Eckpunktepapier zur ESUG-Evaluation

A. Vorbemerkung

Am 10.10.2018 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erstmals den „Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)“. Der Online-Veröffentlichung folgte die Präsentation der wesentlichen Studienergebnisse im BMJV. In Erinnerung bleibt das Postulat der denknotwendigen gemeinsamen Behandlung der Ergebnisse der ESUG-Studie einerseits und der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsmaßnahmen (RLE) andererseits. Eine solche Behandlung sei inhaltlich geboten und dränge sich zeitlich auf.

Nachdem die Richtlinie[1] am 26.06.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, können die Bewertung der ESUG-Studie und die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten im Lichte der Inhalte der Richtlinie erfolgen.

Die weiter bestehende Aktualität und unbestrittene Qualität der Studienergebnisse gebieten indes eine schnellstmögliche Befassung. Eine Orientierung an der Frist zur Umsetzung der Richtlinie würde den Verlust von bis zu zwei Jahren bedeuten – verlorene wertvolle Zeit, nicht nur im internationalen Wettbewerb. Sofern die Komplexität der Richtlinie solche Zeiträume erfordert, sind eine vorgelagerte politische Diskussion zur ESUG-Studie und die Entwicklung von Lösungsansätzen unerlässlich und auch möglich. Aus gutem Grund empfiehlt die Studie, „jedes vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren nur als eigenständige Option anzubieten, die folgerichtig auf das vorinsolvenzliche Stadium beschränkt ist“.

Angesichts der erwarteten Rechtsverbindlichkeit im Allgemeinen und bezüglich nationaler Spielräume bei der Implementierung des Verfahrens durch Öffnungsklauseln im Besonderen ist über die politische Diskussion hinaus sogar eine Tätigkeit des Gesetzgebers nur zu den Inhalten des ESUG denkbar.

 

B. Allgemeine Rezeption des ESUG

Die Neuerungen des ESUG haben sich aus Sicht des VID grundsätzlich bewährt. Die beabsichtigte Stärkung der Schuldner- und Gläubigerrechte, insbesondere im Hinblick auf die Auswahl des Insolvenzverwalters und Sachwalters wird nach wie vor für richtig und maßgeblich gehalten. Dies gilt ungeachtet von bekannt gewordenen Missbrauchsfällen. Da diese Ausdruck von einer grundsätzlich erkannten Missbrauchsgefahr sind, muss zum Schutz des Reformgedankens Missbrauchsfällen ausdrücklich begegnet werden.

Vor diesem Hintergrund sieht der VID gezielten – aber dringenden – Reformbedarf, insbesondere zu(r)

  •  den Anforderungen an die Eingangsvoraussetzen der Eigenverwaltung (Ziff. C.I.)
  • Vereinbarkeit von Vorschlagsrechten und Unabhängigkeit des Sachwalters (Ziff. C.II.),
  • stärkeren Verantwortlichkeit der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des (vorläufigen) Gläubigerausschusses (Ziff. C.III.),
  • Modernisierung einzelner Verfahrensregeln (Ziff. C.V.)

 

C. Reformvorschläge im Einzelnen

 

I. Die Eigenverwaltung

 

1. Schaffung eines einheitlichen vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens

1. 1. Die Parallelität von §§ 270a, 270b InsO ist zugunsten eines einheitlichen Eigenverwaltungsverfahrens aufzugeben.

1.2. Diese auch in der ESUG-Studie (S. 107) empfohlene Verschmelzung sollte unter Verzicht auf die Besonderheiten des § 270b InsO bei gleichzeitiger Erhöhung der Eingangshürden (s. Ziff. 2) erfolgen.

1.3  Eine Änderung der gesetzlichen Terminologie in der InsO ist nicht geboten. Der Begriff des „Schutzschirmverfahrens“ ist kein juristischer Fachbegriff. Seine weitere Verwendung für ein einheitliches vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren kann der Praxis überlassen bleiben. Die Einführung einer neuen – auf Sanierung – ausgerichteten Begrifflichkeit sollte zur Entwertung des Regelinsolvenzverfahrens als gleichwertigem Sanierungsinstrument vermieden werden. Empfohlen wird daher die bloße Verwendung des Begriffs „Eigenverwaltung“.

 

2. Notwendigkeit erhöhter Eingangsvoraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung

2.1. Bei Antragstellung bestehen keine fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern.

2.2. Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung und Rechnungslegung müssen erfüllt sein.

2.3. Ergebnis und Liquidität sind mittels einer bei Antragstellung fertig gestellten Ertrags- und Liquiditätsplanung mindestens für einen Zeitraum bis drei Monate nach perspektivischer Verfahrenseröffnung nachzuweisen. Die Ertrags- und Liquiditätsplanung ist unter Einschluss der insolvenzrechtlichen Besonderheiten der Eigenverwaltung, insbesondere der verfahrensbedingten Kosten (Berater, Gericht, Sachwalter, etc.) darzustellen.

2.4. Der Schuldner hat sicherzustellen, dass er oder ein beauftragter Dritter für die gesamte Dauer der Eigenverwaltung über eine den Anforderungen des § 56 InsO vergleichbare Eignung verfügt. Die Eignung ist zu vermuten, wenn eine Person, die die Voraussetzungen des § 56 erfüllt, Mitglied der Geschäftsführung ist. Die Tätigkeit dieser Person muss nachgewiesen adäquat versichert sein.

2.5. Die Haftung des Geschäftsführers in der Eigenverwaltung sowie aller weiteren zur Sicherstellung der Eignung i. S. d. Ziff. 2.4 beauftragten Personen (z. B. Generalhandlungsbevollmächtigter, CRO, etc.) ist an die Haftung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO entsprechend der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17) anzugleichen.

2.6. Zur Eignung des Schuldners zur Eigenverwaltung gehört auch die Fähigkeit zur Organisation und Umsetzung der Insolvenzgeldvorfinanzierung durch eigenes Personal  oder einen beauftragten Dritten.

2.7. Die Regelung des § 13 InsO ist dahingehend zu ergänzen, dass zu den vorgenannten Punkten Angaben zu machen sind; die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben sind zu versichern.

2.8. Fehlen diese Angaben ist der Antrag auf Eigenverwaltung offensichtlich aussichtslos (§ 270a Abs. 1 InsO). Der Gutachter / vorläufige Sachwalter hat diese Punkte zu prüfen. Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben ist dem Gericht unverzüglich anzuzeigen.

 

3. Die Abgrenzung der Befugnisse und das Rollenverständnis des Sachwalters

3.1. Die vorläufige Sachwaltung ist – sollte es bei zwei Varianten des vorläufigen Verfahrens bleiben – in beiden Verfahrensarten (§§ 270a, b InsO) öffentlich bekannt zu machen.

3.2. Die Möglichkeit der Kassenführungsbefugnis des (vorläufigen) Sachwalters in der Eigenverwaltung ist zu streichen.

 

4. Begründung von Masseverbindlichkeiten bei § 270a InsO

4.1. Die Betriebsfortführung in der Eigenverwaltung verlangt Rechtssicherheit durch die generelle Möglichkeit der Einzelermächtigung.

4.2. In einem einheitlichen Eigenverwaltungsverfahren sollte daher sowohl die Möglichkeit der Pauschalermächtigung i. S. d. § 270b Abs. 3 InsO als auch der Einzelermächtigung bestehen. Eine Neuregelung sollte dies angesichts der praktischen Bedeutung der Einzelermächtigung ungeachtet der gesetzlichen Grundlage in § 21 InsO klarstellen.

 

5. Die Bedeutung von Steuer- und Sozialversicherungsverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung bei §§ 270a, b InsO und § 55 Abs. 4 InsO

5.1. Die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO sollte abgeschafft werden, um die Sanierungschancen nicht zu verschlechtern.

5.2. Sollte das aus fiskalischen Gründen nicht opportun oder politisch nicht durchsetzbar sein, so sollte § 55 Abs. 4 InsO zur Vermeidung von Fehlanreizen auch in der vorläufigen Eigenverwaltung gelten. Nur durch den Steuervorteil (durch-)finanzierte Fortführungen verdienen nicht das Privileg der Eigenverwaltung.

 

II. Die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Sachwalters und der Einfluss der Berater

 

1. Anspruch auf Vorgespräch

Zur Vertrauensbildung für den Schuldner einerseits und für die Stärkung der gerichtlichen Kontrollfunktion für die Gläubiger andererseits sollte ein gesetzlicher Anspruch des Schuldners auf ein Vorgespräch mit dem Insolvenzgericht geschaffen werden. Dieser Anspruch setzt nicht das Erreichen bestimmter Schwellenwerte (z. B. § 22a Abs. 1 InsO) voraus.

 

2. Fortbestand von Vorschlagsrechten und Unzulässigkeit einer Beratung in allgemeiner Form

Die Vorschlagsrechte von Schuldner und vorläufigem Gläubigerausschuss zur Person des (vorläufigen) Sachwalters sollten gesetzlich konkretisiert und vereinheitlicht werden:

  • Entsprechend der derzeitigen Rechtslage wird die Unabhängigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner oder Gläubiger einen Vorschlag zur Person des Sachwalters machen (§ 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO).
  • Demgegenüber sollte auch eine nur (allgemeine) Beratung des Schuldners durch die vorgeschlagene Person vor dem Eröffnungsantrag die Unabhängigkeit ausschließen. Die Regelung des § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden.
  • Eine Bewerbung oder persönliche Vorstellung – ohne Beratung – berührt die Unabhängigkeit des potentiellen Sachwalters nicht, sondern ist Bestandteil einer professionellen Auswahl.
  • Der (vorläufige) Gläubigerausschuss hat ein Vorschlagsrecht, wenn seine Mitglieder sich einstimmig auf eine Person verständigen.
  • Die Berater des Schuldners, insbesondere die zur Sicherstellung der Eignung i. S. d. Ziff. 2.4 beauftragten Personen (C. I. 2. 5, „die Eigenverwaltung“) sollten verpflichtet werden, dem Gericht eine frühere und laufende Zusammenarbeit mit der vorgeschlagenen Person in berufsrechtlich zulässigem Umfang offenzulegen.

 

3. Notwendigkeit beruflicher Zulassung und qualifiziertes Anforderungsprofil

Es können nur vorgeschlagene Personen bestellt werden, die

  • aufgrund (noch zu schaffender) beruflicher Zulassung für die Tätigkeit als Restrukturierungs-, Insolvenz, -oder Sachwalter generell geeignet sind;
  • eine Erklärung zu allen Umständen abgeben, die keinen Zweifel an ihrer Unabhängigkeit begründen könnten;
  • auf der Grundlage einer ausführlichen Darstellung der Umstände des Einzelfalls die besondere spezifische Eignung für das jeweilige Verfahren besitzen („Anforderungsprofil“).

4. Bindungswirkung eines einstimmigen Gläubigerausschussvotums bei Einsetzung durch das Insolvenzgericht und Konstituierung vor Bestellung des vorläufigen Sachwalters

Der einstimmige Vorschlag des (vorläufigen) Gläubigerausschusses hat gegenüber dem Insolvenzgericht Bindungswirkung bezüglich der vorgeschlagenen Person, sofern

 

a) der Schuldner im Insolvenzantrag erklärt hat, dass für die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses, dessen Konstituierung und für die Beschlussfassung zur Person des vorläufigen Sachwalters ein Zeitraum von einem Werktag (ohne den Tag der Antragstellung) zur Verfügung steht, ohne dass hierdurch nach seiner Einschätzung eine nachteilige Veränderung seiner Vermögenslage zu befürchten ist,

b) alle Gläubigergruppen entsprechend der Vorgaben des § 67 InsO in einem (vorläufigen) Gläubigerausschuss vertreten sind,

c) der Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen Sachwalters in einem Beschluss nach seiner Einsetzung und Konstituierung schriftlich fixiert und entsprechend der Vorgaben der Ziff. 3 begründet ist und

d) die vorgeschlagene Person geeignet ist.

Liegt die Erklärung gemäß Ziff. 4 a) vor, hat das Insolvenzgericht obligatorisch einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, bevor es über die Bestellung des vorläufigen Sachwalters entscheidet.

Liegt eine Erklärung gemäß Ziff. 4 a) nicht vor oder scheitert die Einsetzung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses in dem Zeitraum gemäß Ziff. 4 a) ist aufgrund der hiermit verbundenen Verzögerung von einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners (§ 22a Abs. 3 Alt. 3 InsO) auszugehen und wird die fehlende Eignung zur Eigenverwaltung unwiderleglich vermutet.

Das Insolvenzgericht kann von einem einstimmigen Vorschlag abweichen, wenn die Voraussetzungen der Ziff. 4 für einen bindenden Vorschlag nicht vorliegen. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn die vorgeschlagene Person nicht geeignet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die abstrakten und / oder konkreten Eignungskriterien der Ziff. 3 nicht erfüllt sind. Das Gericht muss in diesem Fall den bereits eingesetzten (vorläufigen) Gläubigerausschuss anhören und die Ablehnung des Vorschlags schriftlich begründen.

 

III. Bildung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses

  1. Die Kompetenz der Gläubigerausschussmitglieder ist zu erhöhen. So sollten die Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses in Insolvenzsachen erfahrene Personen sein. Dies gilt nicht für Arbeitnehmervertreter.
  1. Wie auch beim (endgültigen) Gläubigerausschuss (§ 67 Abs. 3 InsO) sollten auch solche Personen zu Mitgliedern des (vorläufigen) Gläubigerausschusses bestellt werden können, die nicht Gläubiger sind. Die Regelung des § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO sollte durch Ausweitung der Verweisung auch auf § 67 Abs. 3 InsO geändert werden.
  1. Gibt das Vorgespräch im Hinblick auf die Auswahl der Ausschussmitglieder Anlass für eine Anhörung, so soll das Gericht die jeweiligen Ausschussmitglieder im Vorfeld der Einsetzung – mit der gebotenen Eile, d. h. im Zweifel telefonisch (vorzugsweise im Rahmen einer gemeinsamen Telefonkonferenz) – anhören.
  1. Die Vergütung und die Haftpflichtversicherung der Mitglieder des Gläubigerausschusses sind angemessen zu regeln und gegenüber der derzeitigen Regelung deutlich zu erhöhen.
  1. Die Rechte des (vorläufigen) Gläubigerausschusses sind durch Ergänzung eines § 270a Abs. 3 InsO zu stärken: „Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf, wenn der (vorläufige) Gläubigerausschuss dies beantragt und Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass der Fortbestand der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.“
  1. Das Gesetz sollte über die Möglichkeit der Entlassung eines Ausschussmitglieds aus wichtigem Grund (§ 70 InsO) hinaus die Möglichkeit der Amtsbeendigung vorsehen, wenn die wesentlichen Entscheidungen getroffen sind und der Verzicht auf einen Gläubigerausschuss keine Nachteile für die Gläubiger befürchten lässt.

