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Stellungnahme:

09.10.2023

RegE ZuFinG

Stellungnahme des VID - Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. zum Gesetzentwurf zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG)

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 A. Einleitung

Mit dem Gesetzentwurf (nachfolgend Entwurf) soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes erhöht werden.

Neben einer Vielzahl von Neuerungen in verschiedensten Rechtsgebieten setzt der Entwurf absehbare europäische Vorgaben zum Schutz des von Kryptoverwahrern verwahrten Kundenvermögens um und stellt den Umgang mit Kryptowerten in der Insolvenz klar.[1]

Um die in diesen Fällen idR ohnehin schon komplexen Vorgänge nicht weiter zu erschweren, sind leicht verständliche Regelungen für alle Verfahrensbeteiligten notwendig. Die Möglichkeiten zur Schaffung solcher Regelungen nutzt der Entwurf bislang nicht konsequent aus. Die Stellungnahme geht aus insolvenzrechtlicher Perspektive auf die Defizite ein und unterbreitet Vorschläge für Anpassungen.

 

B. Änderungen des Kreditwesengesetzes

I. § 26b KWG-E (Vermögenstrennung)

Unter dem neu eingefügten Abschnitt „Besondere Pflichten bei Kryptoverwahrung“ regelt § 26b KWG-E, dass ein Institut, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, sicherzustellen hat, dass die Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel der Kunden getrennt von den Kryptowerten und privaten kryptographischen Schlüsseln des Instituts verwahrt werden. Werden Kryptowerte mehrerer Kunden gebündelt verwahrt (gemeinschaftliche Verwahrung), so ist sicherzustellen, dass sich die den einzelnen Kunden zustehenden Anteile am gemeinschaftlich verwahrten Gesamtbestand jederzeit bestimmen lassen (Abs. 1).

Ferner hat das Institut sicherzustellen, dass über die verwahrten Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel des Kunden ohne dessen ausdrückliche Einwilligung nicht für eigene Rechnung des Instituts oder für Rechnung einer anderen Person verfügt werden kann (Abs. 2).

Die Regelung des Abs. 1, die die Vorgaben der MiCA-Verordnung[2] in geltendes Recht übernimmt[3], ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie Kryptoverwahrern Trennungs- und Bestimmbarkeitspflichten auferlegt.

Defizite bestehen jedoch in der Formulierung des Abs. 2, der weitreichende Folgen für die Zuordnung verwahrter Kryptowerte hat. Ausweislich der Entwurfsbegründung rechtfertigt es das der Aufsicht unterliegende Vermögenstrennungsgebot, die verwahrten Werte und Schlüssel dem Vermögen des Kunden auch haftungsrechtlich zuzuordnen (§ 46i KWG-E).[4]

Der bisherige Wortlaut des Abs. 2 „ausdrückliche Einwilligung“ (des Kunden) ist unzureichend. Es fehlt eine Klarstellung, welche Anforderungen an die „ausdrückliche Einwilligung“ zu stellen sind. Die Begründung verhält sich hierzu nicht weiter.[5]

Die bereits zum Referentenentwurf formulierte Kritik wird daher aufrechterhalten:

„Im Insolvenzfall ist der Insolvenzverwalter ggf. gehalten, die Rechtmäßigkeit einer solchen Einwilligung zu überprüfen. Dies kann umso aufwendiger sein, je unschärfer die gesetzlichen Anforderungen sind. (…) Ergänzend würde eine Anforderung in § 26b Abs. 2 KWG-E zur ausdrücklichen Einwilligung „schriftlich oder elektronisch“ Rechtssicherheit schaffen. Davon würden Kryptoverwahrer und deren Kunden gleichermaßen profitieren.“ [6]

 

II. §  46i  Abs.  1 KWG-E (Zuordnung verwahrter Kryptowerte)

Anders als § 26b Abs. 2 KWG-E, der von einer „ausdrücklichen Einwilligung“ des Kunden spricht, stellt der Wortlaut des § 46i Abs. 1 KWG-E auf eine bloße „Einwilligung“ des Kunden ab. Unklar bleibt, weshalb eine ungleiche Formulierung gewählt wurde, die im Ergebnis Raum für unterschiedliche Auslegungen lässt.

Neben einem Gleichklang der Formulierungen schlagen wir auch eine Konkretisierung wie zu § 26b Abs. 2 KWG-E („schriftlich oder elektronisch“) vor, um die Rechtssicherheit der Norm zu erhöhen.

