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Stellungnahme:

11.01.2019

VID-Stellungnahme zum §§-Teil des JVEG

Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zur Überprüfung der Vergütungsregelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Sachverständige (hier: §§ -Teil des JVEG)

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A. Vorbemerkung

Vor dem Hintergrund der aktuellen empirischen Marktanalyse zu den Honorarsätzen der Sachverständigenvergütung nach dem JVEG wurden Anmerkungen zu den Erfahrungen mit den im Paragraphenteil des JVEG verankerten Vorschriften für die Sachverständigenvergütung erbeten.

Die nachfolgenden Anmerkungen beziehen sich ausschließlich auf diese, im Paragraphenteil des JVEG verankerten, Vorschriften für die Sachverständigenvergütung. Zu den Erfahrungen mit der Sachgebietsliste zum JVEG (Anlage 1 zum JVEG) hatte der VID im März 2017 ausführlich Stellung[1] genommen.

 

B. Im Einzelnen

Den Paragraphenteil des JVEG und dort insbesondere § 9 Abs. 2 JVEG hatte der VID bereits in seiner Stellungnahme vom 28.03.2017 angesprochen. § 9 Abs. 2 JVEG war durch Art. 7 des 2. KostRMoG vom 23. Juli 2013[2] neu gefasst worden:

„Beauftragt das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Insolvenzordnung, auch in Verbindung mit § 22 Absatz 2 der Insolvenzordnung), beträgt das Honorar in diesem Fall abweichend von Absatz 1 für jede Stunde 80 Euro.“

Dagegen enthält § 9 JVEG in der Fassung des 2. KostRMoG eine ausdrückliche Regelung weder für die Vergütung des so genannten „isolierten“ Sachverständigen, d. h. eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen, der in einem Insolvenzantragsverfahren nicht gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde, noch für einen vorläufigen Sachwalter, der gleichzeitig zum Sachverständigen bestellt wurde.

Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Ergänzung der vorgenannten Stellungnahme des VID aus dem Jahre 2017.

 

1. Bewertung durch das Bundesverfassungsgericht

Eine frühere – nach ihrem Wortlaut auf den in der Praxis selten bestellten sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 InsO beschränkte – Fassung des § 9 Abs. 2 JVEG (damals: 65 Euro) war durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (nachfolgend BVerfG) vom 29.11.2005 (1BvR 2035/05; ZIP 2006, 86 ff.; NZI 2006, 93ff.) auch hinsichtlich ihrer analogen Anwendung auf den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter und gleichzeitgen Sachverständigen für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt worden. Das Gericht hatte damals seine Billigung auch an den Maßstäben der Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG, d. h. auch unter Berücksichtigung der damaligen Höhe der Vergütung des Sachverständigen orientiert, der gleichzeitig als vorläufiger Insolvenzverwalter fungierte.

Das BVerfG (ZIP 2006, 87) führte zu Art. 12 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang aus:

Auch das vom Oberlandesgericht gefundene Ergebnis, wonach der Beschwerdeführer für seine Sachverständigentätigkeit mit 65 € pro Stunde vergütet wird, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Art. 12 Abs. 1 GG schützt den Grundrechtsträger auch davor, dass ihm durch staatliche Regelung eine unangemessen niedrige Vergütung zugemutet wird (vgl. BVerfGE 101, 331, 350). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Staat bei der Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben, wie etwa für Sachverständigentätigkeit, eine Vergütung in der auf dem freien Markt für vergleichbare Leistungen erzielbaren Höhe vorzusehen hätte (vgl. BVerfGE 33, 240, 247; BVerfGE 85, 329, 334). Insbesondere muss sich der Gesetzgeber nicht an den Einkünften von Spitzenverdienern orientieren (vgl. BVerfGE 33, 240, 247). Es war daher nicht gehalten, seiner Vergütungsregelung die vom Beschwerdeführer angeführten Stundensätze von über 300 € zugrunde zu legen.