 

IV. Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren 

  1. Der präventive Restrukturierungsrahmen ist vom Insolvenzverfahren klar begrifflich und inhaltlich abzugrenzen. Die bei der Umsetzung der EU-Richtlinie bestehenden Gestaltungsspielräume sind insbesondere in dieser Hinsicht zu nutzen.
  1. Daher sollte die Umsetzung der Richtlinie durch ein Restrukturierungsverfahren in einem eigenen Gesetz über präventive Restrukturierungsrahmen“ (PRG) erfolgen.
  1. Aus Anlass der Umsetzung der Richtlinie sollte nicht die Überschuldung als obligatorischer Insolvenzgrund abgeschafft werden. Die Überschuldung ist als Insolvenzgrund (weiterhin) sachlich gerechtfertigt und europaweit breit verankert. Die Umsetzung der Richtlinie sollte indes zum Anlass genommen werden, den Überschuldungsbegriff zu modifizieren. So sollte die Nutzung der Instrumente des präventiven Restrukturierungsrahmens bei Vorliegen einer Überschuldung die negative Fortführungsprognose ausschließen (können).

 

V. Das Insolvenzplanverfahren

1. Präklusions- oder Ausschlussklauseln für Nachzügler, §§ 259a, 259b InsO

Gläubiger, die ihre Forderungen nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet haben – so genannte Nachzügler – gefährden die Sanierung. Die durch das ESUG geschaffenen Regelungen der § 254b und § 259a, b InsO entschärfen diese Gefahr nicht hinreichend. Die Insolvenzpraxis behilft sich mit Rückstellungen und verzögerten Quotenauszahlungen nach Eintritt der besonderen Verjährung, was weder im Sinne des Schuldners noch der Gläubiger ist.

 1.1. In Übereinstimmung mit der ESUG-Studie sollte § 259b InsO jedenfalls insoweit plandispositiv sein (vgl. Option 3, S. 162), als dass der nicht am Verfahren teilnehmende (Nachzügler-)Gläubiger nachweislich über die Insolvenzeröffnung informiert und zum Erörterungs- und Abstimmungstermin geladen worden ist. In diesem Fall könnte – abgesichert durch eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit – an die Stelle der Verjährungsfrist eine für angemeldete aber bestrittene Forderungen anerkannte Ausschlussfrist treten (BGH IX ZB 65/10 in ZInsO 2010, 1448 ff.).

1.2. Die Wiedereinsetzungsmöglichkeit sollte – in Anlehnung an § 259b InsO – zeitlich begrenzt werden und ein Jahr nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses entfallen. Anders als nach der derzeitigen Fassung des § 259b InsO sollte es hierbei nicht auf die Fälligkeit der Forderung ankommen.

 

2. Vergütungsregelungen

In Übereinstimmung mit der ESUG-Studie ist festzuhalten, dass der Insolvenzplan nicht das geeignete Instrument ist, verbindlich die Verwalter-/Sachwaltervergütung zu regeln. Der Vorbehalt der gerichtlichen Festsetzung sichert die notwendige Neutralität.

2.1. Gleichwohl muss dem Wunsch der Beteiligten nach Planbarkeit zur Durchsetzung verholfen werden. Dies sollte weder durch die gesetzliche Zulassung von Vergütungsvereinbarungen noch durch die Disponibilität der §§ 63-65 InsO erfolgen. Erklärungen des Insolvenzverwalters/Sachwalters nach § 230 Abs. 3 InsO zu Maximalbeträgen auf der Grundlage eines Entwurfs des Vergütungsantrages sind schon nach geltender Rechtslage geeignet, (i) den Vorbehalt der gerichtlichen Festsetzung zu wahren und (ii) sehr weitgehende rechtsverbindliche Planbarkeit herbeizuführen. Erwägenswert wäre eine diesbezügliche gesetzgeberische Klarstellung.

2.2. Zur Schließung der vom BGH (21.07.2016 – IX ZB 70/14, 22.09.2016 – IX ZB 71/14) erkannten Lücken im Vergütungsrecht sollte ein eigenständiger gesetzlicher Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters geschaffen werden.

2.4. Die Kosten der Eigenverwaltung sind Gegenstand der Auftragsbeziehung mit der Schuldnerin. Eine Ausweitung des gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahrens auf die Kosten der Eigenverwaltung erscheint weder zulässig noch erstrebenswert. Entscheidend ist der transparente Umgang mit der Vergütung der Eigenverwaltung. Dies verlangt für die Zulassung zum Verfahren die Darstellung sämtlicher Kosten der Eigenverwaltung in der Planung (vgl. Ziff. C.I.2.2.3) und im gesamten Verfahren die Offenlegung gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss und dessen Zustimmung. Die Anlehnung der Vergütungsvereinbarung an die InsVV setzt die Definition von Zuschlagstatbeständen voraus. Dabei sind im Fall einer übertragenden Sanierung oder Liquidation auch Abschläge zu berücksichtigen, wenn das Insolvenzverfahren nicht bis zur Aufhebung nach § 200 InsO in Eigenverwaltung geführt wird, sondern ins Regelverfahren übergeleitet werden soll.

 

3. Gezielter Nachbesserungsbedarf für einzelne Regelungssituationen

3.1. Der (vorläufige) Gläubigerausschusses sollte berechtigt sein, den Sachwalter oder den Schuldner mit der Erstellung eines Insolvenzplans zu beauftragen (Ausweitung des § 284 InsO).

3.2. Die von Gesetzes wegen notwendigen Stellungnahmen gegenüber dem Insolvenzgericht sollten bereits bei Vorlage des Insolvenzplans vorliegen und nicht erst nach gerichtlicher Prüfung (Anpassung der §§ 218 Abs. 3, 232 InsO) eingeholt werden.

3.3. Es sollte verpflichtend sein, bis zum Berichts- und Prüfungstermin einen Planentwurf mit den Inhalten des § 220 Abs. 2 InsO (Gruppenbildung, Vergleichsrechnung, etc.) vorzulegen. Unterbleibt die Vorlage, ist dies schriftlich zu begründen und eine neue Vorlagefrist zu benennen.

3.4. Es bedarf erhöhter Anforderungen an die Vergleichsrechnung, insbesondere einer aktuellen Vermögensübersicht im Sinne der §§ 151, 153 InsO („nicht älter als 3 Monate“) und der ausdrücklichen Erwähnung insolvenzspezifischer Ansprüche. Weitergehende Vorgaben (Verpflichtung zum Dual Track) sind nicht sinnvoll und sollten der Prüfung im Einzelfall vorbehalten bleiben.

3.5. Aufgrund der geringen praktischen Bedeutung des Debt-Equity-Swaps wird kein Änderungsbedarf im Hinblick auf § 225a Abs. 2 InsO erkannt.

3.6. Sinnvoll wäre die Definition einer Mindestschwelle zur Annahme eines Eingriffs in die Rechte der Anteilseigner zur Vermeidung einer obligatorischen Gruppe für Planregelungen von geringer oder fehlender Eingriffsintensität (z. B. Fortsetzungsbeschluss) und nicht gewollter Obstruktions- und Transaktionsrisiken.

 

VI. Gerichtsorganisation oder Ergänzung von Rahmenbedingungen zur Zuständigkeitsprüfung

  1. Für die Insolvenz größerer Unternehmen sind die Insolvenzgerichte am Sitz des Landgerichts zuständig. Die Möglichkeit durch kurzfristige Sitzverlegung das zuständige Gericht zu umgehen („Forum Shopping“) ist generell einzuschränken.
  2. 102c § 4 Satz 2 EGInsO sollte wie folgt ergänzt werden: Die §§ 574 bis 577 der Zivilprozessordnung sowie § 6 Abs. 3 InsO gelten entsprechend.

 

Berlin, den 14.10.2019

[1] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)

 

Reformvorschläge zur InsVV

Mit den hier vorgelegten Vorschlägen zu Änderungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung InsVV möchte der VID die Dringlichkeit von Änderungen des Vergütungsrechts unterstreichen, die bereits 2014 im Vorschlag des VID zur Einführung eines Insolvenzrechtlichen Vergütungsgesetzes (InsVG)[1] umfangreich dargestellt wurden.

In Reaktion auf verschiedenste Hinweise konzentriert sich der VID hier auf das politisch kurzfristig Umsetzbare und will diesen Vorschlag als Zwischenschritt hin zu einer transparenten, angemessenen, vereinfachenden, kalkulierbaren und rechtssicheren gesetzlichen Regelung des Vergütungsrechts verstanden wissen, die sich auch am Haftungsrisiko und am Sanierungserfolg des Verwalters orientieren sollte.

Die Änderungsvorschläge sind kursiv gesetzt; soweit sie im Regelungskontext dargestellt werden, wurden die betreffenden Änderungen im Text unterstrichen. Die jeweilige Begründung steht im direkten Anschluss.

 

1. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 am Ende:

„…, die dort als maßgebliche Masse zu berücksichtigen sind.“

Begründung:

Der BGH hat erstmals in seinem Beschluss vom 23.10.2008, IX ZB 157/05, entschieden, dass der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV erwähnte Feststellungskostenbeitrag nicht mehr bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters berücksichtigt werden dürfe, wenn dieser die „Mehrvergütung“ nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV in Anspruch nehme. Aus den in diesem Beschluss zitierten Kommentarfundstellen ging zum Zeitpunkt der Entscheidung allerdings die gegenteilige Auffassung hervor.

Mit weiterem Beschluss vom 17.04.2013, IX ZB 141/11, bestätigte der IX. Zivilsenat seine ursprüngliche Entscheidung mit der Aussage, dass Feststellungskosten von der Berechnungsgrundlage abzuziehen seien, wenn sich der Verwalter für die „Sondervergütung“ gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV entscheide.

Im Beschluss vom 10.10.2013, IX ZB 169/11, heißt es dann, dass nach ständiger Rechtsprechung die „Sondervergütung“ gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV nur gewährt werden könne, wenn der „Kostenbetrag“ nicht schon Bestandteil der Berechnungsgrundlage sei.

Schon die Ausgangsentscheidung ist fehlerhaft, da es nicht der Systematik der InsVV entspricht, dass Massezuflüsse, die als reine Berechnungsgröße für eine Deckelung der Berechnungsgrundlage dienen, nach ihrer rein rechnerischen Berücksichtigung nicht mehr vergütungsrelevant sein sollen. Das Gegenteil wurde bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH im Jahre 2008 von niemandem ernsthaft vertreten, allerdings dann im April 2013 durch den Senat offenbar ohne weitere Prüfung bestätigt und schließlich im Oktober 2013 als ständige Rechtsprechung bezeichnet. Durch die vorgeschlagene Ergänzung wird sichergestellt, dass insbesondere in fremdrechtsintensiven Verfahren mit einem hohen Aufkommen an Feststellungskosten die Berechnungsgrundlage nicht gleichzeitig wieder entsprechend reduziert wird, wenn der Verwalter die Möglichkeit der Erhöhung der Berechnungsgrundlage in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV in Anspruch nimmt.

 

2. § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 am Ende:

„…, auch wenn ihnen Einnahmen gegenüberstehen“

Begründung:

In § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV ist der Grundsatz geregelt, dass weder die Kosten des Insolvenzverfahrens noch die Begleichung von Masseverbindlichkeiten bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage berücksichtigt werden. In der Praxis kommt es aber insbesondere im Zusammenhang mit Schlussrechnungsprüfungen immer wieder vor, dass bei Erstattung zuvor verauslagter Prozess-, Rechtsanwalts- bzw. Gerichtskosten sowie zuvor gezahlter Steuern in dieser Höhe ein Abzug von der Berechnungsgrundlage vorgenommen wird, obwohl diese ursprünglichen Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten geleistet worden sind und deshalb auch bei späteren vergütungsrelevanten Erstattungen diese zuvor gezahlten Masseverbindlichkeiten bzw. die spiegelbildlichen Erstattungen nicht von der Berechnungsgrundlage abgezogen werden dürfen.

Eine entsprechende Regelung war zwar früher in § 2 Nr. 3 Satz 3 VergVO enthalten, diese Vorgängerregelung ist aber nicht Gegenstand der InsVV geworden, a. A. Münchener-Kommentar-Insolvenzordnung–Riedel, 4. Auflage, § 1 InsVV Rn. 41 f. Zudem heißt es hierzu in der amtlichen Begründung des Entwurfs der InsVV offenbar irrtümlich, dass es selbstverständlich sei, dass von der Masse verauslagte Kosten, die später wieder eingehen, die Berechnungsgrundlage nicht vergrößern könnten; vergleiche dagegen AG Gera, Beschluss vom 12.06.2017, NZI 2017,48 ff. mit Anmerkungen Zimmer.

Der BGH hat zwar mit Beschlüssen vom 05.03.2015, IX ZR 164/14, EWIR 2015, 549 (Weiß) und 09.06.2016, IX ZB 27/15, entschieden, dass irrtümliche Zahlungen auf das Schuldnerkonto bzw. Insolvenz-Sonderkonto ungeachtet des daraus als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO entstehenden Bereicherungsanspruchs die Berechnungsgrundlage für die Verfahrenskosten erhöhen, den umgekehrten Fall eines „durchlaufenden Postens“ dagegen offengelassen. Die vorgeschlagene Änderung dient daher der Klarstellung und der damit verbundenen Rechtssicherheit in der Praxis.

 

3. § 2 Abs. 1 neu (Anhebung der Staffelvergütung):

„(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel

  1. von den ersten 25 000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert,
  2. von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 Euro 37 vom Hundert,
  3. von dem Mehrbetrag bis zu 250 000 Euro 13 vom Hundert,
  4. von dem Mehrbetrag bis zu 500 000 Euro 7 vom Hundert,
  5. von dem Mehrbetrag bis zu 25 000 000 Euro 2,5 vom Hundert,
  6. von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 000 Euro 1 vom Hundert,
  7. von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert.“

Begründung:

Zur Begründung dieses Vorschlags, der bereits Bestandteil des Entwurfs des VID für ein Gesetz zur Insolvenzrechtlichen Vergütung (InsVG) war, dürfen wir auf die damalige Entwurfsbegründung in Beilage 1 zu ZIP Heft 28/2014, dort S. 4 f., verweisen. Danach ergibt sich aus dem Vorschlag in der Spitze eine Vergütungserhöhung von 80 %, die bei steigender Berechnungsgrundlage sukzessive bis auf etwa 28 % absinkt. Der Vergütungsbruchteil in der Eingangsstufe, d. h. bei Berechnungsgrundlagen bis 25.000,00 € wurde trotz der für die Abwicklung dieser Kleinverfahren überproportional gestiegenen Kosten auf der bisherigen Höhe belassen, um den absehbaren Vorwurf zu vermeiden, dass durch die Vergütungserhöhung zukünftig weniger Verfahren im Interesse der Gläubiger zur Eröffnung kommen.

Ergänzend dürfen wir uns zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfangreichen Untersuchungen und Ausführungen von Zimmer, InsVV, 1. Auflage 2018, § 2, Rn. 23 ff., beziehen, die auch dem jüngst vorgelegten, allerdings abweichenden Reformvorschlag des NIVD in seinem Eckpunktepapier Vergütung zugrunde liegen; vgl. zu den Einzelheiten INDat-Report 04/2019, S. 11 ff.

