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Stellungnahme:

21.03.2020

Stellungnahme des VID zum Entwurf eines Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Hemmung der Unterbrechung strafgerichtlicher Hauptverhandlungen aufgrund des Coronavirus SARS- CoV-2

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Vorbemerkung

Die Coronakrise stellt viele Unternehmen aktuell vor eine dramatische Belastung. Unser Berufsverband hat bereits mit einem Eckpunktepapier Vorschläge zur Abfederung der wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Corona-Krise vorgelegt. Der Entwurf eines Corona-Insolvenzaussetzungsgesetzes – CorInSAG (im weiteren VorInSAG-E) versucht den Teilaspekt der Entschärfung der Insolvenzantragspflicht zu lösen. Mit diesem Gesetzesentwurf wird nur die Antragsverpflichtung der betroffenen Unternehmen, nicht aber das Antragsrecht der Gläubiger, suspendiert. Auch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen privater und öffentlicher Gläubiger sind weiterhin möglich. Daher kann die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten nur im Zusammenspiel mit weiteren und unter anderem in dem Eckpunktepapier unseres Berufsverbandes genannten Maßnahmen wirken.

 

Individuelle Betroffenheit

Die Definition der individuellen Betroffenheit – Eintritt eines Insolvenzgrunds aufgrund der Auswirkungen der Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus – stellt eine sachgerechte Abgrenzung gegenüber denjenigen Fällen dar, in denen die Insolvenzreife schon vor Einsetzen dieser Auswirkungen vorlag. Schwierig wird die Feststellung der individuellen Betroffenheit jedoch, sofern die Insolvenzreife nicht monokausal auf den Pandemiefolgen beruht.

Hier soll die gesetzliche Vermutung der Kausalität Abhilfe schaffen. Sie wird besondere Bedeutung erlangen, weil erfahrungsgemäß eine Insolvenzreife selten auf einen einzigen Faktor zurückzuführen ist. Kommt es nach suspendierter Insolvenzantragspflicht doch zu einer Insolvenz des betroffenen Unternehmens, wird deshalb die Frage einer Erschütterung der gesetzlichen Vermutung (vgl. § 292 ZPO) durch entsprechende Tatsachen bedeutsam werden. Kann der Beweis angetreten werden, dass die Insolvenzreife auch ohne die Pandemiefolgen eingetreten wäre oder bereits eingetreten war bevor sich diese Folgen auswirken konnten, dann entfällt die Schutzwirkung der suspendierten Antragspflicht. Dieser Nachweis wird durch die Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt Urteil vom 31. Oktober 2019 -IX ZR 170/18, Rz.13 m. w. N.) begünstigt, wonach bei gesetzlichen Zahlungspflichten bereits die Nichtzahlung trotz Fälligkeit den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit indiziert.

Erfahrungsgemäß werden Insolvenzanträge in vielen Fällen um Monate zu spät gestellt. Eine möglichst präzise Bestimmung des genauen Zeitpunktes der Insolvenzreife wird mit Blick auf die hier gewählte Stichtagslösung deshalb in späteren Insolvenzverfahren schon wegen der damit verbundenen Haftungsfragen größere Bedeutung erlangen. Gleichzeitig würde die Inanspruchnahme staatlicher Finanzierungshilfen im (erst nachträglich festgestellten) Zustand der bereits vor dem Stichtag eingetretenen Insolvenzreife ein erhebliches zusätzliches Haftungsrisiko der Antragstellenden begründen.

 

Enthaftung vormals Antragspflichtiger

Vor dem geschilderten Hintergrund ist es richtig, dass der Entwurf eine Enthaftung vormals Antragspflichtiger in § 1 Abs. 2 CorInsAG-E gem. § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 2 AktG, § 130a Absatz 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB und § 99 Satz 2 GenG vorsieht, soweit Zahlungen geleistet werden, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen. Da der Entwurf zu Recht keine Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckung durch Gläubiger vorsieht und auch eine Umstellung von Zahlungsbedingungen (Vorkasse) durch Lieferanten und Dienstleister zulässt (da anderes verfassungsrechtlich nicht zulässig sein dürfte und Folgeprobleme nach sich ziehen würde), könnte es vermehrt dazu kommen, dass Gläubiger von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen, um die eigene Liquidität nicht zu gefährden. Werden daraufhin Zahlungen geleistet, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, dann sollte den Verantwortlichen hieraus kein persönliches Haftungsrisiko entstehen.

