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Stellungnahme:

02.11.2018

EU-Richtlinienentwurf über präventive Restrukturierungsrahmen

Stellungnahme des VID zur allgemeinen Ausrichtung des Rates der Europäischen Union zur RL Restrukturierungsrahmen vom 11./12.10.2018

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Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) zur allgemeinen Ausrichtung des Rates der Europäischen Union zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (12536/18, Komm.dok. 14875/16)

 

A. Vorbemerkung

Mit der am 11./12.10.2018 beschlossenen allgemeinen Ausrichtung (im Folgenden: aA) zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU hat der Rat eine Reihe von Änderungsvorschlägen verbunden, die durch die Schaffung von Öffnungsklauseln der nationalen Umsetzung mehr Spielraum verschaffen sollen.

An anderer Stelle versucht die aA durch Konkretisierung und Präzisierung nationale Vorbehalte zu entkräften und die Reichweite der getroffenen Regelungen genauer einzugrenzen.

In einigen Fällen geht die aA auch über den Kommissionsentwurf hinaus, indem sie erkennbar den Versuch unternimmt, trotz der geschilderten Maßnahmen die zentralen Wirkungselemente dieses Entwurfs zu erhalten.

Der VID hat sich bereits mit umfangreichen Stellungnahmen zum Richtlinienentwurf der Kommission[1] geäußert. 

Die nachfolgenden Anmerkungen beschränken sich angesichts ihrer unterschiedlichen Methodik auf solche Änderungen, die die aA in einen Widerspruch zur Beschlusslage des Europäischen Parlaments bringen. Dabei werden die abweichenden Formulierungen zum Arbeitnehmerschutz und die Formulierungen zum Berufsrecht der Verwalter nicht dargestellt.

Zum Arbeitnehmerschutz weichen die Formulierungen des Parlaments und der aA erheblich und an vielen Stellen voneinander ab. Dies deutet auf grundsätzliche Wertungsunterschiede hin, die im Rahmen dieser Stellungnahme nicht erörtert werden können.

Zum Berufsrecht der Verwalter gibt es unterschiedliche Grade der Kodifizierung in Europa. In Deutschland diskutiert die Fachöffentlichkeit derzeit, ausgehend von einer entsprechenden Willensbekundung des Gesetzgebers, erstmals über die Einführung eines Berufsrechts, das auch den Rahmenbedingungen der Richtlinie entsprechen müsste.

Am 10.10.2018  hat die Bundesregierung den Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beschlossen. Dieser Bericht geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages vom 27.10.2011 zurück, in dem die Bundesregierung verpflichtet wurde, die  Erfahrungen mit der  Anwendung  des  Gesetzes  fünf  Jahre  nach  dessen  Inkrafttreten zu evaluieren und auf dieser Grundlage dem Deutschen Bundestag unverzüglich Bericht zu erstatten.

Die von den beauftragten Wissenschaftlern vorgelegte Evaluation im Umfang von 353 Seiten erfasst den Zeitraum vom 01.03.2012 bis zum 28.2.2017. Ihre Empfehlungen werden in dieser Stellungnahme verarbeitet und zitiert, weil das ESUG Elemente des geplanten Restrukturierungsverfahrens vorweggenommen hat und die mit ihm gemachten Erfahrungen deshalb bei der weiteren Diskussion hilfreich sein können. 

B. Im Einzelnen

 1)   Erwägungsgrund 2 aA

      (Begriff der betrieblichen Anpassungen)

2)   Erwägungsgrund 4 Satz 2 aA

      (Berufsverbote)

3)   Erwägungsgrund 7 Satz 2 und 8 Satz 3 aA

      (Berufsverbote)

4)   Erwägungsgrund 10a aA

       (grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahren)

5)   Erwägungsgrund 14 Satz 5  / Art. 1 Abs. 2g aA

      (öffentliche Stellen nach nationalem Recht)

6)   Erwägungsgrund 17 Satz 4 / Art. 7 Abs. 5 aA

      (Schutz von eigenen Vertragsklauseln)

7)   Erwägungsgrund 17a / Art. 4 Abs. 1a aA

      (Rentabilitätspürfung als Eingangsvoraussetzung)

8)   Erwägungsgrund 17b / Art. 1 Abs. 1a aA

      (Schuldner in nicht-finanziellen Schwierigkeiten)

9)   Erwägungsgrund 19 Satz 2 aA

      (Aussetzung auch gegenüber Dritten)

10) Erwägungsgrund 19 Satz 4 und 5 sowie Erwägungsgrund 21 / Art. 7 Abs. 1 und 2 aA

       (Wirkungen des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit auf ein Restrukturierungsverfahren)

11) Erwägungsgrund 19a Satz 2  / Art. 6 Abs. 2b aA

       (Forderungen o. Forderungskategorien v. Geltungsbereich der Aussetzung ausschl.)

12) Erwägungsgrund 19b Satz 2 / Art. 6 Abs. 5 aA

       (Verlängerung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen)

13) Erwägungsgrund 19b Satz 5 und 6 / Art. 6 Abs. 7a aA

       (zeitlich unbegrenzte Verlängerung bis zur Bestätigung eines Plans)

14) Erwägungsgrund 20 Satz 1 / Art. 6 Abs. 8 aA

       (Aufhebung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen)

15) Erwägungsgrund 21 Satz 1 /  Art. 7 Abs. 1 aA

       (Wirkung der Aussetzung auf Antragspflichten und Antragsrechte)

16) Erwägungsgrund 22a / Art. 7 Abs. 5a aA

       (Einbeziehung der bereits vorher entstandenen Verbindlichkeiten)

17) Erwägungsgrund 28 und 28a / Art. 9-12 aA

       (Schutz von Minderheitsgläubigern)

18) Erwägungsgrund 29 Satz 1 / Art. 12 aA

       (Vorbehalt der Zustimmung einer Mehrheit der Gläubigerklassen)

19) Erwägungsgrund 30c Satz 2 aA

       (unbekannte Forderungen)

20) Erwägungsgrund 31 Satz 2 aA

       (Definition der finanziellen Hilfe)

 

1)   Erwägungsgrund 2 aA (Begriff der betrieblichen Anpassungen)

Erwägungsgrund 2 aA enthält nun eine Reihe klarstellender Ergänzungen, die erkennbar darauf abzielen, den intrusiven Charakter von Restrukturierungen einzugrenzen und damit für Gläubiger erträglicher zu gestalten. 

Satz 2 nimmt auf den in Satz 1 neu eingefügten Begriff der betrieblichen Anpassungen Bezug:

„Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften nichts anderes vorgesehen ist, sollten betriebliche Anpassungen wie die Beendigung oder Änderung von Verträgen oder der Verkauf oder die sonstige Verfügung von Vermögenswerten mit den allgemeinen Anforderungen, die nach nationalem Recht – insbesondere nach dem Zivilrecht und nach arbeitsrechtlichen Vorschriften – für solche Maßnahmen vorgesehen sind, übereinstimmen. Auch bei einer Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital sollten die in den nationalen Rechtvorschriften vorgesehenen Garantien eingehalten werden.“

Ihre Einbeziehung in den Kanon der Maßnahmen, die in einem Restrukturierungsverfahren geplant und umgesetzt werden können, erweitert die Restrukturierung über die finanzielle Erleichterung hinaus auf operative Maßnahmen. 

Die Überlebensfähigkeit von Unternehmen in einer Krise kann in sehr vielen Fällen nicht allein durch finanzielle Zugeständnisse der Gläubiger gesichert werden. Hinzukommen müssen operative Maßnahmen, die Kostenstruktur und Ertragsstruktur möglichst schnell verbessern und damit einen erneuten Aufbau untragbarer Verschuldung verhindern.  Mit dem Begriff der betrieblichen Anpassungen sind ausweislich der in Satz 2 genannten Beispiele solche operativen Maßnahmen angesprochen.