 Hinzu kommt, dass die Sachverständigenvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Kontext mit der ihm zusätzlich zustehenden Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter zu sehen ist. Unbeschadet der Zuweisung weiterer Pflichten nach § 22 Abs. 2 InsO nimmt der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren zumindest Aufsichts- und Sicherungsfunktionen wahr (vgl. Uhlenbruck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl., 2001, § 14 Rz. 29). Ihm obliegt es insbesondere, dem Gericht Erkenntnisse über Beeinträchtigungen des Sicherungszwecks mitzuteilen, damit weitere Sicherungsmaßnahmen geprüft und angeordnet werden können (vgl. MünchKomm-Haarmeyer, InsO, 2001, § 22 Rz. 30). Da sich beide Tätigkeiten überschneiden, etwa bei der Erarbeitung des Gutachtens auf Erkenntnisse aus der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter zurückgegriffen werden kann, oder die Ergebnisses des Gutachtens auch für die Aufsichtstätigkeit nutzbar sind, kommt es in gewissem Umfang zu einer doppelten Vergütung.

Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch, dass bei der vom Oberlandesgericht gefundenen Lösung der Vergütungssatz von 65 € pro Stunde festgelegt ist und nicht gesondert den konkreten Umständen des Einzelfalls angepasst werden kann. Damit können zwar im Einzelfall die herausragende fachliche Qualifikation eines Sachverständigen und die Notwendigkeit, diese Fähigkeiten zur Erstellung eines Gutachtens einzusetzen, keine Berücksichtigung finden. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht gehindert, bei der Festsetzung der Vergütung von Sachverständigen zu verallgemeinern (vgl. BVerfGE 33, 240, 247). Außerdem gilt auch hier, dass sich solche besonderen Umstände des Einzelfalls entsprechend in der Vergütung für den vorläufigen Insolvenzverwalter niederschlagen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV) und damit die starre Vergütungsregelung für Sachverständige mildern.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass ein Insolvenzverwalter mit der hohen Qualifikation, wie sie der Beschwerdeführer für sich in Anspruch nimmt, den ganz überwiegenden Teil seiner Einkünfte nicht durch Gutachten der hier in Rede stehenden Art, sondern durch Vergütungen als Insolvenzverwalter erzielen wird. Der Beschwerdeführer macht demgemäß auch nicht geltend, durch die nach seiner Einschätzung zu geringe Vergütung existenziell betroffen zu sein.

Schließlich kann dahinstehen, ob entgegen der in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/2487, S. 140) vertretenen Ansicht nach früherem Recht ein regelmäßiger Stundensatz von 78 € zulässig gewesen wäre. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte und der Beschwerdeführer somit durch die Neuregelung eine Kürzung hinnehmen muss, führt dies nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 JVEG. Es gibt keinen verfassungsrechtlich garantierten Besitzstandsschutz hinsichtlich der Höhe von Sachverständigenvergütungen. Die Verfassungsmäßigkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber dann von seiner erklärten Absicht, die Vergütung zu erhöhen (BT-Drucks. 15/2487, S. 140), unwissentlich abgewichen wäre.

Schon aus diesen Ausführungen und dem Verweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drucks. 15/2487, S. 140 wird deutlich, dass § 9 Abs. 2 JVEG mit der derzeitigen Vergütung von 80 Euro für jede Stunde lediglich ein Vergütungsniveau erreicht, das in ähnlicher Höhe bereits nach früherem Recht bestand.

Aktuell entspricht die Vergütung des § 9 Abs. 2 JVEG der Honorargruppe 4, in die gemäß Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 u.a. die Tätigkeiten von Bausachverständigen eingeordnet werden.

Zum Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG formuliert das BVerfG vor diesem Hintergrund (a. a. O.):

Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet zwar auch, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln, auch wenn der Gesetzgeber nicht gehalten ist, Ungleiches unter allen Umständen ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 110, 141, 147).

Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als Sachverständiger mit 65 € pro Stunde stellt jedoch nur scheinbar eine Gleichbehandlung mit den Sachverständigen auf den Gebieten der Honorargruppe 4 des § 9 Abs. 1 JVEG dar. In der Gliederung des § 9 JVEG wird dies deutlich in der gesonderten Erwähnung des Falles in einem eigenen Absatz. Der sachliche Unterschied liegt in dem oben erwähnten Umstand, dass die Sachverständigenvergütung in der Sonderkonstellation des § 9 Abs. 2 JVEG faktisch ergänzt wird durch einen Teil der Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter, so dass sich bei wirtschaftlicher Betrachtung letztlich eine höhere Vergütung ergibt.

 

2. Anpassung der Vergütungshöhe

Folgt man dem BVerfG in dieser Argumentation dann wäre zumindest jede weitere Anpassung der Vergütungshöhe in der Honorargruppe 4 auch in § 9 Abs. 2 JVEG nachzuvollziehen. Die Ergebnisse der durch das BMJV beauftragten Marktanalyse werden die Notwendigkeit einer solchen Anpassung ermitteln. Unabhängig davon sollte zur Vermeidung eines zukünftigen isolierten Anpassungsbedarfs in § 9 Abs. 2 JVEG kein fester Betrag des Stundenhonorars mehr genannt, sondern auf die einschlägige Honorargruppe, derzeit Honorargruppe 4, verwiesen werden.

 

3. Überprüfung der ursprünglichen Annahmen des Gesetzgebers zur Einordnung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen

Es wäre jedoch auch eine grundsätzlichere Überprüfung der ursprünglichen Annahmen des Gesetzgebers an dieser Stelle notwendig. Die Gesetzesbegründung des JVEG (a.a.O.) hatte damals zur Einordnung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen wörtlich ausgeführt:

Der Rechtsausschuss schlägt vor, für die Sachverständigentätigkeit im Insolvenzverfahren in dem neuen Absatz 2 ein besonderes Honorar vorzusehen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO kann das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen. Es handelt sich dabei um eine Sachverständigenleistung eigener Art, die ausschließlich im Insolvenzverfahren erbracht wird und die nicht einem bestimmten Sachgebiet im Sinne des § 9 Abs. 1 zugeordnet werden kann. Eine Aufnahme dieser Tätigkeit in den Sachgebietskatalog der Anlage 1 zu § 9 erscheint daher nicht sachgerecht. Der in dieser Anlage vorgesehenen Zuordnung der einzelnen Sachgebiete zu verschiedenen Honorargruppen liegt eine Bewertung der Sachverständigenleistungen nach dem jeweiligen Marktwert zugrunde. Ein solcher Marktwert existiert jedoch im vorliegenden Fall nicht, da hier als Auftraggeber ausschließlich Gerichte in Betracht kommen und sich die Vergütung daher stets nach dem JVEG-E bemisst.

Zur Vermeidung von Abrechnungsschwierigkeiten soll auch für diese Sachverständigentätigkeit ein festes Stundenhonorar festgelegt werden. Derzeit wird die Tätigkeit regelmäßig mit dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 ZuSEG vorgesehenen Höchststundensatz von 52 Euro entschädigt. Ein Berufs-sachverständigenzuschlag kommt dabei nicht in Betracht. Da ein Marktwert als Ausgangsgröße für die Bemessung des künftigen Stundensatzes nicht zur Verfügung steht, wird vorgeschlagen, den jetzigen Stundensatz in dem Maße anzuheben, in dem nach dem JVEG-E die Sachverständigenvergütung durchschnittlich steigen soll. Ausgehend von einem Prozentsatz von 22 Prozent ergibt sich dadurch – auf volle 5 Euro gerundet – ein Stundensatz von 65 Euro.