Die nachträgliche Feststellung einer von den Pandemiefolgen unabhängigen Insolvenzreife lässt demgegenüber das Haftungsrisiko konsequenterweise unberührt. Im Übrigen wird die auf einschlägige Rechtsprechung des BGH (deutlich restriktiver zuletzt im Urteil vom 4. Juli 2017 – II ZR 319/15) abzielende weite Zweckdefinition (Aufrechterhaltung des allgemeinen Geschäftsbetriebes) eine Einzelfallprüfung jeder Zahlung notwendig machen.

 

Kein Änderungsbedarf bei Insolvenzgründen und Insolvenzanfechtung

Mit der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht geht der Entwurf einen systemkonformen Weg und verzichtet auf Änderungen oder Modifikationen der Insolvenzgründe. Damit wird gleichzeitig die verhaltenssteuernde Wirkung des an die Existenz von Insolvenzgründen anknüpfenden Insolvenzanfechtungsrechts bewahrt. Es verhindert die Fehlallokation der mit staatlicher Unterstützung ausgereichten Finanzhilfen und kann im weiteren Verlauf der Krise eine Bedeutung im Rahmen von möglicherweise nicht zu vermeidenden Insolvenzverfahren erlangen.

 

Kriterium für eine Suspendierung

Mit dem Tatbestandsmerkmal der begründeten Aussichten auf eine Sanierung aufgrund ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsbemühungen des Antragspflichtigen führt § 1 Abs. 1 Satz 1 CorInSAG-E ein Kriterium ein, dass ebenfalls an die Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 12.5.2016 – IX ZR 65/14) angelehnt ist. Dort beschränkt es das Insolvenzanfechtungsrisiko von Gläubigern, die sich an ernsthaften Sanierungsversuchen beteiligen und trägt so dazu bei, dass solche Sanierungsversuche die notwendige Unterstützung bekommen.

 

Dauer der Suspendierung

Anders als im Entwurf vorgeschlagen, sollte zunächst die Suspendierung auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt werden. Sodann könnte aufgrund der Verordnungsermächtigung eine Verlängerung um weitere drei Monate erfolgen. Eine jetzt bereits in Aussicht gestellte Suspendierung von bis zu zwölf Monaten würde insbesondere für nicht unmittelbar durch die Coronakrise betroffenen Unternehmen falsche Signale setzen.

 

Nachbesserungsbedarf

Der VID versteht den Gesetzesentwurf als einen ersten Schritt, um die Folgen der Corona-Krise auch auf insolvenzrechtlicher Ebene zu lösen. Bereits die erste Phase der Suspendierung sollte genutzt werden, um weitere Detailfragen zu klären und Verwerfungen bei der Anwendung des über die Jahrzehnte hinweg sehr ausdifferenzierten Sanierungs- und Insolvenzrechts zu vermeiden. Wir sprechen hier ausdrücklich die Fragen der Gläubigeranträge, der Einzelzwangsvollstreckung, Kündigungssperren nach § 112 InsO bereits im Vorfeld sowie strafrechtliche (§266a StGB) und steuerrechtliche Fragen (Privilegierung von Sanierungskrediten etc.) an.

 

Fazit und weitere Vorschläge

Mit dem vorgelegten Entwurf ergreift die Bundesregierung richtigerweise rechtliche Notmaßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise. Die temporäre Aussetzuung der Insolvenzantragspflicht und die damit verbundene Enthaftung ist aber nur ein begrentzter Baustein zur Krisenbewältigung. Aufgrund der gebotenen Eile und der Zahl betroffener Unternehmen dürften die geschilderten Risiken noch vertretbar sein. Sie sollten jedoch in kürzerer Frist nach einer Evaluation durch differenziertere Regelungen abgelöst werden, die das mit den Folgen der Krise verbundene Insolvenzrisiko angemessen verteilen und größere Verwerfungen vermeiden. Damit wird auch verhindert, dass in einzelnen Fällen langwierige aber voraussichtlich erfolglose Sanierungsversuche zu einer entsprechend längeren Suspendierung von Antragsfristen führen können.

 

Die Ergänzende Stellungnahme des VID zum Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht finden Sie hier.

 

Berlin, den 21.3.2020

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)
Französische Straße 13/14
10117 Berlin

Tel: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de

 

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