Ihre Einbeziehung in den potentiellen Maßnahmenkatalog eines Restrukturierungsverfahrens erscheint jedoch problematisch.  Durch im Restrukturierungsplan vereinbarte operative Maßnahmen würde sich der Schuldner zur Durchführung dieser Maßnahmen gegenüber den nach Art. 2 Abs. 3 aA mit eigenen Forderungen unmittelbar betroffenen Gläubigern verpflichten. Da die geplante Wirkung betrieblicher Anpassungen auch nicht betroffene Gläubiger oder unbeteiligte Dritte erfassen kann, erscheint fraglich, welche Wirkung eine gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans in diesem Fall entfalten soll. Der Erwägungsgrund verweist dazu auf das nationale Recht, dem er die Entscheidung über Zulässigkeit und Wirksamkeit solcher Vereinbarungen zuweist. Art. 10 Abs. 1 aA sieht in der gerichtlichen oder behördlichen Bestätigung von Restrukturierungsplänen eine Sicherung der betroffenen Parteien, die zumindest in den dort geschilderten Fällen greifen muss.

Der Schutz nicht betroffener Gläubiger oder unbeteiligter Dritter ist hier nicht angesprochen. Dieser Schutz muss aber bei einem offensichtlichen Verstoß gegen nationales Recht zu einer Versagung der Bestätigung führen, wenn dieser Verstoß (z.B. gegen Kündigungsschutzvorschriften) bereits im Zeitpunkt der Entscheidung deutlich ist und zur rechtlichen Undurchführbarkeit der geplanten betrieblichen Anpassungen führen würde.

Mit der Ergänzung der Einschränkung „zumindest“ in Art. 10 Abs. 1 aA ist angedeutet, dass die Mitgliedstaaten auch weitere Fälle unter den Vorbehalt einer Bestätigung stellen können.  Erwägungsgrund 30 Satz 2 aA spricht ebenfalls von der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, in weiteren Fällen die Notwendigkeit der Bestätigung vorzusehen. Der in Erwägungsgrund 30 Satz 1 aA geschilderte Schutzzweck dieser Vorschrift schließt aber nur betroffene Gläubiger und Anteilseigner ein.

Zum Schutz der von betrieblichen Anpassungen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 aA betroffenen Personen, die nicht am Restrukturierungsverfahren teilnehmen, sollte in Erwägungsgrund 30 ausdrücklich festgehalten werden, dass die Mitgliedstaaten auch den Schutz dieses Personenkreises durch den Vorbehalt der Bestätigung gewährleisten können.

 

 2)   Erwägungsgrund 4 Satz 2 aA (Berufsverbote)

Mit den in Erwägungsgrund 4 Satz 2 aA nunmehr angesprochenen Berufsverboten ist eine pauschale Einordnung dieser Berufsverbote als ineffizienter Rahmen für den Neubeginn innerhalb eines angemessenen Zeitraums verbunden. Dies kann dort nicht überzeugen, wo diese Berufsverbote auf rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen beruhen.

In Erwägungsgrund 4 sollte die Erwähnung der Berufsverbote unterbleiben oder zumindest auf solche Berufsverbote beschränkt werden, die nicht auf strafrechtlichen Verurteilungen beruhen.

 

3)   Erwägungsgrund 7 Satz 2 und 8 Satz 3 aA(Berufsverbote)

Die bereits zu Erwägungsgrund 4 Satz 2 aA angesprochene Kritik lässt sich auch auf die neu eingefügte Erwähnung von Berufsverboten in Erwägungsgrund 7 Satz 2 aA übertragen. Der hier gebildete Zusammenhang zwischen dem Funktionieren des Binnenmarktes und der hierzu notwendigen Harmonisierung von Berufsverboten übergeht zum einen die nationalen Vorbehaltsrechte im Strafrecht und unterstellt zudem, dass die strafrechtlichen Berufsverbote eine Behinderung der reibungslosen Funktion des Binnenmarktes darstellen.

In Erwägungsgrund 8 Satz 3 aA wird die Kritik an Berufsverboten wiederholt: „Darüber hinaus unterdrücken die Hindernisse, die durch lange Berufsverbote im Zusammenhang mit der Überschuldung eines Unternehmers verursacht werden, das Unternehmertum.“ Diese Kritik entstammt dem ursprünglichen Kommissionsentwurf und wurde in den parlamentarischen Beratungen – soweit erkennbar – bisher nicht thematisiert. Im Zusammenhang mit den oben zu den Erwägungsgründen 4 und 7 aA geschilderten Bedenken sollte jedoch auch hier die Erwähnung der Berufsverbote unterbleiben oder zumindest auf solche Berufsverbote beschränkt werden, die nicht auf strafrechtlichen Verurteilungen beruhen. 

In Erwägungsgrund 7 und 8 sollte die Erwähnung der Berufsverbote unterbleiben oder zumindest auf solche Berufsverbote beschränkt werden, die nicht auf strafrechtlichen Verurteilungen beruhen.

 

4)   Erwägungsgrund 10a aA (grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahren)

Der neu eingefügte Erwägungsgrund 10a aA stellt zunächst klar, dass eine Anwendung der EuInsVO (Verordnung EU 2015/848) auf künftige Restrukturierungsverfahren nach dieser Richtlinie nur dann in Frage kommt, wenn sie auch dem Publizitätserfordernis des Art. 24 Abs. 2 EuInsVO genügen. Er bezeichnet es anschließend aber als ein Ziel der Richtlinie, die grenzüberschreitende Anerkennung von Verfahren in ihrem Anwendungsbereich auch dann zu erleichtern, wenn sie diesem Erfordernis nicht genügen.

Der hier formulierte Apell erscheint auf den ersten Blick unproblematisch. Er birgt jedoch eine erhebliche Gefahr für die rechtsstaatliche Legitimation künftiger Restrukturierungsverfahren. Sollen sie grenzüberschreitende Wirkungen auslösen können und dabei auch grenzüberschreitend in die Rechte betroffener Gläubiger eingreifen oder sogar grenzüberschreitende betriebliche Anpassungen (s.o.) vorsehen, dann erscheint ein Verzicht auf Publizität als deutliche Verkürzung von Mitwirkungsrechten, wie sie etwa durch das Europäische Parlament in dem von ihm vorgeschlagenen Erwägungsgrund 8a gefordert werden.

Der Erwägungsgrund 10a Satz 4 aA sollte nicht übernommen werden.

 

 5)   Erwägungsgrund 14 Satz 5  / Art. 1 Abs. 2g aA(öffentliche Stellen nach nationalem Recht)

Erwägungsgrund 14 Satz 5 und ihm folgend Art. 1 Abs. 2g aA nehmen nun öffentliche Stellen nach nationalem Recht pauschal vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus. Dies bedeutet, dass diese öffentlichen Stellen nicht als Schuldner in einem Restrukturierungsverfahren re-strukturiert werden können. Diese neu eingefügte Ausnahme findet ein Vorbild in § 12 InsO, der juristische Personen des öffentlichen Rechts pauschal vom Anwendungsbereich des Insolvenzrechts ausnimmt.

Nach ersten Fällen aus dem kommunalen Bereich (z.B. in 2014 – Stadtwerke Gera AG) erscheint die Insolvenz von kommunalen Betrieben nicht nur in Deutschland aufgrund hoher Schuldenstände und demographischer Entwicklungen als denkbare und durchführbare Lösung zur Bewältigung von Krisen. Dies muss dann erst recht für Restrukturierungsverfahren gelten, die wegen ihres präventiven Charakters in diesem Bereich besonders geeignet wären.