Die hier vorgetragene Argumentation (Nichtexistenz eines Marktwertes) bedeutet in Verbindung mit den vom Bundesverfassungsgericht (s. o.) eingeräumten weiten Ermessensspielräumen (Verallgemeinerung, keine Besitzstandsgarantie) nicht, dass dem Gesetzgeber bei der Einordnung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen nach § 9 Abs. 2 JVEG keine Gestaltungsgrenzen gesetzt sind. Dies gilt auch dort, wo die Kombination mit einer Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine ansonsten deutlich zu niedrige und damit nach verfassungsrechtlichem Maßstab unangemessene Vergütung auszuschließen scheint. Nicht ohne Grund hatte der Gesetzgeber des JVEG in seiner Gesetzesbegründung vom 11.2.2004 (s. o.) darauf hingewiesen, dass insolvenzrechtliche Sachverständige nach dem ZSEG regelmäßig mit dem höchsten Stundensatz vergütet wurden. Diese Praxis umfasste vor dem Inkrafttreten des JVEG auch die heute in § 9 Abs. 2 JVEG angesprochene Konstellation einer Kombination von Sachverständigentätigkeit mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Sie war schon damals ein Produkt des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen der vielfach arbeits- und zeitintensiven Bewältigung von gerichtlich definierten Ermittlungsaufgaben und deren gesetzlicher Bewertung durch das ZSEG.

Die Kombination mit den ebenfalls umfangreichen Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters führte auch bei Insolvenzgerichten zu Verwechslungen[3]. Ein exemplarischer Fall aus der jüngeren Vergangenheit macht deutlich, dass auch Sachverständige vor der Schwierigkeit stehen können, ihre Tätigkeit rechtssicher einzuordnen[4]. Dies gilt besonders dort, wo Insolvenzgerichte über den Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO hinausgehen[5].

  

4. Fehlende gesetzliche Regelung der Vergütung des zum vorläufigen Sachwalter bestellten Sachverständigen

In der besonderen Konstellation der vorläufigen Sachwaltung, die in § 9 Abs.2 JVEG nicht angesprochen wird, kann eine solche Erweiterung die Zuordnungsprobleme noch verstärken[6]. Eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 2 JVEG auf den vorläufigen Sachwalter dürfte wegen des grundsätzlich einschränkenden Charakters dieser Vorschrift nicht in Frage kommen[7]. Die durch höchstrichterliche Rechtsprechung aufgeworfene Frage nach einer eigenständigen Anspruchsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters verstärkt das Analogieverbot an dieser Stelle, weil § 9 Abs. 2 JVEG die gerichtliche Beauftragung des vorläufigen Insolvenzverwalters anspricht und damit eine eigenständige Anspruchsgrundlage für dessen Vergütung voraussetzt[8].

Die Vergütung des zum vorläufigen Sachwalter bestellten Sachverständigen bestimmt sich demnach ausschließlich gem. § 9 Abs. 1 JVEG[9]. Damit ergibt sich hier ein unabweisbarer Wertungswiderspruch mit der Regelung des § 9 Abs. 2 JVEG, deren Bewertung auf der auch durch das BVerfG maßgeblich herangezogenen Parallelität von Tätigkeiten beruht. Diese Parallelität ist teilweise auch in der Konstellation eines zum vorläufigen Sachwalter bestellten Sachverständigen angelegt.