 

4. § 2 Abs. 2 neu, bisheriger Absatz 2 wird Abs. 3; alternativ Anlage zur InsVV:

Stichwortartige Umschreibung des vergütungsrechtlichen Normalfalles gem. Anlage Entwurf InsVG

Begründung:

Die Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung der InsVV, insbesondere bei Bemessung von Zuschlägen und Abschlägen nach § 3 InsVV sowie bei der Abgrenzung zwischen Regelaufgaben und Sonderaufgaben des Verwalters in § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV, resultieren vor allem daraus, dass es keine einheitliche und nachprüfbare Definition des Regelfalls gibt, der in der Regelung in § 2 Abs. 1 InsVV zur Regelvergütung des Verwalters aber denknotwendig vorausgesetzt wird.

Es bietet sich daher an, in der Verordnung selbst den § 2 Abs. 1 InsVV zugrundeliegenden Regelfall zumindest stichwortartig zu definieren. Hierzu kann auf die umfangreiche Kommentarliteratur zu diesem Problem ebenso zurückgegriffen werden wie auf Anlage 1 des bereits erwähnten Entwurfs eines Gesetzes zur insolvenzrechtlichen Vergütung des VID (InsVG).

Zumindest sollte klargestellt werden, dass die Bestimmung des Regelfalls nicht von der Größe des Unternehmens oder der Höhe der Berechnungsgrundlage abhängt, so aber in jüngster Zeit ausdrücklich Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Auflage 2014, § 2, Rn. 10 ff., 35 ff. sowie tendenziell auch der BGH, z. B. in den Beschlüssen vom 22.09.2016, IX ZB. 71/14, 22.06.2017, IX ZB 91/15, wonach bei erheblicher Unternehmensgröße Konzernstrukturen und Auslandsbezüge den Normalfall darstellten und Zuschläge wegen der Unternehmensgröße nicht in Betracht kämen, da sich diese bereits im Vermögen, im „Umsatz und Gewinn“ und damit in der Berechnungsgrundlage widerspiegele. Der BGH erläutert in diesen Beschlüssen allerdings nicht, inwieweit Umsätze eines Schuldnerunternehmens und Gewinne aus der Vergangenheit Gegenstand der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters sein können. Es besteht daher Anlass zur Klarstellung, dass ein solcher „dynamischer Regelfall“ nicht dem System der InsVV entspricht. Ein Regelfall-basiertes System kann diesen Regelfall nicht einer individuellen Bestimmung im Einzelfall ausliefern.

 

5. § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 neu:

„(2) 1Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 500 Euro betragen. 2Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 200 Euro. 3Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro.“

Begründung:

Die vorgeschlagenen Erhöhungen korrelieren mit den oben unter 3. angeregten und begründeten Anpassungen.

Insbesondere die Mindestvergütung in Kleinverfahren mit bis zu 10 Gläubigern entsprach schon bei ihrer Einführung im Oktober 2004 nicht dem zuvor in empirischen Erhebungen festgestellten Kostenaufwand des Verwalters bei Abwicklung dieser Verfahren.

Mittlerweile sind fast 15 Jahre vergangen und mit der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Jahr 2014 zusätzliche Aufgaben auf den nunmehr auch in dieser Verfahrensart agierenden Insolvenzverwalter zugekommen (Anfechtungsinitiative, Verwertung Absonderungsgegenstände, etc.). Eine Erhöhung dieser bereits 2004 verfassungsrechtlich grenzwertig bemessenen Mindestvergütung ist daher überfällig. Die hier vorgeschlagenen Erhöhungen bleiben hinter den Vorschlägen des NIVD in seinem Eckpunktepapier Vergütung noch zurück.

 

6. § 3 Abs. 1 a) und b):

Jeweils ersatzlose Streichung letzter Halbsatz zur Eliminierung der Vergleichsrechnungen

Begründung:

Seit 2007 leitete der IX. Senat des Bundesgerichtshofs aus dem zweiten Halbsatz des § 3 Abs. 1 b) InsVV (… und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist) zunächst das Erfordernis einer Vergleichsrechnung für die Ermittlung des angemessenen Zuschlags auf die Vergütung des Insolvenzverwalters für die Fortführung des Unternehmens oder die Hausverwaltung ab; vgl. BGH 22.07.2007, IX ZB 106/06; IX ZB 120/06; 26.04.2007, IX ZB 160/06; 24.01.2008, IX ZB 120/07.

Noch 2011 führte der IX. Senat ausdrücklich aus, dass sich diese Vergleichsrechnung nur auf den Zuschlag nach § 3 Abs. 1 b) InsVV für Hausverwaltung und Unternehmensfortführung beziehe. Andere Zuschläge seien in die Vergleichsrechnung ausdrücklich nicht einzubeziehen; vergleiche BGH vom 12.05.2011, IX ZB 143/08.

Dies änderte sich dann mit den Beschlüssen des Senats vom 08.03.2012, IX ZB 162/11, und vom 14.11.2012, IX ZB 95/10.

Dort wurde über die bisherige Rechtsprechung hinaus der allgemeine vergütungsrechtliche Grundsatz entwickelt, dass für eine Geschäftsführung, die den Verwalter stärker als üblich in Anspruch genommen hat, ein Zuschlag festzusetzen ist, wenn durch diese Tätigkeit die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Dies gelte auch, aber nicht nur für die Ermittlung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen.

Damit wurde das zwingende Erfordernis geschaffen, für alle im Einzelfall herangezogenen Zuschlagstatbestände, die mit einer Massemehrung verbunden sind, fortan in Vergütungsanträgen ausführliche Vergleichsrechnungen vorzunehmen. Dies führte dazu, dass die Vergütungsanträge mittlerweile außerordentlich umfangreich und für die gerichtlichen Entscheidungsträger immer weniger überschaubar und nachvollziehbar sind. Die Ausweitung der Vergleichsrechnungen neutralisiert zudem den systemimmanenten Anreizfaktor der Erfolgsvergütung.

Mit einer Änderung dieser Rechtsprechung ist nicht zu rechnen, da der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 19.09.2013, IX ZB 122/11, diesen aus § 3 Abs. 1 a) und b) InsVV abgeleiteten vergütungsrechtlichen Grundsatz nochmals ausdrücklich bestätigt hat. Der Senat selbst geht insoweit von einer gefestigten Rechtsprechung aus. Ähnliches gilt für die Vorschrift des § 3 Abs. 1 a) InsVV.

Die vorgeschlagene Änderung beseitigt dieses von der Rechtsprechung aus einzelnen Vorschriften der InsVV abgeleitete angebliche umfassende System zwingender Vergleichsrechnungen und führt daher zu einer erheblichen Vereinfachung der Rechtsanwendung und wünschenswerten Rechtsklarheit.

Sie korrigiert das vom BGH aus § 3 Abs. 1 a) und b) InsVV abgeleitete Junktim, das nicht der allgemeinen Intention des ursprünglichen Verordnungsgebers entsprach, der es ansonsten nicht allein in diesen speziellen Regelungen verankert hätte. Ein Blick auf die Zuschlagstatbestände des § 3 Abs.1 d) und e) macht deutlich, dass mit Zuschlägen jedenfalls dann ein Mehraufwand unabhängig von einer dadurch möglicherweise auch erzielten Massemehrung (etwa durch einen Insolvenzplan) erfasst werden sollte, wenn dieser Mehraufwand im Einzelfall durch die Verfolgung der Ziele des Insolvenzverfahrens nach § 1 InsO gerechtfertigt ist.

  

7. § 3 Abs. 2 a) am Ende:

„… und dessen Vorarbeiten den personenidentischen späteren Insolvenzverwalter erheblich entlastet haben. Vorarbeiten eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen werden nicht berücksichtigt.“

Begründung:

Bis 2006 ging die vergütungsrechtliche Praxis mit der Verordnungsbegründung nicht zuletzt wegen des von § 3 Abs. 1 InsVV abweichenden Wortlauts des § 3 Abs. 2 InsVV davon aus, dass ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 a) InsVV nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die vorangegangene Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters den nachfolgenden personenidentischen Insolvenzverwalter erheblich entlastet hat und bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter auch zu einer deswegen erhöhten Vergütung geführt hat.

Mit seinen Entscheidungen vom 23.03.2006, IX ZB 28/05, und 11.05.2006, IX ZB 249/04, hat der BGH daraus einen Regelabschlag entwickelt, d. h. allein die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters rechtfertige regelmäßig einen Abschlag auf die Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters, auch wenn die Vergütung des vorläufigen Verwalters ohne Zuschläge geblieben sei.

Zur Begründung beruft sich der BGH in den zitierten Entscheidungen auf die angeblich in den Regelbeispielen des § 3 InsVV enthaltenen Vermutungen erheblicher Abweichungen vom Normalfall und greift hierzu als Beispiel auf die Erstellung der Vermögensübersicht und die Ermittlung der Gläubiger und Schuldner zurück, obwohl es sich dabei um spezifische Tätigkeiten des insolvenzrechtlichen Sachverständigen handelt, der bekanntlich für seine Tätigkeit nach § 11 Abs. 4 InsVV separat zu vergüten ist und dessen Tätigkeit unabhängig von der des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgeübt wird.

Dennoch ist der BGH der Auffassung, dass der Insolvenzverwalter bereits in seinem Vergütungsantrag eine solche erhebliche Entlastung aktiv widerlegen müsse, selbst wenn er als personenidentischer vorläufiger Insolvenzverwalter bzw. insolvenzrechtlicher Sachverständiger keine Vergütungszuschläge bzw. keine Vergütung nach JVEG erhalten habe. Selbst im zuletzt genannten Fall liege allein durch die Vorarbeiten des Sachverständigen beim vorläufigen Insolvenzverwalter eine Arbeitserleichterung vor, die zwingend zu einem Abschlag bei der Verwaltervergütung führen müsse.

Nachdem die Praxis dann folgerichtig dazu übergegangen war, auch bei nur isolierter Bestellung eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen den Abschlagstatbestand des § 3 Abs. 2 a) InsVV analog anzuwenden, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 18.06.2009, IX ZB 97/08, seine exzessive Rechtsprechung eingeschränkt und klargestellt, dass der Abschlagstatbestand nicht in Betracht komme, wenn im Antragsverfahren der Verwalter nur isoliert als insolvenzrechtlicher Sachverständiger tätig geworden sei.

Gleichwohl wird von den Gerichten in der Praxis immer wieder zur Rechtfertigung eines solchen Regelabschlages nach § 3 Abs. 2 a) InsVV auf die vorangegangenen Tätigkeiten eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen abgestellt. Die vorgeschlagene Ergänzung dient daher der notwendigen Klarstellung sowie der Wiederherstellung des ursprünglichen Ausnahmecharakters dieses Abschlagstatbestandes.

  

8. § 4 Abs. 1 Satz 4 neu:

„Als besondere Aufgaben gelten auch die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens und die Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen.“

Begründung:

Insbesondere bei Überprüfung von Schlussrechnungen des Verwalters bei Verfahrensabschluss wird sowohl von den Gerichten als auch von den Schlussrechnungsprüfern immer wieder gerügt, dass der Verwalter nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Durchführung des Mahnverfahrens und der Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen beauftragt und deren Honorar aus der Masse beglichen hat. Aufgrund der Möglichkeiten der elektronischen Antragstellung im gerichtlichen Mahnverfahren handle es sich dabei um eine Regelaufgabe des Verwalters, da dafür keine spezifischen Rechtskenntnisse erforderlich seien. Gleiches gelte für die Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen an Gerichtsvollzieher. Dies führt dann nach der Rechtsprechung des BGH zu einem unmittelbaren Abzug des aus der verwalteten Insolvenzmasse gezahlten Anwaltshonorare von der Vergütung des Verwalters.

Erhebt der Verwalter stattdessen anstelle des gerichtlichen Mahnverfahrens unmittelbar Klage, wird dies allgemein als Erledigung einer Sonderaufgabe angesehen, sodass eine Begleichung der Anwaltshonorare nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV möglich ist. Dies führt aber zu einer unnötigen Belastung der Justiz, weil ein erheblicher Teil der Forderungsbeitreibung im automatisierten gerichtlichen Mahnverfahren durch einen dort am Ende erlassenen Vollstreckungsbescheid und anschließender Zwangsvollstreckung erledigt werden kann. Dagegen werden durch stattdessen unter Vergütungsgesichtspunkten erhobenen Klagen die Zivilgerichte unnötig belastet. Zudem sollte durch die vorgeschlagene Änderung ein Gleichlauf mit dem erstattungsfähigem Verzugsschaden hergestellt werden (dazu Palandt/Grüneberg, 78. Aufl., § 286 Rz. 44 ff.).

Bei der Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen ist zu beachten, dass hierfür regelmäßig eine Forderungsaufstellung inkl. Zins(voraus)berechnung sowie die Verwendung von Formschreiben erforderlich ist. Ein nicht anwaltlicher Insolvenzverwalter verfügt normalerweise weder über entsprechende Berechnungsprogramme, noch über die entsprechenden Unterlagen.

Durch die Einfügung des neuen Satzes 4 in § 4 Abs. 1 InsVV soll daher klargestellt werden, dass auch diese Tätigkeiten des Insolvenzverwalters im Rahmen der Forderungsbeitreibung als besondere Aufgaben i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV anzusehen sind.

 

9. § 4 Abs. 3 neu

„Mit der Vergütung sind auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme bis zu 2.000.000 Euro pro Versicherungsfall und mit einer Jahreshöchstleitung bis zu 4.000.000 Euro abgegolten. Ist die Verwaltung mit einem darüber hinausgehenden Haftungsrisiko verbunden, so sind die Kosten einer entsprechenden höheren Versicherung als Auslagen neben dem Pauschalsatz gem. § 8 Abs. 3 InsVV zu erstatten.“

Begründung:

Die vorgeschlagene Änderung ist identisch mit der Regelung in § 4 Abs. 5 des Entwurfs des VID eines Gesetzes zur insolvenzrechtlichen Vergütung (InsVG), vergleiche Beilage 1 zu ZIP Heft 28/2014. Es kann daher Bezug genommen werden auf die dortige Begründung auf S. 7 a. a. O.

Die entsprechenden Klarstellungen zielen darauf ab, Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung des VID (GOI) rechtssicher und vorhersehbar festzulegen. Ähnliche oder identische Regelungen von Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung, die im Rahmen eines künftigen Berufsrechts für Insolvenzverwalter als gesetzliche Festlegungen zu erwarten wären, würden  hier eine Änderung unabweisbar machen.

Sollte im Einzelfall ein über diese Grundversicherung hinausgehendes Risiko bestehen, hat der Verwalter nach der hier vorgeschlagenen Formulierung einen Anspruch auf Erstattung der Auslagen für eine entsprechend höhere Versicherung. Dadurch werden Auseinandersetzungen mit dem Insolvenzgericht über den Inhalt des bisher verwendeten unbestimmten Begriffs der Angemessenheit vermieden, was zu einer Verfahrensvereinfachung sowohl für Verwalter als auch für die Gerichte führt.

 

10. § 6 Abs. 1 Satz 3 neu:

„§ 2 Abs. 2 gilt entsprechend.“

Begründung:

Es kommt in der Praxis häufiger vor, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens unerwartet Zahlungen, z. B. als Quotenzahlung aus einem Parallelinsolvenzverfahren, für den Schuldner anstehen. Viele Gerichte ordnen unabhängig von der Höhe des verfügbaren nachträglichen Zahlungsbetrages dann eine Nachtragsverteilung nach § 203 InsO an und berücksichtigen dabei oft nicht ausreichend die Vergütungsansprüche des nachträglich verteilenden vormaligen Insolvenzverwalters.