Erwägungsgrund 14 Satz 5 und ihm folgend Art. 1 Abs. 2 g aA sollten dahingehend präzisiert werden, dass juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Hand nicht unter den Begriff der öffentlichen Stelle fallen.

 

 6)   Erwägungsgrund 17 Satz 4 / Art. 7 Abs. 5 aA(Schutz von eigenen Vertragsklauseln)

In Erwägungsgrund 17 Satz 4 ergänzt die aA nun:

Die Mitgliedstaaten könnten festlegen, ob Forderungen, die fällig werden oder entstehen, nachdem das Verfahren beantragt oder eröffnet wurde, in die präventiven Restrukturierungsmaßnahmen oder die Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen einbezogen werden. Den Mitgliedstaaten steht es frei zu entscheiden, ob die Zinsen auf Forderungen der Wirkung der Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen unterliegen.“

Diese Erweiterung ist höchst problematisch. Sie widerspricht Art. 7 Abs. 5 aA, dessen Buchstaben c und e nun ebenfalls neu eingefügt wurden und der als zwingende Regelung den betroffenen Gläubigern den Schutz von eigenen Vertragsklauseln nimmt, die eine Leistungsverweigerung oder Vertragskündigung wegen der Beantragung oder der Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens zulassen würden.

Ist der betroffene Gläubiger aufgrund einer dem Erwägungsgrund 17 Satz 4 aA folgenden nationalen Regelung mit seinen nach Verfahrenseröffnung oder sogar bereits nach Antragstellung entstehenden Forderungen ebenfalls gebunden, dann kann ihm schlechterdings nicht zugemutet werden, auf den Schutz entsprechender Vertragsklauseln zu verzichten. Eine entsprechende nationale Konstellation wäre ein untragbares Risiko für jeden Gläubiger, der als Lieferant von einem Restrukturierungsverfahren betroffen wäre. Er müsste weiter liefern in der Gewissheit, dass seine hierdurch entstehenden Forderungen gegen den Schuldner im Rahmen eines Restrukturierungsplans ganz oder teilweise entwertet werden könnten. Der Fortbestand einer Finanzierung des Lieferanten  (z.B. durch Factoring) oder einer Kreditversicherung wäre in diesem Fall ebenfalls ausgeschlossen, weil die entsprechende Bank oder der Kreditversicherer den absehbaren (Teil-)Ausfall der Forderung nicht weiter versichern könnte.

Anders als das Parlament sieht die aA an dieser Stelle auch keine Härteklausel vor, die betroffenen Gläubigern im Einzelfall die Geltendmachung besonderer Umstände ermöglichen würde, um eine individuelle Ausnahme für sich zu erwirken. Das Parlament schlägt an dieser Stelle auch keine zwingende Regelung vor, sondern möchte es zu Recht den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie vom Ausschluss solcher Vertragsklauseln Gebrauch machen.

Erwägungsgrund 17 Abs. 4 und Art. 7 Abs. 5 c, e und f aA sollten nicht übernommen werden.

 

 7)   Erwägungsgrund 17a / Art. 4 Abs. 1a aA(Rentabilitätsprüfung als Eingangsvoraussetzung)

Erwägungsgrund 17a und ihm folgend Art. 4 Abs. 1a der aA konzedieren nun die Möglichkeit einer Rentabilitätsprüfung als Eingangsvoraussetzung in ein Restrukturierungsverfahren.  Diese Rentabilitätsprüfung soll unter dem Vorbehalt stehen, dass von ihr keine nachteiligen Auswirkungen auf die Vermögenswerte des Schuldners ausgehen dürfen und nach dem Wortlaut des neu eingefügten Art. 4 Abs. 1a aA dazu dienen, Schuldner ohne Aussicht auf Rentabilität von einem Restrukturierungsverfahren auszuschließen. Innerhalb dieser Beschränkung soll es möglich bleiben, dem Schuldner selbst die Kosten der Prüfung aufzuerlegen.

Hier bleibt die aA deutlich hinter dem Vorschlag des Parlaments zurück, das an dieser Stelle wesentlich konkreter und praxisnäher für die Möglichkeit plädiert hatte, den Schuldnern einen Nachweis ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung als Eintrittsvoraussetzung für ein Restrukturierungsverfahren abzuverlangen.

Die deutschen Erfahrungen mit dem sog. Schutzschirmverfahren, dessen (gesetzlich vorgeschriebene) Evaluation erst vor wenigen Tagen vorgelegt wurde[2], bestätigen den Befund, dass die dort gem. § 270b Abs. 1 InsO vorzulegende Bescheinigung nicht als taugliche Verfahrensgrundlage gesehen wird[3].  Der Schuldner hat hier mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Da die nun durch die aA vorgeschlagene Rentabilitätsprüfung nicht näher definiert wird, würde sie in nationalen Verfahren höchstwahrscheinlich die Ausprägung der Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 InsO erhalten, um die weiteren Vorgaben der aA, insbesondere zur Vermeidung negativer Auswirkungen, zu genügen.  Damit wäre ein ähnliches Ergebnis vorgezeichnet, wie es jetzt die Evaluation des § 270b erbracht hat. Stattdessen sollte man den nun auch in der Evaluierung der deutschen Regelungen vorgeschlagenen[4] Nachweis ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung zur national regelbaren Eingangsvoraussetzung in ein Restrukturierungsverfahren machen. 

Anstelle einer nicht näher definierten Rentabilitätsprüfung erscheint die Maßgabe ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung (Parlamentsvorschlag zu Erwägungsgrund 17a) als national regelbare Eingangsvoraussetzung in ein Restrukturierungsverfahren eindeutig vorzugswürdig.

 

 8)   Erwägungsgrund 17b / Art. 1 Abs. 1a aA(Schuldner in nicht-finanziellen Schwierigkeiten)

In dem neu eingefügten Erwägungsgrund 17b und Art. 1 Abs. 1a greift die aA nun auf Erwägungsgrund 17 der EuInsVO zurück, indem sie ein Restrukturierungsverfahren auch für Schuldner in nicht-finanziellen Schwierigkeiten öffnet. Nach dem vorgeschlagenen Wortlaut für Erwägungsgrund 17b soll diese Öffnung allerdings voraussetzen, dass „diese Schwierigkeiten mit der tatsächlichen und erheblichen Gefahr verbunden sind, dass der Schuldner gegenwärtig oder in Zukunft seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht begleichen kann. Der maßgebliche Zeitraum zur Feststellung einer solchen Gefahr kann mehrere Monate oder auch länger betragen, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen sich der Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befindet, die die Fortführung seines Unternehmens und mittelfristig seine Liquidität gefährden.

Als Beispielsfall wird (wie schon in der EuInsVO) der Fall des Verlusts wichtigen Auftrags angeführt.

Die Eröffnung des von der Richtlinie skizzierten Restrukturierungsverfahrens für diese Fälle erscheint hoch problematisch. Zunächst bleibt unklar, ob eine Gefahr für die Fortführung des Unternehmens bereits feststellbar sein muss oder ob das Verfahren auch Fälle erfassen soll, in denen noch gar nicht feststellbar ist, ob eine solche Gefahr überhaupt besteht. Neben dieser sprachlichen Unklarheit stellt sich daraus folgend die Frage, ob ein Restrukturierungsverfahren im Zweifel auch dann eingeleitet werden könnte, wenn noch gar nicht feststeht, ob eine Gefahr für das Unternehmen besteht.