Eine „Orientierung“ der nach § 9 Abs. 1 JVEG festzusetzenden Honorare des zum vorläufigen Sachwalter bestellten Sachverständigen an der Regelung des § 9 Abs. 2 JVEG kommt dennoch nicht in Betracht. Eine solche „Orientierung“ soll sogar für die Honorierung des isolierten Sachverständigen erfolgen[10]. Sie kann jedoch schon vor dem Hintergrund des Auffangtatbestandes in § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG keinen Bestand haben[11]. Ein Vergleich der Aufgaben des vorläufigen Sachwalters mit denen des vorläufigen Insolvenzverwalters macht zudem deutlich, dass die zurückgenommene Aufsichtsfunktion eines Sachwalters im Eröffnungsverfahren deutlich schwächer ausgeprägt ist als die durch § 22 InsO definierten Pflichten eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Selbst im häufigsten Fall eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, dem regelmäßig nur ein Zustimmungsvorbehalt bei Verfügungen des Schuldners nach § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO eingeräumt wird, begründet bereits diese Anordnung des Gerichts einen signifikanten Unterschied zum Aufgabenkreis des vorläufigen Sachwalters. Dies kommt in der regelmäßig deutlich herabgesetzten Vergütung für diese Tätigkeit zum Ausdruck[12]. Folgt man der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dann fehlt dieser Vergütung sogar eine eigene Anspruchsgrundlage[13]. Damit fehlt hier auch die Kompensationswirkung des § 9 Abs. 2 JVEG, die ausweislich der Gesetzesbegründung auf dem eigenständigen Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters beruht.

 

5. Fehlende gesetzliche Regelung der Vergütung des „isolierten“ Sachverständigen

Schon nach der ursprünglichen Regelung des § 9 JVEG in seiner Fassung vor dem 2. KostRMoG war die Bestimmung der Vergütung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen, der nicht gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde, der Rechtsprechung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG a. F. überlassen. Hierzu hatte sich dann auch eine umfangreiche Judikatur entwickelt, die überwiegend nach der Systematik der vorgenannten Vorschrift nach billigem Ermessen auf Honorargruppe 7, damals 80,00 EUR pro Stunde abstellte[14]. Gleichwohl richtete sich die Vergütungshöhe des isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen im Ergebnis nach der Rechtsprechung des jeweiligen regionalen Oberlandesgerichts, was zu regional unterschiedlichen Vergütungserhöhen für gleichartige Tätigkeiten der Sachverständigen führte.

Obwohl der Gesetzgeber des 2. KostRMoG den Regelungsbedarf für den so genannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter und gleichzeitigen Sachverständigen bei § 9 Abs. 2 JVEG erkannte, konnte er sich trotz Kenntnis des ebenso dringenden Regelungsbedarfs für die Vergütung des isolierten Sachverständigen offenbar nicht zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung entschließen. Vielmehr beließ er es bei einem Hinweis in der Gesetzesbegründung[15], in dem es heißt:

„Im Fall einer isolierten Gutachtertätigkeit soll sich das Honorar jedoch ausschließlich nach Absatz 1 bemessen. Dies wird zukünftig regelmäßig ein Sachgebiet sein, dass in der neuen Sachgebietsliste unter Nr. 6 aufgeführt ist.“

Dadurch wurde zumindest klargestellt, dass § 9 Abs. 2 JVEG für die Vergütung des isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen nicht mehr analog anwendbar ist. Dagegen führte der Hinweis auf Nr. 6 der neuen Sachgebietsliste in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit und hat im Ergebnis sein Ziel verfehlt.

Nr. 6 Nr. 6 der Sachgebietsliste in ihrer aktuellen Fassung enthält unter der Überschrift Betriebswirtschaft die Unterpunkte

6.1.  Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und – verlagerungsschäden             
(Honorargruppe 11 [115,00 €]),

6.2   Kapitalanlagen und private Finanzplanung (Honorargruppe 13 [125,00 €])

6.3   Besteuerung (Honorargruppe 3 [75,00 €]).

Für die Einordnung der Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen bietet sich danach Nr. 6.1 der Sachgebietsliste (Unternehmensbewertung, Honorargruppe 11) in Unternehmensinsolvenzverfahren und für gewerblich tätige natürliche Personen sowie Nr. 6.2 (private Finanzplanung, Honorargruppe 13) für die Insolvenz natürlicher Personen an. Dieser gesetzgeberischer Absicht ist die Rechtsprechung aber nicht gefolgt. Vielmehr hat sich eine materiell rechtlich und regional höchst unterschiedliche Rechtsprechung zur Vergütung des isolierten Sachverständigen entwickelt.