Der in § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV verwendete unbestimmte Rechtsbegriff einer Festsetzung der Vergütung für die Nachtragsverteilung nach billigem Ermessen eröffnet hierfür einen erheblichen Spielraum. Es kann daher geschehen, dass für die nachträgliche Verteilung eines niedrigeren 4-stelligen Betrages eine Vergütung von lediglich 100,00 € (10% der Mindestvergütung) bewilligt wird; vgl. hierzu BGH 12.10.2006, IX ZB 294/05. Dies wird dem mit der nachträglichen Verteilung eines verhältnismäßig geringen Betrages auch auf nur 50 Gläubiger verbundenen Aufwand nicht ansatzweise gerecht. Die Gerichte übersehen regelmäßig, dass nicht einfach eine Sammelüberweisung nach dem Schlussverzeichnis vorzunehmen ist, sondern meist mit erheblichem Aufwand recherchiert werden muss, ob zum einen der Gläubiger noch existiert und zum anderen die zum Zeitpunkt der Schlussverteilung bekannte Bankverbindung noch aktiv ist.

Die vorgeschlagene Änderung stellt daher sicher, dass der Insolvenzverwalter für eine Nachtragsverteilung in jedem Fall die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV erhält. Als Nebeneffekt ergibt sich daraus, dass geringe nachträgliche Massezuflüsse wegen § 203 Abs. 3 InsO dann keiner Nachtragsverteilung mehr unterliegen, was ebenfalls für eine Vereinfachung des Verfahrens und Entlastung der Justiz sorgt.

 

11. § 7 neu:

„Zusätzlich zur Vergütung und zur Erstattung der Auslagen wird ein Betrag in Höhe der auf die Vergütung und Auslagen entfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer festgesetzt.“

Begründung:

Durch die Änderung soll klargestellt werden, dass zusätzlich zur Vergütung und der zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters ein Betrag festzusetzen ist, der als gesetzliche Umsatzsteuer auf diese Beträge entfällt. Eine Erhöhung oder Verminderung der Vergütung ist damit nicht verbunden.

 

12. § 8 Abs. 3 neu:

„1Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen eine Pauschale fordern, die im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 400 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. 2Der Pauschsatz darf 40 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen.“

Begründung:

Die Änderungsvorschläge zu dieser Vorschrift dienen zum einen der sprachlichen Glättung der bisherigen Regelung und folgen den Erhöhungen oben unter 3. und 5. Insbesondere bei geringen Regelvergütungen in kleineren Insolvenzverfahren kann es mit der bisherigen Regelung vorkommen, dass nur eine geringe Auslagenpauschale anfällt, die die nicht mehr ausreichend ist, die mit der Abwicklung des Verfahrens unabhängig von seiner Größe zwangsläufig entstehenden Auslagen abzudecken. Deswegen wird eine Erhöhung der Pauschale auf 40 % der Regelvergütung als angemessen angesehen, zumal dadurch auch die Möglichkeiten der Auslagenerstattung in überlangen Insolvenzverfahren verbessert werden.

 

13. § 9 Abs. 1 Satz 2 neu:

„2Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert, besonders hohe Auslagen erforderlich werden oder über den Festsetzungsantrag nach § 8 nicht innerhalb von 3 Monaten entschieden wurde aus Gründen, die der Verwalter nicht zu vertreten hat.“

Begründung:

Bisher steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts, ob es der Bitte des Verwalters um Entnahme eines Vergütungsvorschusses zustimmt. Gegen eine durch den Rechtspfleger verweigerte Zustimmung bleibt dem Verwalter nur die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG. Eine sofortige Beschwerde gegen die darauffolgende richterliche Entscheidung bzw. gegen die Verweigerung der Zustimmung des Insolvenzgerichts ist wegen § 6 InsO nicht statthaft; BGH v. 01.10.2002, IX ZB 53/02.

Zur Schaffung von Rechtssicherheit und besserer Kalkulierbarkeit sollte zukünftig ein Anspruch des Verwalters auf Zustimmung zur Entnahme eines Vergütungsvorschusses bestehen. Ergänzend wurde eine solche Zustimmungspflicht für den Fall normiert, dass ohne Verschulden des Verwalters über den Festsetzungsantrag nicht innerhalb von 3 Monaten entschieden wurde. Dies soll die Belastungen der Verwalter abmildern, die dadurch entstehen, dass immer häufiger teilweise jahrelang auf die Festsetzung beantragter Vergütung und Auslagen gewartet werden muss, ohne dass dies in den Verantwortungsbereich des Verwalters fällt. Zwischenzeitlich sind aber die Verwalter gezwungen, die betreffenden Beträge zur Deckung der Kosten ihres Bürobetriebes aus eigenen Mitteln unentgeltlich vorzufinanzieren. Eine Vorschussgewährung ist in diesen Fällen auch nicht selbstverständlich, nachdem verschiedene Gerichte der Auffassung sind, dass nach Schlussrechnungslegung ein Antrag auf Zustimmung zur Entnahme des Vergütungsvorschusses nicht mehr zulässig sei; so z. B. AG Göttingen vom 20.01.2014, 74 IN 13/01, ZIP 2014, 1401; ZInsO 2014, 800 (Ls.). Die Änderung dient daher der Klarstellung und schafft wiederum Rechtssicherheit.

 

14. § 10 InsVV neu:

„Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des vorläufigen Sachwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist.“

Begründung:

Nachdem zukünftig auch die Vergütung des vorläufigen Sachwalters in der InsVV ausdrücklich geregelt werden sollte (s. u. Nr. 17), muss die vorliegende Verweisungsnorm um das bisher dort nicht genannte Verfahrensorgan ergänzt werden.

 

15. § 11 Abs. 1 Satz 1 neu:

„1Für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt, zuzüglich insolvenzspezifischer Ansprüche, die der vorläufige Insolvenzverwalter festgestellt hat, zugrunde zu legen.“

Begründung:

Anlass für diese Ergänzung des § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV gibt die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BGH, nach der Anfechtungsansprüche bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu berücksichtigen sein sollen; BGH vom 29.04.2004, IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653 mit Anmerkungen Keller (S. 1655), verschärft durch BGH ZIP 2006, 625 und bestätigt durch BGH vom 18.12.2008, IX ZB 46/08, zuletzt BGH vom 07.02.2013, IX ZB 286/11, ZIP 2013,468; a. A. LG Köln ZIP 2009,631; AG Göttingen vom 18.12.2006, ZIP 2007,37 sowie vom 12.12.2017, ZIP 2018, 1042. Sollen im später eröffneten Insolvenzverfahren Anfechtungsansprüche erfolgreich geltend gemacht werden, müssen im Eröffnungsverfahren hierfür relevante Information und Unterlagen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gesichert werden, auch wenn es für die Deckung der Verfahrenskosten hierauf im Einzelfall nicht mehr ankommt. Dies wird mit der Vergütung nach JVEG nicht abgegolten. Das gilt für auch für die nach Auffassung des BGH ausgeschlossene Einbeziehung der Ansprüche auf Rückgewähr kapitalersetzender Leistungen, da es sich dabei ohnehin meist um Anfechtungsansprüche nach § 135 InsO handelt.

Schließlich gilt spätestens seit der 2. Änderungsverordnung zur InsVV aus dem Jahre 2006 nach dem dort ausdrücklich geäußerten Willen des Verordnungsgebers für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Verwalters der klassische Vermögensbegriff. Danach muss es sich um eine Gesamtheit von Gütern und Rechten einer Person handeln, mit hinreichender Konkretisierung und wirtschaftlichen Wert. Nach Auffassung des Verordnungsgebers spielen Verbindlichkeiten dabei keine Rolle, d. h. das Aktivvermögen des Schuldners ist für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage maßgeblich. Bereits ermittelte Insolvenzanfechtungsansprüche und Eigenkapitalersatzansprüche sind solche hinreichend konkrete Vermögensgegenstände von teilweise erheblichem wirtschaftlichem Wert vor allem im Hinblick auf die Deckung der im eröffneten Verfahren entstehenden Verfahrenskosten. Sie stellen also in diesem Sinne Schuldnervermögen dar und sollten demnach auch Gegenstand der Berechnungsgrundlage sein.

Nachdem für die Sicherung solcher insolvenzspezifischer Ansprüche dem vorläufigen Insolvenzverwalter auch kein Vergütungszuschlag zustehen soll, weil er dafür schon nach JVEG vergütet werde, vgl. BGH vom 14.12.2005, IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625, ist zur Herbeiführung der erforderlichen Rechtssicherheit die Klarstellung notwendig, dass alle insolvenzspezifischen Ansprüche, also auch zukünftige, gleichwohl aber hinreichend konkrete Ansprüche aus Insolvenzanfechtung in die Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters einzubeziehen sind.

 

16. § 11 Abs. 4 neu:

„(4) Hat das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter als Sachverständigen gesondert beauftragt zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, so erhält er eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, die unabhängig von einer Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu zahlen ist.“

Begründung:

Es gibt immer noch einige Insolvenzgerichte, die bei gleichzeitiger Bestellung eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen und personenidentischen vorläufigen Insolvenzverwalters hinsichtlich der dadurch separat entstehenden Vergütung nach JVEG den vorläufigen Verwalter im Hinblick auf seine gleichzeitig verdiente Vergütung nach § 63 Abs. 3 InsO, 11 InsVV auffordern, als Sachverständiger auf die Vergütung nach JVEG zu verzichten bzw. diese nicht geltend zu machen. Im Weigerungsfall wird unverblümt damit gedroht, dass der betreffende Sachverständige bzw. vorläufige Verwalter zukünftig bei dem betreffenden Gericht nicht mehr bestellt werde. Durch die vorgeschlagene Klarstellung wird die dargestellte Nötigung zwar nicht vollständig verhindert werden können, es dürfte aber schwieriger werden, diese rechtswidrige, erzwungene Anrechnung zu begründen bzw. zu rechtfertigen. Auch eine ausdrückliche entsprechende Begründung des Verordnungsgebers könnte dazu beitragen, diese Missbräuche in der Praxis zukünftig abzustellen.

 

17. § 12a neu:

„§ 12a Vergütung des vorläufigen Sachwalters

(1)1Die Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters wird gesondert vergütet. 2Er erhält in der Regel 25 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit gemeinsam mit dem Schuldner während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. 3Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Eigenverwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners unterliegt. 4Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem Vermögen nach Satz 2 hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Sachwalter gemeinsam mit dem Schuldner in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. 5Sie bleiben unberücksichtigt, sofern der Schuldner die Gegenstände lediglich auf Grund eines Besitzüberlassungsvertrages in Besitz hat.

(2) Art, Dauer und der Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters sind bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen.

(3)Hat das Insolvenzgericht den vorläufigen Sachwalter als Sachverständigen gesondert beauftragt zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, so erhält er eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, die unabhängig von einer Vergütung des vorläufigen Sachwalters zu zahlen ist.“

(4) § 8 Abs. 3 gilt entsprechend.

Begründung:

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 (ESUG) wurde das Verfahrensorgan des vorläufigen Sachwalters nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO neu geschaffen. Gleichwohl hat es der Verordnungsgeber unterlassen, eine Vergütungsregelung für diesen neuen Verfahrensbeteiligten in die InsVV aufzunehmen. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist lediglich auf die Vorschriften über die Rechtsstellung des Sachwalters in § 274 InsO. Dort werden wiederum in Abs. 1 die Vergütungsvorschriften in den §§ 63 – 65 InsO in Bezug genommen. Damit hat der Gesetzgeber zwar klargestellt, dass auch dem vorläufigen Sachwalter dem Grunde nach ein gesetzlicher Anspruch auf eine insolvenzrechtliche Vergütung nach § 63 InsO in Verbindung mit der InsVV zusteht, eine konkrete Ausgestaltung dieses Vergütungsanspruchs in der InsVV ist aber unterblieben, ohne dass die Gründe hierfür erkennbar sind.

Dies hat den Bundesgerichtshof veranlasst, in mittlerweile drei grundlegenden Entscheidungen das entstandene Vakuum durch ein eigenes Vergütungsmodell zu füllen; BGH v. 21.07.2016, IX ZB 70/14; BGH v. 22.09.2016, IX ZB 71/14 und BGH v. 22.06.2017, IX ZB 91/15. Danach soll entgegen der dargestellten Verweisungskette kein eigenständiger Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters bestehen. Die Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen und endgültigen Sachwalters sollen strukturell im Wesentlichen übereinstimmen, sodass wegen der dann doch vom BGH herangezogenen Verweisungskette § 12 InsVV auf den vorläufigen Sachwalter entsprechend anzuwenden sei. Eine ursprünglich in der Literatur favorisierte entsprechende Anwendung der Vergütungsvorschriften für den vorläufigen Verwalter in §§ 63 Abs. 3 InsO, 11 InsVV komme nicht in Betracht, da die jeweiligen Tätigkeiten sowie die Systematik nicht vergleichbar seien und zentrale Anliegen des Gesetzgebers nicht unterlaufen werden dürften.

Wegen zeitlicher und inhaltlicher Unterschiede der Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters könne aber eine uneingeschränkte Übernahme der Vergütung des Sachwalters nach § 12 InsVV nicht erfolgen. Vielmehr betrage die Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV. Die Berechnungsgrundlage sei mit derjenigen des endgültigen Sachwalters identisch, Abweichungen und Korrekturen nach § 63 Abs. 3 und 11 InsVV seien nicht erforderlich. Eine gesonderte Vergütungsfestsetzung komme nicht in Betracht, vielmehr werde die Vergütung des vorläufigen Sachwalters erst bei Festsetzung der Vergütung des Sachwalters im eröffneten Verfahren als Regelzuschlag berücksichtigt. Nach Eröffnung des Verfahrens bestehe unabhängig von § 9 InsVV ein Anspruch auf einen eventuellen Vorschuss. Soweit der (vorläufige) Sachwalter vorzeitig abgelöst oder das Verfahren nicht eröffnet werde, komme § 26a InsO analog in Betracht.

Zuschläge und Abschläge würden wegen der einheitlichen Berechnungsgrundlage auch für den vorläufigen Sachwalter wie beim endgültigen Sachwalter berechnet. Es sei daher unerheblich, ob die zuschlagsbegründende Tätigkeit im Antragsverfahren oder im eröffneten Verfahren bzw. in beiden Verfahrensabschnitten erbracht wurde.

Dieses Vergütungsmodell hat in der Praxis zu erheblichen Problemen geführt, insbesondere in den Fällen, in denen bereits im Eröffnungsverfahren von der Eigenverwaltung in ein Regelinsolvenzverfahren übergegangen wurde bzw. das Amt des Sachwalters im eröffneten Verfahren vorzeitig endete. Im zuletzt genannten Fall kann bei der Vergütungsbemessung wegen der einheitlichen Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Sachwalters eventuellen vergütungsrelevanten Besonderheiten im Eröffnungsverfahren nicht separat Rechnung getragen werden.