 

III. §  46i  Abs.  3  KWG-E (Kosten der Aussonderung)

§ 46i Abs. 3 KWG-E hat – im Vergleich zur Regelung im Referentenentwurf – inhaltliche Änderungen erfahren:

„Stimmt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts einer Aussonderung im Wege der Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein vom Insolvenzverwalter bestimmtes Institut, welches das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, nicht zu, trägt er die Kosten der Aussonderung. Dies gilt nicht, wenn die Bedingungen, zu denen das andere Institut eine Fortführung des Verwahrverhältnisses anbietet, für den Kunden unzumutbar sind. Sätze 1 und 2 sind auf die Übertragung wesentlicher Teile des verwahrten Gesamtbestands entsprechend anzuwenden.“

Hierdurch soll, so die Entwurfsbegründung, der „mit Einzelübertragungen verbundene Mehraufwand und die damit zusammenhängenden Kosten (…) vermieden werden. Wo sie auf Wunsch des Kunden anfallen, sollen sie von diesem auch getragen werden.“[7]

 

Im Einzelnen:

1. Übertragung des Gesamtbestandes auf ein anderes Institut

Auch wenn mit der Formulierung („Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein vom Insolvenzverwalter bestimmtes Institut“) Mehraufwand vermieden werden soll, stellt die Bestrebung einer kostenfreien Übertragung des (gesamten) Bestandes auf ein (einziges) anderes Institut ein ungewöhnliches Vorgehen dar.

Die Regelung ist zudem komplex, streitanfällig und wird den Besonderheiten des Kryptoverwahrgeschäfts nicht gerecht:

 

2. Kosten

a) Grundsätzliches

Der Aussonderungsvorgang auf ein anderes Institut verursacht – auch im Wege der Übertragung nach § 46i Abs. 3 KWG-E – Kosten.

Sollten die Kosten aus der Insolvenzmasse aufgebracht werden müssen, schmälert dies die Insolvenzquote und kann ggf. sogar zu einer Masseunzulänglichkeit führen. Das ist gerade beim Kryptoverwahrgeschäft relevant, weil der Transferierende (Insolvenzverwalter) mit Gebühren und Kosten belastet wird. Das ist das Geschäftsmodell der Intermediäre. In der Praxis werden im Fall des „Umzugs“ von Werten Tausende von Transaktionen anstehen, die ebenfalls Tausende von gebühren- und kostenpflichtigen Vorgängen auslösen. Dies ist in internationalen Rechtsordnungen auch berücksichtigt; beispielsweise legt der schweizerische § 242a Abs. 4 SchKG die Kosten der Transaktion immer dem User bzw. Kunden auf: „Die Kosten für die Herausgabe sind von demjenigen zu übernehmen, der diese verlangt. […]“

Grundsätzlich sind die Kosten der Aussonderung Masseverbindlichkeiten.[8] Wenn der Insolvenzverwalter jedoch besondere Maßnahmen treffen muss, die über die gewöhnlichen Aufwendungen hinausgehen, drängt sich ein Kostenerstattungsanspruch auf.[9] Denn es gibt keine Rechtfertigung dafür, einen ausschließlich dem Aussonderungsberechtigten zugutekommenden, außergewöhnlichen Aufwand von den ungesicherten Insolvenzgläubigern zahlen zu lassen.

Der Ansatz des Entwurfs, Mehraufwand und Kosten zu vermeiden, wird mit der bisherigen Formulierung nicht erreicht. Auch birgt die Regelung weiteres Konfliktpotential, das die Kosten für die Insolvenzmasse weiter erhöht:

 

b) Satz 1 „nicht zustimmen

Bei der Verwahrung von Kryptowerten handelt es sich um ein Massengeschäft.

Nach dem Wortlaut des Entwurfs soll eine für den Kunden kostenfreie Aussonderung nur nach Zustimmung möglich sein. Das Procedere einer rechtssicheren Zustimmung ist, auch in der Entwurfsbegründung, nicht näher beschrieben.

Die Einholung der Zustimmung bedeutet – gerade bei einer Vielzahl von Kunden – zusätzlichen Aufwand für den Insolvenzverwalter. Ebenso verhält es sich bei der Auswertung der Rückmeldungen. So ist im Ergebnis zwischen Zustimmungen, Ablehnungen und ausbleibenden Rückmeldungen zu differenzieren.

Soweit Kunden schweigen bzw. schlicht nicht reagierten, sollen diese die Aussonderungskosten wohl tragen, da es formal an einer Zustimmung fehlt. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Entwurfsbegründung, die einen (ausdrücklichen?) Kundenwunsch voraussetzt („Wo sie [die Kosten] auf Wunsch des Kunden anfallen, sollen sie von diesem auch getragen werden.“[10])

Da sowohl von ausbleibenden Rückmeldungen als auch von Ablehnungen ausgegangen werden muss, müsste in solchen Fällen eine Sonderlösung für diese Gläubigergruppen gesucht werden, was den Aufwand für den Insolvenzverwalter und die Kosten für die Insolvenzmasse weiter erhöht. Die Intention des Entwurfs, Mehraufwand und Kosten zu vermeiden, wird damit konterkariert.