Eine solche Möglichkeit würde angesichts der Eingriffsinstrumente (Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen und cram-down) in Gläubigerrechte ein erhebliches Missbrauchspotential eröffnen[5]. Schuldner bräuchten sich beim Ausfall großer Kunden nicht mehr um Abhilfe durch verstärkte unternehmerische Tätigkeit (Werbung neuer Kunden etc.) bemühen, sondern würden ihre Gläubiger am Risiko eines solchen Ausfalls unmittelbar beteiligen, indem sie sofort ein Restrukturierungsverfahren einleiten. Gerade in Märkten mit intensivem Wettbewerb und geringen Margen wäre die Versuchung, sich auf diesem Wege Erleichterung zu verschaffen, besonders groß. Wettbewerber könnten im Zweifel nur dadurch reagieren, dass sie ebenfalls von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Die unklare Definition der „nicht-finanziellen Schwierigkeiten“ und das Abstellen auf eine lediglich mittelfristige Gefährdung der Liquidität würden in solchen Märkten nahezu alle Marktteilnehmer zu potentiellen Restrukturierungskandidaten machen. 

Art. 1 Abs. 1a der aA sieht zwar weiterhin auch die Notwendigkeit einer drohenden Insolvenz vor. Gleichzeitig verweisen der Erwägungsgrund 37 Satz 5 und Art. 2 b der a. A. bei der Definition dieses Begriffes aber auf das nationale Recht. Sie folgen damit nicht dem vorzugswürdigen Vorschlag des Parlaments, das in Art. 2 Abs. 2a eine eigene und regelungsautonome Definition des Begriffs der drohenden Insolvenz als tatsächliche und ernsthafte Gefahr für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners vorgeschlagen hatte. Dieser Vorschlag würde verhindern, dass einzelne nationale Regelungen diesen Begriff abweichend und sehr weit interpretieren und damit erhebliche Spielräume für die oben geschilderten Missbrauchsstrategien schaffen.

Die Öffnung von Restrukturierungsverfahren für Schuldner in „nicht-finanziellen Schwierigkeiten“ und eine nationale Definitionsmöglichkeit des Begriffes der drohenden Insolvenz eröffnen erhebliche Missbrauchspotentiale. Der Vorschlag des Parlaments zu einer regelungsautonomen Definition des Begriffes der drohenden Insolvenz ohne die Einbeziehung von Schuldnern in „nicht- finanziellen Schwierigkeiten“ ist aus Sicht der Praxis eindeutig vorzuziehen.

 

9)   Erwägungsgrund 19 Satz 2 aA(Aussetzung auch gegenüber Dritten)

In Erwägungsgrund 19 Satz 2 spricht die aA nun davon, dass die Aussetzung auch gegenüber Dritten, die Sicherheiten leisten, einschließlich Bürgen und Ausstellern von Sicherheiten, angewendet werden könnte, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist.   

Dieser neue Ansatz, der keine Entsprechung in einem Änderungsvorschlag zum Regelungstext der Richtlinie findet, erscheint hoch problematisch. Er impliziert, dass auch unbeteiligte Dritte (z.B. Kreditversicherer) in die Eingriffsbereich eines Restrukturierungsverfahren einbezogen werden können. Sollten Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und z.B. Kreditversicherern den Rückzug aus der Versicherung ihrer Kunden verbieten, die ihrerseits zur weiteren Belieferung des Schuldners angehalten sind, dann hätte dies erhebliche und gravierenden Auswirkungen auf  diesen Versicherungsmarkt, der gerade in der Zulieferindustrie unverzichtbar ist.

Dabei würde es wenig Unterschied machen, ob alle oder nur einige Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Angesichts grenzüberschreitender Lieferketten und der bereits oben erwähnten Erwartung, dass Restrukturierungsverfahren nach dem Muster der Richtlinie innerhalb Europas anerkannt werden, wäre auch eine vereinzelte Nutzung durch Mitgliedstaaten bereits hoch problematisch. Darüber hinaus erscheint diese Gestaltungsvariante zumindest in Deutschland auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie in die Privatautonomie von Dritten eingreifen würde, die dem Schuldner nicht schuldrechtlich verbunden sind.

Der Erwägungsgrund 19 Satz 2 aA sollte ersatzlos entfallen.    

 

 10) Erwägungsgrund 19 Satz 4 und 5 sowie Erwägungsgrund 21 / Art. 7 Abs. 1 und 2 aA(Wirkungen des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit auf ein Restrukturierungsverfahren)

Mit Erwägungsgrund 19 Satz 4 und 5 sowie Erwägungsgrund 21 der aA, die auf  Art. 7 Abs. 1 und 2 aA Bezug nehmen, werden die Wirkungen des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit auf ein Restrukturierungsverfahren angesprochen.

Hier zeigen sich wesentliche und wiederum sehr problematische Abweichungen von der Linie, die das Parlament in seinen Beratungen festgelegt hat.

Zunächst spricht Art. 4 Abs.1 aA analog des Kommissionsentwurfs weiter vom Zugang bei drohender Insolvenz, lässt dabei aber offen, ob ein Zugang nach nationalem Recht auch bei bereits eingetretener Insolvenz möglich bleiben kann.

Ein Eintritt von bereits zahlungsunfähigen Unternehmen in ein Restrukturierungsverfahren ist mit Hinweis auf die erheblichen Missbrauchspotentiale einer solchen Regelung jedoch unbedingt abzulehnen[6]. Ein solches Verfahren  würde von zahlungsunfähigen Unternehmen als Ausweichstrategie genutzt werden um. Die betroffenen Gläubiger, deren Verluste mit der Zahlungsunfähigkeit bereits offenkundig  geworden sind, müssten die weiteren Sanierungsversuche des Schuldners mittragen. Sie  wären daran gehindert, ihre Verluste durch Gesamtvollstreckung (Insolvenz) zu begrenzen und kämen dadurch in eine Erpressungssituation, in der ein Schuldner sie mit der Drohung eines längeren Restrukturierungsverfahrens zu immer weiteren Zugeständnissen bewegen könnte. Die Regelungskompetenz der EU für ein solches verdecktes Insolvenzverfahren erscheint überdies höchst zweifelhaft.  

Gerade deshalb hatte das Parlament durch eine entsprechende Ergänzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 die Möglichkeit eines Antrages auf Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen nur für solche Schuldner geöffnet, die nach nationalem Recht noch nicht einen Insolvenzantrag stellen müssen. Sie sollten hierdurch daran gehindert werden, ihren Gläubigern den Zugriff auf die Insolvenzmasse durch Beantragung eines Restrukturierungsverfahrens  zu verweigern.

Die aA möchte über diesen Punkt hinweggehen und übernimmt deshalb die ursprüngliche Fassung des Kommissionsentwurfs, die einen solchen Insolvenzvorbehalt nicht vorsieht. Stattdessen konzediert sie nur in Erwägungsgrund 19 Satz 5 die Möglichkeit einer nationalen Regelung, die bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eine Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen verweigert. Dazu sieht sie die Möglichkeit widerlegbarer gesetzlicher Vermutungen im nationalen Recht vor, die, hier in einer Analogie zur Rechtsprechung des BGH, z.B. eingreifen können, wenn Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr gezahlt werden.   

Nach den Vorstellungen der aA soll auch die Aussetzung der Antragspflicht des Schuldners gem. Art. 7 Abs. 1 in der sehr schuldnerfreundlichen Fassung des Kommissionsentwurfs erhalten bleiben. Das Parlament hatte hierzu keinen Änderungsvorschlag formuliert, war jedoch bei den Antragsrechten der Gläubiger in Art. 7 Abs. 2 vom Vorschlag der Kommission abgewichen. Es hatte hier die von der Kommission vorgeschlagene Aussetzung der Antragsrechte im Fall einer allgemeinen Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht übernommen, um den oben bereits geschilderten Entzug der Insolvenzmasse zu verhindern.

