführten und nicht abschließenden Beispiele für einen Schuldenerlass wäre deshalb auch hier im Gesetzestext zu empfehlen um diese Einbeziehung deutlich zu machen.

Ein Ausschluss einer betrieblichen Veranlassung der Forderungsverzichte und damit eines Sanierungsgewinns soll nach der Begründung des Vorschlags auch dann vorliegen, wenn diese nahezu ausschließlich durch Gesellschafter ausgesprochen werden (a.a.O. S. 12). Werden Unternehmen durch persönlich aufgenommene und an das Unternehmen weitergereichte Darlehen finanziert, wie dies etwa bei Neugründungen im wissenschaftsnahen Umfeld häufiger der Fall ist, wird die vorgeschlagene Gestaltung eine Sanierung solcher Unternehmen regelmäßig massiv behindern oder sogar unmöglich machen. Reichen die Verlustvorträge nicht oder greift die Mindestbesteuerung (dann entsteht ein Sanierungsgewinn trotz ausreichender Verlustvorträge), so wäre der übersteigende Sanierungsgewinn steuerpflichtig.

Mit Blick auf die Formulierung des neuen § 3a Abs.1 EStG fällt auch die Beschränkung auf die unternehmensbezogene Sanierung auf, die im Gegensatz zur bisher geltenden Rechtslage nach dem o.g. BMF-Schreiben die unternehmerbezogene Sanierung ebenso für eine Privilegierung ausschließt wie die Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen[7].

Diese Beschränkung überzeugt ebenfalls nicht. Zwar war schon nach dem o.g. BMF-Schreiben (Ziffer 2 Satz 2) keine begünstigte Sanierung anzunehmen, soweit die Schulden erlassen wurden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Ein Schuldenerlass kann jedoch auch bei natürlichen Personen (die deshalb in Ziffer 1 Satz 1 des o.g. BMF-Schreibens ausdrücklich erwähnt sind) die Unternehmensträgerschaft erhalten. Die Fähigkeit zur Unternehmensträgerschaft wird hier zutreffend nicht von einer bestimmten rechtlichen Form (juristische Person) abhängig gemacht. Ihr Erhalt sollte deshalb auch bei natürlichen Personen steuerlich begünstigt werden. Dies könnte wiederum durch eine textliche Anknüpfung an das o.g. BMF-Schreiben umgesetzt werden, in der die Ausnahmen aus Ziffer 2 Satz 2 (s.o.) übernommen werden und im Übrigen die Regelung des o.g. BMF-Schreibens erhalten bleibt.

Klarstellungsbedürftig erscheint weiter, ob in Abs. 1 wegen der Erwähnung von Betriebsvermögensmehrungen und Betriebseinnahmen nur der Betriebsvermögensvergleich oder auch die Einnahmeüberschussrechnung erfasst sein soll. Ebenfalls eindeutig (und verneinend) geklärt werden sollte die Frage, ob ein Schuldenerlass zu Sanierungszwecken der Schenkungssteuer unterliegen könnte.

Abs. 2 enthält eine wesentliche Verschärfung der bisherigen Rechtslage. Anders als der Sanierungserlass sieht er einen Verlust der Verlustvorträge vor, die nach der Verrechnung mit dem Sanierungsgewinn verbleiben. In der Begründung (a.a.O. S. 13) wird lediglich erwähnt, dass die Anwendung des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 (BStBl. I S. 240) gezeigt habe, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach Verrechnung des Sanierungsgewinns mit negativen Einkünften und Verlustvorträgen – unbeschadet von Ausgleichs- und Abzugsbeschränkungen – eine zu stundende und zu erlassende Steuer auf den Sanierungsgewinn verblieben sei.

Dies lässt sich aus der Praxis nicht bestätigen. In zahlreichen (insbes. mittleren und größeren) Fällen ergibt der Saldo nach Verrechnung von Sanierungsgewinnen mit Verlustvorträgen einen Verlustrest, der dem sanierten Unternehmen auch weiterhin zur Verfügung stehen sollte. Dies ist jedenfalls für die häufigen Fälle, in denen Neugesellschafter als Investoren in das zu sanierende oder sanierte Unternehmen eintreten wollen, von erheblicher Bedeutung. Der vorliegende Gesetzesvorschlag wird solche Investorenlösungen behindern. Er hebt zudem die gerade erst eingeführte Entschärfung durch § 8d KStG wieder auf, der durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften[8] vom 20.12.2016 eingefügt wurde und am 1.1.2017 in Kraft getreten ist[9].