Einige Gerichte haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich aus der neuen Sachgebietsliste wegen der unterschiedlichen Honorargruppen in Nr. 6 gerade keine regelmäßige Einordnung der Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen ergebe. Eine Einordnung unter Unternehmensbewertung sei nicht möglich, da schon die bisherige Rechtsprechung eine solche Zuordnung zu der bereits vorher existierenden Honorargruppe abgelehnt habe[16]. Lediglich bei einer eingehenden Bewertung eines werbenden Unternehmens komme die Anwendung der Honorargruppe 11 (115,00 €) in Betracht[17]. Ansonsten bleibe es dabei, dass auch nach der Neufassung des JVEG der isolierte Sachverständige regelmäßig nach Honorargruppe 7 (95,00 €) zu vergüten sei.

Andere Gerichte sahen zwar ebenfalls keine Möglichkeit einer eindeutigen Zuordnung der Tätigkeit des Sachverständigen, erkannten aber zumindest den Willen des Gesetzgebers, von der regelmäßigen Zuordnung der Tätigkeit zu Honrargruppe 7 abzurücken[18].Dies führte dann auf dem Weg über § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG zu einer Interpolation der Honorargruppen in Nr. 6 der Sachgebietsliste und zu einem Stundensatz in Höhe von 105,00 EUR.

Lediglich das OLG Karlsruhe und ihm folgend einige weitere Gerichte nahmen den gesetzgeberischen Hinweis auf und ordneten die Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen unter das Sachgebiete Unternehmensbewertung ein, zumindest wenn im Rahmen des Sachverständigenauftrags zur Prüfung der Eröffnungsgründe ein Unternehmen des Schuldners, unabhängig von dessen Größe, bewertet werden musste[19].Eine Zuordnung könne im Einzelfall auch zu anderen Sachgebieten erfolgen, gegebenenfalls auch auf dem Weg des § 9 Abs. 1 Satz 4 JVEG. Eine Einordnung in Honorargruppe 7 (Medizintechnik, 95,00 EUR pro Stunde) sei aber nicht mit der Tätigkeit eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen in Einklang zu bringen[20].

Zur Herstellung einer bundesweit einheitlichen Vergütungspraxis erscheint es daher nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz erforderlich, § 9 Abs. 2 JVEG um einen weiteren Satz zu ergänzen und dort festzulegen, dass der insolvenzrechtliche Sachverständige, der nicht gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde, zumindest nach der Honorargruppe 11 des § 9 Abs. 1 JVEG vergütet wird.

 

C. Fazit

 1.

Im Rahmen einer Anpassung der Honrargruppen in § 9 Abs. 1 JVEG an die Ergebnisse der durchgeführten Marktanalyse sollte bei einer Erhöhung der Stundenhonorare in der Honorargruppe 4 eine analoge Anhebung in § 9 Abs. 2 JVEG erfolgen, die durch eine dortige Verweisung auf diese Honorargruppe im Gesetzestext umgesetzt werden sollte.

2.

Eine „Orientierung“ an der Honorierung sollte zudem künftig auch in der Konstellation des § 9 Abs. 2 JVEG (Sachverständiger und vorläufiger Insolvenzverwalter) ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn der Gutachtenauftrag und/oder die notwendige Ermittlungstätigkeit über den Zuschnitt eines normalen Insolvenzverfahrens[21] deutlich hinausreicht. Hier ist eine Kompensation durch Zuschläge auf die Vergütung des vorläufigen Verwalters schon nach der Rechtsprechung des BGH gar nicht möglich, da die bereits vergütete Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen streng von der vergütungsrelevanten Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters zu unterscheiden ist, um nach der Diktion des BGH eine Doppelvergütung zu vermeiden[22]. Selbst wenn die Gerichte entgegen dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung dem vorläufigen Insolvenzverwalter für spezifisch sachverständige Tätigkeiten Vergütungszuschläge gewähren, verpufft der Effekt deshalb, weil häufig einer aufwändigen Ermittlung keine entsprechenden Massezuflüsse gegenüberstehen.

