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Stellungnahme:
18.02.2019
Die Verbraucherschlichtung dient grundsätzlich dazu, für den Verbraucher eine im Vergleich zum Klageweg vor den ordentlichen Gerichten kostengünstige, schnelle und ressourcenschonende Alternative zur Verfügung zu stellen.
Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz vom 19.02.2016 (VSBG) wurden erstmalig die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass sich Verbraucher bei Streitigkeiten mit Unternehmern stets an eine – bestimmten Qualitätsanforderungen genügende – Schlichtungsstelle wenden können. [1] Erste Erfahrungen mit der Anwendung des VSBG zeigen, dass in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf besteht, die der Referentenentwurf (nachfolgend RefE) bislang nicht ausreichend berücksichtigt.
Insbesondere in Insolvenzverfahren mit massenhafter Betroffenheit zeigt sich, dass die zuständigen Schlichtungsstellen bereits im Vorfeld des Insolvenzantrages mit einer Vielzahl von Schlichtungsanträgen befasst sind.[2]
Kommt es in der Folge dann zur Stellung eines Insolvenzantrages, stellt sich bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren die Frage, wie sich Schlichtungsstelle, betroffene Antragsteller und vorläufige Insolvenzverwalter im Hinblick auf die laufenden Schlichtungsanträge zu verhalten haben. Die Frage gilt gleichermaßen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wird.
§ 14 Abs. 1 und 2 VSBG sehen bereits heute Gründe vor, die zu einer Ablehnung der Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens führen können. Hintergrund dieser Regelungen war u. a. „die Effizienz der Schlichtungsstelle ab[zu]sichern und die Stelle von Verfahren [zu] entlasten, die sich aus unterschiedlichen Gründen typischerweise für eine Bearbeitung durch die Schlichtungsstelle nicht eignen.“[3]
Die Insolvenz eines Unternehmens vor oder während der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach VSBG stand jedoch nicht im Fokus des Gesetzgebers und erfährt bislang keine gesetzliche Regelung. Lediglich in der Gesetzesbegründung zu § 14 VSBG fand sich der Hinweis: „Die Verfahrensordnung kann auch Fälle von der Bearbeitung ausschließen, die in sonstiger Weise den effektiven Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle ernsthaft beeinträchtigen würden. Denn die Verbraucherstreitbeilegung zielt auf die zügige Beilegung einfach gelagerter, häufig wiederkehrender Streitigkeiten und nicht auf komplexe Tatsachenfeststellungen oder die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen. Buchstaben (…) nennen Regelbeispiele, etwa, dass eine Streitigkeit wegen komplexer Tatsachenfeststellungen mit erforderlicher Beweisaufnahme oder schwieriger rechtlicher Vorfragen (…) oder wegen ungeklärter Rechtsfragen, besser vor Gericht gelöst wird (…). Die Liste der Beispiele ist nicht abschließend; denkbar wäre eine Ablehnung beispielsweise auch bei Insolvenz des Antragsgegners.“[4]
So lässt jedenfalls die Gesetzesbegründung erkennen, dass die Insolvenz des Antragsgegners einer Eignung der Bearbeitung durch die Schlichtungsstelle entgegenstehen kann.
Die Praxis zeigt, dass die Verfahrensordnungen der in der Liste[5] des Bundesamtes für Justiz geführten Schlichtungsstellen den Ablehnungsgrund für den Fall der Insolvenz bislang i.d.R. nicht aufgenommen haben.
Nur teilweise informieren die Schlichtungsstellen außerhalb ihrer jeweiligen Verfahrensordnungen zur Frage, ob ein Schlichtungsverfahren möglich ist, wenn über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. So gibt bspw. die Schlichtungsstelle Energie auf ihrer Homepage an: „Die Insolvenz eines Unternehmens hat im Allgemeinen zur Folge, dass der Schuldner (in diesem Fall der Gas- oder Stromanbieter) über sein Vermögen nicht mehr verfügen darf, sondern ein Insolvenzverwalter eingesetzt wird, der alle Entscheidungen trifft. Daher kann ein insolventes Unternehmen auch eine Schlichtungsempfehlung nicht mehr selbst anerkennen. Der Insolvenzverwalter ist an die Insolvenzordnung gebunden und daher ebenfalls in seinem Handlungsspielraum beschränkt. Das Schlichtungsverfahren kann in diesen Fällen nicht mehr zu einer einvernehmlichen Lösung führen. Aus diesem Grund wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Schlichtungsverfahren mehr durchgeführt. Als ehemalige Kunden eines insolventen Gas- oder Stromanbieters haben Verbraucher jedoch weiterhin die Möglichkeit, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden.“[6]
Neben einer fehlenden (gesetzlichen) Regelung zur zwingenden Ablehnung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betroffenen Unternehmens, fehlt es an einer gesetzlichen Regelung für die Fälle, in denen durch das betroffene Unternehmen während eines laufenden Schlichtungsverfahrens ein Insolvenzantrag gestellt wird. Die Tätigkeitsberichte der Schlichtungsstellen zeigen, dass insbesondere in Insolvenzfällen mit massenhafter Betroffenheit wie bspw. im Bereich des Luftverkehrs und der Energie bereits an dieser Stelle ein erheblicher Mehraufwand für die Schlichtungsstellen besteht[7]. So sind aktuell allein ca. 6.000 Schlichtungsverfahren zur Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV)[8] bei der Schlichtungsstelle Energie anhängig.