Der neu gefasste Erwägungsgrund 21 aA geht nun sogar über den Entwurf der Kommission hinaus, indem er deutlich macht, dass die Aussetzung der Antragsrechte von Gläubigern nicht auf den Fall der allgemeinen Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen begrenzt sein soll. Sie soll nun vielmehr auch schon bei der Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen für nur eine begrenzte Zahl an Gläubigern gelten. Diese letzte Korrektur setzt die vorgeschlagene Regelung vollends in Widerspruch zu den auch verfassungsrechtlich abgesicherten Schutzrechten der betroffenen Gläubiger. Sie würden künftig bereits bei der Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen an einer Durchsetzung ihrer Rechte auch dann gehindert, wenn sich diese Aussetzung gar nicht gegen sie gerichtet hat, weil sie etwa bereits früher einen erfolglosen Vollstreckungsversuch unternommen hatten und nun nur noch durch einen Insolvenzantrag ihre Rechte durchsetzen können.    

Für den Fall einer nach der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen eintretenden Zahlungsunfähigkeit möchte die aA nun zwar die nationale Regelung eines Wiederauflebens der Antragspflicht zugestehen, gleichzeitig aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin nicht ohne die zusätzliche Bedingung einer Berücksichtigung des allgemeinen Interesses der Gläubiger zulassen.

Wie ein solches Interesse in dieser Situation festgestellt werden kann bleibt jedoch offen. Dies könnte regelmäßig nur im Wege der Abstimmung geschehen, die aber nur für die Annahme eines Restrukturierungsplans vorgesehen ist.

Im Hinblick auf die Wirkungen des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit auf ein Restrukturierungsverfahren sind die durch das Parlament vorgeschlagene Verweigerung oder Beendigung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen und der Erhalt des vollen Insolvenzantragsrechts der betroffenen Gläubiger den gegenläufigen Vorschlägen der aA eindeutig vorzuziehen.   

 

 11) Erwägungsgrund 19a Satz 2  / Art. 6 Abs. 2b aA

(Forderungen oder Forderungskategorien vom Geltungsbereich der Aussetzung ausschließen)

 Erwägungsgrund 19a Satz 2  und ihm folgend Art. 6 Abs. 2b der aA sehen nun erstmals vor, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien vom Geltungsbereich der Aussetzung ausschließen können. 

Die hierzu aufgeführten Beispiele umfassen zum einen Forderungen, die durch Vermögenswerte besichert sind, deren Wegnahme die Restrukturierung des Unternehmens nicht gefährden würde.

Es bleibt unklar, wie eine Gefährdung der Restrukturierung ausgeschlossen werden kann, wenn einzelne Gläubiger auf diesem Wege für ihre Forderungen eine Ausnahme von Re-strukturierungsmaßnahmen erwirken können. Die Behauptung, dass die Wegnahme einer Sicherheit die Restrukturierung nicht gefährde, würde mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen erhoben und in ebenso vielen Fällen von anderen Gläubigern oder vom Schuldner selbst angezweifelt werden. Gerichtliche Klärungen dieser Auseinandersetzungen wären nicht auszuschließen und könnten schon wegen ihrer Dauer selbst zu einer Gefährdung der Restrukturierung werden.

Als weiteres Beispiel führt Erwägungsgrund 19a Satz 2 Forderungen von Gläubigern an, für die eine Aussetzung eine unangemessene Beeinträchtigung darstellen würde, etwa durch einen nicht ausgeglichenen Verlust oder eine Abschreibung von Sicherheiten. Auch hier bleibt unklar, welche weiteren Fälle unangemessener Beeinträchtigung zu einer Ausnahme führen könnten. Gerichtliche Auseinandersetzungen wären auch hier unvermeidbar und könnten auch hier wegen der fundamentalen Wirkung einer Ausnahme auf den Restrukturierungsplan und sein Ergebnis die Zustimmung anderer Gläubiger und damit die Restrukturierung insgesamt gefährden. Der Ausweg kann hier auch nicht, wie bereits geschildert, durch Eingriff in Schuldverhältnisse gesucht werden, die Gläubiger mit Dritten (z.B. Kreditversicherern) zur Absicherung vor Verlusten eingehen. Die Kündigung einer Kreditversicherung  bei drohender Wertminderung oder gar dem Verlust von Sicherheiten dürfte den betroffenen Gläubiger regelmäßig unangemessen beeinträchtigen. Im Übrigen erscheint fraglich, ob nicht bereits die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens regelmäßig einen Abschreibungsbedarf bei Gläubigern auslösen wird, die hierdurch an einer Verwertung ihrer Sicherheiten gehindert werden.

Erwägungsgrund 19a Satz 2 sowie Art. 6 Abs. 2b der aA sollten nicht übernommen werden.

 

 12) Erwägungsgrund 19b Satz 2 / Art. 6 Abs. 5 aA

(Verlängerung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen)

Erwägungsgrund 19b Satz 2 und ihm teilweise folgend Art. 6 Abs. 5 in der Fassung der aA sehen nun eine Verlängerung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen über den Zeitraum von vier Monaten hinaus vor, wenn von den Mitgliedstaaten festgelegte Umstände vorliegen.

Zu diesen Umständen zählt Erwägungsgrund 19b Satz 2 aA unter anderen auch die Größe des Schuldners. Dieses Abstellen auf die schiere Größe erscheint problematisch, weil es eine wettbewerbsverzerrende Wirkung zugunsten größerer Unternehmen auslöst. Sie können allein wegen ihrer Größe auf eine Verlängerung der Aussetzung rechnen, während kleine und mittlere Unternehmen diesen Vorteil nicht genießen.

Die Größe des Schuldners sollte als begründender Umstand für die Verlängerung einer Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen in Erwägungsgrund 19b Satz 2 ersatzlos gestrichen werden.    

 

 13) Erwägungsgrund 19b Satz 5 und 6 / Art. 6 Abs. 7a aA

 (zeitlich unbegrenzte Verlängerung bis zur Bestätigung eines Plans)

Erwägungsgrund 19b Satz 5 und ihm folgend Art. 6 Abs. 7a der aA erweitern in einer höchst problematischen Weise die Verlängerungsmöglichkeit des Art. 6 Abs. 7 indem sie eine zeitlich unbegrenzte Verlängerung bis zur Bestätigung eines Plans zulassen, wenn der Restrukturierungsplan nach nationalem Recht innerhalb von acht Monaten ab dem Beginn der ursprünglichen Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen vorzulegen ist.

Schon bei der Bezugnahme auf diese lange Vorlagefrist stellt sich die Frage, wie solche Regelungen künftig mit der Regelung des Art. 6 Abs. 4 vereinbar sein sollen, die die ursprüngliche Dauer einer Aussetzung auf höchstens vier Monate begrenzt. Nach der Regelung des Art. 6 Abs. 5 wäre hier in jedem Fall ein Antrag des Schuldners mit dem Vortrag der genau festgelegten Umstände notwendig, die eine Verlängerung ausreichend rechtfertigen. Die in Erwägungsgrund 19b Satz 2 (s.o.) erwähnten Beispiele solcher Umstände führen die schlichte Abweichung nationalen Rechts nicht auf. Eine pauschale Verlängerung nach nationalem Recht würde ansonsten dem Schuldner enormes Erpressungspotential gegenüber seinen Gläubigern zur Herbeiführung einer schnellen Einigung über einen Restrukturierungsplan zuspielen.

Unklar erscheint in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Erwägungsgrund 19b Satz 6 aA. Hier wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, eine unbefristete Aussetzung vorzusehen, sobald der Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird.