Es entspricht allgemeiner Meinung, dass sich die Tätigkeiten eines vorläufigen Insolvenzverwalters von denjenigen des späteren Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren erheblich unterscheiden. Insbesondere hat der vorläufige Insolvenzverwalter nach dem Willen des Gesetz– und Verordnungsgebers, der im Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 explizit zum Ausdruck kam, ein ganz anderes Vermögen zu verwalten, als der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren. In der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu diesem Gesetz, BT-Drs. 17/13535, heißt es dazu, dass die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2012 und 2013 nicht der gesetzlichen Konzeption und der auf ihr beruhenden Verordnungsregelungen in der InsVV entsprach. Weiter heißt es dort, dass mangels Strukturgleichheit der Tätigkeit des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters isoliert zu betrachten und aus sich heraus zu bewerten sei. Ein Gleichlauf der Vergütungsregelungen des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters sei nicht sachgerecht. Vor dem Hintergrund der Sicherung einer angemessenen Vergütung könne die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters daher nicht über Zuschläge nach § 3 InsVV auf der Grundlage einer „Sollmasse“ abgegolten werden, da der vorläufige Insolvenzverwalter sich nur mit der „Istmasse“ befasse.

Nichts Anderes gilt auch für das Verhältnis zwischen vorläufigem und endgültigem Sachwalter. Entgegen der Auffassung des BGH stimmen die Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Sachwalters nicht in allen Bereichen strukturell mit denjenigen des endgültigen Sachwalters im Wesentlichen überein. Dies wird schon am Beispiel der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters bei der Vorfinanzierung der Insolvenzgeldansprüche der jeweiligen Arbeitnehmer des eigenverwaltenden Schuldners deutlich. Auch die Begleitung und Beratung des Schuldners bei der Organisation und Finanzierung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren stellt sich ganz anders als im eröffneten Verfahren dar. Erfahrungsgemäß sind Lieferanten und Vertragspartner mit den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung nach Verfahrenseröffnung aufgrund der im Eröffnungsverfahren getroffenen Maßnahmen schon vertraut, sodass der endgültige Sachwalter ganz andere Schwerpunkte bei der Begleitung des Schuldners bilden kann. Die gemeinsam mit dem Schuldner vorzunehmende Sicherung der Fremdrechte im Eröffnungsverfahren unterscheidet sich ebenfalls ganz wesentlich von der Tätigkeit des Sachwalters im anschließenden eröffneten Verfahren.

Schließlich befasst sich auch der vorläufige Sachwalter gemeinsam mit dem Schuldner im Eröffnungsverfahren mit einer ganz anderen Vermögensmasse als der Sachwalter im eröffneten Verfahren. Durch die systemwidrige Bildung einer einheitlichen Berechnungsgrundlage für die Vergütung beider Funktionen verhindert der BGH, dass der Befassung des vorläufigen Sachwalters mit der abweichenden Vermögensmasse im Rahmen einer separaten Vergütungsfestsetzung Rechnung getragen werden kann. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise eine außerordentlich intensive Befassung mit Fremdrechtsgegenständen gemeinsam mit dem Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Auffassung des BGH keinen Eingang in die Berechnungsgrundlage finden soll. Ebenso wenig wird in der durch den BGH erschaffenen einheitlichen Berechnungsgrundlage berücksichtigt, wenn dem eigenverwaltenden Schuldner unter intensiver Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters ein Massedarlehen für die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren gewährt wird, das im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aber naturgemäß im Wesentlichen verbraucht sein dürfte und sich deshalb auf die Berechnungsgrundlage des späteren Sachwalters nicht auswirkt.

Aufgrund der strukturellen Unterschiede der Tätigkeiten des Sachwalters in unterschiedlichen Verfahrensstadien empfiehlt es sich, die Vergütungsregelung für den vorläufigen Sachwalter eher an diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters anzulehnen. Dadurch wird es auch möglich, für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters eine abweichende Berechnungsgrundlage in Gestalt des Vermögens des eigenverwaltenden Schuldners zu berücksichtigen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens tatsächlich erstreckt hat. Die vorgeschlagene Regelung orientiert sich daran und enthält ansonsten die auf die besondere Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters angepassten Bestimmungen, die sich nach mehreren Änderungen der InsO bzw. InsVV mittlerweile auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter bewährt haben. Wegen des im Eröffnungsverfahren meist besonders intensiven Einsatzes des vorläufigen Sachwalters wurde auch die Auslagenpauschale des § 8 Abs. 3 InsVV anders als in § 12 InsVV ungekürzt übernommen.

 

18. § 14 Abs. 2 und Abs. 3 neu:

(2) Der Treuhänder erhält

  1. von den ersten 25 000 Euro 10 vom Hundert,
  2. von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 Euro 6 vom Hundert und
  3. von dem darüber hinausgehenden Betrag 2 vom Hundert.

(3) 1Die Vergütung beträgt mindestens 200 Euro für jedes Jahr der Tätigkeit des Treuhänders. 2Hat er die durch Abtretung eingehenden Beträge an mehr als 5 Gläubiger verteilt, so erhöht sich diese Vergütung je 5 Gläubiger um 100 Euro.

Begründung:

Die hier vorgeschlagenen Erhöhungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergütung für die Tätigkeiten des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren bei Weitem nicht den Aufwand abdeckt, der tatsächlich für den Treuhänder bei Abwicklung des Verfahrens entsteht. Dies liegt vor allem auch daran, dass Gerichte immer mehr dazu übergehen, den Treuhänder zu veranlassen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners sicherzustellen oder Auskünfte des Schuldners zu veranlassen, obwohl ein Beschluss der Gläubigerversammlung nach § 292 Abs. 2 InsO nicht vorliegt und daher auch die Regelung über eine zusätzliche Vergütung für diese Tätigkeit in § 15 InsVV nicht greift.

Unabhängig davon sollte auch die Treuhändervergütung schon inflationsbedingt angehoben werden entsprechend den Erwägungen oben unter 3. und 5.

 

19. § 17 Abs. 1 neu:

„1Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde. 2Bei der Festsetzung des Stundensatzes ist insbesondere der Umfang der Tätigkeit sowie die berufliche Qualifikation des Ausschussmitgliedes zu berücksichtigen.“

Begründung:

Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses unterliegt seit langer Zeit einer intensiven kontroversen Diskussion.

Mit Einführung des ESUG im Jahre 2012 und der damit beabsichtigten größeren Einflussnahme der Gläubiger auf das Insolvenzverfahren hat die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere in größeren Sanierungsverfahren ist zu beobachten, dass vor allem institutionelle Gläubiger nur noch äußerst eingeschränkt bereit sind, für eine Mitwirkung im Gläubigerausschuss zur Verfügung zu stehen. Dies liegt vor allem an der insbesondere zu Beginn eines Verfahrens intensiven Inanspruchnahme der Ausschussmitglieder und den damit verbundenen Haftungsgefahren. Im Verhältnis zu den tatsächlichen Belastungen durch die Mitwirkung im Gläubigerausschuss erscheint daher eine Stundenvergütung von derzeit 35,00 € bis maximal 95,00 € nicht ausreichend, da er schon jede qualifizierte Handwerkerstunde mittlerweile in vielen Bereichen höher zu vergüten ist. Hiergegen wird meist eingewandt, dass das Ausschussmitglied nur einen Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung habe, zumal es in dem Gläubigerausschuss ja auch eigene Interessen als maßgeblicher Gläubiger im Verfahren wahrnehme. Dem widerspricht zum einen schon der Wortlaut der aktuellen Regelung in § 17 Abs. 1 InsVV, der von einer Vergütung und nicht lediglich von einer Entschädigung der Mitglieder des Gläubigerausschusses spricht.  Zum anderen ist diese Argumentation spätestens seitdem gemäß § 67 Abs. 3 InsO auch Nichtgläubiger als Ausschussmitglieder bestellt werden können nicht mehr zwingend. Soll auch in der Zukunft insbesondere bei qualifizierten Gläubigerausschussmitgliedern die Bereitschaft bestehen, in meist komplexen und anspruchsvollen Insolvenzverfahren zur Unterstützung des Insolvenzverwalters bzw. eigenverwaltenden Schuldners zur Verfügung zu stehen, müssen angemessene Vergütungen möglich sein. Dazu sollte der Vergütungsrahmen zum einen im unteren Bereich angemessen angehoben und im oberen Bereich spürbar ausgeweitet werden, um insbesondere externe Ausschussmitglieder mit überdurchschnittlicher beruflicher Qualifikation zum Vorteil des Verfahrens ihrer Leistung und Ausbildung entsprechend zu vergüten. Mit Rücksicht auf die am Markt für entsprechend qualifizierte Berufsträger üblichen Stundensätze erscheint daher eine regelmäßige Obergrenze des Stundensatzes von 300,00 € angemessen; vergleiche zuletzt AG Hamburg vom 25.07.2018, ZIP 2018, 1562, dagegen Landgericht Hamburg vom 03.08.2018 ZIP 2018 S. 2333, EWIR 2019, 119 (Zimmer).

Um eine solche differenzierte Vergütung der einzelnen Ausschussmitglieder zu ermöglichen, ist die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 dahingehend zu ergänzen, dass nicht wie bisher nur der Umfang der Tätigkeit, der sich im Übrigen bereits in der Anzahl der aufgewandten Stunden niederschlägt, bei der Bestimmung des Stundensatzes zu berücksichtigen ist, sondern auch die berufliche Qualifikation des Ausschussmitgliedes. In besonders gelagerten Einzelfällen muss dann wegen des Regelsatzcharakters des Vergütungsrahmens auch eine Überschreitung der Obergrenze des Stundensatzrahmens möglich sein.

 

20. § 17 Abs. 2 neu:

1Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihnen nach § 56a und § 270 Absatz 3 der Insolvenzordnung zugewiesenen Aufgaben beträgt einmalig 500 Euro.2Nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines vorläufigen Sachwalters richtet sich die weitere Vergütung der Ausschussmitglieder nach Absatz 1; eine Anrechnung findet nicht statt.

Begründung:

Sofern man eine pauschale Abgeltung der Tätigkeit der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in den in § 17 Abs. 2 InsVV genannten Fällen überhaupt für sinnvoll erachtet, sollte diese Pauschale entsprechend erhöht werden. Die praktische Erfahrung zeigt, dass der Aufwand für Konstituierung und Mitwirkung eines (vor–) vorläufigen Gläubigerausschusses insbesondere wegen der bei den Insolvenzgerichten im Einzelfall höchst unterschiedlichen Anforderungen an Präsenz und Mitwirkung der Mitglieder für diese sehr intensiv sein kann.

Systematisch konsequent wäre es allerdings, auch diese Tätigkeiten des vorläufigen Gläubigerausschusses entsprechend § 17 Abs. 1 InsVV in der geänderten Form zu vergüten, um unterschiedlichen Intensitäten der Inanspruchnahme der einzelnen Ausschussmitglieder sowie wiederum ihrer jeweiligen beruflichen Qualifikation ausreichend Rechnung tragen zu können.

 

21. § 18 Abs. 2 und 3 neu:

„(2) Soweit das Ausschussmitglied zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, gilt § 7 entsprechend.

(3)       Werden hohe Auslagen erforderlich, können die Mitglieder des Gläubigerausschusses mit Zustimmung des Gerichts einen Vorschuss aus der Insolvenzmasse entnehmen.“

Begründung:

Die bisherige Regelung in § 18 Abs. 2 InsVV spricht lediglich farblos davon, dass „Umsatzsteuer anfällt“. Es wird dabei nicht nach einzelnen Mitgliedern differenziert. Durch die vorgeschlagene Änderung wird klargestellt, dass nur Ausschussmitglieder, die nachweisbar zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, entsprechend § 7 InsVV einen Anspruch auf Festsetzung der auf ihre Vergütung entfallenden Umsatzsteuer haben. Dadurch werden die bisher in der Praxis entstandenen Unsicherheiten beseitigt.

Ein Anspruch des Ausschussmitgliedes auf einen Vorschuss auf besonders hohe Auslagen war bisher gar nicht kodifiziert. Hierdurch wird sichergestellt, dass ein einzelnes Ausschussmitglied bei besonders hohen Auslagen nicht gezwungen ist, diese über die Dauer des Verfahrens aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren. Ebenso kann die Vorschrift auf die Fälle angewandt werden, in denen einzelne Gläubigerausschussmitglieder mit erheblichen Prämienverpflichtungen aus dem Abschluss von Vermögensschaden-Haftpflicht-versicherungen belastet werden.

 

Berlin, den 02.08.2019

Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Str. 13/14
10117 Berlin
Tel: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
www.vid.de

[1] https://www.vid.de/initiativen/insolvenzrechtliches-verguetungsgesetz-insvg/.

Eckpunktepapier Steuerrecht

 
VID-Ausschuss Steuern und Bilanzierung

Die 10 Mitglieder des Ausschusses treffen sich mehrfach im Jahr zu umfangreichen Sitzungen, um die grundlegenden Fragen des Insolvenzsteuerrechts zu erörtern. Dr. Dirk Rüffert, Sprecher des Beirats im VID leitet den Ausschuss.
 

Zum Hintergrund des Eckpunktepapiers

Ausgangspunkt für die Erarbeitung des Eckpunktepapiers war die Notwendigkeit einer Harmonisierung von Steuerrecht und Insolvenzrecht. Seit der Seer-Kommission (2014) hat sich insbesondere in der Rechtsprechung eine Tendenz verfestigt, den Fiskus entgegen der ursprünglichen Intention der Insolvenzordnung wieder stärker gegenüber anderen Gläubigern zu privilegieren. Die lange ungeklärte Situation bei der Steuerfreiheit von sogenannten Sanierungsgewinnen hat ebenfalls zur verstärkten Diskussion des Insolvenzsteuerrechts beigetragen. Das Eckpunktepapier fasst aus Sicht der Praxis die aktuellen Problemfelder zusammen und bietet dem Gesetzgeber praxisnahe Lösungen an.

Die Seer-Kommission war eine auf Anregung des BMJV eingesetzte Kommission zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht unter dem Vorsitz des renommierten Steuerrechtlers Prof. Roman Seer (Bochum), die ihren Abschlussbericht 2014 vorgelegt hatte. Daran nahmen auch Vertreter der Länder, des BMF, der Justiz und mehrerer Verbände teil.

 
Eckpunktepapier

                                                                                      

I. Harmonisierung von Steuerrecht und Insolvenzrecht

Viele gesetzliche Vorschriften des Steuerrechts und des Insolvenzrechts bedürfen der Harmonisierung. Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungen genannt, bei denen eine Harmonisierung erforderlich erscheint.
 

II. Kollision: Massesicherungspflicht contra persönliche Haftung oder Strafbarkeit

Schuldner, Geschäftsleiter und (vorläufiger) Sachwalter in der Eigenverwaltung sind bzgl. der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben einer Pflichtenkollision ausgesetzt:

Die Abführung stellt insolvenzrechtlich die Begleichung ungesicherter Insolvenzforderungen dar. Dies kann zu Nachteilen für die Gläubiger führen und damit gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO iVm § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO eine Aufhebung der (vorläufigen) Eigenverwaltung rechtfertigen. Ferner kann die Abführung nach § 60 InsO eine persönliche Haftung der Handelnden gegenüber den Insolvenzgläubigern begründen. Für den Sachwalter besteht aus diesem Grund das Risiko seiner Abberufung in anderen Verfahren, seines Delistung und seiner Nichtbestellung in künftigen Verfahren. Andererseits ist die Nichtabführung der Steuern und Abgaben mit der persönlichen Haftung gemäß §§ 34, 69 AO gegenüber der Finanzverwaltung bzw. der Strafbarkeit gemäß § 266a StGB sanktioniert. Zur Lösung dieser Pflichtenkollision bedarf es kurzfristig einer eindeutigen gesetzlichen Regelung.
 