Dass die Schlichtungsstellen Fälle laufender Schlichtungsverfahren aufgrund des Insolvenz(eröffnungs)verfahrens bereits heute vorzeitig abschließen (wollen), zeigt bspw. der Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP). Diese berichtete für das Jahr 2017 zur Ursache des Anstiegs abgeschlossener Fälle: „Der Anstieg (…) ist im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen: Die Vielzahl der zur Effizienzsteigerung umgesetzten Maßnahmen (…) und die aufgrund einer Insolvenz eines Mitgliedsunternehmens im Bereich Flug vorzeitig abzuschließenden Schlichtungsanträge.“ [9]
Der Umstand, dass sich ein Unternehmen vor, bzw. während eines Schlichtungsverfahrens im Insolvenz(eröffnungs)verfahren befinden kann, findet im VSBG bisher nicht ausreichend Berücksichtigung. Die Praxis zeigt jedoch, dass eine einheitliche gesetzliche Regelung zum Umgang mit laufenden Schlichtungsverfahren sowohl im Insolvenzeröffnungs-, als auch im späteren Insolvenzverfahren dringend notwendig ist. Dies schafft Rechtssicherheit nicht nur auf Seiten der Verbraucher und der (vorläufigen) Insolvenzverwalter, sondern führt auch dazu, unnötigen Personal- und Ressourcenaufwand der Schlichtungsstellen zu vermeiden.
Aufgrund der insolvenzrechtlichen Besonderheiten[10] steht das Insolvenz(eröffnungs)verfahren über das Vermögen des Antragsgegners der Eignung einer Bearbeitung von Streitigkeiten durch die Schlichtungsstelle entgegen.[11] Dies nicht nur in Fällen, in denen das Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (§ 80 InsO). Auch in den Fällen, in denen der Insolvenzantrag gestellt wurde und im Insolvenzeröffnungsverfahren zunächst geprüft wird, ob ein Insolvenzgrund besteht und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden, ist die (weitere) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nicht zielführend i.S.d. VSBG.
Es sollte daher ausdrücklich gesetzlich klargestellt werden, dass
[1] RefE, Seite 1.
[2] Vgl. Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle Energie 2017, S. 1 zur Insolvenz eines Energieversorgers.
[3] Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, BT-Drucksache 18/5089 vom 09.06.2015, zu § 14 Abs. 2 (nach Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses § 14 Abs. 1), S. 60.
[4] Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, BT-Drucksache 18/5089 vom 09.06.2015, zu § 14 Abs. 2 (nach Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses § 14 Abs. 1), S. 61.
[5] https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Verbraucherstreitbeilegung/Verbraucherschlichtungsstellen/Uebersicht_node.html.
[6] https://www.schlichtungsstelle-energie.de/insolvenz-des-anbieters.html.
[7] Vgl. Tätigkeitsbericht 2017 der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP), Seite 17 zur Insolvenz eines großen deutschen Flugunternehmens, abrufbar unter:
https://soep-online.de/assets/files/-s%C3%B6p_Jahresbericht%202017_V.pdf;
Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle Energie 2017 zur Insolvenz eines Energieversorgers, S. 1 f.
[8] Auskunft des vorläufigen Insolvenzverwalters Axel W. Bierbach vom 14.02.2019.
[9] Tätigkeitsbericht 2017 der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP), Seite 9.
[10] Vgl. u. a. Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) und Rückschlagsperre (§ 88 InsO).
[11] Bereits heute regelt § 240 ZPO, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen wird, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.