Ein allgemeiner Vollstreckungsstop ist üblicherweise ein Merkmal von Insolvenzverfahren. Sollte dieses allgemeine Merkmal hier angesprochen sein, dann hätte Erwägungsgrund 19b Satz 6 aA allerdings wenig Sinn, weil die Gestaltung der nationalen Insolvenzverfahren von der Richtlinie ausdrücklich nicht bezweckt wird und deshalb auch die Einräumung von Gestaltungsmöglichkeiten an dieser Stelle unverständlich wäre. Es ist deshalb anzunehmen, dass mit Erwägungsgrund 19b Satz 6 aA die allgemeine Wirkung von Insolvenzverfahren auf die Einzelzwangsvollstreckung durch Gläubiger auf das Restrukturierungsverfahren erstreckt werden soll, sobald nach nationalem Recht ein Insolvenzgrund vorliegt.

Eine solche Erstreckung wäre jedoch hoch problematisch, weil sie die masseschützende und der Gläubigergleichbehandlung dienende Wirkung des allgemeinen und unbefristeten Vollstreckungsstops im Insolvenzverfahren zu einer schuldnerschützenden Wirkung im Restrukturierungsverfahren transformiert. Ein zentrales Schutzelement von Insolvenzverfahren, dessen Eingriffsintensität sich nur aus der alle Gläubiger erfassenden Wirkung von Insolvenzverfahren rechtfertigen lässt, wird so zu einem Schutzelement für den Schuldner, das sich im Restrukturierungsverfahren nicht gegen alle Gläubiger richten muss und auf den Erhalt des schuldnerischen Vermögens gerichtet ist. Der Eintritt der Insolvenz würde also den Schutz des Schuldners noch verstärken, anstatt ihn zu Gunsten der Gläubiger durch den Schutz der Masse zu ersetzen. 

Erwägungsgrund 19b Satz 5 und 6 sowie Art. 6 Abs. 7a der aA sollten nicht übernommen werden.    

 

 14) Erwägungsgrund 20 Satz 1 / Art. 6 Abs. 8 aA

 (Aufhebung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen)

Mit Erwägungsgrund 20 Satz 1 und Art. 6 Abs. 8 weicht die aA erneut deutlich und wiederum sehr einseitig schuldnerorientiert von der Linie des Parlamentes ab.

Während das Parlament eine Aufhebung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen bei Eintritt der Insolvenz vorsieht, will die aA an dieser Stelle lediglich prüfen lassen, ob die Aussetzung noch den Zweck einer Unterstützung der Verhandlungen erfüllen kann. Nur in diesem Fall sieht die aA einen unnötigen Nachteil für Gläubiger während sie im Umkehrschluss die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Unterstützung von Verhandlungen zum „nötigen“ Nachteil der Gläubiger erklärt.

Die Entscheidung des Parlaments für eine Beendigung von Aussetzungen im Insolvenzfall ist hier eindeutig vorzugswürdig, weil sie die Schutzwirkung eines Insolvenzverfahrens für alle Gläubiger sicherstellt. Sie kann deshalb auch auf die fragwürdige Prärogation von Schutzanträgen einzelner Gläubiger oder eine Mindestdauer von Aussetzungen verzichten, die Erwägungsgrund 20 Satz 3 und 4 aA nun einführen möchten. Ein Zurückdrängen oder eine Beschränkung einzelner Gläubiger wird durch das Insolvenzverfahren überflüssig gemacht, weil hier alle Gläubiger in das Verfahren einbezogen sind.

Die vom Parlament vorgesehene Lösung einer Beendigung von Aussetzungen im Insolvenzfall ist dem Vorschlag der aA zur Formulierung von Erwägungsgrund 20 Satz 1 und Art. 6 Abs. 8 vorzuziehen. Die Vorschläge der aA sollten hier nicht übernommen werden.          

 

 15) Erwägungsgrund 21 Satz 1 /  Art. 7 Abs. 1 aA

 (Wirkung der Aussetzung auf Antragspflichten und Antragsrechte)

Der neu gefasste Erwägungsgrund 21 Satz 1 und ihm folgend Art. 7 Abs. 1 der aA möchten die Wirkung der Aussetzung auf Antragspflichten und Antragsrechte nach dem nationalen Insolvenzrecht erheblich ausweiten.

Gegen die Entscheidung des Parlaments für eine Aufrechterhaltung zumindest der Antragsrechte von Gläubigern wird zunächst weiter eine Beschränkung dieser Rechte vorgeschlagen (s.o.). Zusätzlich soll diese Wirkung bereits dann eintreten, wenn die nationalen Regeln die Möglichkeit einer beschränkten Aussetzung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen für nur eine begrenzte Zahl von Gläubigern vorsehen (s.o.).

Dies alles soll auch dann gelten, wenn das nationale Insolvenzrecht trotz ausgeprägter Sanierungsinstrumente die Liquidation des Schuldners nicht ausschließt. Mit dieser letzten Einschränkung weist die aA dem Insolvenzrecht, unabhängig von dessen nationaler Ausgestaltung, pauschal die Rolle des Liquidationsrechts zu und verstellt damit die Chancen, die gerade durch ausgeprägte Sanierungsinstrumente im Insolvenzverfahren eröffnet werden.

Die erweiternden Vorschläge der aA zu Erwägungsgrund 21 Satz 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 1 sollten nicht übernommen werden.      

 

 

16) Erwägungsgrund 22a / Art. 7 Abs. 5a aA

 (Einbeziehung der bereits vorher entstandenen Verbindlichkeiten)

Der neu eingefügte Erwägungsgrund 22a der aA übernimmt den Inhalt von Erwägungsgrund 21 aus dem Kommissionsentwurf, schwächt ihn aber durch die Möglichkeit nationaler Abweichung ab und stellt zudem ein notwendiges Junktim zwischen der Leistung geschuldeter Zahlungen aus laufender Belieferung und dem Einbezug früher entstandener Verbindlichkeiten in eine Aussetzung her.

Art. 7 Abs. 5a der aA übernimmt dieses Junktim aber nicht in den Regelungstext, sondern sieht lediglich eine Einbeziehung der bereits vorher entstandenen Verbindlichkeiten in die beschränkende Wirkung einer Aussetzung vor. Die noch in Erwägungsgrund 21 Satz 4 des Kommissionsentwurfs enthaltene Verpflichtung des Schuldners zur Bezahlung laufender Belieferung wird hier nicht wiederholt. Dies folgt dem Kommissionsentwurf, der in Art. 7 Abs. 4 ein solches Junktim ebenfalls nicht vorgesehen hatte.

Das Parlament hatte in Art. 7 Abs. 4 deshalb den Vorbehalt eingefügt, dass die dort ausformulierte Bindung die betroffenen Gläubiger nicht selbst in finanzielle Schwierigkeiten bringen dürfe. Die aA weicht nun von dieser gläubigerschützenden Linie, die als Korrektiv an dieser Stelle unbedingt dringend geboten ist, ab.  

Die als Kompensation von Kommission und aA textgleich angebotene Regelung des Art. 7 Abs. 6, die das Parlament nicht übernommen hat, kann hier keinen Ausgleich schaffen. Sie stellt lediglich klar, dass die Richtlinie den Schuldner nicht von der Zahlung laufender Belieferungen abhalten wolle.

 In Art. 7 sollte Abs. 5a der aA nicht übernommen und stattdessen Abs. 4 in der Fassung des Parlaments  umgesetzt werden.

 

 

17) Erwägungsgrund 28 und 28a / Art. 9-12 aA

 (Schutz von Minderheitsgläubigern)

Die Erwägungsgründe 28 und 28a sowie die entsprechenden Regelungen in Art 9-12 der aA unternehmen den Versuch, die durch das Parlament eingeführten Änderungen zum Schutz von Minderheitsgläubigern durch andere, der Bestätigung vermeintlich weniger hinderliche Regelungen zu ersetzen.