Um dennoch ohne nähere Begründung subjektiv als zu hoch bewertete Sachverständigenvergütungen nicht zusprechen zu müssen, wird bis heute durch die Gerichte oftmals eine rechtswidrige Begrenzung der abgerechneten Stunden unabhängig von dem tatsächlich entstandenen Zeitaufwand des Sachversständigen eingefordert. Diese Praxis muss vielfach von den Insolvenzverwaltern akzeptiert werden, um andernfalls keine unverblümt angedrohten Nachteile bei künftigen Bestellungen zu erfahren[23].

Eine solche einschränkende, rechtswidrige Anwendung des § 9 Abs. 2 JVEG kann zumindest dort keinen Bestand haben, wo die geschilderte Kompensation des überdurchschnittlichen Aufwands des Sachverständigen durch Zuschläge auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht stattfindet und könnte für entsprechende Fälle durch eine Klarstellung des Gesetzgebers zu dieser rechtswidrigen Praxis oder durch eine ergänzende Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG in der Regelung des § 9 Abs. 2 JVEG verhindert werden.

3.

Zur Klarstellung sollte der Gesetzgeber im Rahmen der nun vorgeschlagenen Reform des JVEG in § 9 JVEG auch eine explizite Regelung für den Sachverständigen treffen, der gleichzeitig zum vorläufigen Sachwalter bestellt wurde.

Dessen Einordnung bei § 9 Abs. 2 JVEG kommt dabei nicht in Betracht. Eine gesetzliche Regelung in § 9 JVEG muss den vorläufigen Sachwalter bei seiner gutachterlichen Tätigkeit deutlich höher einordnen, weil sein Aufgabenkreis gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter reduziert ist und er deshalb nicht die gleichen Paralleleffekte erzielen kann, die eine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit sich bringen. Mit Blick auf einen evtl. künftige gesetzliche Regelung der Vergütung des vorläufigen Sachwalters sollte durch eine Ergänzung des § 9 Abs. 2 JVEG ausdrücklich eine Einordnung wie bisher durch die Rechtsprechung für den sog. isolierten Sachverständigen in der Honorargruppe 7 erfolgen, denn es erscheint nach den praktischen Erfahrungen mit der aktuellen Rechtslage fraglich, ob dies im Rahmen des § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG allein durch einen entsprechenden Hinweis in der Gesetzesbegründung geschehen kann.

4.

Aus diesen Gründen wird es nicht zuletzt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für erforderlich gehalten, auch die Vergütung des isolierten insolvenzrechtlichen Sachverständigen ausdrücklich in § 9 Abs. 2 JVEG mit einem Verweis auf die Honorargruppe 11 zu regeln, um insoweit bundesweit eine Rechtsvereinheitlichung und damit Rechtssicherheit zu erreichen.

5.

Es ist zu erwarten, dass gegen die vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen mit einer übermäßigen Belastung der Landeskassen argumentiert werden wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der Vergütung des insolvenzrechtlichen Sachverständigen überwiegend nicht um endgültige Aufwendungen der Staatskasse handelt. Vielmehr stellen diese Aufwendungen eine gerichtliche Auslage dar, die im eröffneten Insolvenzverfahren als Gerichtskosten zu den Masseverbindlichkeiten nach § 54 Nr. 1 InsO gehört und für die bereits unmittelbar nach Verfahrenseröffnung durch die Gerichtskasse entsprechende Vorschüsse angefordert werden können. Bei Rücknahme oder Abweisung eines Gläubigerantrages haftet der Antragsteller nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG auch für die betreffenden gerichtlichen Auslagen (Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses). Lediglich bei Abweisung eines Schuldnerantrages mangels kostendeckender Masse dürfte sich regelmäßig der Regressanspruch der Gerichtskasse hinsichtlich der entstandenen Auslagen als nicht werthaltig erweisen, sodass nur in diesen wenigen Fällen eine endgültige Belastung der Staatskasse eintreten wird.