III. Steuernachteil der vorläufigen Insolvenz gegenüber der vorläufigen Eigenverwaltung

Die im Insolvenzeröffnungsverfahren entstehenden, aber von der Abführungspflicht suspendierten Steuerverbindlichkeiten im Rang ungesicherter Insolvenzforderungen sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten – und damit gegenüber den übrigen Insolvenzforderungen vorrangig – zu begleichen. Schuldner in vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren unterfallen dagegen nicht der Regelung des § 55 Abs. 4 InsO, da sich diese ausdrücklich auf Verfahren mit vorläufigem Insolvenzverwalter bezieht. Diese Ungleichbehandlung sollte durch eine Abschaffung des § 55 Abs. 4 InsO oder eine Geltungserweiterung des § 55 Abs. 4 InsO auf die vorläufige Eigenverwaltung beseitigt werden.
 

IV. Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne natürlicher Personen auch bei Schuldenerlass ohne Unternehmensbezug durch Insolvenzplan

§ 3a Abs. 5 EStG n.F. enthält keine Regelung für Sanierungsgewinne durch Insolvenzplan. Diese sind allenfalls über Abs. 1 steuerfrei, jedoch nur wenn eine unternehmensbezogene Sanierung im Sinne des Abs. 2 vorliegt.

Ex-Unternehmern mit übersichtlichen Vermögensverhältnissen (s. § 304 InsO: nicht mehr als 19 Gläubiger und keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen) stehen als nicht unternehmens-, sondern ausschließlich unternehmerbezogenen Sanierungsvarianten neben der Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO frühestens nach 3 bzw. 5 Jahren (vgl. § 300 Abs. 1 InsO) noch vor Eröffnung des Verfahrens das außergerichtliche (§ 305a InsO) und das gerichtliche (§ 308 InsO) Schuldenbereinigungsplanverfahren als Mittel zur zügigen und vor allem steuerfreien Sanierung zur Verfügung.

Ex-Unternehmer mit nicht überschaubaren Vermögensverhältnissen sind dagegen von der Sanierung durch außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan ausgeschlossen und so auf die Sanierung durch Erteilung der Restschuldbefreiung – frühestens nach 3 bzw. 5 Jahren (vgl. § 300 Abs. 1 InsO) – angewiesen. Eine schnelle Sanierung durch Insolvenzplan scheidet regelmäßig aus, weil der Schuldenerlass durch Insolvenzplan wegen fehlender Unternehmensbezogenheit der Sanierung nicht über Abs. 1, 2 EStG steuerbefreit ist.

Darin liegt entweder eine planwidrige Regelungslücke oder eine falsche Weichenstellung, die durch Erweiterung des § 3a Abs. 5 EStG n.F. auf den Schuldenerlass „durch Insolvenzplan gemäß § 217 ff. der Insolvenzordnung“ beseitigt werden sollte.
 

V. Sanierungsgewinn im eröffneten Verfahren keine Masseverbindlichkeit

Ein Schuldenerlass im eröffneten Insolvenzverfahren durch Erteilung der Restschuldbefreiung oder durch Insolvenzplan führt nach Ansicht der Finanzverwaltung wegen der zu diesem Zeitpunkt beim Insolvenzverwalter liegenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu einer Masseverbindlichkeit. Die Ansicht der Finanzverwaltung erscheint insolvenzrechtlich bedenklich: Ein Schuldenerlass wird entweder durch Zeitablauf (Erteilung der Restschuldbefreiung) oder durch mehrheitliche Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan bewirkt. Eine Begründung durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 InsO) liegt somit nicht vor.

Im Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung ist die Ansicht der Finanzverwaltung unter Geltung des § 3a EStG n.F. im Ergebnis hinfällig, da der Sanierungsgewinn gemäß Abs. 5 EStG steuerfrei ist. Im Fall einer Insolvenzplansanierung bleibt die Frage jedoch akut. Durch eine Ergänzung von § 3a EStG n.F. sollte klargestellt werden, dass die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nicht zu einer Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO, sondern allenfalls zu einer als insolvenzfreie Neuverbindlichkeit des Schuldners zu qualifizierenden Ertragsteuerforderung der Finanzverwaltung führt, und zwar auch bei einer nur unternehmerbezogenen Entschuldung.
 

VI. Anpassung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters an die Reichweite seiner Verwaltung

§ 34 Abs. 3 AO definiert die steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters als Vermögensverwalter. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bedeutet dies, dass dem Insolvenzverwalter die Steuererklärungspflicht auch für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneingeschränkt obliegt. Die Steuererklärungspflicht wird damit wirtschaftlich der Insolvenzmasse aufgebürdet und kann mit Zwangsmitteln, insbesondere mit Zwangsgeld gegen den Insolvenzverwalter persönlich, durchgesetzt werden.

Dies ist systemwidrig, weil die Verletzung sonstiger, vor Eröffnung entstandener Pflichten grundsätzlich nur Verbindlichkeiten im Rang von Insolvenzforderungen begründet, die zur Tabelle anzumelden sind.

Gemäß Verwaltungspraxis und ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH, Urt. v. 23.08.1994 – VII R 143/92, DStR 1995, 18; BFH, Beschl. v. 08.05.1995 – VII R 25/94, ZIP 1996, 430; BFH VII B 104/07, Beschl. v. 19.11.2007 – VII B 104/0, NV 2008, 334) kann die Erfüllung der Erklärungspflicht zwar – möglicherweise – vom Insolvenzverwalter nicht mehr verlangt bzw. nicht mehr mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn ein von ihm beauftragter(!) Steuerberater im Hinblick auf die bekanntgegebene Masseunzulänglichkeit es ablehnt, für die Insolvenzmasse tätig zu werden. Dies soll jedoch voraussetzen, dass der Insolvenzverwalter selbst nicht in der Lage ist, der ihm obliegenden Steuererklärungspflicht mit den damit verbundenen Vorarbeiten (Buchführung, Gewinnermittlung) nachzukommen.

Die Kosten für einen Steuerberater bzw. eine zusätzliche Vergütung des Verwalters (als Sonderaufgabe oder durch Zuschlag auf die Regelvergütung) mindern einerseits die Masse. Andererseits hat der Fiskus gegenüber der sachgerechten Schätzung keinen wirtschaftlichen Vorteil, weil sich aus der Steuererklärung häufig eine geringere Steuer als die geschätzte ergibt – eine Loss-Loss-Situation.

Es bedarf daher einer Regelung, die im Einklang mit § 251 Abs. 2 AO bewirkt, dass nicht nur die Vollstreckung von Steuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch die diesbezüglichen Steuererklärungspflichten im Insolvenzverfahren entsprechend den Insolvenzforderungen qualifiziert werden.
 

Eckpunktepapier Datenschutz

 
VID-Ausschuss Datenschutz

Die 10 Mitglieder des Ausschusses haben sich nach umfangreichen Vorbereitungen zu drei meist ganztägigen Sitzungen getroffen, um die grundlegenden Fragen des Datenschutzes in Insolvenzverfahren zu erörtern. VID-Vorstand Dr. Ulf Martini leitete den Ausschuss Datenschutz.
 

Zum Hintergrund des Eckpunktepapiers

Seit der Ablösung des alten deutschen Datenschutzrechts durch die neue Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sehen sich Gerichte, Insolvenzverwalter, Sachwalter und Treuhänder mit neuen Regelungen konfrontiert. Dieses neue Regelwerk wirft zahlreiche Fragen zu seiner Anwendung im Kontext von Insolvenzverfahren auf. Im hier vorgelegten Eckpunktepapier hat sich der Ausschuss Datenschutz des VID dieser Fragen angenommen. Sie schlägt für Praxis und Gesetzgebung Lösungen vor und differenziert dabei nach den unterschiedlichen Verfahrensstadien sowie den dort gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeiten.

 
Eckpunktepapier

                                                                                      

Vorbemerkungen

Die DSGVO und das BDSG regeln den Umgang mit personenbezogenen Daten, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.

Das Insolvenzverfahren dient gemäß § 1 InsO dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Zusätzlich verfolgt ein Insolvenzverfahren ordnungspolitische Ziele. Hierzu zählen etwa die Aufarbeitung von Vermögensverhältnissen, die Regelung von Vertragsverhältnissen (z. B. Arbeits- und Mietverträge), die Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten und die Wahrnehmung sozialrechtlicher Aufgaben (wie z. B. die Erstellung von Insolvenzgeldbescheinigungen, etc.).

In den seltensten Fällen genügt das Vermögen des Insolvenzschuldners, um alle Gläubiger vollständig zu befriedigen und der Insolvenzverwalter muss Entscheidungen i.d.R. unter erheblichem Zeitdruck treffen. In dieser prekären Situation stellt sich die Frage, wie sich die Belange des Datenschutzes in der Insolvenz auf die Beteiligten auswirken.

Es bedarf deshalb einer gesetzlichen Klarstellung, welchen Grad der datenschutzrechtlichen Verantwortung der Insolvenzverwalter in seiner jeweiligen Rolle als Sachverständiger, (vorläufiger) Insolvenzverwalter, und (vorläufiger) Sachwalter zu tragen hat. Der VID fordert daher die Verwirklichung der nachfolgend (1) – (12) formulierten Eckpunkte.

 

I. Sachverständiger

Häufig beginnt das Insolvenzverfahren mit der Beauftragung eines Sachverständigen gemäß §§ 402 ff. ZPO, der durch ein schriftliches Gutachten dem Insolvenzgericht die Grundlage für die Eröffnungsentscheidung liefern soll.

Bei der Erstellung des Gutachtens werden vom Sachverständigen zwingend personenbezogene Daten erhoben und dem Insolvenzgericht übermittelt.

Derzeit ergibt sich weder aus der DSGVO und dem BDSG noch aus der InsO oder der ZPO, ob der insolvenzrechtliche Sachverständige selbst Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter des Gerichts und in dieser Funktion als Teil der justiziellen Tätigkeit der Gerichte einzuordnen ist.

(1) Der gerichtlich bestellte Sachverständige unterfällt der justiziellen Tätigkeit der Gerichte. Wie die Gerichte selbst, steht auch der Sachverständige deshalb außerhalb der datenschutzrechtlichen Aufsicht der jeweiligen Datenschutzbehörde. Der Sachverständige handelt als Auftragsverarbeiter der Gerichte.

(2) Die Art. 55 Abs. 3, 83 Abs. 7 DSGVO i.V.m. § 43 Abs. 3 BDSG müssen auch für den Sachverständigen als Auftragsverarbeiter gelten, da dieser der gerichtlichen Aufsicht untersteht.

(3) Die Stellung als Auftragsverarbeiter i.S.d der DSGVO bedingt eine entsprechende einzelvertragliche Vereinbarung mit dem Insolvenzgericht oder eine gesetzliche Regelung, Art. 28 Abs. 3 DSGVO. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollte eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die das datenschutzrechtliche Auftragsverhältnis zwischen Sachverständigem und Gericht zumindest in Grundzügen beschreibt.

 

II. vorläufiger Insolvenzverwalter

Der vorläufige Insolvenzverwalter kann gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO die Verfügungsgewalt über das schuldnerische Vermögen durch das Gericht erhalten oder zustimmungsberechtigt hinsichtlich Vermögensverfügungen der Schuldnerin sein. Man spricht vom vorläufig starken und vorläufig schwachen Insolvenzverwalter.

a. vorläufig schwacher Insolvenzverwalter

(4) Der vorläufig schwache Insolvenzverwalter ist kein Verantwortlicher i.S.d. DSGVO weil die Verfügungsgewalt über die schuldnerischen Daten und damit die Entscheidung über Zweck und Mittel der Datenverarbeitung alleine beim Schuldner verbleibt.

b. vorläufig starker Insolvenzverwalter

(5) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen geht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 InsO auf den vorläufig starken Insolvenzverwalter über. Alleine hierdurch wird er jedoch noch nicht Verantwortlicher i.S.d. Art. 7 Satz 1 Nr. 7 DSGVO für die vom Schuldner verarbeiteten personenbezogenen Daten. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer aktiven Inbesitznahme der schuldnerischen Daten durch den vorläufig starken Insolvenzverwalter, die dieser analog § 148 Abs. 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern vorzunehmen hat. Mit der Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, der Inbesitznahme der personenbezogenen Daten wird der vorläufig starke Insolvenzverwalter für alle von ihm bewusst initiierten Datenverarbeitungsvorgänge Verantwortlicher i.S.d. DSGVO.

 

III. vorläufiger Sachwalter

(6) Der vorläufige Sachwalter nimmt gegenüber dem in Eigenverwaltung fortgeführten Unternehmen lediglich eine Prüfungs- und Überwachungsrolle ein. Eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Sachwalters, insbesondere eine Entscheidung über den Zweck und die Mittel der Datenverarbeitung beim Schuldner, ist nicht gegeben. Der vorläufige Sachwalter tritt allenfalls als Auftragsverarbeiter auf.

 

IV. Eröffnetes Verfahren

a. Insolvenzverwalter

aa. Unternehmensdaten

(7) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen geht gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Alleine hierdurch wird er aber noch nicht Verantwortlicher i.S.d. DSGVO. Vielmehr bedarf es neben einer aktiven Inbesitznahme der vom Schuldner verarbeiteten personenbezogenen Daten durch den Insolvenzverwalter, die dieser analog § 148 Abs 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern vorzunehmen hat, auch einer vom Willen des Insolvenzverwalters getragenen neuen Datenverarbeitung.

bb. Verfahrensdaten

Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht regelmäßig nach § 8 InsO beauftragt Arbeiten durchzuführen, die eigentlich vom Insolvenzgericht zu erfüllen sind.

So wird der Insolvenzverwalter regelmäßig mit der Zustellung von gerichtlichen Beschlüssen, der Entgegennahme von Forderungsanmeldungen und der Erstellung der Insolvenztabelle beauftragt, § 8 Abs. 3, 174 Abs. 1, 175 Abs. 1 InsO.

Aus den oben genannten Gründen ist der Insolvenzverwalter bei der Ausführung der vorbezeichneten Tätigkeiten zumindest nicht als Verantwortlicher zu qualifizieren. Er ist vielmehr Auftragsverarbeiter und in dieser Funktion der justiziellen Tätigkeit der Gerichte zuzuordnen.

(8) Da die nach § 8 InsO vom Gericht übertragenen Aufgaben justizielle Tätigkeiten sind, unterliegen sie ausschließlich der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Wäre der Insolvenzverwalter für diese Tätigkeiten nicht der justiziellen Tätigkeit zuzuordnen, so hätte dies weitreichende Konsequenzen für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters, welche die DSGVO nicht vorgesehen hat. Die Datenschutzbehörden hätten alleine Zugriff auf den Auftragsverarbeiter. Er wäre Adressat sämtlicher Maßnahmen, die eine Datenschutzaufsichtsbehörde im Normalfall gegen den Verantwortlichen richten würde und müsste. Trotz auftragsgemäßer Erfüllung könnte der Auftragsverarbeiter bei einem datenschutzrechtlichen Verstoß der Gerichte nicht einmal dieses in Regress nehmen.