 

c) Unbestimmte Rechtsbegriffe der Sätze 2 und 3

Die zusätzliche Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie „unzumutbar“ (Satz 2) sowie „wesentlicher Teile“ (Satz 3) dürfte zu weiterem Konfliktpotential führen.

 

aa) „unzumutbar

Die Entwurfsbegründung verweist zur näheren Erläuterung des Begriffs „unzumutbar“ beispielhaft auf Fälle, bei denen „die Verwahrung beim neuen Verwahrer nicht die gleiche Sicherheit bietet wie die bisherige Verwahrung unter deutschem Recht oder (…) die Verwahrentgelte in Ansehung des Gegenstands der Verwahrung und im Verhältnis zum Marktüblichen unverhältnismäßig hoch sind.“[11]

Selbst die genannten Beispiele helfen in der Praxis kaum weiter, da auch Begrifflichkeiten wie „Sicherheit“ von subjektiven Belangen des Kunden geprägt sein können.

 

bb) „wesentliche Teile

Was „wesentliche Teile“ des gesamten Verwahrbestandes sind (50 %, 75 %, 90 %?), ergibt sich zudem weder aus dem Entwurf selbst noch aus seiner Begründung.

Der Hinweis in der Entwurfsbegründung, wonach „eine Anwendung [der Sätze 1 und 2] bei Einzelübertragungen oder Übertragungen von nur geringfügigen Teilen nicht in Betracht“ [12] kommt, hilft insoweit nicht weiter.

 

d) Entscheidungshoheit des Insolvenzverwalters

Für den Insolvenzverwalter wird es nahezu unmöglich sein, sämtliche Kunden gleichermaßen zufrieden zu stellen. So darf davon ausgegangen werden, dass die Wünsche der Kunden im Hinblick auf die Frage des künftigen Verwahrinstituts durchaus vielfältig sind. Letztlich bestimmt jedoch der Insolvenzverwalter über die Übertragung und zwingt dem Kunden einen neuen Vertragspartner auf, wenn dieser die Aussonderungskosten nicht tragen möchte.

Im Entwurf selbst ist damit bereits ein Grundkonflikt angelegt zwischen der Vertragsfreiheit des Kunden (freie Wahl des Instituts) und der Möglichkeit einer „systemwidrigen“ Kostenschonung bei Verzicht auf die freie Institutswahl.

Nach welchen Kriterien der Insolvenzverwalter – auch im Hinblick auf etwaiges Haftungspotential – eine fundierte Entscheidung zur Auswahl des künftigen Instituts treffen soll, lässt der Entwurf leider offen.

 

 

C. Fazit

Der Entwurf ist insgesamt zu begrüßen, soweit er vorhandene Regelungslücken schließt.

Um künftige Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, bedürfen die nachfolgenden Punkte jedoch dringend einer Überarbeitung: 

  1. Die Anforderungen an die „ausdrückliche Einwilligung“ des § 26b Abs. 2 KWG-E sowie die „Einwilligung“ des § 46i Abs. 1 KWG-E sollten weiter konkretisiert werden (schriftlich oder elektronisch).
  1. Die Kosten der Aussonderung (§ 46i Abs. 3 KWG-E) sollte der die Aussonderung verlangende Kunde tragen.

 

Berlin, 09.10.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Vgl. S. 2 des Entwurfes.

[2] EUR-Lex – 32023R1114 – EN – EUR-Lex (europa.eu).

[3] Entwurfsbegründung, S. 161.

[4] Entwurfsbegründung, S. 161.

[5] Entwurfsbegründung, S. 161.

[6] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, S. 4, abrufbar unter VID_Stellungnahme-zum-RefE-des-Zukunftsfinanzierungsgesetz.pdf.

[7] Entwurfsbegründung, S. 163.

[8] BGH, Urt. v. 26.5.1988, Az. IX ZR 276/87; KPB/Prütting, InsO, § 47 Rn. 85.

[9] Braun/Bäuerle, InsO § 47 Rn. 95; OLG Stuttgart v. 11.3.80, Az. 12 U 176/79; ZIP 1980, 528.

[10] Entwurfsbegründung, S. 163.

[11] Entwurfsbegründung, S. 163.

[12] Entwurfsbegründung, S. 163.

 

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