 

[1] VID- Stellungnahme zur Überprüfung der Vergütungsregelungen des JVEG für Sachverständige vom 28.03.2017, abrufbar unter https://www.vid.de/stellungnahmen/jveg-verguetungsregelungen-fuer-sachverstaendige/

[2] BGBl. I S. 2683.

[3] Vgl. hierzu etwa OLG Nürnberg, ZIP 2006, 1503 zum sog. „starken Gutachter“.

[4] Vgl. LG Duisburg, ZinsO 2018,2676 m. Anm. Schröder a.a.O. S.2626.

[5] Instruktiv zu diesem Rahmen und seinen Erweiterungsmöglichkeiten bzw. Grenzen Vallender, ZinsO 2010, 1459 m. w. N.

[6] Vgl. Schröder, a.a.O., S. 2627.

[7] Vgl. zur (höheren) Einordnung des sog. isolierten Sachverständigen im Insolvenzverfahren zuletzt ausführlich OLG Bamberg, ZInsO 2017, 2457 m. w. N.

[8] Vgl. Ausführlich und kritisch zur Rechtsprechung des BGH (IX ZB 70/14 und IX ZB 71/14) Zimmer, InsVV, § 12 Rz. 104 m. w. N.

[9] Das LG Duisburg (a.a.O.) spricht deshalb vorsichtig nur von einer „Orientierung“ an § 9 Abs.2 JVEG.

[10] Vgl. Greiner, ZInsO 2018, 1714 gegen die h. M, vgl. nur beispielhaft AG Darmstadt ZIP 2013, 2372 (Honorargruppe 7); OLG Karlsruhe ZIP 2016,430, ZInsO 2015, 355; OLG Bamberg, 29.09.2017, BeckRS 2017, 128549; LG Göttingen ZInsO 2017, 2459; AG Göttingen, ZInsO 2018, 277(Honorargruppe 11).

[11] Greiner a.a.O. S. 1715 räumt das Fehlen einer Regelungslücke ein und sieht deshalb den Gesetzgeber aufgefordert, zur Erleichterung von Honorarfestsetzungen bei isolierten Sachverständigen gegen die h. M. (vgl. vorherige FN) eine Analogie zu § 9 Abs. 2 JVEG herzustellen.

[12] Vgl. hierzu BGH IX ZB 70/14.

[13] Vgl. BGH a. a. O. Fn. 6 und 10.

[14] OLG München ZIP 2005, 1329; NZI 2005, 501; OLG Frankfurt/Main ZInsO 2005, 1042; ZIP 2006, 676; OLG Koblenz ZInsO 2006, 31; OLG Hamburg ZInsO 2010, 634.

[15] BT-Drs. 517/12, S. 402 oben.

[16] AG Darmstadt ZIP 2013, 2372; OLG Frankfurt/M., 25.02.2015, 26 W 52/14; 29.09.2016, 26 W 2/16.

[17] AG Darmstadt a. a. O.; Anm. Flöther/Wehner jurisPR-InsR 10/2014, Anm. 6.

[18] AG Stuttgart, 10.01.2014, NZI 2014,227.

[19] OLG Karlsruhe, 16.09.2015, 15 W 57/15, NZI 2016, 324; AG Mannheim, Richtl. für SV/Verw. unter amtsgericht-mannheim.de;
AG Göttingen, ZIP 2016, 1792, 2284; ZInsO 2018, 277; LG Göttingen ZInsO 2017, 2459; OLG Bamberg, 29.09.2017, BeckRS 2017, 128549.

[20] OLG Karlsruhe a. a. O.

[21] Vgl. hierzu Vallender a.a.O.

[22] Vgl. beispielhaft BGH 22.04.2004, IX ZB 136/03, BeckRS 2004, 05218; BGH 18.06.2009, IX ZB 97/08; EWiR 2010, 65 (Prasser)

[23] Vgl. Schröder, a.a.O. S. 2628.

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