Es müssen die Art. 55 Abs. 3, 83 Abs. 7 DSGVO i.V.m. § 43 Abs. 3 BDSG für die vorbenannten Tätigkeiten daher auch für den gerichtlich beauftragten Insolvenzverwalter gelten.

 

V. Sachwalter

Auch der Sachwalter übt lediglich eine Prüfungs- und Überwachungsrolle gegenüber dem schuldnerischen Unternehmen aus. Der Sachwalter ist datenschutzrechtlich nicht als Verantwortlicher anzusehen.

 

VI. Umgang mit Datenbeständen

a. Freigabe

(9) Stellt der Insolvenzverwalter fest, dass vorinsolvenzliche massebefangenen personenbezogenen Datenbeständen nicht den Anforderungen der DSGVO und des BDSG genügen, so ist er berechtigt diese vom Beschlag der Insolvenzmasse freizugeben. Hiermit kommt er seiner Aufgabe gemäß § 1 InsO und seiner Verpflichtung, die Insolvenzmasse vor unnötigen Kosten zu schützen, nach. Über die erfolgte Freigabe soll die Aufsichtsbehörde nachrichtlich durch den Verwalter informiert werden. 

b. Verwertung von personenbezogenen Daten

(10) Die Verwertung und Übertragbarkeit personenbezogener Daten im Insolvenzverfahren ist gegenwärtig mit großen Unsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen der Aufsichtsbehörden behaftet.

Die Verwertung personenbezogener Daten im Wege der Veräußerung an Dritte schafft aber den Vorteil, dass ein Verantwortlicher i.S.d. DSGVO fortbesteht. Sie ist daher Bestandteil der dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehenden Mittel.

 

VII. Fazit

(11) Der Datenschutz stellt die Insolvenzverwaltung vor eine Reihe von Herausforderungen. Auch das neue datenschutzrechtliche Regelwerk hat zu keiner Klärung der Einordung der in einem Insolvenzverfahren Beteiligten in die datenschutzrechtliche Terminologie geführt.

Dem Insolvenzverwalter müssen von Gesetzes wegen zeitliche und inhaltliche Erleichterungen im Umgang mit schuldnerischen Daten eingeräumt werden. Insbesondere in schuldnerischen Unternehmen, in denen der Datenschutz nicht regelkonform umgesetzt wurde, stellen ein zu schaffendes Verarbeitungsverzeichnis, die ggf. notwendige Bestellung eines Datenschutzbeauftragten und die Einführung eines Datenschutzmanagementsystems den Insolvenzverwalter vor organisatorische Herausforderungen, die mit dem zügigen Fortgang eines Insolvenzverfahrens nicht im Einklang stehen.

(12) Um den Zielen der InsO, vorrangig der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger, aber auch dem Anspruch der DSGVO gerecht zu werden, bedarf es in Bezug auf die Verwertung von personenbezogenen Daten einer gesetzlichen Regelung in Form eines Sanierungsprivilegs.

Es bedarf zudem einheitlicher Vorgaben von Rahmenbedingungen durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden, um bundesweit gleiche Sanierungsbedingungen zu schaffen.

Eckpunktepapier Berufsrecht

 
Koalitionsvertrag 2018: „Wir werden gesetzliche Rahmenbedingungen für die Berufszulassung und -ausübung von Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwaltern sowie Sachwalterinnen und Sachwaltern regeln, um im Interesse der Verfahrensbeteiligten eine qualifizierte und zuverlässige Wahrnehmung der Aufgaben sowie effektive Aufsicht zu gewährleisten.“ (Zeile 6195 ff.)
 

VID-Ausschuss Berufsrecht

Die weit überwiegende Anzahl der 32 Mitglieder des Ausschusses hat sich im Jahr 2018 zu vier meist ganztägigen Sitzungen getroffen, um über die grundlegenden Fragen eines Berufsrechts zu diskutieren. VID-Vorstand Michael Bremen und Jens Wilhelm V leiten den Ausschuss Berufsrecht.
 

Zum Hintergrund des Eckpunktepapiers

Ausgangspunkt der Diskussionen war das bereits 2009 durch die Mitgliederversammlung des VID verabschiedete Eckpunktepapier zur Berufsordnung für Insolvenzverwalter. Die dort formulierten Forderungen wurden nochmals einer grundsätzlichen Prüfung unterzogen. Seit 2009 hat es eine Vielzahl von Entwicklungen im Insolvenzrecht gegeben, die auch die berufliche Tätigkeit der Insolvenzverwalter ausdifferenziert haben. Im Ergebnis unterstreichen diese Entwicklungen die Forderung nach einem Berufsrecht für Insolvenzverwalter und einer Reform des Vergütungsrechts. Die aktiven Mitglieder der Arbeitsgruppe haben sich deshalb in Rücksprache mit dem Vorstand auf das hier abrufbare Eckpunktepapier geeinigt.
 

Eckpunktepapier
 

  1. Schon im Jahr 2004 wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes der Insolvenzverwalter als eigenständiger und verfassungsrechtlich geschützter Beruf anerkannt. Seit 2009 fordert der Berufsverband der Insolvenzverwalter ein eigenständiges Berufsrecht, insbesondere in den Bereichen Ausbildung, Zulassung, Berufsordnung und Aufsicht. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag 2018 diese Forderung explizit aufgenommen (Zeile 6195 ff. Koalitionsvertrag 2018).
  1. Auch auf europäischer Ebene wird mit der im Frühjahr 2019 erwarteten Verabschiedung der EU-Restrukturierungsrichtlinie als Maßnahme zur Effizienzsteigerung die Schaffung einheitlicher, transparenter und fairer Regelungen eines Berufs- und Vergütungsrechts für Insolvenz- und Restrukturierungsverwalter (Amtsträger in Verfahren der Sanierung und Insolvenz) gefordert. In anderen europäischen Ländern, wie etwa Frankreich, England und den Niederlanden, gibt es ein kodifiziertes Berufsrecht.
  1. Das Berufsrecht wird von den Regelungen zur Ausbildung, Zulassung, Berufsausübung, Aufsicht und Vergütung getragen. Nur bei einer umfassenden Regelung aller vorstehenden Punkte wird das vorhandene Regelungsvakuum rechtssicher und verfassungskonform geschlossen.
  1. Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung sind die Anforderungen an Amtsträgern in Verfahren der Sanierung und Insolvenz permanent gestiegen. Im Sinne der Steigerung von Fachkompetenz und Qualität sind eine strukturierte Ausbildung und Berufszulassung zwingend erforderlich. Einem abgeschlossenen universitären Hochschulstudium schließt sich eine dreijährige Ausbildungs- und Vorbereitungszeit an, die durch eine staatliche Prüfung abgeschlossen wird. Wegen ihrer besonderen Bedeutung sollte die Zuständigkeit für die Zulassungsprüfung einem staatlichen Prüfungsamt zugewiesen werden. Vorbilder sind hier die Regelungen für Notare und Wirtschaftsprüfer.
  1. Erfolgreiche Absolventen der staatlichen Prüfung erhalten eine Berufszulassung, welche durch Eintragung in ein bundeseinheitliches Register (Amtsträgerregister) dokumentiert wird. Dieses steht Gerichten und Gläubigerin als Grundlage für die Bestellung im Einzelfall bzw. die Auswahl eines vorzuschlagenden Verwalters zur Verfügung. Das Amtsträgerregister sollte über weitere besondere qualifizierende Merkmale eines Bewerbers informieren. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es geboten, langjährig als Insolvenzverwalter Tätige in das Amtsträgerregister auch ohne vorherige Ausbildungsprüfung aufzunehmen.
  1. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI) werden als Selbstverpflichtung der Branche durchaus begrüßt; als Maßstäbe für gerichtliche Rechtsanwender ist ihnen die Adaption weitestgehend versagt geblieben. Daher muss eine allgemeinverbindliche Berufsordnung auch Regelungen zur Berufsausübung enthalten, die Haftungsmaßstäbe für die Amtsträger im Insolvenz- und Sanierungsverfahren allgemeinverbindlich definieren.
  1. Regelungen der Berufsausübung lehnen sich inhaltlich an die Grundsätze der ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung des VID an. Die Berufsordnung sollte sich auf allgemeine Regelungen beschränken. Detaillierte Regelungen zur Amtsführung im Einzelnen können in Form einer Satzung oder Stellungnahme eines Fachausschusses auf Basis der bisherigen freiwilligen Verhaltenskodizes entwickelt werden.
  1. Regelungen der Berufsausübung sind für alle Beteiligten verbindlich, die im Sanierungs- und / oder Insolvenzverfahren die Aufgabe übernommen haben, die Einhaltung der Vorgaben des Insolvenz- und Sanierungsrechts zu gewährleisten. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Funktion (Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs, Generalbevollmächtigter, Insolvenzverwalter, Sachwalter etc.) sie diese Aufgaben übernommen haben.
  1. Sanierungs- und Insolvenzverfahren werden von der uneingeschränkten Unabhängigkeit der Amtsträger in Verfahren der Sanierung und Insolvenz von Schuldner und Gläubigern getragen. Diese Unabhängigkeit schließt ein Tätigwerden aus, wenn der Amtsträger persönlich dem Schuldner nahe steht oder er, eine ihm nahestehende Person oder eine mit ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Person persönlich Gläubiger oder Drittschuldner des Schuldners ist. Die erforderliche Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet, wenn der Amtsträger in Verfahren der Sanierung und Insolvenz über die Grenzen des § 56 Satz 1 Nr. 2 InsO den Schuldner und / oder einen der beteiligten Gläubiger beraten hat. Die Unabhängigkeit korrespondiert mit einer Redepflicht gegenüber dem Gericht und dem vorläufigen Gläubigerausschuss über Umstände, die bereits Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen könnten.
  1. Regelungen zur Berufszulassung und zur Berufsausübung erfordern spiegelbildlich Regelungen zu einem abgestuften Sanktionssystem bei Verstößen bis hin zu einem Entzug der Berufszulassung. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen müssen derartige Regelungen durch Vorschriften über einen adäquaten Rechtsschutz gegenüber derartigen Aufsichtsmaßnahmen begleitet werden.
  1. Integraler Bestandteil eines Berufsrechts für Amtsträger in Sanierungs- und Insolvenzverfahren ist eine effiziente Berufsaufsicht. Im Sinne der Grundsätze der Subsidiarität und der Selbstverwaltung des Staatsorganisationsrechts sowie zur Nutzung der fachlichen Expertise ist eine verfasste Körperschaft der Berufsträger (Berufskammer) zu implementieren. Ähnlich wie im Bereich der Notare bedarf es einer abgestimmten Wahrnehmung der Aufsicht zwischen Insolvenzgerichten und der Berufskammer.
  1. Die Tätigkeit der Amtsträger ist angemessen zu vergüten. Die seit über 20 Jahren nicht mehr erhöhte und mittlerweile kaum mehr berechenbare, regional zersplitterte Insolvenzverwaltervergütung muss reformiert und in einem Insolvenzverwaltervergütungsgesetz (InsVVG) geregelt werden. Der bereits seit 2014 vorliegende Gesetzesvorschlag stellt insbesondere auf die Kalkulierbarkeit, Transparenz und Angemessenheit der Vergütung im Interesse der Amtsträger, aber auch der am Verfahren beteiligten Gläubiger und Schuldner ab.

Eckpunktepapier – Insolvenzverfahren 4.0

 
Arbeitsgruppe Insolvenzverfahren 4.0

Der Arbeitsgruppe gehören Vertreter der Sozialversicherungsträger, der Bundesagentur für Arbeit, des Justiz- und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen, der Insolvenzrichter und des VID an.

Hintergrund

Die Insolvenzordnung folgt bei ihrer Verfahrensabwicklung bis heute weitgehend den Grundsätzen der Konkursordnung von 1877. Nur in einem sehr überschaubaren Umfang wurden die gesetzlichen Grundlagen bisher für eine Digitalisierung des Insolvenzverfahrens genutzt.

Eckpunktepapier

Das Eckpunktepapier formuliert konkrete Vorschläge an den Gesetzgeber, die ein einfacheres und zugänglicheres Verfahren ermöglichen. Das Insolvenzverfahren 4.0 schafft enormes Potenzial zur organisatorischen, personellen und finanziellen Entlastung der Finanzbehörden, Sozialversicherungsträger, Bundesagentur für Arbeit und der Justiz. Die verstärkte Digitalisierung senkt darüber hinaus die Zugangsschranken für alle am Insolvenzverfahren Beteiligten.

Gemeinsame Erklärung der Verbände zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht

Auf Initiative des VID haben aktuell 16 Verbände mit einem gemeinsamen Appell die im 19. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien dazu aufgerufen, notwendige gesetzliche Maßnahmen zur weiteren Harmonisierung von Insolvenzrecht und Steuerrecht zu prüfen und dabei die Ergebnisse der „Seer“-Kommission zu berücksichtigen. Unsere Pressemitteilung dazu finden Sie hier.

 

Grundsätze eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens

 Vorbemerkung

Im Rahmen der Bestrebungen zur Schaffung einer Kapitalmarktunion hat die EU-Kommission am 12.03.2014 u. a. ihre Empfehlung „für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen“ (C (2014) 1.500 final) abgegeben und dazu unter dem 30.09.2015 eine erste Evaluation über den Stand deren Umsetzung veröffentlicht. Die Empfehlung der EU-Kommission enthält u. a. detaillierte Maßgaben zur Ausgestaltung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens. Der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID) hat hierzu erste Grundsätze aus deutscher Sicht entwickelt.

Seit Beginn der Wirtschaftskrise, aber auch im Hinblick auf Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten, ist eine starke Tendenz zur Sanierung von Unternehmen in einem frühen Stadium festzustellen, in welchem eine materielle Insolvenz nach deutschem Recht (§§ 17–19 InsO) noch nicht vorliegt. Dabei ist der Fokus auf eine Neuordnung von Verbindlichkeiten gerichtet (finanzwirtschaftliche Sanierung).

Der deutsche Gesetzgeber hat bereits mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 07.12.2011 (BGBl I S 2582; in Kraft getreten am 01.03.2012) das mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 geschaffenen Institut der Eigenverwaltung gestärkt, um insbesondere die Anreize für den sanierungswilligen Schuldner zur Einleitung eines Sanierungsverfahrens unter eigener Leitung bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit zu erhöhen.

Gesetzliche Regelungen zu einer frühzeitigen finanzwirtschaftlichen Sanierung innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens erübrigen unter dem Postulat einer nachhaltigen Sanierung allerdings nicht leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen, sobald Defizite in den betrieblichen Abläufen festgestellt werden.

Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren muss gegenüber den bereits vorhandenen Verfahren des geltenden Rechts abgegrenzt werden.

1. Der Schuldner im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren muss sanierungsbedürftig und sanierungswürdig sein. Dies setzt voraus:

(1) Er darf sich noch nicht in einer Situation materieller Insolvenz (§§ 17, 19 InsO) befinden. Vielmehr muss er nachweisen, noch mindestens sechs Monate zahlungsfähig sein zu können; in diesem Fall wird eine positive Fortführungsprognose vermutet, solange das Verfahren mit Aussicht auf Erfolg betrieben wird[1].