Dazu übergehen sie zunächst den durch das Parlament in Erwägungsgrund 28 Satz 1 und  Art. 9 Abs. 4 Satz 1 eingeführten Grundsatz, dass neben einer Mehrheit in jeder Klasse von betroffenen Gläubigern auch eine Mehrheit aller Gläubiger insgesamt zur Annahme des Plans notwendig ist.

In Abweichung zum Entwurf der Kommission schlägt die aA lediglich vor, die Möglichkeit einer Planbestätigung fakultativ (statt obligatorisch) vorzusehen, wenn eine Mehrheit nicht in jeder Klasse betroffener Gläubiger zustande kommt.

Damit wird es den Mitgliedstaaten überlassen, diese hoch problematische Regelung trotz ihrer nachteiligen Wirkungen für nicht zustimmende Klassen umzusetzen. Um die insbesondere bei einem cross-class cram-down augenfälligen Nachteile einer solchen Regelung zumindest abzuschwächen, schlägt die aA in Erwägungsgrund 28 Satz 3 und 4 eine Ausweichlösung vor. Sie betont jedoch gleichzeitig in Satz 5, dass die Mitgliedstaaten für eine Annahme keine mehrheitliche Zustimmung in allen Klassen vorschreiben dürften. Damit will die aA nach dem Wortlaut von Erwägungsgrund 28 Satz 6 verhindern, dass bei der Bildung von lediglich zwei Klassen die Ablehnung einer Klasse den Plan zu Fall bringen kann.

Hier bietet allerdings das Parlament eine wesentlich überzeugendere Lösung.  Die von ihm geforderte mehrheitliche Unterstützung aller betroffenen Gläubiger stellt sicher, dass nicht durch geschickte Bildung der Klassen die eigentlich ablehnende Gläubigermehrheit übergangen werden kann. 

Mit Erwägungsgrund 28a unternimmt die aA schließlich den Versuch, die Nachteile ihres Vorschlags für Gläubiger im cross-class cram-down noch weiter zu moderieren. Dazu erlaubt sie den Mitgliedstaaten mehrere Kompensierungsvarianten, die sicherstellen sollen, dass ablehnende Gläubiger weitgehend oder vollständig befriedigt werden müssen, bevor nachrangige Gläubiger nach dem Restrukturierungsplan Befriedigung erlangen.

Noch größere Flexibilität lässt schließlich Erwägungsgrund 28a Satz 4 aA zu, der den Mitgliedstaaten eine Bevorzugung von Anteilseignern und bestimmten Lieferanten wesentlicher Versorgungsgüter und damit ein Abweichen von der zunächst postulierten Regel der vollständigen Befriedigung von ablehnenden vorrangigen Gläubigern erlaubt. Bei den Anteilseignern werden hierzu nicht näher ausgeführte Fairnessgründe[7] zitiert. Diese Gestaltungsvariante würde ein Verfahren mit ausgeprägt schuldnerfreundlichen Vorzeichen zulassen und gleichzeitig den betroffenen Gläubigern sogar den Mindestschutz ihres insolvenzrechtlichen Ranges entziehen, den sie im Fall eines Insolvenzverfahrens behalten würden.

In Art. 9 Abs. 3 möchte die aA die durch das Parlament geforderte Prüfung der Stimmrechte von Gläubigern nicht zulassen. Die aA übernimmt dabei zwar die vom Parlament eingeführte Möglichkeit einer früheren Prüfung, die eine Verfahrensverzögerung durch den Prüfungsvorgang verhindern würde. Zu Lasten der tatsächlich stimmberechtigten Gläubiger sollen jedoch die nicht stimmberechtigten Gläubiger nicht an der Abstimmung gehindert werden. Dies eröffnet große Missbrauchspotentiale z.B. durch vom Schuldner „erfundene“ Gläubiger. Die Lösung des Parlaments verdient hier deshalb eindeutig den Vorzug.

In Art. 9 Abs. 4 Satz 1 bleibt die aA schließlich bei der stark kritisierten Fassung des Kommissionsentwurfs, der für die Annahme des Restrukturierungsplans lediglich eine sog. Summenmehrheit und keine Kopfmehrheit in jeder Gläubigerklasse vorgesehen hatte. Diese Reduzierung des Gläubigerschutzes zielt auf eine Klassenbildung in der einige wenige Gläubiger zu Lasten einer Gläubigermehrheit agieren und dabei die eigenen Interessen vor die Interessen dieser Mehrheit stellen. Gerade diese Möglichkeit macht zudem deutlich, wie wichtig die oben geschilderte Prüfung von Stimmrechten ist.  

Die in den Erwägungsründen 28 und 28a sowie den Art. 9-12 formulierten Vorschläge zum Gläubigerschutz bei der Abstimmung über einen Restrukturierungsplan bleiben teilweise zu Lasten betroffener Gläubiger hinter der Vorstellung des Parlaments und sogar hinter dem Entwurf die Kommission zurück und sollten deshalb nicht übernommen werden.    

 

18) Erwägungsgrund 29 Satz 1 / Art. 12 aA

 (Vorbehalt der Zustimmung einer Mehrheit der Gläubigerklassen)

Auch in Erwägungsgrund 29 Satz 1 und Art. 12 übernimmt die aA nicht den vom Parlament in seiner Formulierung des Erwägungsgrundes vorgesehenen Vorbehalt der Zustimmung einer Mehrheit der Gläubigerklassen.

Hier wird stattdessen in Erwägungsgrund 29 Satz 2 und 5 ff. eine alternative Gestaltung vorgeschlagen, die den Mitgliedstaaten mehrere Gestaltungsvarianten einräumt. 

Der durch das Parlament eingeführte Zustimmungsvorbehalt ist jedoch besser geeignet um sicherzustellen, dass tatsächlich nur solche Restrukturierungspläne in die Rechte von Anteilseignern eingreifen, die auch durch die Mehrheit der Gläubigerklassen getragen werden und deshalb eine Aussicht auf Annahme haben.

Demgegenüber eröffnet die von der aA vorgeschlagene Lösung erhebliche Rechtsunsicherheit, wenn sie bei der Beurteilung der Berechtigung von Interventionen aus dem Kreis der Anteileigner auf solche Faktoren wie die Größe, die einschränkende Wirkung auf Anteilseignerrechte oder die Art der Anteilseigner abstellt.

Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass solche Kriterien Anlass zu erheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen bieten werden, deren Klärung schon zum Schutz des Eigentums der Anteilseigner abgewartet werden muss, bevor entsprechende Eingriffe stattfinden.    

Art. 12 Abs. 1 sollte nicht in der von der aA vorgesehenen Fassung umgesetzt werden. Stattdessen sollte die Kommissionfassung in der vom Parlament vorgeschlagenen Weise um einen Zustimmungsvorbehalt für die Mehrheit der Gläubigerklassen ergänzt werden.

 

19) Erwägungsgrund 30c Satz 2 aA (unbekannte Forderungen)

Mit Erwägungsgrund 30c Satz 2 der aA werden erstmals auch unbekannte Forderungen in den möglichen Wirkungsbereich eines Restrukturierungsplans mit einbezogen.

Die betroffene Partei wird in Art. 2 Abs. 3 als ein Gläubiger definiert, dessen Forderungen von einem Restrukturierungsplan unmittelbar betroffen sind. Diese Gläubiger müssen nach Art. 8 Abs. 1c zwar nicht namentlich in einem Restrukturierungsplan genannt werden. Es ist aber notwendig, ihre unter den Restrukturierungsplan fallenden Forderungen im Restrukturierungsplan aufzuführen.

Diese Aufführung stellt sicher, dass alle betroffenen Gläubiger ihren Anteil an der Restrukturierung überblicken und damit auch ermessen können, ob sie im Vergleich zu anderen Gläubigern unangemessen benachteiligt oder beeinträchtigt werden. Eine Feststellung von Mehrheitsverhältnissen, wie sie in Art. 9 Abs.4 für die Annahme des Plans vorgesehen werden, ist ebenfalls nur möglich, wenn alle Forderungen der betroffenen Gläubiger bekannt sind.

Erwägungsgrund 30c Satz 1 und Art. 10 Abs. 2 ab der aA ergänzen deshalb nun auch die Bestätigungsvoraussetzungen um die Maßgabe, dass der Restrukturierungsplan allen betroffenen Parteien im Einklang mit nationalem Recht übermittelt worden ist. 

Erwägungsgrund 30c Satz 2 geht nun aber offenbar davon aus, dass auch unbekannte Forderungen in die Wirkungen des Plans mit einbezogen werden können, weil er den Mitgliedstaaten erlaubt, auch für diese Forderungen eine besondere Form der Übermittlung vorzusehen und damit die Bestätigungswirkungen des Art. 14 Abs. 1 auch für diese Forderungen herbeizuführen.

Dies widerspricht zunächst der oben zitierten Regelung in Art. 8 Abs. 1 c.

Unbekannte Forderungen können per definitionem nicht in einem Restrukturierungsplan aufgeführt werden. Würde dies zugelassen, dann wäre eine abstrakte Beschreibung des Schuldgrundes (z.B. Vertrag) ausreichend für die Erzielung der Planwirkungen und die geschilderten Schutzvorschriften zugunsten der betroffenen Gläubiger wären wirkungslos. Da die betroffenen Gläubiger auch keinen Überblick über die gesamten Verbindlichkeiten des Schuldners haben, könnten sie evtl. Missbrauchsversuchen nichts entgegensetzen. Der Schuldner könnte unbequeme Gläubiger einfach nicht namentlich benennen und ihre Forderungen durch die pauschale Angabe des Schuldgrundes in die Wirkungen des Restrukturierungsplans mit einbeziehen. Betroffene Gläubiger würden erst nach der Annahme des Plans von der Bestätigung Kenntnis erlangen und könnten ihr Abstimmungsrecht nach Art. 9 Abs. 1 nicht wahrnehmen. Im Verfahren der Bestätigung wären sie damit u.U. auch nicht durch Art. 10 Abs. 2b der aA geschützt, der eine Prüfung des Plans nach dem Kriterium des Gläubigerinteresses nur vorsieht, wenn es ablehnende Gläubiger gegeben hat.

Art. 14 Abs. 2 der aA sieht nun zwar vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, dass Gläubiger, die an der Annahme eines Restrukturierungsplans nach nationalem Recht nicht beteiligt waren, von dem Plan nicht betroffen sind. Der von der aA eingefügte Verweis auf das nationale Recht lässt aber die Möglichkeit offen, dass eine nationale Regelung unter bestimmten Umständen auf eine Beteiligung verzichtet. Diese Möglichkeit korrespondiert mit der geschilderten Erstreckung des Restrukturierungsverfahrens  auf unbekannte Forderungen.

Im Ergebnis ist eine solche Erstreckung von Restrukturierungsverfahren auf unbekannte Forderungen strikt abzulehnen, weil sie nicht nur großes Missbrauchspotential eröffnet, sondern auch das Restrukturierungsverfahren in seinen Wirkungen an die Seite eines Insolvenzverfahrens rückt.  Dort gehört die Wirkung für alle Gläubiger zu den grundsätzlichen Prinzipien, die gleichzeitig eine Fülle rechtlicher Schutzvorschriften notwendig machen. Eine Umgehung dieser Schutzvorschriften durch Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens bei gleichzeitiger Äquivalenz der Verfahrenswirkungen an dieser Stelle würde die Frage nach dem Sinn von Insolvenzverfahren aufwerfen.

Erwägungsgrund 30c Satz 2 der aA sollte nicht übernommen werden.   

 

 20) Erwägungsgrund 31 Satz 2 aA (Definition der finanziellen Hilfe)

Mit Erwägungsgrund 31 Satz 2 erweitert die aA die Definition der finanziellen Hilfe um sie von Insolvenzanfechtungsklagen auszunehmen, die zum Ziel haben, solche Finanzierungen in späteren Insolvenzverfahren als die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlungen für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar zu erklären.

Bereits die Einführung einer solchen Ausnahme stößt auf grundsätzliche und berechtigte Kritik, weil sie trotz der beispielsweise im deutschen Insolvenzanfechtungsrecht entwickelten Kriterien des sog. ernsthaften Sanierungsversuchs, die eine ziellose und pauschale Insolvenzanfechtung solcher finanziellen Hilfen verhindern, eine unterschiedslose Verdrängung des nationalen Rechts an dieser Stelle herstellt.

Ihre Erweiterung auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen, zum Beispiel dadurch, dass dem Schuldner ein längerer Rückzahlungszeitraum gewährt wird, erscheint zunächst gerechtfertigt, um eine Gleichstellung der Warenkreditgeber herzustellen. Sie wären ansonsten gegenüber den Finanzkreditgebern in einer möglichen Anschlussinsolvenz erheblich benachteiligt.

Gleichzeitig kann es jedoch nicht richtig sein, allein wegen einer Veränderung von Zahlungsfristen eine Ausnahme von Insolvenzanfechtungen zu postulieren. Hierdurch würden sich enorme Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen. Im Zusammenwirken mit dem Schuldner wären Gläubiger in der Lage, die eigene Situation in einer Anschlussinsolvenz zu Lasten aller anderen Gläubiger schon durch kleinste Zugeständnisse enorm zu verbessern. Unter Androhung einer künftigen erheblichen Verschlechterung von Lieferbedingungen oder sogar der Beendigung von Lieferungen könnten die wesentlichen Lieferanten ihre Aufnahme in einen Plan unter für sie sehr glimpflichen Bedingungen (z.B. geringste Zugeständnisse bei Zahlungszielen) erzwingen, um dadurch für eine Anschlussinsolvenz des Schuldners Vorsorge zu treffen.

Im Übrigen erscheint die Einordnung von verlängerten Zahlungszielen unter den Begriff der Zwischenfinanzierung oder neuen Finanzierung zumindest zweifelhaft, weil hier dem Schuldner keine neuen Mittel zur Krisenbewältigung zur Verfügung gestellt werden.  

In Erwägungsgrund 31 Satz 2 aA sollte die Erwähnung der Gewährung längerer Rückzahlungszeiträume nicht übernommen werden.       

 [1] https://www.vid.de/wp-content/uploads/2017/03/vid-stn-zum-rl-vorschlag-com-2016-723-final.pdf.

https://www.vid.de/wp-content/uploads/2017/06/stellungnahme-axel-w-bierbach-sachverstaendigenanhoerung-20-06- 2017-bruessel.pdf (auch in engl. Sprache verfügbar)

https://www.vid.de/wp-content/uploads/2017/08/vid-aenderungsvorschlaege-zu-com-2016-723-final.pdf (auch in engl. und frz. Sprache verfügbar)

[2] https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/101018_Gesamtbericht_Evaluierung_ESUG.pdf?__blob=publicationFile&v=2

[3] A.a.O. S.31.

[4] A.a.O. S. 80.

[5] S. Gesamtbericht a.a.O. S.139.

[6] S. Gesamtbericht a.a.O S.139.

[7] Der in Art 11 Abs. 2a der aA vorgeschlagene Fairness-Test betrifft ausweislich seines Wortlauts nur ablehnende Gläubiger und kann deshalb auf Anteilseigner nicht angewendet werden.

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