 

D. Einfügung eines neuen § 3c Abs. 4 Einkommensteuergesetz

Weiterhin schlägt der Bundesrat die Einfügung eines neuen § 3c Abs. 4 Einkommensteuer-gesetz mit folgendem Wortlaut vor:

„(4) Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn im Sinne des § 3a in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum der Sanierungsgewinn entsteht, nicht abgezogen werden. § 3a Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend. Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben ohne Berücksichtigung des Satzes 1 bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung nach § 180 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung zugrunde gelegt, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.“

 Mit dieser Regelung wird der bereits angesprochenen Umsetzung als Steuerbefreiung Rechnung getragen. Zur Frage des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs führt die Begründung (S. 14) aus:

„Betriebsvermögensminderungen und Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn stehen, sind insbesondere Zahlungen auf Besserungsscheine und Sanierungskosten. Zu den Sanierungskosten zählen dabei alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erlangung von Sanierungsbeiträgen der Gläubiger dienen (z. B. Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung). Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen tatsächlich zu einer entsprechenden Betriebsvermögensmehrung führen. So sind beispielsweise die Kosten für Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern auch dann vollumfänglich als Sanierungskosten zu beurteilen, wenn es tatsächlich nicht zu einem Vergleich mit allen Gläubigern kommt.“

Mit Blick auf die Zahlungen auf Besserungsscheine nimmt dieser Vorschlag die Regelung in Ziffer 5 des o.g. BMF-Schreibens auf. Eine Regelung zu den Sanierungskosten war dort jedoch nicht getroffen worden.

Es erscheint widersprüchlich, dass einerseits ein enger Begriff des Sanierungsgewinns (s.o.) festgeschrieben wird, der nur einen Schuldenerlass genügen lässt während andererseits alle Kosten, die auch bei weniger gravierenden Eingriffen in Gläubigerrechte entstehen können, dem strengen Abzugsverbot des neuen § 3c Abs. 4 EStG unterliegen sollen. Diese Entkoppelung führt zu dem Ergebnis, dass wirtschaftlich schonendere Maßnahmen für bestimmte Gläubiger, die oft mit einem hohen Verhandlungsaufwand verbunden sind, steuerlich „bestraft“ werden, weil sie sich nicht in einem Schuldenerlass niedergeschlagen haben.

Besondere Bedeutung erlangt dieser Vorschlag auch durch die gleichzeitig vorgeschlagenen Änderungen in § 52 EStG:

„a) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a angefügt: „(4a) § 3a ist in allen offenen Fällen anzuwenden.“

b) Dem Absatz 5 wird folgender Satz angefügt: „§ 3c Absatz 4 ist auch für Veranlagungszeiträume vor 2017 anzuwenden.“

Die Anwendung des vorgeschlagenen § 3c Abs. 4 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2017 führt zu einer rückwirkenden Abqualifizierung bereits aufgewendeter Sanierungskosten, die jedenfalls bei bereits bestandskräftigen Steuer- oder Feststellungsbescheiden verfassungsrechtlich bedenklich erscheint.

 

E. Beihilferechtliche Unbedenklichkeit der Neuregelung

In seinem Beschluss vom 28.11.2016 geht der BFH nur unter Rz. 150 auf das in der Fachliteratur intensiv diskutierte Problem der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit des Sanierungserlasses ein[10]. Er kommt dort zu dem Ergebnis, dass es wegen des erkannten Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keiner Stellungnahme des Großen Senats zu sich im Zusammenhang mit dem sog. Sanierungserlass stellenden beihilferechtlichen Fragen bedarf.

Die jüngere Literatur[11] geht demgegenüber mehrheitlich und zurecht davon aus, dass die Entwicklung des Sanierungserlasses auf einen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der Rechte von Gläubiger, Schuldner und Fiskus zurückzuführen ist. Sie kommt so dazu, dass der Sanierungserlass verfassungsrechtlich legitimiert ist, weil er mit seinen Kriterien Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des Schulderlasses und Sanierungsabsicht des Gläubigers eine Situation beschreibt, die zu einem verfassungsrechtlichen Ausgleich der Rechte von Gläubiger, Schuldner und Fiskus zwingt. Der Sanierungserlass ist danach auch beihilferechtlich gerechtfertigt, weil er kraft seiner verfassungsrechtlichen Legitimation zu den Grund- und Leitprinzipien des deutschen Steuersystems gehört und deshalb auch die weiteren Kriterien für die beihilferechtliche Rechtfertigung erfüllt[12].

 

F. Einführung eines neuen § 3a Gewerbesteuergesetz

Erstmalig soll die Steuerfreiheit nach dem Vorschlag des Bundesrates auch im Gewerbesteuerrecht Niederschlag finden, durch die Einführung eines neuen § 3a Gewerbesteuergesetz mit folgendem Wortlaut:

㤠3a Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen

(1) Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsgewinn) sind auf Antrag von der Gewerbesteuer befreit, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger erfolgt. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung hat zur Folge, dass

  1. der zum Ende des vorangegangenen Erhebungszeitraums festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust (§ 10a) zu Beginn des Erhebungszeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns (Sanierungsjahr) entfällt und
  2. ein Fehlbetrag des Sanierungsjahrs in folgenden Erhebungszeiträumen nicht vom maßgebenden Gewerbeertrag abgezogen werden kann.

(2) Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem von der Gewerbesteuer befreiten Sanierungsgewinn im Sinne von Absatz 1 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon in welchem Erhebungszeitraum der Sanierungsgewinn entsteht, nicht abgezogen werden. Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben ohne Berücksichtigung des Satzes 1 bereits einem Gewerbesteuermessbescheid zugrunde gelegt, ist der entsprechende Gewerbesteuermessbescheid insoweit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Gewerbesteuermessbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist.

(3) Hinzurechnungen nach § 8 und Kürzungen nach § 9 sind für die in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 genannten Beträge ausgeschlossen, wenn ein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wird.“

Die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Neuregelung der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen entspricht einem bereits seit längerer Zeit formulierten Wunsch der Praxis. Sie wird auch hier mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich begründet, der keine Beihilfe ist und den auch die Gemeinde als Hoheitsträger schuldet, der das Erhebungsrecht für die Gewerbesteuer zusteht[13].

Sie ist umso wichtiger, als die Zuständigkeit für die Gewerbesteuer auf Ebene der Kommunen liegt. Dies bedeutet gerade bei größeren Filialunternehmen etwa im Handelsbereich, dass im Sanierungsfall die Geschäftsführung bzw. der Insolvenzverwalter mit allen beteiligten Kommunen die Frage des Sanierungsgewinnes im Einzelfall besprechen muss. Eine zum Teil kaum lösbare Aufgabe allein schon in Hinblick auf die Anzahl der beteiligten Städte und Gemeinden. Zudem verhalten sich in der Regel gerade solche Kommunen sehr ablehnend gegenüber einer sanierungsfreundlichen Entscheidung zu der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, in deren Gebiet die Geschäftstätigkeit des sanierten Unternehmens gerade nicht fortgesetzt wird. Hierdurch wird die Sanierung selbst nicht nur finanziell belastet, sondern auf der kommunalen Ebene auch für eine große Ungleichbehandlung der Beteiligten gesorgt. Die jetzt vorgeschlagene Änderung schließt diese schon seit langem bemängelte Regelungslücke.

 

G. Fazit

Die schnelle Reaktion des Gesetzgebers ist zu begrüßen. Sie sollte zwingend an verschiedenen Stellen nachgebessert werden. Hier ist vor allem der u.U. sanierungsfeindliche Umgang mit Verlustvorträgen zu nennen. Eine beihilfenrechtliche Problematik ist mit der Neuregelung nicht verbunden. Ein Ausbleiben einer kurzfristigen gesetzlichen Regelung wird die Existenz auch größerer Unternehmen und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen nachhaltig gefährden. Die außergerichtliche Sanierung, aber auch die Sanierung über einen Insolvenzplan, werden durch ein Ausbleiben einer verlässlichen gesetzlichen Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes dramatisch erschwert, wenn nicht sogar im Einzelfall unmöglich gemacht.

In einem weiteren Schritt sollte der Gesetzgeber die nun eingetretene Situation zum Anlass nehmen, ein möglichst konsistentes System der Besteuerung in Insolvenz- und Sanierungsverfahren zu entwickeln. Anregungen dazu hat die sog. Seer-Kommission bereits vorgelegt[14]. Diese Anregungen wurden von einem breiten Expertenspektrum aus Finanz- und Zivilgerichtsbarkeit, Steuerverwaltung, Wissenschaft und Verbänden erarbeitet und stellen eine ausgewogene Minimallösung dar, der sich der Gesetzgeber anschließen sollte.

Berlin, den 28.03.2017

Dr. Christoph Niering
Vorsitzender des VID 

[1] Vgl. u. A. Kahlert/Schmidt, ZIP 2017, 503ff.; Hölzle/Kahlert, ZIP 2017, 510ff.; Lautenbach/ Röll/ Völkner, BB 2017, 643 ff.; Urteilsanmerkung Willemsen, NZI 2017,172f.

[2] Zusammenfassend hierzu der Abschlussbericht der sog. Seer-Kommission zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht, ZIP 2014, Beilage zu Heft 42, S.10 f. m. w. N.

[3] Vgl. Kahlert/Schmidt, a.a.O. S.508 ff. mit entsprechenden Beispielsfällen sowie Willemsen, a.a.O.,S.172.

[4] Handelsblatt vom 20.03.2017 „Wöhrl-Rettungspaket wird neu aufgeschnürt“.

[5] Vgl. Kahlert, ZIP 2009, 643.

[6] Vgl. etwa den Kommentar von Naumann, BB 12.2017- Seite I

[7] Vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Gravenbrucher Kreises zur Initiative des Bundesrates zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, das Steuer- und Gewerbesteuergesetz zu ändern vom 20.3.2017.

[8] BGBl I 2016,2998

[9] Vgl. hierzu auch den Hinweis bei Willemsen, a.a.O.,S.172

[10] Vgl. Kahlert, ZIP 2016, 2107 ff.; ähnlich zuvor bereits Seer, FR 2014, 721. jeweils m. w. N.

[11] Zusammenfassend Kahlert a.a.O. S. 2110f.

[12] Kahlert, a.a.O. S. 2114

[13] Vgl. Kahlert, a.a.O. S. 2114 m. w. N.

[14] Vgl. oben Fn.2

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