(2) Sanierungsbedürftigkeit setzt voraus, dass das Unternehmen des Schuldners sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, die kurz- bis mittelfristig geeignet sind, den Bestand des Unternehmens zu gefährden.[2]

(3)Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren steht nur Schuldnern offen, deren laufende Buchführungs- und Bilanzierungspflichten ordnungsgemäß erfüllt sind (Sanierungswürdigkeit)[3] und bei denen keine Zahlungsrückstände gegenüber dem Fiskus oder Sozialversicherungsträgern bestehen.

(4) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jeglicher Art finden gegenüber dem Schuldner nicht statt.[4]

2. Die Sanierung im Wege des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens erfolgt mittels eines Sanierungsplanes des Schuldners, der der Zustimmung der beteiligten Gläubiger unterliegt und der gerichtlichen Bestätigung bedarf:

(1) Der Sanierungsplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil.

(2) Im darstellenden Teil beschreibt der Sanierungsplan, – bezogen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage – die wirtschaftliche Ausgangssituation des Schuldners, aus welcher die mit dem Sanierungsplan beabsichtigten finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen abgeleitet werden.

(3) Im darstellenden Teil ist abschließend anzugeben, welche Gläubiger mit ihren Forderungen (Grund, Höhe) am vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren teilnehmen. Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren beinhaltet keine Forderungsfeststellung entsprechend §§ 174 ff. InsO.

(4) Im gestaltenden Teil des Sanierungsplans wird festgelegt, wie die Rechtstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll.

(5) Der Sanierungsplan greift in die Forderungen aller oder bestimmter oder ausgewählter Gruppen von Gläubigern gleichartiger Forderungen ein.[5]

(6) Eingriffe in Rechte auch dissentierender Gläubiger werden in Anlehnung an das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahrens des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens (§ 309 InsO) ermöglicht.

(7) Sind Forderungen, in welche durch den Sanierungsplan eingegriffen wird, nach Grund oder Höhe streitig, nehmen sie mit dem Betrag am Sanierungsverfahren teil, der auch nach gerichtlicher Bestätigung des Sanierungsplans rechtskräftig oder bestandskräftig festgestellt wird oder auf den sich Gläubiger und Schuldner durch Vergleich einigen.

(8) Die Auswirkungen der im Sanierungsplan vorgesehenen Maßnahmen sind in einer integrierten Unternehmensplanung darzustellen, aus der sich ergibt, dass Zahlungsunfähigkeit in den auf die Bestätigung des Planes folgenden sechs Monaten nicht eintritt.[6]

(9) Eine gesetzliche Mindestquote, die der Sanierungsplan den Gläubigern zu gewähren hat, wird nicht vorgegeben.[7]

(10) Durch den Sanierungsplan darf kein Gläubiger gegen seinen Willen gegenüber seiner Stellung bei Liquidation[8] schlechter gestellt werden; dies ist durch eine Vergleichsrechnung[9] in dem Sanierungsplan nachzuweisen.

(12) Durch den Sanierungsplan erfolgen keine Eingriffe in Rechte der Gesellschafter des Schuldners. Der gestaltende Teil des Sanierungsplanes kann aber vorsehen, dass Gesellschafter oder Dritte freiwillige Leistungen erbringen; in diesem Fall ist dem Plan die Erklärung des Gesellschafters oder Dritten beizufügen.

3. Einleitung des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens

(1) Die Einleitung des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens erfolgt auf Antrag des Schuldners.

(2) In dem Antrag sind die an dem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren teilnehmenden Gläubiger mit ihren Forderungen nach Grund und Höhe anzugeben.

(3) Mit dem Antrag macht der Schuldner durch Vorlage entsprechender Unterlagen das Vorliegen der unter Ziff. 1. aufgeführten Voraussetzungen glaubhaft.

(4) Der Nachweis der Zahlungsfähigkeit über einen Zeitraum von sechs Monaten (ab Antragstellung) erfolgt durch eine aus der aktuellen Buchführung abgeleiteten Liquiditätsrechnung (keine integrierte Unternehmensplanung).

(5) Das Gericht[10] prüft, ob die Antragsvoraussetzungen erfüllt sind.[11] Sind sie erfüllt, ist der Antrag durch Beschluss zuzulassen.

(6) Die Antragstellung und die Zulassung des Antrages werden, soweit der Schuldner dies nicht beantragt, nicht öffentlich bekannt gemacht.[12]

(7) Mit der Zulassung des Antrages setzt das Gericht dem Schuldner eine Frist von zwei Monaten zur Vorlage eines Sanierungsplanes. Diese Frist kann auf besonderen Antrag des Schuldners um einen Monat verlängert werden.[13]

(8) Das Gericht kann auf Antrag des Schuldners beschließen, dass am vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren teilnehmende Kreditgeber jeder Art wegen der Verfahrenseinleitung oder wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse von ihren Kündigungsrechten keinen Gebrauch machen. Weiter kann das Gericht auf Antrag des Schuldners ein Verbot der Verwertung von Sicherheiten beschließen. Diese Maßnahmen sind längstens auf drei Monate befristet und können jederzeit wieder aufgehoben werden.[14]

4. Sachwalter im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren

(1) Mit der Zulassung des Antrages bestellt das Gericht einen Sachwalter.[15] Für die Auswahl des Sachwalters gilt § 56 InsO entsprechend. Berater des Schuldners erfüllen die für die Erledigung der Aufgaben des Sachwalters erforderliche Unabhängigkeit nicht.

(2) Der Sachwalter hat die Aufgabe der Moderation zwischen Schuldner und Gläubiger bei der Erstellung des Planes. Er gibt zu dem Sanierungsplan eine Stellungnahme als Grundlage für dessen Prüfung durch das Gericht ab. Er hat dem Gericht und den teilnehmenden Gläubigern anzuzeigen und zu berichten, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schuldner das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren missbräuchlich in Anspruch nimmt, oder sollte der Schuldner während des Verfahrens zahlungsunfähig gem. § 17 InsO werden. In diesem Fall ist das Verfahren beendet[16], es sei denn, es wird auf Antrag des Schuldners durch Beschluss des Gerichts in ein Insolvenzeröffnungsverfahren übergeleitet. Für den Antrag des Schuldners gelten die §§ 13ff. InsO. Anträge nach §§ 270ff. InsO sind ausgeschlossen.

5. Entscheidung über den Sanierungsplan

(1) Der vom Schuldner eingereichte Sanierungsplan unterliegt der Vorprüfung durch das Gericht; die Prüfung beschränkt sich darauf, ob der Plan aussichtslos in dem Sinne ist, dass er den wirtschaftlichen Fortbestand des Schuldners nicht gewähr-leistet, und dass durch den Sanierungsplan kein Gläubiger gegenüber seiner Stellung bei Liquidation schlechter gestellt wird.[17]

(2) Zur Abstimmung über den Sanierungsplan ordnet das Gericht einen Termin an, der der Anhörung der durch den Sanierungsplan betroffenen Gläubiger, des Schuldners und des Sachwalters und der Abstimmung dient.

(3) Die Abstimmung über den Sanierungsplan erfolgt nach Gruppen, soweit der Sanierungsplan eine Gruppenbildung vorsieht. Erforderlich ist eine qualifizierte Mehrheit von 75 % nach Summen der Forderungen innerhalb einer Gruppe. Nicht anwesende Gläubiger können schriftlich abstimmen.

(4) Ist der Sanierungsplan mehrheitlich angenommen, wird er durch Beschluss des Gerichts bestätigt.[18]

(5)Der bestätigte Sanierungsplan hat die Wirkungen der § 254 InsO.[19]

6. Beendigung des Verfahrens, Rechtmittel

(1) Das Verfahren wird mit dem Bestätigungsbeschluss gem. Nr. 5 (4), der begründeten Anzeige des Sachwalters über den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit während des Verfahrens gem. Nr. 4 (2) oder wenn die Annahme des Planes aussichtslos ist, aufgehoben.

(2) Gläubigern, die dem Plan spätestens in dem Termin zur Abstimmung widersprochen, gegen den Plan gestimmt und glaubhaft gemacht haben, dass sie durch den Plan wesentlich schlechter gestellt werden, als sie bei Liquidation des Unter-nehmens stünden, steht gegen den Beschluss des Gerichts über die Bestätigung des Planes die sofortige Beschwerde zu.

7. Verortung einer gesetzlichen Regelung

Gesondertes Sanierungserleichterungsgesetz (SEG), das die Verfahren der vorinsolvenzlichen und gerichtlichen Sanierung enthält mit Regelungen

(1) zum vorgerichtliches Sanierungsverfahren

(2) des Schutzschirmverfahrens nach § 270 b InsO (herausgenommen aus InsO).[20]

[1] Damit erfolgt eine deutliche Abgrenzung zu den Sanierungsverfahren der Insolvenzordnung.

[2] Die Formulierung ist angelehnt an den Vorschlag von Bork, ZIP 2010, 397, 403.

[3] Fehlt es hieran, sind verlässliche Schlüsse, welche finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zur frühzeitigen Sanierung des Schuldners erforderlich sind, nicht möglich.

[4] Sie würden indizieren, dass der Schuldner bereits nicht mehr in der Lage ist, fällige und titulierte Verbindlichkeiten zu bedienen, und dass mindestens Zahlungsunfähigkeit droht.

[5] Eingriffe durch den Sanierungsplan in die Rechte der Gläubiger erstrecken sich nicht zwingend auf alle Gläubiger, sondern werden in der Regel auf bestimmte Gläubiger oder Gläubigergruppen beschränkt sein. Es ist daher nicht notwendig alle Gläubiger an dem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren zu beteiligen. Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren kommt insbesondere zur Anwendung, wenn der Schuldner zwar in der Lage ist, die laufenden Verbindlichkeiten seines Geschäftsbetriebes zu bedienen, nicht aber hierüber hinausgehende Verbindlichkeiten, z. B. aus der Fremdfinanzierung des Unternehmens in ihren vielfältigsten Formen. Die finanzwirtschaftlichen Maßnahmen eines Sanierungsplanes sind vielfältig und umfassen z. B. die Neuordnung von Kreditverhältnissen, die Zuführung neuer Finanzmittel im Wege der Eigenkapital- oder Fremdkapitalfinanzierung oder der Finanzierung mittels hybrider Finanzierungsformen oder – in der Regel – den teilweisen oder vollständigen Erlass von Forderungen.

[6] Für den Antrag reicht eine Liquiditätsplanung (s. Nr. 3., 3. Spiegelstrich).

[7] Eine Mindestquote könnte als unzulässige Eingangsvoraussetzung im Sinne der Empfehlung der EU-Kommission vom 12.03.2014 angesehen werden. Sie ist aber auch deshalb nicht erforderlich, weil nach den Empfehlungen der EU-Kommission durch den Sanierungsplan keine Schlechterstellung dissentierender Gläubiger gegenüber deren Stellung bei Liquidation erfolgen darf, was als Bestandteil des Sanierungsplanes eine entsprechende Vergleichsrechnung erfordert.

[8] Die Liquidation umfasst auch die Veräußerung des Unternehmens im Wege der übertragenden Sanierung.

[9] Es wäre unzureichend, bei der Vergleichsrechnung nur auf den Fall der Liquidation durch Einzelverwertung abzustellen.

[10] Die Grundsätze lassen derzeit offen, welches Gericht für das Verfahren zuständig sein soll. Es kommt in Betracht, das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren bei den Insolvenzgerichten anzusiedeln; mit Blick auf vergleichbare Verfahren in anderen Rechtsordnungen ist aber auch denkbar, die Kammer für Handelssachen mit diesen Verfahren zu befassen.

[11] Die Prüfung der Antragsvoraussetzungen soll regelmäßig ohne Beauftragung eines Sachverständigen erfolgen. Der Eintritt in das Verfahren soll lediglich an niederschwellige Voraussetzungen geknüpft werden.

[12] Hierzu besteht keine Veranlassung, da die Zulassung des Antrages nur erfolgt, wenn noch keine Zwangsvoll-streckungsmaßnahmen stattfinden. Es bleibt dem Schuldner überlassen, ob und in welchem Umfange er seine Gläubiger über die Einleitung des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens informiert.

[13] Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren soll in Abgrenzung zum Insolvenzplanverfahren (Regelverfahren, Schutzschirmverfahren) ein schnelles Verfahren sein. Dem trägt die Zweimonatsfrist Rechnung. Der das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren ernsthaft in Anspruch nehmende Schuldner wird bereits bei Antragstellung Vorarbeiten zur Erstellung des Sanierungsplanes geleistet haben, die ihm seine Vorlage innerhalb der Frist er-möglichen, oder der Schuldner wird den Sanierungsplan bereits mit dem Antrag oder im unmittelbaren Anschluss an dessen Zulassung dem Gericht vorlegen.

[14] Damit soll sichergestellt werden, dass die bisherigen Kredite und die dafür bestellten Sicherheiten dem Schuldner während des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens uneingeschränkte zur Fortsetzung seines Unternehmens zur Verfügung stehen und nicht abgezogen werden. Kreditkündigungen oder die Verwertung von Sicherheiten würden die Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners in hohem Maße gefährden. Derartigen Eingriffen in Gläubigerrechte begegnen andererseits auch verfassungsrechtliche Bedenken. Solche bestehen erst recht für die Anordnung weitergehender Moratorien. Ein Bedarf für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung wird nicht gesehen, weil der Zugang zu dem Verfahren voraussetzt, dass bei Antragstellung keine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betrieben wird.

[15] Unter einer anderen, zur Abgrenzung vom Sachwalter nach §§ 270c, 274 InsO noch festzulegenden Bezeichnung.

[16] Nach der Zulassung des Antrages gem. Nr. 3. (5) bedarf es zur Beendigung des Verfahrens im Sinne eines actus contrarius eines Beschlusses. Dabei wird aber auch zu erwägen sein, ob der Schuldner nicht vorher noch anzuhören ist.

[17] Die Prüfung soll gewährleisten, dass von vornherein aussichtslose Pläne nicht zur Abstimmung gelangen und dass dissentierende Gläubiger nicht schlechter gestellt werden gegenüber ihrer Stellung in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren.

[18] Ein Beschluss erübrigt sich, wenn der Sanierungsplan nicht mehrheitlich angenommen wird.

[19] Für die formersetzende Wirkung des § 254a InsO wird kein Bedarf gesehen.

[20] Damit ist gleichzeitig die Chance eröffnet, durch gebotene Anpassungen das Eigenverwaltungsverfahren ohne Schutzschirm (§ 270 a InsO) gesetzlich näher zu konturieren.

Insolvenzrechtliches Vergütungsgesetz (InsVG)

Entwurf des VID für ein Gesetz zur Insolvenzrechtlichen Vergütung (E-InsVG)
Einführung von Dr. Jürgen Blersch und Michael Bremen
Synopse InsVV – E-InsVG
Vergleichsrechnungen

Beilage 1 zu ZIP 28/2014

Berliner Erklärung zu Sanierung und Insolvenz

Mit der Berliner Erklärung wenden sich einige Wirtschafts- und Berufsverbände an den Gesetzgeber aus Anlass der Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG).